Ob wir es uns bewusst machen oder nicht: Geschichtsschreibung ist traditionell männlich. Je weiter wir in die Vergangenheit gehen, desto mehr sind wir auf Quellen angewiesen, die männliche Sichtweisen innerhalb einer patriarchalischen Gesellschaftsstruktur wiedergeben. Das römische Reich mit seinen vielfältigen kulturellen Ausprägungen bildet da keine Ausnahme.
Rottloff hat sich mit diesem Buch die Aufgabe gesetzt, weibliche Lebensbilder aus dem herauszuarbeiten, was Archäologie und schriftliche Quellen uns hinterlassen haben. Sinnvollerweise erhebt sie keinen (unrealistischen) Anspruch auf Vollständigkeit, sondern schreibt in dem Bewusstsein, mehr oder weniger repräsentative Fenster in die Leben von Römerinnen vor 2000 Jahren zu öffnen.
Die Gliederung des umfangreichen Materials ist durchdacht und sorgt für einen guten Lesefluss. Die Autorin beginnt mit den Lebenserfahrungen der Kindheit/Jugend, gefolgt von Rollen des Erwachsenenlebens: Ehealltag, Großgrundbesitzerinnen, Göttinnen und Heilige (wobei auch Interessantes über das Christentum in der Spätantike zu erfahren ist). Weitere Kapitel sind berufstätigen Frauen in der Kaiserzeit, Frauen in den Provinzen und Sklavinnen gewidmet. Erst im letzten Viertel des Buchs geht die Archäologin und Historikerin auf Außenseiterrollen wie die der Schankmädchen, Tänzerinnen, Prostituierten und Gladiatorinnen ein.
Auch wenn die Autorin als einen Forschungsschwerpunkt Gender Studies nennt, sind ihre Texte nie polemisch, sondern bezeugen ein deutliches Interesse an der gesamten römischen Gesellschaft. Diese gelungene Einbettung in den Gesamtkontext, zahlreiche hochwertige Farbabbildungen sowie der zugängliche Schreibstil von Rottloff machen die "Lebensbilder" zu einem echten Lesevergnügen, ohne dass die Materie dem Leser in populistischer Weise angedient wird. So ist das 14 Seiten umfassende Literaturverzeichnis eine wertvolle Quelle für jeden, der weiter recherchieren möchte, also gerade für historische Darsteller.
Frau - in diesem Fall die Rezensentin - möchte die "Lebensbilder römischer Frauen" insbesondere all jenen gerne als Pflichtlektüre verordnen, die im Rahmen ihrer historischen Darstellung die Römerzeit konsequent auf die Vorführung des Militärlebens reduzieren.
Es ist auf jeden Fall eine Bereicherung des Literaturkanons über die römische Antike und absolut zu empfehlen.