Darstellung um 1240
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Eintrag #1 vom 06. Mrz. 2016 23:43 Uhr
Bastian
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Moin moin!
Als erstes wollte ich mich einmal vorstellen. Ich bin ganz neu hier im Forum und auch in dem Thema Mittelalterdarstellung…
Ich heiße Bastian bin 32 Jahre alt und wohne in dem schönen Hamburg.
Meine erste Begeisterung für das Thema Mittelalter begann so mit ca 15 und ich bin zusammen mit meinem besten Kumpel Mike auf Mittelaltermärkte gefahren. Dies haben wir dann auch ein paar Jahre gemacht und uns immer mehr für das Thema begeistert.
Wir haben uns dann auch "Gewandung" und Ausrüstung auf den Märkten oder im Internet besorgt.
Diese ist ja nun aber eher unnütz wie ich nach einigem recherchieren hier in der Taverne festgestellt habe.
In meinem Fall ist es eine Tunika, Bruche und Beinlinge (alles aus Baumwolle oder Leinen, kenn mich da leider nicht so aus) und ein Ledergürtel mit ein paar Taschen und Schuhe.
Die Sachen sind auf meinen Bildern ja zu sehen.
Ich habe mir im Eifer dann auch einen Kettenpanzer, Kettenhaube und Kettenhandschuhe zugelegt.
Wir wollten halt wie so viele Ritter sein…Der Zahn als solches wurde mir hier jedoch schon gezogen.
Nun wollen wir gerne ernsthafter an das Thema heran treten und ich hoffe hier euren Rat und Hilfe zu erhalten.
Mein Kumpel Mike würde gerne in Richtung Kaufmann gehen. Und die ungefähre Zeit habe ich ja oben angegeben. 1240 +- 20 Jahre.
Hier nun meine eigentlichen Fragen…
Gibt es eine Möglichkeit für mich eine Art Söldner oder Leibwächter für einen Kaufmann darzustellen?
Damit zumindest nicht alles umsonst bzw vergebens gekauft wurde…
Und was gibt es bezüglich des Ortes zu beachten? Region wäre ja Norddeutschland. Gebürtig kommen wir beide aus Neumünster in Schleswig Holstein und nun bin ich in Hamburg und er in Lüneburg gelandet.
Wir hatten bisher den Gedanken im Hinterkopf, dass sich der Kaufmann und der Söldner o.ä. im Heiligen Land begegnet sein könnten. Wo der Kaufmann handel treiben wollte und der Söldner auf Kreuzzug war.
Ich bitte um etwas Nachsicht und evtl Welpenschutz, da ich mich erst seit kurzem mit der ganzen Sache auseinander setze und ich mich noch in den Kinderschuhen befinde.
Ich hoffe ihr schlagt nun nicht alle die Hände über dem Kopf zusammen…
Mit freundlich Grüßen
Basti
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Eintrag #2 vom 08. Mrz. 2016 08:55 Uhr
Laura
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Aller Anfang ist schwer - aber macht Spaß :)
Hallo Sebastian,
erstmal herzlich willkommen an Board und viel Spaß und Gelingen bei der Umsetzung deiner Darstellung!
Ich möchte dir gleich von Anfang einen Tipp geben und zwar: Lös dich von konstruierten Geschichten rund um deine "Figur", die du darstellen möchtest. Wenn du ein Söldner sein willst, sei einer, es bedarf keiner fiktiven Geschichte in der es darum geht, wer wen wo getroffen hat und aus welchen Gründen man jetzt wo zusammen rumläuft.
Mach du deinen Söldner und dein Kumpel macht einen Kaufmann und wenn ihr auf Veranstaltungen seid, dann versucht diese beiden "Figuren" möglichst gut mit Kleidung, Sachkultur und Tätigkeit darzustellen. :)
Was ich für viel wichtiger halte ist, dass ihr den Hintergrund eurer Figuren gut recherchiert. Ich meine, was ist denn ein "Kaufmann"? Der Kopf eines hanseatischen Handelsimperiums, oder ein kleiner Krämer aus dem nächsten Dorf? ;) Handelt er mit Gold oder mit Lumpen? Wie ist er finanziell gestellt?
