Wie aus Galliern Römer wurden - Leben im römischen Reich
"Ganz Gallien ist von den Römern besetzt, und kein kleines Dorf leistet Widerstand!" Mit diesem humorvollen Aufhänger bewirbt der Klett-Cotta-Verlag Helga Botermanns Werk. Die Althistorikerin vertritt die These, dass die durch Cäsar 50 v.Chr. endgültig unterworfenen keltischen Stämme weitgehend freiwillig die römische Kultur und Verwaltungsstruktur annahmen - eine mutige These und ein ambitioniertes Projekt. Die überwiegend chronologische Gliederung und eine allgemein verständliche Sprache - ergänzt um ein Glossar althistorischer und archäologischer Fachbegriffe - sorgen jedoch dafür, dass die Leser nicht in der von Botermann aufbereiteten Informationsflut ertrinken.
So erfahren wir, dass die Romanisierung Südgalliens bereits um 125 v.Chr. beginnt, ausgelöst durch die militärische Unterstützung des römischen Handelspartners Massilia (Marseille). Konsequent spinnt Helga Botermann den roten Faden weiter am Beispiel der Provinz Narbonensis. Geografisch günstig gelegen - entlang der Mittelmeerküste zwischen Alpen und Pyrenäen, begrenzt durch Garonne und Rhônetal sowie sich im Norden bis zum Genfer See erstreckend - ermöglichte sie den Römern Zugang nach Spanien auf dem Landweg und diente gleichzeitig als Pufferzone gegen aus dem Norden einfallende Stämme. Der Verwaltungsstruktur dieser wichtigen frühen römischen Provinz Galliens ist ein eigenes Kapitel gewidmet. So kam die römische Strategie, seinen Provinzen eigene städtische Repräsentationen zuzugestehen, dem keltischen Adel entgegen und sorgte dafür, dass die römische Kultur von der Oberschicht angenommen wurde. In weiteren Kapiteln werden die Themen Kaiserkult, Götterverehrung sowie Gesellschaftsstruktur der gefestigten gallorömischen Gesellschaft mit reichhaltigen Quellennachweisen behandelt.
Problematisch ist allerdings die Vielzahl der zitierten Inschriften, die definitiv eine historische Hauptquelle darstellen, teilweise aber den Spaß am Buch trüben und den Lesefluss bremsen, denn sie sind nur bedingt von Interesse, um gemachte Aussagen zu untermauern.
Auch scheint bei allem Bemühen um Objektivität immer die Begeisterung der Autorin für die römische Kultur und deren Errungenschaften durch. Und hier stoßen wir wieder auf eines der Hauptprobleme der Geschichtsschreibung und -rezeption: Es ist die Geschichte der Sieger, die uns überliefert wurde. Allzu detaillierte Aussagen, z.B. über im gallo-römischen Gebiet fortlebende keltische kulturelle Eigenarten, liefert das Buch nicht, kann es vielleicht aber auch nicht liefern.
Fazit: Wer sich für die Antike, vor allem für römische Geschichte interessiert, kann sich auf ein äußerst lesenswertes, komplexes Buch mit zahlreichen Quellenverweisen freuen.