Bereits ein oberflächlicher Blick in das Heft zeigt, dass hier Interessierte an Brettchenweberei und experimenteller Archäologie enttäuscht werden.
Abgesehen vom Stil entbehrt schon alleine die Form jeglichen Anspruches, sich mit dem Begriff "experimentelle Archäologie" zu schmücken. Bereits die lückenhafte (es fehlen mindestens 2! Standardwerke) und dann noch fehlerhaft (mehrfache Fehlschreibung einer Autorin) dargebrachte Literaturliste zieht einen ernsthaften wissenschaftlichen Forschungszweig förmlich durch den Dreck.
Zahlreiche der Fotografien sind teils nicht aussagekräftig, teils irrelevant oder zeigen gar falsche Techniken. Die übrigen Abbildungen sind - mehr oder weniger zweckdienlich - deutlich besseren Publikationen entnommen.
Hinzu kommen völlig fehlplazierte Schleichwerbung für eine Rittergruppe sowie zahlreiche Recherchefehler. Zu diesen zählen altägyptische "Brettchenwebereien", ein Trugschluss, der bereits seit Jahrzehnten aufgeklärt ist. Dann wird in der Abteilung "Sticken" munter die nicht (hoch-)mittelalterliche Kreuzstichstickerei fotografisch dokumentiert - ebenso die Abbildung eines modernen Spinnrades.
Als einzige Technik wird das Brettchenweben erklärt - wie bereits erwähnt mit "geliehenen" Abbildungen. Die zur Verfügung gestellten Muster sind nicht historisch korrekt und bewusst einfach und "gering" gehalten. Zwar nett, aber gerade bei der ßberschrift "experimentelle Archäologie" erwartet man auch historische Muster zum Nacharbeiten oder wenigstens eine Abbildung einer Rekonstruktion von diesen.
ßbrige Techniken wie Spinnen, Sticken, Gewichtwebstuhl und Nadelbinden werden angerissen - aber nur als allgemeine Zusammenfassung von Zusammenfassungen oder eigenen Vorstellungen gespickt mit vielen Fotos und Bildern. Ein Nacharbeiten ist damit (zum Glück) nicht möglich.
Fazit: In dem Buch wird der Begriff "experimentelle Archäologie" entwürdigt. Es gibt sehr gute und ernstgemeinte Publikationen zur experimentellen Archäologie, die auch wirklich das zwischen den Umschlagdeckeln haben, was draufsteht. Anscheinend kann sich jetzt jeder, der eine Abbildung eines Gewichtwebstuhls und der Grabkammer von Hochdorf irgendwo unterbringt, sich des Ausübens experimenteller Archäologie loben und wird verlegt.
Bereits die Formfehler hätten vor Verlegung des Buches einer deutlichen ßberarbeitung bedurft - auch wenn der Verleger keinerlei Einblick in die im Buch besprochene Materie hat.
Lesinski mag eine Liebhaberin historischer Handarbeitstechniken sein und als solche schöne Dinge fertigen, aber selbst der Begriff "Liebhaberbuch" und die Floskel "erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit" entschuldigen nicht die Veröffentlichung dieses Buches unter dem Deckmantel der experimentellen Archäologie. Hier wäre der Ausdruck "Schuster, bleib bei deinen Leisten" bzw. "Weber, bleib bei deinen Brettchen" besser ernstgenommen worden.
Die offensichtlich vorhandene persönliche Begeisterung für ihr Thema (Hobby) und handwerkliche Fähigkeiten der Autorin ersetzen leider nicht Recherche und publikationsreife Ausarbeitung.