Dasselbe gilt für den Söldner. Ich bin ehrlichgesagt üüüüüberhaupt keine Expertin für militärische Darstellung, und deswegen möchte ich dir da jetzt nicht anfangen Tipps zu geben, aber bevor du dich zu sehr in dieses Thema stürzt, würde ich einmal hinterfragen, ob deine gekaufte Ausrüstung überhaupt dafür geeignet ist. (Und ich will dich jetzt nicht entmutigen, aber meiner Erfahrung nach ist sie das in 90% der Fälle nicht…)
War um 1240 die Kettenhaube schon vom Kettenhemd getrennt? (Ich weiß es wirklich nicht) Ebenso die Kettenfäustlinge? Sind die Kettenteile aus vernieteten Ringen? (Wenn nein, bin ich mir ziemlich sicher, dass es für eine historische Darstellung absolut ungeeignet ist) usw.
Um nochmal einen Schritt zurück zu gehen: Schaut euch als allererstes (falls noch nicht geschehen) einmal Abbildungen aus eurer Zeit an. Eine gute Seite dafür ist z.B. tethys.imareal.sbg.ac.at/realonline
Desweiteren findet ihr hier eine Sammlung von allen, allen möglichen Sachen, unter anderem auch z.B. Abbildungen von bestimmten Berufen und Personen (Kategorie und Thema auswählen, und Bilder, die am nächsten zu eurer Zeit liegen):
Überlegt euch dann erst einmal etwas Einfaches, das ihr machen möchtet. Vielleicht erst einmal eine ganz "einfache" zivile Kleidung eines Bürgers/Handwerkers/Bauerns bestehend aus den typischen Kleidungsstücken der Zeit.(Unterkleidung, Überkleidung ggf. Wetterschutz & Schuhe, sowie ein paar "Accessoires") Und wenn ihr das habt, dann könnt ihr anfangen über "Sonderausrüstung" wie Kettemhemden usw. nachzudenken, bzw. eure Darstellung auf ein "höheres" Niveau (z.B. reicher Kaufmann) zu bringen. :)
Löst euch auf jeden Fall von dem Zwang, irgendwelche Hintergrundgeschichten erzählen zu müssen. Die Leute gehen oft mit dem Anspruch auf Veranstaltungen, dass jede Person die sie dort sehen, irgendetwas "Besonderes" darstellen muss. Es reicht aber für den Anfang einfach nur "Bürger" oder "Handwerker" zu sein. (Andersrum gedacht: Wenn du heute durch die Stadt gehst, siehst du den meisten Menschen ja auch nicht an, "was sie sind" :) )
Und noch ein Tipp: Kaufmann und Söldner sind bestimmt interessante "Charaktere" für eine Darstellung. Aber ich finde, dass insbesondere das Handwerk einem wirklich unglaublich viele Möglichkeiten bietet, sich in die Szene einzufinden. Zum einen hat man auf Veranstaltungen immer was zu tun (ich sag mal so, was willst du als Söldner den ganzen Tag machen? Du kannst ja nicht ständig kämpfen, und es gibt auch einige Veranstaltungen, die das z.B. gar nicht erlauben.) und zum anderen kann man den Besuchern auch immer was erklären, bzw. ermöglicht ihnen auch ein gutes "in Kontakt treten". Mal angenommen, du würdest z.B. einen Nestelmacher oder Korbflechter darstellen, wofür man jetzt nicht wahnsinnig viel Ausrüstung mitschleppen musst, und du setzt sich irgendwohin und zeigst das, hast du sofort 5 Leute um dich stehen, die ganz begeistert fragen, was du da machst. Ich persönlich finde es ja toll, den Leuten etwas zu vermitteln und auch irgendwie "altes Handwerk" wieder lebendig werden zu lassen, und kann das deswegen wirklich sehr empfehlen!
Aber lass dich bitte nicht abschrecken, wenn das nicht dein Ding ist, ist das natürlich auch vollkommen ok! Wichtig ist nur, dass du Spaß an der Sache hast und deinen Ansprüchen gerecht werden kannst.
