ledige Frauen im Handwerk
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Eintrag #1 vom 06. Okt. 2010 10:30 Uhr
Patrick Dirks
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Hallo zusammen,
ich bin Einsteiger bei TV und hoffe das ich das Thema nicht irgendwo überlesen habe.
Ein paar Freunde und ich möchten gerne zum Beginn der nächsten Session eine kleine Handwerkstruppe in den Jahren 1325-1350 darstellen. Da unsere fünf Mädels aber recht viel Feuer im Hintern haben können die sich nicht vorstellen ausschließlich den ganzen Tag den Haushalt zu schmeisen, sondern wollen auch selber ein Handwerk ausüben(Schneiderei,Plättchenweben,Lederverarbeitung,…).
Also dann mal zu meiner Frage…
Was dürfen die machen?
Ich habe halt bisher nur wage Dinge gehört, wie z.B., dass während der großen Pest und der darauf folgenden Entvölkerungund dem daraus resultierendem Arbeitszwang einfach alle ran mussten. Aber meinen knappen Quellen werden einer "peinlichen Befragung" durch andere eher nicht standhalten können.
Nunja.. ich freue mich auf alle Antworten zu diesem Thema.
Vielen Dank
Patrick
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Eintrag #2 vom 06. Okt. 2010 11:01 Uhr
Frank
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Hallo Patrick,
gib den Damen doch mal folgenden Rat!
Die Rolle der Frau im spätmittelalterlichem Kontext in Deutschland, unterscheidet sich elementar vom heutigen Rollenbild der Frau.
Zwar kann man nicht von patriarchalische Strukturen wie in Gesellschaften der islamischen Welt, Japans, Chinas oder Afrikas sprechen, allerdings gibt es eine sehr deutliche Unterscheidung zu heute.
Daher sollten diese Frauen, wenn sie schon "Feuer im Arsch haben", sich um die Küche kümmern.
Ansonsten fallen Arbeiten für die Frauen an. Nähen, sticken, waschen, beten, Haushaltsführung, Küche, Kindererziehung. Partnerin ihres Mannes zu seiner Erbauung und Unterstützung.
Ansonsten gibt es nicht wirklich was, was dargestellt werden könnte.
Die Damen könnten sich aber an eine Ausarbeitung zur Rolle der Frau Mitte des 14. Jahrhunderts in Deutschland, mit Querverweisen auf Frankreich, Italien und England machen. Dies könnten sie erklären und begleiten.
Alles andere wäre nur pseudo-feministische Phantasiedarstellung.
Ledige Mädchen leben zudem im Haushalt ihres Vaters oder einer andren anverwandten männlichen Person.
Recht passend, wenn auch aus Paris:
Zudem Spämi mit teils sehr erklärenden Begebenheiten.
Gruß
Frank
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Eintrag #3 vom 06. Okt. 2010 11:26 Uhr
Jens
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Also grundsätzlich ist es so, dass es ledige Frauen im Berufsleben im 14ten und 15ten Jahrhundert in Deutschland gab. Das fängt schon damit an, dass ein guter Teil der Bevölkerung, insbesondere der städtischen, nicht heiraten konnte. Wohlgemerkt: städtische Bevölkerung, d.h. nicht = Bürger! Darüber hinaus eben die, die verwitwet waren. Wer, was, wie genau, ist eine regionale Sache, das kann von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein, und sollte man sinnvollerweise auch an einer festmachen, oder aber eben an einer Region, sofern man landsässige Bevölkerung darstellen möchte, wobei hier halt das Handwerk wieder ganz anders verteilt ist; das wäre also zuallererst zu klären.
Nun darf soll und kann die jeweilige Realität keine Ausrede für eine Tätigkeit sein, die man ja in solcher Form vor Publikum darstellt. "Rollen" im Sinne von "ich bin Handwerksfrau blablub" sind hier auch selten gefragt, sondern es geht um Wissensvermittlung. D.h. also, dass es nur wenig Gründe gibt, unbedingt daran festzuhalten, ob die betreffende Tätigkeit von dem jeweiligen Geschlecht ausgeführt wurde, wenn man das entsprechend präsentiert und erklärt. Ausnahmen sind solche, die Bilder vermitteln, die sich besonders festbrennen, z.B. militärische Tätigkeiten.
