Strickwaren 9tes Jahrhundert Nord-und Ostseeraum
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Eintrag #1 vom 30. Jun. 2014 09:27 Uhr
Geerd Van den Bril
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Ich habe diverse Threads hier gelesen über Strickwaren von Socken bis hin zu Handschuhen etc.
Gibt es historische Belege für gestrickte Kleidung von Mütze/Kopf bis Socke/Fuss?
Ich bin darüber irritiert nur "gewobenes" Material zu sehen sowie Nadel-gebundenes, wobei dies aus meinem Verständnis doch eigentlich auch nur Stricken ist?
Wonach ich konkret suche ist wärmende Wollkleidung, von Hose bis Tunika etc, da mir das recht schlüssig erscheint in kalten Regionen.
Bevor ich jetzt also stricke würde ich es gerne richtig machen ;)
Danke.
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Eintrag #2 vom 30. Jun. 2014 10:49 Uhr
Ameli
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Hallo Geerd,
kannst Du uns noch eine Zeit sagen, für die Du Belege suchst?
Denn Stricken kam erst sehr viel später in Mitteleuropa an, als man annehmen kann.
Es gibt zwar Funde von gestrickten Socken, die sind aber koptisch und haben keinerlei Parallelen in Europa. Diese Socken habe ich im Textilmuseum Krefeld/Linn in einer Sonderausstellung mal gesehen.
Bis ins Hochmittelalter gibt es meines Wissens keine flächendeckenden Belege für Strickwaren, dafür aber reichlich Naalbinding. Und nein, nadelgebundenes Material ist kein "Gestricktes", da habe ich mich auch schon in die Nesseln gesetzt, als ich es mit Häkeln verglichen habe ;-)
Nach bisherigem Wissensstand kann man davon ausgehen, daß die Stricktechnik erst ab dem 13. Jhdt. langsam über Italien und Spanien den Weg nach Norden über die Alpen fand.
Also nochmal die Bitte: für welchen Zeitraum suchst Du? Dann können wir Dir weiterhelfen.
Gruß
Ameli
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Eintrag #3 vom 30. Jun. 2014 11:09 Uhr
Geerd Van den Bril
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das ist ja erstaunlich! Danke für die Info.
Der Wikipedia-eintrag bzgl Naalbinding war für mich irreführend, da ich von einer gewissen paralellität zwischen Naalbinding und Stricken ausging:
"Nadelgebundene Textilien waren in nahezu allen Kulturen der Welt verbreitet. Der älteste Fund einer Nadelbindearbeit stammt aus der Jungsteinzeit. In Deutschland wurden nadelgebundene Textilien bis etwa 1550 noch in nennenswertem Umfang hergestellt, also noch etwa 300 Jahre nach der Verbreitung des Strickens. Allerdings verschwand das Nadelbinden danach fast völlig. Es gibt historische Funde von nadelgebundenen Handschuhen, Socken, Mützen, Milchsieben aus Tierhaar, daneben existieren ebenfalls einige Funde von jacken- und hemdähnlichen Textilien in Nadelbindetechnik.
mein Zeitfenster ist so 900..
also sollte ich wohl Nadelbinden lernen…aargh.
gibt es eine gebundene Tunika?
historisch belegt für die Küstenbereiche nördlich und südlich von Nord- und Ostsee?
gruß G.
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Eintrag #4 vom 30. Jun. 2014 12:42 Uhr
Viola Oberbörsch
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Hallo Geerd,
um es kurz zu machen, mir ist kein Fund bzw. Fragment einer genadelten Tunika bekannt.
Was spricht gegen eine genähte Tunika aus einem gewebten und gewalkten Wollstoff, gegebenenfalls mit einer Untertunika aus dünner Wolle anstatt aus Leinen? Zwiebelprinzip eben.
Ich trage im Winter Leinenunterkleid, Wollunterkleid, Wollüberkleid und Rechteckmantel. Für Füße und Beine gibts genadelte Strümpfe. Damit friere ich auch bei Minustemperaturen nicht.
