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Liana Castelfranchi Vegas (Hrsg.)

Europas Kunst um 1000

€ 0,00 - Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2001
3-7954-1415-6

"Eine Untersuchung zur europäischen Kunst zwischen 950 und 1000"

Rezension: Nikolaj Thon  Profil   Nachricht Bitte einloggen, um Nikolaj Thon eine Nachricht zu schreiben.

Eine Untersuchung zur europäischen Kunst zwischen 950 und 1000

In deutscher ßbersetzung von Franziska Dörr liegt hier die im italienischen Original im Jahre 2000 in Mailand erschienene Untersuchung zur europäischen Kunst zwischen 950 und 1000 vor, die in vier Abschnitten mit jeweils mehreren Beiträgen verschiedener Autoren einen ßberblick über die wesentlichen Bereiche der europäischen Kunst der ottonischen Zeit versucht. Der "Kunst im Heiligen Römischen Reich" (S. 11-130), "im französischen Königreich" (S. 131-160), "in Südengland und Flandern" (S. 161-198) und schließlich "in Nordspanien" (S. 199-232) sind diese einzelnen Abschnitte gewidmet, d.h. es bleiben nicht nur Randgebiete wie etwa der skandinavische oder der keltische (Irland und Wales) Raum ausgespart, sondern in der hier zu Grunde liegenden - allerdings nicht nur von dieser Herausgeberin vertretenen - Sichtweise gehören offensichtlich der byzantinische wie der osteuropäische Bereich nicht zu Europa ...
Trotzdem spielt natürlich das Oströmische Reich eine große Rolle für die genannte Periode westeuropäischer Kunst, sei es als Inspirator der jungen einheimischen Künstler, sei es auch durch eine Reihe von bedeutenden Kunstwerken, die direkt aus Byzanz kamen, und zwar keineswegs immer als "Geschenke der zahlreichen politischen Gesandtschaften und Heiratsbotschafter" (S. 27). So ist gerade die dort angeführte so genannte "Limburger Staurothek" in Wahrheit kein Geschenk aus dem Jahre 965, sondern eindeutig ein Beutestück des berüchtigten Vierten Kreuzzuges, das wohl auch jünger sein dürfte als hier datiert.

Auch sonst wird an mehreren Stellen von den Autoren dieses Buches der um 1000 immer noch mächtige byzantinische Einfluss eher minimiert, wohl um so die Eigenständigkeit der aufkeimenden abendländischen Kunst herauszustellen. Damit soll diese in ihrer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung des Okzidents nicht gering geschätzt werden, aber schon die bildlichen Zeugnisse zeigen, dass weite Teile des kontinentaleuropäischen Westens, besonders des Heiligen Römischen Reiches, doch eindeutig unter dem Einfluss der Bildwerke standen, die aus der Kaiserstadt am Bosporus oder ihrem kulturellen Umland stammten. Dies zeigt ein Vergleich mit der nordspanischen Kunst deutlich, die wesentlich stärker eigene künstlerische Traditionen und eine unverkennbare Bildsprache aufweist; ein Vergleich mit der keltischen, besonders irischen Kunst der Zeit, die hier leider ausgespart ist, hätte ßhnliches erwiesen.

Doch soll diese Kritik nicht den Wert der Publikation in Frage stellen: Für eine gegenüber der vorhergehenden karolingischen wie auch der späteren hochmittelalterlichen Zeit weitgehend von der Kunstgeschichte vernachlässigte Periode wird eine weitgespannte bildliche Dokumentation vorgelegt, die auch mit im allgemeinen guten Erklärungen einhergeht. So findet man hier alle Meisterwerke der Zeit aus dem heutigen Deutschland, aus dem nördlichen Italien und weitgehend auch Frankreich vereinigt und kann sich dank der ausgezeichneten Reproduktionen an den Abbildungen erfreuen: Sie sind wirklich von bemerkenswerter Qualität und rechtfertigen den ja nicht ganz geringen Preis der Publikation.