Die Quitzows: Allein der Name dieses niederadligen Rittergeschlechtes, allein das rot-weiße Wappen mit den Sternen war um die Wende vom 14. und 15. Jahrhundert geeignet, unter der Bevölkerung der Mark Brandenburg - und darüber hinaus - für Angst und Schrecken zu sorgen: Kein Winkel insbesondere der Mittelmark, keine der bedeutenden Städte, nicht einmal das mächtige Berlin-Cölln, war sicher vor den Nachstellungen der Brüder Dietrich und Johann von Quitzow aus der Linie Eldenburg: Schon fast archetypische Raubritter, die sich für einige wildbewegte Jahre zu faktischen Herren der Mark aufschwingen konnten.
Im 19. Jahrhundert, der Hochzeit der märkischen Regionalforschung, sind ganze Regale mit Quitzow-Literatur gefüllt worden. Stellvertretend sei nur Karl Friedrich von Klödens episch-romantisches Werk "Die Quitzows und ihre Zeit" von 1836 genannt. Die historische Forschung hat seitdem nun aber entscheidende Fortschritte gemacht, so daß es höchste Zeit wurde für eine zeitgemäße Arbeit über dieses bedeutende Adelsgeschlecht. Jan Feustel hat sich jetzt dieser Aufgabe unterzogen und herausgekommen ist keine behebig-quellenkritische Abhandlung, sondern ein munter dahinplauderndes Bändchen von 120 Seiten, das die Berliner Reihe "Im Spiegel der Zeit" eröffnet.
Feustel schildert die Geschichte der Herren von Quitzow von der Landnahme der Edlen Gans von Puttlitz in der Prignitz im Zuge des Wendenkreuzzuges von 1147 an und kommt dann rasch auf die ersten urkundlich nachweisbaren Quitzows in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts zu sprechen. Von genealogischer Vollständigkeit kann zwar nicht ansatzweise die Rede sein, doch liegt hier auch nicht das Anliegen des Verfassers. Stattdessen geht er auf sozialgeschichtliche Fragestellungen wie die nach dem Alltagsleben eines kleinen ministerialen Adelsgeschlechtes in dieser Zeit ein, das sich von der Bauernexistenz noch sehr wenig unterschied.
Breiten Raum nimmt naturgemäß die Zeit der Brüder Dietrich und Johann und damit der Beginn des 15. Jahrhunderts ein, als auf die schwachen Wittelsbachischen Markgrafen die an den Geschicken der Mark wenig interessierten Luxemburger gefolgt waren und das Land unter der Hauptmannschaft der Vertrauten des Jobst von Mähren an den Rand der Anarchie - und zeitweise darüber hinaus - taumelte. Durch finanzielle Potenz, geschickte Bündnispolitik und schließlich durch blanke Waffengewalt gelang es Cuno dem Alten von Quitzow und stärker noch seinen Söhnen, erst zum an den Handelsstraßen allgegenwärtigen Profiteur, dann zum Zünglein an der Waage und am Ende - eingesetzt und erbeten gerade von den Feinden, den Städten unter Führung Berlins - zu den eigentlichen Herren der Mark Brandenburg aufzusteigen. Die Quitzows waren dabei durchaus bemüht, den Frieden im Innern zu wahren und deren Interessen militärisch nach außen zu vertreten. Kritisch hat Feustel hier die patriotischen Töne der älteren Literatur gegen das tatsächliche Verhalten der Quitzows abgewogen.
Einen erst allmählich empfundenen Einschnitt bedeutete die ßbergabe der Mark an den Burggrafen Friedrich von Nürnberg aus dem Geschlecht der Hohenzollern, der seit 1411 energisch in die verworrenen Zustände eingriff und den Quitzows an ihre wichtigste Machtgrundlage, ihren Burgenbesitz ging.
Nich uninteressant und ein durchaus positiver Aspekt der Arbeit ist der Ansatz Feustels, sein Interesse an den Quitzows nicht in dem Augenblick fallen zu lassen, in dem sie von der Bühne der großen Politik abtreten, sondern der Spur der Angehörigen dieses Geschlechtes, nunmehr umsichtige Gutsherren, weiter zu folgen durch die frühen Jahrhunderte der Neuzeit bis zum Aussterben des Geschlechtes.
"Die Quitzows" von Jan Feustel ist zu einem überaus lesenswerten, unterhaltsamen kleinen Büchlein geraten, das sich auch für einen jeden anbietet, der gerne einmal erfahren möchte, wie "der kleine Adel" in Mittelalter und früher Neuzeit denn nun eigentlich gelebt und gehandelt hat.