Eintrag #1 vom 19. Jan. 2011 21:38 Uhr
Marian
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Guten Abend.
Aus aktuellem Anlass (ja, es ist Erkältungszeit) stellte sich mir die Frage, ab wann Taschentücher im HRR im Mittelalter bekannt sind. Bei meinen Recherchen bin ich auf widersprüchliche Aussagen gestoßen, die ich hier zusammentragen und vor allem zur Diskussion stellen möchte:
- Benediktsregel, Kapitel 55: Die Rede ist von einem „mappulum“ für jeden Mönch. Mein guter Stowasser gibt für „mappa“ die Übersetzung „Abwischtuch, Serviette“ an; „mappulum“ wäre also eine kleine Serviette oder ein „Abwischtüchlein“. Meine Benediktsregeübersetzung von Pius Bihlmeyer gibt „Tüchlein“ an. Stellt sich die Frage, was man mit dem Tüchlein getan hat und was Benedikt mir „mappulum“ meint.
- Ulrich Lehnart erwähnt in seinem werk „Kleidung und Waffen der Früh- und Hochgotik 1150-1320“ auf Seite 45 ein Taschentuch, ohne genauere Angaben zu machen, es wird auch nur am Rande genannt.
- Ingrid Loschek spricht in „Accessoires“ davon, dass sich aus römischen Mund- und Mehrzwecktüchern (oraria und mappae) in Byzanz liturgische und zeremoniale Kleidungsbestandteile wurden, sich deren Weg im Westen jedoch nach den Römern nicht mehr nachvollziehen lässt, wahrscheinlich aber als profanes Kleidungsstück wegfällt. Ab dem 11. Jh. seien allerdings Tücher als Liebespfand bekannt, wobei sich erneut die Frage stellt, was das für ominöse Tücher sind. Für die erste Hälfte des 15. Jh. seien verschiedenste „Etiketttücher“ in italienischen Inventarlisten zu finden. Sie nennt „sudarioli (Schweißtücher), paneti und drapeselli (Tüchlein), paneti da naso (Nasentücher), paneti da copa (Halstücher) und fazzoletto (Ziertücher)“. Eigentliche Taschentücher seien die drapselli (franz.: pochette), ein solches sei „bereits 1387 im Trousseau von Königin Isabeau de Bavière (Elisabeth von Bayern) erwähnt“. Aber was sind dann die „paneti da naso“, also die Nasentücher?
- Hans Conrad Zander spricht in seinem Buch „Warum waren die Mönche so dick?“ davon (ich muss aus dem Gedächtnis zitieren, das Buch ist gerade verliehen), dass Ignatius von Loyola in den Jesuitenklöstern im 16. Jahrhundert noch Wassernäpfe für die Nasenreinigung habe anbringen lassen, weil er sich am wie bis dahin üblichen In-den-Ärmel-Schneuzen gestört habe.
Was sagen denn die Tischzuchten zu dem Thema? Oder die Luxusverordnungen? Gibt es vielleicht Bildbelege oder schriftliches Quellenmaterial?
Vielen Dank und Gruß,
Marian
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Eintrag #2 vom 20. Jan. 2011 15:34 Uhr
Benedikt
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Die Templerregel erwähnt ein Tischtuch (§140), welches in der Übersetzung von Upton-Ward als Serviette/Mundtuch (napkin) bezeichnet wird. Bei Körner wird es nicht übersetzt.
Es gehörte aber zur persönlichen Ausrüstung, war also wohl kein großes Tischtuch für den Tisch insgesamt.
Es war ferner Bestandteil einer Buße, ohne dieses Tuch essen zu müssen (§270f).
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Eintrag #3 vom 30. Jan. 2011 13:02 Uhr
Marian
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Guten Tag.
Vorgestern bin ich zufällig im Stowasser auf das Wort "sudarium" (lat. sudere = schwitzen) gestoßen.
Als Übersetzung wird "Schweißtuch, Taschentuch" angegeben; verwendet von Petron (1. Jh. nach Christus) und Alii, also anderen, nicht näher bestimmten im Mittellateinischen.
Gruß,
Marian
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Eintrag #4 vom 30. Jan. 2011 21:36 Uhr
Sebastian
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In den Regensburger Konstitutionen der Augustiner-Eremiten von 1290 heißt es:
176. Sudaria autem, quae aut pro sudore detergendo seu pro quavis alia causa deferunt Fratres, non a collo vel a scapulis, sed a cingulo tantum dependeant; quae linea simpliciter esse mandamus, ut in eis nihil albo colori contrarium misceatur.
Meine Übersetzung dazu:
(Schweiß)Tücher aber, die die Brüder entweder zum Abwischen des Schweißes oder aus jeglichen anderen Grund herumtragen, sollen sie nicht am Hals oder den Schultern, sondern vielmehr am Gürtel tragen; wir legen fest, dass sie einfach aus Leinen gemacht sein sollen, damit sich in sie nichts der weißen Farbe entgegengesetztes mische.
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Eintrag #5 vom 12. Feb. 2012 22:25 Uhr
Corinna
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Hallo zusammen,
ich wollte mal anfragen, ob es schon irgendwelche neuen Erkenntnisse zu dem Thema gibt? Bzgl. „Nase-putzen“ fällt mir z.B. spontan Tannhäusers Tischzucht aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ein, in der darauf hingewiesen wird, dass man weder ins Tischtuch noch in die Hand schnäuzen sollte („…Der riuspet, swenne er ezzen sol, und in daz tischlach sniuzet sich, diu beide ziment niht gar wol, als ich des kan versehen mich…“ etc). Diese Empfehlung spräche ja nun eher dagegen, dass Taschentücher ein üblicher Gebrauchsgegenstand waren, da man sonst ja ein solches hätte benützen können und die Anweisung damit hinfällig wäre. Andererseits wird in dem Buch „Die deutsche Literatur im späten Mittelalter 1250-1370, Zweiter Teil, Ingeborg Glier (Hrsg.), Reimpaargedichte, Drama, Prosa“ unter Bezugnahme auf ebendiese Tischzucht hervorgehoben, dass es sich bei derartigen Geboten möglicherweise um eine Variante des mittelalterlichen Küchenhumors handeln könnte, was wiederum in Frage stellt, in wie weit das kritisierte Fehlverhalten in der Realität überhaupt vorkam… Weiß jemand inzwischen mehr über „mittelalterliche“ Taschentücher bzw. hat jemand konkrete Belege gefunden?
VG Corinna
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