Wenn aber die jeweilige Tätigkeit auch noch lokal plausibel von der entsprechenden Person durchgeführt hätte werden können, ist es freilich umso besser, und auch wiederrum bei eher geschlossenen Veranstaltungen dann vermittelbar, wo auch ein insgesamt stimmiges Bild zählt.
Insofern würde ich also raten, zunächst einmal mit Literatur zur Rolle der Frau in der Mittelalterlichen Gesellschaft an sich, und mit Recherche zu der lokalen Ausprägung, zu beginnen. Ich rate allerdings dringendst davon ab, wieder mal Literatur, die sich um den französisch-oder englischsprachigen Raum dreht, miteinzubeziehen, denn dort ist die Situation einfach größtenteils eine völlig andere. Deswegen kann ich Franks Literaturtipp leider nur bedingt folgen; bei erstem Buch handelt es sich um Auszüge aus einem Hausbuch im späten(!) 14ten Jahrhundert in Paris(!) eines stadtsässigen Adeligen(!) der Anweisungen an seine junge, unerfahrene Ehefrau gibt, für den Haushalt etc.
Spannend, allgemein empfehlenswert, aber am Thema völlig vorbei.
Wie sehr auch Franks Satz über ledige Frauen nicht simmt wenn man schon die Region betrachtet, kann man auch ganz gut aus diesem Buch: wwwdiu-minnezit.de/buecher.php?[
] erfahren
Also wie gesagt, regional bleiben.
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Eintrag #4 vom 06. Okt. 2010 13:22 Uhr
Wilfried Masberg
Diese Quelle scheint mir glaubhaft
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Eintrag #5 vom 06. Okt. 2010 13:26 Uhr
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Im groben haben wir dazu schon Threads, wenn auch meist von einer anderen Warte aus gestartet.
Hier hat es ein paar Literaturtipps:
oder
Ein weiterer interessanter Thread zu dem Themenumfeld wäre:
Prinzipiell sehr aufschlußreich (und in den Literaturtipps verarbeitet obiger Threads verarbeitet) sind profane Quellen, wie etwa Steuer- oder Wehrlisten der jeweiligen Region.
Im Gegensatz zu möglicherweise idealisierten Darstellungen sind solche eher indirekt auf die Frage anwendbaren Quellen meist ein Stück weit unkritischer zu betrachten.
In einem weiteren Thread, den ich leider grade nicht wieder finde, wurde eine Statistik, die aus solchen Quellen erstellt wurde, zitiert.
Die Ergebnisse waren interessant und mit einem hohen zweistelligen Prozentsatz an direkt steuerzahlenden Frauen eine ziemlich klare Absage an das "Frauen an den Herd" Klischee.
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Eintrag #6 vom 06. Okt. 2010 13:40 Uhr
Jens
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Es gibt übrigens recht viel allgemeine Literatur zum Thema, viel davon englischsprachig, und dann oft genug mit Fokus auf England und Frankreich. Trotzdem:
Hanawalt: Women and Work in Preindustrial Europe. Bloomington
David Herlihy: Women and Work in Medieval Europe
Eileen Power: Medieval Women
und x mehr.
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Eintrag #7 vom 06. Okt. 2010 18:43 Uhr
Patrick Dirks
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Vielen Dank für diese super schnellen Antworten.
Ich werde jetzt mal die ganzen Threads und Links durcharbeiten.
Wir wollten uns Regional in der Nähe oder rund um Duisburg ansiedeln.
So wie es mir scheint sollte ich wohl als erstes die Stadtgeschichte von Duisburg durchkämmen.
Aber wie gesagt, ich danke euch für die schnellen und vielfältigen Antworten und bin für jede Info bereit.