Lies auch viel hier in diesem Forum quer, du bekommst wirklich unglaublich viel Hilfe, Tipps, Input und Anregungen. Ich glaube das erste halbe Jahr meiner Recherche habe ich fast nur damit verbracht, mich hier durchzulesen ;).
So, nun viel Erfolg, ich hoffe ich konnte dir etwas helfen, bzw dir Tipps geben.
Liebe Grüße,
Laura
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Eintrag #3 vom 08. Mrz. 2016 11:15 Uhr
Jens
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Laura hat dankenswerterweise das meiste schon gesagt- nur mal zum Thema "Söldner".
Ein Söldner ist jemand, dessen Handwerk und Beruf der Kampf, Krieg und alle Arten damit verwandten Tätigkeiten sind. Das macht keinen großen Spaß, wenn man nicht wie wir heute das ungefährdeterweise nur am Wochenende mit stumpfen Metallstangen machen, und Sonntags Abends dann heiß duschen und ins Bett kriechen.
Richtige Söldner ließen sich dafür bezahlen, entweder zu kämpfen, oder, noch besser, nicht zu kämpfen: nämlich damit zu drohen (egal ob sie im Heer eines jemanden vor jemand anderen Stadt zogen und ihn bedrohten, oder jemanden für Geld schützten). Und wenn sie nicht gezwungen waren, taten sie es nicht. Und exakt diesen Zeitraum hast du dann die meiste Zeit bei Veranstaltungen. Auf Märkten ergeht Max Mustermann sind dabei, ein Schwert( bzw. eher ein Sportgerät) rumzutragen und sich gefährlich vorzukommen- bei einer echten historischen Veranstaltung, wo man entweder etwas über die Vergangenheit vermittelt, oder selber versucht zu erleben, ist das eher unsinnig. Bleibt also der Leerlauf (man denke an "die meiste Zeit des Lebens wartet der Soldat vergebens"… ;) ). Der darzustellen ist gelinde gesagt undankbar.
Dazu kommt, ein professioneller Söldner braucht gutes Handwerkszeug- denn das schützt ihm vorm Tode. heißt: Waffen und Harnisch. Gut, wohlgemerkt. Was teuer ist. Dazu kommt, er muss es können. Was Übung erfordert. Ein untrainierter Söldner ist ein toter. Beides begründet, dass (nicht nur) im 13ten viele der Söldner primär aus dem Adel kamen (Lesetipp: wwwkriegsreisende.de) - oder mindestens nicht aus ärmsten Verhältnissen. Ein Knecht mit Beil, nur Erfahrung im Hacken von Holz und ohne Helm ist meist nach der ersten Schlacht tot.
Bedeutet wiederrum: mit einem Söldner halst man sich etwas auf. Nix mit "einfach","abgeranzt" und was heute damit assoziiert wird. Meistens im Gegenteil. Wofür gab der Söldner Geld aus, was hatte er überhaupt? Richtig. Harnisch und Waffen. Benutzer er nicht die ganze Zeit. Was machte er ansonsten? Nicht kämpfen. Aber in der Nähe sein, oder dafür Werben, dass er angeheuert wird. Wie macht er das, ohne Werbeagentur? Er zeigt, dass er erfolgreich ist. Was ist ein erfolgreicher Söldner? Offensichtlich gut bezahlt. Woran erkennt man das? An der Kleidung. Jemand, der abgeranzt daherkommt, engagiert man nicht. Ergo: teure Kleidung…
Und dann schließlich: bei den allerwenigsten wirklich guten Veranstaltungen stellt man diesen oder jenen dar. Man zeigt was, macht was, passt sich an. Was man halt kann und hat und darstellen kann. Man ist nicht "eine" Person.
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Eintrag #4 vom 09. Mrz. 2016 12:30 Uhr
Bastian
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Erstmal vielen Dank für die nette Aufnahme und die tollen Antworten!
Da hat es sich ja auf jeden Fall schon mal gelohnt sich hier anzumelden.