LG einir
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Eintrag #5 vom 30. Jun. 2014 13:58 Uhr
Ameli
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Sorry, Du hattest ja in der Überschrift schon 9.Jhdt. geschrieben.
Dann kann ich mich Viola nur anschließen: keine Funde nadelgebundener Oberbekleidung, dafür Accessoires wie Socken oder Handschuhe.
Wenn Du unbedingt stricken willst: für den modernen Einsatz gibt es superschöne Anleitungen, versuche mal an dieses Buch ranzukommen: Stricken mit Wikinger-Mustern, Weltbild-Verlag von 1999, bei z.B. medimops.de ab 36,– EUR.
Die Autorin setzt z.B. das Futhark oder Muster von Bildsteinen um in Strickschrift, jeweils mit einer kleinen Erläuterung.
Für den modernen Einsatz eine geniale Sache, denn einfache Zöpfe oder glatt rechts kann ja jeder ;-)
Gruß
Ameli
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Eintrag #6 vom 01. Jul. 2014 07:21 Uhr
Christina
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Auch diese "gestrickten" antiken Socken wurden in Nadelbindung hergestellt. Strickwaren sind frühestens rund um das 12. mehr oder weniger eindeutig nachweisbar, danach häufen sich die Belege, vorrangig jedoch bis ins 15. Jh. hinein noch im klerikalen Bereich (kann natürlich auch damit Zusammenhängen, dass schlichtwegs die Aufbewahrungskonditionen dort für Textilien prinzipiell am idealsten waren, aber wie weit sich die Allgemeinbevölkerung bereits wie heutzutage mit dem Stricken beschäftigt hatte, ist fraglich). Strickfunde aus der allgemeinen Bevölkerung sind vorrangig ab dem 16. Jh. zu finden, wiederum in erster Linie Socken und Mützen.
Für deine Zeit wird dir bestenfalls Nadelbinden bleiben. Was es da gab und in welchen Stichen, kannst du hier nachlesen: web.archive.org/web/20060224225735/http:/[
]/nadel[
]
Nadelbinden ist im Unterschied zu Stricken eine Knotentechnik, d.h. würde ich am kurzen(!) Arbeitsfaden anziehen, würde sich die Masche zuziehen - nicht wie beim Stricken wo der Endlosfaden (!) das Gewebe auftrennen würde. Häkeln kam überhaupt erst lang nach dem Mittelalter auf (18. Jh. herum falls ichs jetzt korrekt im Kopf habe).
Zum Ursprung von Stricken kann man davon ausgehen dass es im Nahen Osten erfunden wurde, und entweder über den Handel mit Italien, oder noch wahrscheinlicher sogar über die musulmanischen Besetzungen in Spanien nach Europa gelangt sind.
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Eintrag #7 vom 01. Jul. 2014 12:37 Uhr
Ameli
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" Auch diese “gestrickten” antiken Socken wurden in Nadelbindung hergestellt. "
Echt? Wieder was gelernt, danke!
Und ich habe noch gegrinst, als ich diese schönen weiß-blau-mit Muster-geringelten Baumwollkindersocken gesehen habe… Das ist ja fies: "in der Publikation als "Gestricktes" genannt." Allerdings sah der Kinderstrumpf in Linn etwas anders aus als das bei archive.org beschriebene Stück. Wäre mal interessant, wieviele Gewebe fälschlicherweise als Strickware bezeichnet werden.
Man darf auch keiner Vitrinenbeschriftung glauben ;-)
Mein Versuch einer nadelgebundenen Socke endete nach 15 cm, für die ich 6 Wochen gebraucht habe! Irgendwie hatte ich verdrängt, daß man DICKE Wolle nimmt und L O C K E R nadelt. Es wurde ein Beutelchen für Krimskrams am Gürtel und sieht verdächtig nach festen Maschen im Häkeln aus - aber nur fast!