LG
Patrick
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Eintrag #8 vom 06. Okt. 2010 22:06 Uhr
Claudia
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Ich glaube, das Buch mit den Statistiken zu steuerzahlenden Frauen, das Alex meinte, ist dieses hier:
Edith Ennen führt wirklich eine erkleckliche Anzahl von Belegen aus Primärquellen auf, das Buch ist wirklich sehr empfehlenswert (und fern des Emanzentums, was man leider öfter in neueren Büchern über Frauen im MA findet und das sich oft Quellen "passend" zurechtbiegt).
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Eintrag #9 vom 07. Okt. 2010 00:01 Uhr
Daniela
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Ist zwar nicht Duisburg, aber fast um die Ecke. In diesem Buch findest auch Informationen zu handwerkenden Frauen (aber nicht nur) und ihren Steuerabgaben.
Fehse, Monika: Dortmund um 1400
Hausbesitz, Wohnverhältnisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt
Verlag für Regionalgeschichte
Stöbere doch mal bei diesem Verlag, ob nicht noch regionaleres für Euch dabei ist.
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Eintrag #10 vom 07. Okt. 2010 19:08 Uhr
S. Katinka Richter
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In dem Buch "Die Frau im Mittelalter" von Erika Uitz, Tosa Verlag Wien, geht die Autorin u.a. auf die mittelalterliche Frau in Handwerk und Handel ein.
Als ab dem Hochmittelalter die Städte an Bedeutung gewannen, waren Frauen im Handwerk und Handel, auch im Fernhandel tätig. Es gab in einigen Städten sogar zunftmäßig organisierte Handwerke, die praktisch nur von Frauen betrieben wurden. Die Sachlage und die Rechtslage der Frauen in Handwerk und Handel ist jedoch zeitlich und regional sehr unterschiedlich. Die Autorin erläutert die Situation überwiegend an konkreten Beispielen, anhand von Steuerlisten, Rechtsurteilen, Briefen und sonstigen Dokumenten aus der entsprechenden Zeit und Region. Viele Beispiele sind aus deutschen Städten.
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Eintrag #11 vom 12. Okt. 2010 11:08 Uhr
Frank
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@ Jens
Mir vorzuhalten, die von mir genannten "franz- Quellen" wären nicht passend, selber aber Sekundärquellen zu nennen, die sich auf Paris zu beziehen… irgendwie geht das in meinen Kopf nicht rein.
Bzgl. der von mir o.g. Einordnung, liefere ich die Tage noch die Quelle nach. Bin bisher nicht dazu gekommen. Möchte aber dazu sagen: Es handelt sich dabei mehr um die Ehe und die Rolle der Frau darin.
Gruß
Frank
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Eintrag #12 vom 12. Okt. 2010 12:26 Uhr
Jens
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Hallo Frank,
Die von mir genannte Literatur war ein Beispiel, bezieht sich _nicht_ nur auf Paris, sondern nur häufig _vorwiegend_ auf den englischen und französischen Raum, und das von dir genannte Buch beantwortet die Fragestellung nicht, sondern ist nur eine übersetzte Anleitung an eine Hausfrau in Paris um 1400, und daher für die Beantwortung der Frage nach ledigen Frauen im Handwerk nicht zielführend. Besser so?
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Eintrag #13 vom 12. Okt. 2010 15:00 Uhr
Frank
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Hallo Jens,
dann sollte ich meinen ersten Beitrag etwas genauer darstellen.
Ich wollte damit einen Denkanstoss geben, das ledige Frauen in Deutschland wohl kaum mit einer Bande Männer durch die Gegend zieht, sondern der gesellschaftliche Wertekonsens auf der angestammten Rolle der Frau beruht. Mutter, Ehefrau und Haushälterinn.
Das Frauen (Witwen) durchaus das Geschäft ihres verstorbenen, oder vielleicht verkrüppelten Mannes fortgeführt, auch mit allen Zunftrechten, haben, stelle ich gar nicht mal zu Diskussion.
