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Michael T. Clanchy

Abaelard - Ein mittelalterliches Leben

€ 39,90 - Primus-Verlag, Darmstadt 1999
3-89678-214-2

"Das bewegte Leben des Abaelard"

Rezension: Simone Janson   Nachricht

Das bewegte Leben des Abaelard

Der heute in Vergessenheit geratene Peter Abaelard war einst der berühmteste Mann seiner Zeit. Sein turbulentes Leben liest sich fast wie ein Groschenroman. Um 1079 wurde er in Le Pallet bei Nantes geboren und beschäftigte sich bereits früh mit Theologie, Philosophie und Latein. Etwa im Jahre 1100 kam er nach Paris um sich fortzubilden. In den folgenden Jahren verließ Abelard mehrmals Paris, kehrte aber immer wieder zurück um zu studieren, bald selbst zu unterrichten und gelehrte Dispute zu führen. 1114 wurde er schließlich Magister an der Domschule von Notre-Dame, ein Titel, der im 12. Jahrhundert sehr in Mode kam und nicht nur an Schulen sondern auch als Bezeichnung für Handwerksmeister verwendet wurde.

1117 kündigte sich das sprichwörtlich einschneidenste Erlebnis in Abaelards Leben an. Er wohnte im Hause von Fulbert, Kanonikus von Notre-Dame und lernte dort dessen Nicht Heloise kennen, die er alsbald verführte. Ungeklärt ist, ob die beiden heirateten, sicher ist hingegen der gemeinsame Sohn Astrolabius, nach dessen Geburt Abelard seine Geliebte in ein Kloster abschob. Heloises Verwandtschaft rächte sich grausam: Sie kastrierten Abealard und brachen damit eine Blutfehde vom Zaun, der Abaelard nur Flucht in die Abtei von St. Denis entkommen konnte. Durch eine Predigt ist uns überliefert, daß er Mönche für spirituelle Eunuchen hielt und daher das Kloster sein ideales Refugium sei. Er stellte nun seine ganze Energie in den Dienst der Religion. Seiner Meinung nach war das Christentum die vernünftigste aller Religionen, der Inbegriff der Logik. Eines der orginellsten Bücher des 12. Jahrhunderts, die "Abhandlung über die Theologie" brachten Abaelard Ruhm, aber auch eine Verurteilung als Häretiker ein.

Etwa im Jahr 1132 schrieb Abaelard seine Biographie, in der er sich als vollendeter Egoist präsentiert: alles was er tut, ist wichtig und interessant. Jede Person die er trifft, auch Heloise, existiert nur im Licht seiner eigenen Größe. 1140 wurde er schließlich vom Papst als Ketzer verurteilt und nur durch Petrus Venerabilis, Abt von Cluny, der ihn in sein Kloster aufnahm, gerettet, wo er zwei Jahre später starb.

Das interessante an dieser Biografie sind die starken Widersprüche dieser Person: Zum einen war er ein berühmter Wissenschaftler und kritischer Intelektueller, zum anderen ein wandernder Scholar, Höfling und Possenreiser. Einigen Zeitgenossen galt er als der Sokrates Frankreichs, anderen als ihr Aristoteles, zu dem Gelehrte aus ganz Europa strömten. Ein anderer Aspekt ist die Beziehung zu Heloise, die auch nach der Kastration nie abriß, wie die Briefe der beiden beweisen. Im Gegenteil, Heloise hatte einen starken inspirierenden Einfluß auf Abaelard. Aber dieses Buch leistet viel mehr, als nur die reine Lebensgeschichte des Denkers zu vermitteln. Es stellt die Biografie direkt in den Kontext seiner Zeit. Immer in direktem Bezug zu Abaelards Lebensgeschichte wird auf berühmte Zeitgenossen, politische Ereignisse oder sozialgeschichtliche Aspekte wie Blutfehden, Häretikerprozesse oder die Schriftkultur ausführlich eingegangen. Darüber hinaus vermittelt das Buch eine guten Eindruck von der Denkweise und Philosophie des 12. Jahrhunderts und ihrer Vorgänger.

Dennoch wirkt der Text nie unübersichtlich der weitschweifig, ist sinnvoll gegliedert, leicht verständlich und nicht ohne Wortwitz. Zahlreiche Zitate von Abaelard und seinen Zeitgenossen geben dazu ein authentisches Bild des 12. Jahrhunderts wieder.