Geerd, wenn Du Dich in das Abenteuer Nadelbinden stürzen willst, laß es Dir gut erklären, nimm dicke Wolle und zieh die Fäden nicht zu ;-)
Gruß
Ameli
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Eintrag #8 vom 02. Jul. 2014 09:00 Uhr
Geerd Van den Bril
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ihr seid echt die besten!
super, mit den Infos komme ich beachtlich weiter.
das Strickbuch besorge ich mir - damit kann man mal schnell was hübsches für die Kinder zaubern.
die wachsen ja so schnell..
Zwiebelprinzip ist auch verstanden und in Anwendung, allerdings heißt das auch viel Kleidung mit zu schlüren
wenn man mehrere Tage unterwegs ist und meine Hoffnung ist noch nicht aufgegeben alles in eine einzige Ruderbank
zu packen.. wobei die deutlich höher ist, als die belegten 20-30 cm..
Aber aus Rücksicht auf den Rücken muss das also was höher sein - und die Kleidung warm - mann wird älter ;)
und die tipps mit der dicken Wolle: nun, das ist wohl einer der mir sehr gut gefallen wird während ich meine Lebensfäden webe..
Dafür habe ich handgesponnene, naturbelassene Wolle vom Schaf meiner Oma.
Also: Chapeau an euch. Danke.
gruß Geerd
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Eintrag #9 vom 02. Jul. 2014 09:00 Uhr
Geerd Van den Bril
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ihr seid echt die besten!
super, mit den Infos komme ich beachtlich weiter.
das Strickbuch besorge ich mir - damit kann man mal schnell was hübsches für die Kinder zaubern.
die wachsen ja so schnell..
Zwiebelprinzip ist auch verstanden und in Anwendung, allerdings heißt das auch viel Kleidung mit zu schlüren
wenn man mehrere Tage unterwegs ist und meine Hoffnung ist noch nicht aufgegeben alles in eine einzige Ruderbank
zu packen.. wobei die deutlich höher ist, als die belegten 20-30 cm..
Aber aus Rücksicht auf den Rücken muss das also was höher sein - und die Kleidung warm - mann wird älter ;)
und die tipps mit der dicken Wolle: nun, das ist wohl einer der mir sehr gut gefallen wird während ich meine Lebensfäden webe..
Dafür habe ich handgesponnene, naturbelassene Wolle vom Schaf meiner Oma.
Also: Chapeau an euch. Danke.
gruß Geerd
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Eintrag #10 vom 02. Jul. 2014 14:32 Uhr
Jens
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Ich fürchte, Du peilst da konzeptionell etwas an, wie mit Abendgarderobe zum Campen zu fahren. Jemand, der auf ner Ruderbank sah, trug das, was er hatte, primär am Leib…
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Eintrag #11 vom 02. Jul. 2014 16:21 Uhr
Christina
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bzgl koptischer Socken: hier hab ich vor Ewigkeiten mal versucht eine Anleitung so abzuändern, dass man damit was anfangen kann, nachdem bei der englischen originalanleitung die ich gefunden hatte irgendwie die Stichanzahlen mit dem Garn hinten und vorne nicht realisierbar waren.
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Eintrag #12 vom 02. Jul. 2014 17:59 Uhr
Ameli
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Ruderbank oder doch lieber eine richtige Truhe?
Hallo Geerd,
warum eine Ruderkiste, wenn es so viele schöne zweckmäßige andere Truhen aus dem Frühmittelalter gibt?
Zum Beispiel aus Haithabu ( wwwskjoldmus.de/Alltag-Haithabutruhe.html, mit Detailzeichnung der Fragmente aus dem Archäologischen Landesmuseum Schleswig-Holstein), oder wie im Text erwähnt aus Oseberg, York, Withorn oder Mästermyr, wobei letzteres die Werkzeugkiste eines Schmiedes war.