Aber wir wissen doch, daß das Mädchen aus einem einigermaßen sozial gefestigten Haushalt bis 17-20 zuhause war. Sie hat keine Lehre angetretten, wie ihre Brüder oder männliche Gleichatrige. Das Optimum war sicher eine Heirat… Sicher half das junge Mädchen auch bei einigen Arbeiten des Vaters, so er seine Handwerkswerkstatt im Hause hatte.
Was die jungen Mädchen aus niederen sozialen Schichten angeht (Paris - die Quelle über die Armen (the poor)), so sind diese nicht die gesellschaftliche Schicht, welche überhaupt die Möglichkeiten hatte, ins "Handwerk" aufzusteigen.
Zum Handwerk gehört eine Lehr- und Gesellenzeit. Und darüber habe ich bei Frauen noch nie was gehört.
Gruß
Frank
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Eintrag #14 vom 12. Okt. 2010 15:41 Uhr
Jens
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"Zum Handwerk gehört eine Lehr- und Gesellenzeit. Und darüber habe ich bei Frauen noch nie was gehört."
Hallo Frank,
Dennoch gab es sie, da Du keinen Ausbildungsberuf ohne Ausbildung durchführen kannst. Siehe genannte Literatur. Kommt halt immer drauf an, wann, und wo.
"Was die jungen Mädchen aus niederen sozialen Schichten angeht (Paris - die Quelle über die Armen (the poor)), so sind diese nicht die gesellschaftliche Schicht, welche überhaupt die Möglichkeiten hatte, ins "Handwerk" aufzusteigen."
Stimmt nicht. Für das Bestreiten des Lebensunterhaltes war sogar das Handwerk teilweise schlicht nicht ausreichend, was gerade bei Ehepaaren sogar eine Tätigkeit bedingte, und sogar dann teilweise nicht reichte- erläutert gerade eben jenes Buch recht deutlich. Die Pauschalisierung Handwerker/-in = wohlhabend bzw. nicht arm klappt auch nicht. Gerade im Verlagswesen kann man auch in Nürnberg eine sehr große Bandbreite an finanziellen Möglichkeiten nachweisen.
"Ich wollte damit einen Denkanstoss geben, das ledige Frauen in Deutschland wohl kaum mit einer Bande Männer durch die Gegend zieht, sondern der gesellschaftliche Wertekonsens auf der angestammten Rolle der Frau beruht. Mutter, Ehefrau und Haushälterinn."
Was wiederrum richtig ist, allerdings würde ich da eher die Frage stellen, inwiefern das für die Praxis der Darstellung von Relevanz ist.
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Eintrag #15 vom 12. Okt. 2010 15:53 Uhr
Dr. Nicole Schneider
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aus dem 13. Jahrhundert beispielsweise in Paris sind Seidenspinnerinnen, Perlenstickerinnen. Tut mir leid, andere Quellen aus anderen Regionen kann ich nicht nennen, da ich mich mit der Pariser Region beschäftige.
In Abbildungen aus dem 15. Jhdt. sieht man in Schneidereien jedenfalls Frauen, die im Schneidersitz auf dem Boden sitzen und Nähen.
Naheliegend, dass sich reine "Frauenberufe" wahrscheinlich eher auf ein städtisches Umfeld beziehen, in dem Arbeitsteilung zur Fertigung von Vorteil ist.
Ist ohnehin die grundsätzliche Frage, in wiefern es für die Darstellung auf einer Veranstaltung, die nur einen mehr oder weniger grossen Ausschnitt aus dem Leben zeigt, von Bedeutung ist, ob diejenigen verheiratet sind, oder nicht.
Da eine Frau ihrem Mann zur Hand geht, insbesondere, wenn sie Tochter eines Mannes ist, der den gleichen Beruf ausübte (eines der Beispiele sind Mediziner; in der Pariser Steuerrolle des 13. Jhdts sind Schmiedinnen aufgeführt), ist es naheliegend, dass sie den Beruf ausüben kann. Im Alter von 17 bis 20 Jahren ist durchaus der Status "Witwe" denkbar.
