Schliemanns Erben
Roms Limes im Orient
Wir schreiben das Jahr 64 vor Christus. Pompejus der Große schlägt die Truppen des syrischen Herrschers Antiochos XIII. vernichtend und gründet am Euphrat die römische Provinz Syria. Durch ein über 1000 Kilometer langes Straßensystem erschlossen die Römer das eroberte Gebiet und sicherten es mit einem Limes aus Wehrtürmen, Militärlagern und Kastellen. Bis heute sind der genaue Verlauf und die Schutztechniken des Limes weitgehend unbekannt. Aufgrund der riesigen Wüstensteppen, der abwechselnden Gebietsgewinne und Rückzugsgefechte Roms gegen die Großreiche des Orients, konnte der Limes im Osten kein durchgehender Schutzwall sein, wie die Westgrenze in Germanien. Und doch gelang es den Römern, ihre Vormachtstellung im Nahen Osten über fast 700 Jahre zu behaupten.
Das Team des Berliner Professors Günther Schauerte gräbt in der von Pompejus eroberten Stadt Gadara im heutigen Jordanien. Mit seinen Tempeln, Theatern und prunkvollen Stadttoren war Gadara eine reiche Perle Roms, die beschützt werden musste. Schauerte findet rätselhafte Kugeln aus Blei und Basalt - römische Munition - und belegt, dass es römische Bauherren waren, welche die Mauern der vormals griechischen Stadt massiv verstärkt hatten. Das ZDF-Team von "Schliemanns Erben" erhält trotz der angespannten politischen Lage die Ausnahmegenehmigung zur Lufterkundung in Jordanien, mit an Bord gehen Schauerte und sein australischer Kollege Prof. David Kennedy - Startpunkt: Jerash, das antike Gerasa. Die Wissenschaftler erkunden aus der Luft das besterhaltenste Kastell des Römischen Reiches überhaupt, Qasr Bushir. Mitten in der Wüste entdecken sie aus dem Helikopter den Verlauf der einst bedeutenden Römerstraße Nova Trajana - ein steinerner Highway der Antike, heute beinahe völlig vom Sand verweht.
Die römischen Heer- und Handelsstraßen am Boden aufzuspüren, ist das Ziel von Dr. Theodor Kissel. Von der syrischen Prachtstadt Palmyra aus startet das Team von "Schliemanns Erben" zu einer Wüstenexpedition, ein Einheimischer weist den Weg. Ein abrupter Halt der Jeeps: Mitten aus dem Sand ragen die Meilensteine der Strata Diocletiana. Weiter nördlich hat ein altes römisches Truppenhandbuch Dr. Andreas Oettel auf die Spur einer römischen Reiterlegion gebracht. Doch jetzt ist die Militärstation von einem riesigen Stausee verschluckt, ihre Wehrmauern sind überflutet - nur einen Satz römischer Münzen konnte der Berliner Wissenschaftler retten. In der Nähe ist der Archäologe Dr. Markus Gschwind einem römischen Kastell am Euphrat mit den modernsten Computer-Modellierungen auf der Spur. Die Legionäre hatten es geräumig - am Bildschirm erschienen die Umrisse umfangreicher Soldatenbaracken. In der nahe gelegenen Monumentalanlage von Dura Europos entdeckt der in Damaskus tätige Archäologe zahlreiche Spuren aus der Schlacht gegen den mächtigen Perserkönig Shapur I., dem es als einzigem Herrscher der Geschichte überhaupt im Jahr 260 nach Christus gelungen war, mit Valerian einen römischen Kaiser gefangen zu nehmen.
Nur mit den alten Karten eines Pioniers der Luftbildarchäologie - des Jesuitenpaters Antoine Poidebard - (1878-1955) bewaffnet, darf das Team von Schliemanns Erben in Begleitung des Wissenschaftlers an Bord eines syrischen Militärhelikopters steigen, um den Euphrat-Limes aus der Luft zu enträtseln. Entlang der Ufer des großen Stroms entdeckt Gschwind die verschobenen Linien von Grenzkastellen: hier war ein zentraler Schauplatz dramatischer Rückzugsgefechte Roms gegen die orientalischen Großreiche der Perser und Parther. In einem einsamen Landstrich liegt ein prächtiges Wüstenschloss der Omaijaden aus dem 7. Jh. Aus der Luft erkennt Gschwind: Das Araberschloss hat einen viereckigen Grundriss. Wusste die mächtigste Dynastie der arabischen Eroberer die römische Verteidigungstechnik zu schätzen und hatte direkt auf einem Römerkastell aufgebaut? Orientalische Zeugnisse für Aufstieg und Fall des römischen Imperiums - Schliemanns Erben legen sie frei.