Erstmal zu Laura
Ok das mit dem Tipp keine Geschichte rund um die Figur zu brauchen beruhigt mich etwas. Hatte mal in einem Heerlager eine Gruppe gesehen die für mich als Laie sehr stimmig wirkte und die hatten eine Tafel wo die Geschichte, samt Familiengeschichte, zu jeder Figur stand. Hab schon graue Haare bekommen bei dem Gedanken das alles konstruieren zu müssen: :P
Da ich meinen Kumpel nun nicht jeden Tag sehe und wir am Anfang stehen weiß ich noch nicht genau was er darstellen will. Aber da der Gedanke an ein Treffen ggf im heiligen Land war kann er ja schlecht Dorfkrämer werden denke ich. Er ist ja in Lüneburg und will deswegen den Weg des Händlers gehen. Wegen Hansestadt.
Wie die genaue Darstellung des militärischen Teils aussieht weiß ich ja auch noch nicht. Daher ja meine Bitte um Hilfe hier.
Wie ich ja schon sagte wurde mir der Zahn des Ritters in glänzender Rüstung schon gezogen.
Aber der Gedanke an einen Leibwächter für den Händler z.B. gefällt mir gut.
Und ich habe auch erst hier gelesen, dass Kettenpanzer und Haube am Anfang eins waren…Ich habe natürlich getrennt und auch eine Haube mit rundem Kragen. Was wohl nicht so gut in den deutschen Raum passt wie ich hier bereits lesen konnte. Sondern eher eckige Kraken.
Ab wann das jedoch getrennt getragen wurde (also Kettenpanzer und Haube) weiß ich leider auch nicht. Und ich habe auch keine Fäustlinge sondern Fingerhandschuhe mit Kette. Was wohl historisch auch nicht korrekt ist. Und die Sachen sind allesamt unvernietet.
Wie gesagt ich habe das 2012 im Eifer eines "Juhu es geht nun los" gekauft und nach den ersten hier gelesenen Beiträgen hätte ich mir dafür in Arsch beißen können.
Aber das nennt sich dann wohl Lehrgeld! :D
Vielen Dank auf jeden Fall für deine Links. Da werde ich mich mal umsehen.
Das mit dem Handwerk und man hat immer etwas zu tun verstehe ich. ;)
Klar kann man das als Söldner oder Leibwächter nicht. Aber da wir am Anfang noch nicht in ein Heerlager können, sondern es sich auf Tagesbesuche reduziert ist das glaube ich nicht so dramatisch.
Da geht man dann eben als Leibwächter seines Herren und passt auf, während er den Markt nach neuen Waren erkundet oder Handelspartner sucht.
Vielleicht is das aber auch einfach zu blauäugig gedacht.
Und jaaa der Spaß soll auf jeden Fall dabei sein. Sonst gibt man das ganze eh wieder auf.
Und nun dir Jens.
Danke auch erstmal für deine Antwort.
Das mit dem Leerlauf leuchtet mir ein. Wie ich oben schon schrieb wird es erstmal um Tagesausflüge gehen.
Und wenn nun ein Händler, der einen Leibwächter anheuert, zu einem fremden Markt oder so fährt wird der Söldner ja vermutlich auch gerüstet und bewaffnet an seiner Seite sein.
Das ist zumindest meine momentane Idee, die ich verfolge.
Der Spruch "die meiste Zeit des Lebens wartet der Soldat vergebens" kenne ich. War selber Zeitsoldat! :D
Das mit der Ausrüstung macht natürlich durchaus Sinn. Und mit der Kleidung auch…
Guter Söldner, guter Sold, gute Kleidung und Ausrüstung. Schlechter Söldner, tot
Von abgeranzt oder ähnlichem bin ich nun auch nicht ausgegangen. Aber hab da noch mal eine Frage. Du schreibst Harnisch…Is das nicht ein Platten(brust)panzer??
Wäre das 1240 nicht noch zu früh?
Habe die Zeit auch mit dem Blick darauf gewählt eben keine Plattenrüstung tragen zu wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Bastian
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Eintrag #5 vom 09. Mrz. 2016 14:53 Uhr
Jens
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Hi Bastian,
Naja, ich fürchte, Du hast die Sache mit den Hintergrundstories noch nicht so richtig erfasst.
Schlicht und ergreifend: die sind sinnfrei. So von wegen "Händler und Leibwächter".