Ein "geht" oder "geht nicht" lässt sich nicht pauschalisieren, es hängt wohl einfach von dem Zeitraum und der Region ab.
MfG
Nicole
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Eintrag #16 vom 12. Okt. 2010 16:05 Uhr
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Für die reine vorführende Darstellung an sich ist erstmal natürlich weniger relevant, ob die Frau nun (noch) ledig, verwitwet, der Mann gerade unterwegs oder sonstwas ist.
Hier ist erstmal wichtig, daß es um einen Beruf geht, der eben (auch) von Frauen ausgeübt wurde.
Da je nach Veranstaltung aber auch mal Fragen kommen, und man - wie aktuell im Thread [Taverne, Thread: Verbesserung der Didaktik auf MA-Veranstaltungen] zu lesen - schnell vom Handwerk auf die Gesellschaft und Lebensweisen kommt, ist es mehr als sinnvoll, sich über den daergestellten Beruf soweit zu informieren, um die simple, und dank diverser Klischees naheliegende Frage "durften Frauen das überhaupt?" zufriedenstellend beantworten zu können.
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Eintrag #17 vom 12. Okt. 2010 16:37 Uhr
Frank
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Hallo Jens,
ich beantworte deinen Beitrag von hinten.
"Was wiederrum richtig ist, allerdings würde ich da eher die Frage stellen, inwiefern das für die Praxis der Darstellung von Relevanz ist."
Ich bin der Meinung: Eine ledige Frau oder ein lediges Mädchen, kann man insoweit nicht darstellen, außer in Gesellschaft ihrer Eltern, Mutter etc.
Über die Rolle der ledigen oder verheirateten Frau kann man sicher kurze Abriße machen, diese ausarbeiten und sie interessiertem Publikum erklären.
Eine Frau des 21. Jh. die am Lagerfeuer sitzt, bleibt auch in lustigen Klamotten, eine Frau des 21. Jh. Wie will man denn eine "ledige Frau" darstellen? Und ändert man das dann in zwei Wochen, weil sie auf dem letzten Markt mit dem Steffen vom Nachbarlager angebandelt ist?
Hier ist irgendwo zuviel Phantasie im Spiel.
Aber: Selbstkritik: Ich sehe "das Hobby" nicht als Rollenspiel. Ich bleibe auch weiterhin eine Person des 21. Jh., welche sich mit diesen Dingen beschäftigt und gerne Auskunft als Person des 21. Jh. über Gegebenheiten des 13. Jh. gibt.
Es mag sein, das ich meine Sicht manchmal zu sehr projeziere.
"Die Pauschalisierung Handwerker/-in = wohlhabend bzw. nicht arm klappt auch nicht. Gerade im Verlagswesen kann man auch in Nürnberg eine sehr große Bandbreite an finanziellen Möglichkeiten nachweisen."
Ich habe den Themenersteller so verstanden, das es sich um Handwerker in Städten handelt.
Da ist Verlagswesen weit, sehr weit von entfernt. Das ist eine völlig andere Materie.
Ich bin, und tue es noch, von zunftmäßig organisierten (oder zumindest in der Quellensuche berücksichtigten) Handwerkern ausgegangen.
Verlagswesen kommt bei mir gar nicht vor…
Wenn wir es um Verlagswesen erweitern wollen, dann reden wir eben über eine völlig andere Thematik und völlig andere gesellschaftliche Schichten.
"Kommt halt immer drauf an, wann, und wo."
Und schon wären wir bei meinen bescheidenen Verhältnissen und meinem geringen Wissen.
Süddeutschland, 1220-1280, bedingt andere Orte in D. Mehr weiß ich nicht… ;-)
@ Nicole
"In Abbildungen aus dem 15. Jhdt. sieht man in Schneidereien jedenfalls Frauen, die im Schneidersitz auf dem Boden sitzen und Nähen."
Ohne die Abbildung zu kennen…
Kann es sich dabei nicht um Mutter und Tochter handeln? Schwestern? Die das daheim machen???
"Im Alter von 17 bis 20 Jahren ist durchaus der Status "Witwe" denkbar."