Bei den Ruderbänken gebe ich zu bedenken, daß sie mit Absicht so flach gehalten wurden, da so die Kraft aus Rücken und Beinen optimal auf die Riemen übertragen werden konnte. Die Arme kamen erst im sog. Endzug dazu. Wenn wir davon ausgehen, daß die Schiffe der Wikingerzeit hochspezialisierte Technik und Wissen voraussetzten, können wir davon ausgehen, daß auch das Wissen um die Biomechanik da war, möglicherweise auch intuitiv, denn falsche Rudertechnik führt unweigerlich zu Schmerzen und Verschleiß in den Gelenken! Ich weiß wovon ich rede, ich habe diesen Sport 10 Jahre als Leistungssport betrieben (inc. Trainerschein)… ;-)
Suche Dir ein passendes Modell aus, baue es nach, dann bist Du auf dem richtigen Weg ;-)
Gruß
Ameli
PS: Ganz nett zu den verschiedenen "Vorgaben" im Netz ist dieser Kommentar ;-)
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Eintrag #13 vom 04. Jul. 2014 16:58 Uhr
Geerd Van den Bril
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oh, die Truhen sind kein Problem - nur sehr aufwendig. Aber das macht ja Spass.
Da wird gerade dran gearbeitet, aber die sind halt sehr niedrig.
Zum vernünftigen sitzen und arbeiten habe ich mir aber erlaubt die Höhe auf 45cm zu setzen.
Ich will ja nicht rudern - doch, würde ich schon, aber in Ermangelung an Gelegenheiten.. - sondern
während der Leder-/ Näharbeiten irgendwie vernünftig sitzen.
Denn nach so einem Wochenende müssen wir alle wieder in den Alltag - die Rückenverspannung die ich mir
holte wenn ich das auf 24/27cm Höhe machte, hat mich sanft aber deutlcih zu dieser Erwägung genötigt.
Und ja, mit leichtem Gepäck reisen… aber das fällt einem doch manchmal schwer weil es so viel schönes gibt.
Und man hat mehr Tage zu basteln oder ein zu kaufen als tatsächlich zu tragen. Das Dilema des Anachronismus
Ab jetzt wird Nadelgebunden!
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Eintrag #14 vom 06. Jul. 2014 13:06 Uhr
Beate
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Hallo, Ameli!
Kurzer Kommentar zu deinem Satz: "Irgendwie hatte ich verdrängt, daß man DICKE Wolle nimmt und L O C K E R nadelt."
Was heißt "man"? ;-)
Du meinst wohl die Hobbyisten heute. Vor allem, wenn sie die nadelgebundenen Sachen verkaufen wollen, soll es natürlich schnell gehen, da sonst k(aum)einer mehr den Aufwand bezahlen würde.
Nimm aber mal die York-Socke (um im Frühmittelalter zu bleiben), da kommen 3,6 Reihen auf den Zentimeter. Das ist nicht mit dicker Wolle zu machen.
Zu den koptischen Socken: der koptische Stich sieht tatsächlich wie gestrickt aus. Rein vom Erscheinungsbild kann man nicht auf die Technik schliessen.
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Eintrag #15 vom 07. Jul. 2014 06:29 Uhr
Christina
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nein, sieht völlig ident aus, sogar was die Rekonstruktion des Sockens, also vom "Aufbau" her betrifft mit extra angesetztem Fersenteil - wodurch es wohl um 18/1900 herum zu der Fehlinterpretation der Wissenschaft kam; Nadelbinden war damals ja auch weitgehend unbekannt geworden; erst vor einigen Jahrzehnten wurde diese Textiltechnik im skandinavischen Raum wiederentdeckt.
Einzig durch Anziehen am Arbeitsfaden wie bei jedem Nadelgebundenen Werk kannst du es eindeutig unterscheiden.
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Eintrag #16 vom 30. Jul. 2019 01:27 Uhr
Marie-Luise Mörner
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Ach, Du Arme.
Das war ein frustrierendes Erlebnis.
Ich hoffe inzwischen hast Du bessere Erfahrungen mit Nadelbinden gemacht.
Und es gibt ja immernoch Sprang.
Auch für Pullis (ok Tuniken, oder jedenfalls Oberteil)
und gesprangte Beinlinge. Besonders nett weil elastisch.
und nein, man nimmt nicht dicke Wolle und nadelt locker. ich ziehe für Socken jeden Stich noch einmal um die Nadel fest, und verarbeite auch Sockenwollstärke….
Bewertung:
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