Ja sicher… aber im Allgemeinen doch Ausnahmen, wenn nicht grade eine Seuche oder der Gegenkönig duchgezogen sind.
Gruß
Frank
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Eintrag #18 vom 12. Okt. 2010 16:59 Uhr
Jens
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Verlagswesen, Städte, Frauen, Darstellungen
Hallo Frank,
Ich verstehe das Problem nicht. Ob der Realität von Living History Veranstaltungen und der Relevanz des Familienstandes siehe Alex und den von ihm verlinkten Thread.
"Ich habe den Themenersteller so verstanden, das es sich um Handwerker in Städten handelt.
Da ist Verlagswesen weit, sehr weit von entfernt. Das ist eine völlig andere Materie. "
Nein? Das Verlagswesen ist in vielen Städten Europas bzw. Deutschlands im späten Mittelalter Usus bei kleinem Handwerk, siehe wiederrum zum Beispiel Nürnberg.
"Kann es sich dabei nicht um Mutter und Tochter handeln? Schwestern? Die das daheim machen???"
In Kenntnis der Abbildungen: Nein, eher nicht. Aber sind ohnehin nur ungenaue Darstellungen in einer großen Reihe von Belegen von Frauen in textilen Gewerken. Und nicht nur die; mal völlig ohne Eingrenzung auf Zeit und Stadt einige der Dinge, die mir untergekommen sind und spontan einfallen:
Schmiedinnen (ja genau), Seidenspinnerinnen, Posamentenmacherinnen, Wollspinnerinnen, Flachspinnerinnen, Weberinnen, Malerinnen, Stickerinnen, Nestlerinnen, Händlerinnen, Tändlerinnen, Schreiberinnen, Haarnetzknüpferinnen, Schneiderinnen, Handschuhmacherinnen, Beutlerinnen, Brauerinnen, Bäckerinnen…
In manchen deutschen Städten sind mehrere hundert Berufsarten für Frauen im späten Mittelalter nachweisbar. Aber das sind jetzt eben alles grobe Aussagen, und man muss sie für seine Zeit und Region genau betrachten.
Nur: Frauen ohne Ausbildung, Zunftbildung etc. als generelles Bild sind genauso Quatsch wie jede andere Pauschalisierung. Dass die Frauen ab einem bestimmten Alter je nach Vermögen und Möglichkeit- viele waren finanziell und ob der gesellschaftlichen Stellung schlicht nicht in der Lage- tendentiell eher verheiratet waren, ist wieder was anderes und für die Darstellung recht wurscht.
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Eintrag #19 vom 12. Okt. 2010 21:57 Uhr
Dr. Nicole Schneider
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Im Artikel "Quel bonheur d’etre Citadine!" aus "Historia" vom April 2004 stehen namentlich genannt 2 von 6 Berufen, die ausschließlich Frauen ausüben durfte, wie z.B. Seidenspinnerinnen, Seidenweberinnen; sie bearbeiteten Leder, 1415 wurden ein Gürtelmacher und seine Frau in Toulouse der illegalen Gürtelanfertigung beschuldigt. Da seine Frau nachweisen konnte, dass sie bereits über 12 Jahre Erfahrung in dem Beruf verfügt, durfte sie mit nur einem Azubi den Betrieb, ohne die Hilfe ihres Mannes, das war eine Auflage, fortführen.
Aus der Steuerrolle von 1297 geht hervor, dass 14,5%, d.h. 1376 Betriebe, durch eine Frau betrieben wurde, von denen 38 einen gewissen Reichtum erwirtschafteten. 26 Berufen standen Frauen und Männern offen, wobei wiederholte Verbote darauf hinwiesen, dass Berufsverbote für Frauen von den Frauen ignoriert wurden. Häufig fungierten sie als Händlerinnen (Obst, Gemüse…), Witwen führten anscheinend häufiger Hotels. Wie häufig Männer im Mittelalter starben, ist ein völlig anderes Thema. Da die Arbeitsschutzmassnahmen nicht den heutigen entsprechen, war das Phänomen durchaus verbreitet und jeder, der heute mit einer Blinddarm-OP Narbe unterwegs ist, ist potentiell nicht mehr da, Steinstaub, Quetschungen durch herunterfallende Bauteile, einstürzende Gerüste, von einer Kutsche überfahren werden, Verbrennungen dürften öfters vorgekommen sein als heute…
MfG
Nicole
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Eintrag #20 vom 10. Nov. 2010 09:19 Uhr
Jens
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Zum Thema habe ich just was gefunden, als ich mal wieder die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg durchgegangen bin: periodika.digitale-sammlungen.de/[
]/Blatt_bsb0000[
]
spezifisch für Nürnberg (das in mancherlei Hinsicht speziell war), aber erstens gibts Literaturverweise, u.a. für Köln und Lübeck, und zweitens öffnet das vlt. manchem allgemein die Augen, was Frauen im Handwerk im Mittelalter angeht… und ja, auch ledige.
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Eintrag #21 vom 25. Jan. 2012 13:50 Uhr
Thurid
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Es gibt mehr seltsames, als man denkt ...
Hallo,
zum Thema Kleidung von Handwerkerinnen habe ich grade eine Quelle gefunden, die - sagen wir mal - den gerne körperlich arbeitenden Frauen unter uns einen optischen Quellenbeleg bietet, zumindest fürs Spätmittelalter und wenn man sich nicht zwingend auf den deutschen Sprachraum festlegen möchte:
Im Buch "Alltag im Mittelalter" von Ernst Schubert gibt es auf Seite 52 eine Abbildung von Böttchern. Darauf sieht man zwei durch (interessant: turbanähnliche) Kopfbedeckungen als Frauen erkenn- bzw. deutbare Personen, die mit dem Hammer auf riesengroßen Badewannen-ähnlichen Gegenständen herumhämmern. Böttcherarbeit eben. Die Quelle wird angegeben mit: "Miniatur aus dem Codex des Balthasar Behaim, Krakau, 1505".
Was ich spannend an dem Bild finde, ist, dass eine der beiden Frauen ziemlich viel Bein zeigt. Sie trägt am Oberkörper eine Art weißes Hemd, von einem Böttcherfass verdeckt, dann als Beinbekleidung eine Art braunen Schurz. Man kann nicht erkennen, ob es eine Art Rock ist, ein hochgeschürztes Kleid oder etwas ähnliches - jedenfalls lässt das Bild den Schluss zu, dass beim Arbeiten auf "schickliche Verhüllung" da keine Rücksicht genommen wurde. Gut, das war jetzt nicht genau das Thema der Eingangsfrage des Threads, aber als Information zum Thema "Kleidung und Selbstpräsentation von Handwerkerinnen im Alltag" wohl durchaus brauchbar.
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Eintrag #22 vom 25. Jan. 2012 20:01 Uhr
Claudia
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"Aber wir wissen doch, daß das Mädchen aus einem einigermaßen sozial gefestigten Haushalt bis 17-20 zuhause war. Sie hat keine Lehre angetretten, wie ihre Brüder oder männliche Gleichatrige."
Das ist so nicht richtig. Edith Ennen erwähnt weibliche Lehrlinge. Und nicht nur bei den Seidenspinnern etc.
Es wird sogar eine Schmiedemeisterin(!) erwähnt. Und nein, das war nicht die Frau eines Meisters, sondern eine (ich glaube nach Köln, müßte ich in dem Buch wieder nachlesen) eingewanderte Schmiedemeisterin, die selbst das Bürgerrecht erworben hat. In Köln selbst konnten Frauen wohl nicht Schmied werden, aber die Zugewanderte bekam offenbar auch kein Berufsverbot.
Also ganz so einfach kann mans sich nicht machen, Frauen im MA pauschal den 3 großen K zuzuweisen…
Eine solche Berufswahlfreiheit wie heute gab es natürlich nicht, aber zumindest eine Lehre haben offenbar viel mehr Mädchen gemacht als man so gemeinhin denkt.
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