Auch Dinge wie "wir sind im heiligen Land".
Alles, was nicht (be-)greifbar ist, bringt nix. Egal ob als Tagesbesucher (von was? Märkte? Da kannst du auch als Darth Vader gehen) oder bei ner "richtigen" Veranstaltung (also Living History). Für jeden- egal ob "unbedarfter" Besucher (nur weil jemand modern gekleidet ist, bedeutet das ja nicht, dass er keine Ahnung hat…) oder "klamottierter"- seid ihr nur identifizierbar an eurer Klamottage. Sie sehen also ggfs. einen zivil gekleideten Knilch mit einem bewaffneten Knilch. Schlimmer noch, einem gerüsteten. Das führt dann als "Tagesbesucher" dazu, dass Du schwitzt, und überall mit Waffen aneckst, die du nicht benutzt. Und das um was zu tun? Auf nm Markt sich an einen Metstand zu stellen? An Händlern mit Pakistanimportwaren vorbeizuschlendern?
"während er den Markt nach neuen Waren erkundet oder Handelspartner sucht." - kein echter Händler lief im Mittelalter mit Leibwächter über nen schnöden Markt und suchte Handelspartner. War er vermögend genug, um Leibwächter zu haben/bezahlen zu können/brauchen, handelte er nicht mit Kleinkram, den man auf nem Wochenmarkt fand. Und nam keinen Leibwächter mit. Weil der, selbst wenn er sinnfreierweise dabei gewesen wäre, um den Händler gegen die nichtexistenten Gefahren innerhalb der Stadtmauern zu schützen, nicht bewaffnet gewesen wäre, weil verboten. Schon damals kam man recht früh auf den Gedanken, dass es wenig hilfreich wäre, wenn Hinz und Kunz bewaffnet durch die Stadt marschiert… dagegen gabs Gesetze. Bei einer Überlandreise mag ein Geleitschutz noch sinnvoll sein.
"Du schreibst Harnisch…Is das nicht ein Platten(brust)panzer??"
Nein, ein Harnisch war und ist erstmal generisches Wort für "Rüstung".
Mein Rat: Du und dein Kumpel, wenn ihr euch auf Zeit ( Mitte 13tes) und grobe Örtlichkeit (Deutschland) geeinigt habt, macht euch eine akkurate Grundklamotte. Ohne Waffen. Völlig ohne. Ohne Gedanken an solche. Bersucht Veranstaltungen, guckt, ob ihr mal als Tagesbesucher eine Living History-VA angucken könnt. Schaut, was ihr machen wollt, wo, mit wem. Was da möglich ist. Dann, wenn ihr ein Gefühl dafür habt, baut es aus.
Ein Händler ohne Handelsgüter, Haus/Laden oder kleiner: Stand, Handelspartner usw. ist einfach nur ein rumlungerner Typ. Ein Söldner ohne Auftrag und Gelegenheit auch nur ein rumlungernder Typ. Bewaffnet oder vlt. auch nicht. Schlechtestenfalls wäre er aus "damaliger" Sicht ein Problem und Fall für städtische Büttel. Oder Marktwache. Oder wasauchimmer (Stichwort: Marktfrieden).
Wenn ihr beide mal richtig ordentlich und ggfs. posiger gekleidet seid, wäre ein Schwert ggfs. als Standes-bzw. Standesbewusstseinszeichen zu interpretieren (dennoch bei nem Tagesbesuch sinnfrei). Der Witz ist dann aber, dass vermutlich ihr beide eines tragen würdet. Was spätestens dann die Unterscheidung von "Rollen" ad absurdum führen täte.
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Eintrag #6 vom 09. Mrz. 2016 15:33 Uhr
Ann
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Konstruktion von Geschichten und "Marktmythen"
Hallo Bastian,
ich hab bis jetzt in diesem Forum nur gelesen, möchte jetzt aber auch mal meinen Hut ins Feuer werfen. Ich denke, dass du die richtige Einstellung mitbringst und das ist schonmal die halbe Miete. Jetzt kommt aber der Kniff: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
Wenn ich mir dein Profilbild ansehe, dann muss ich dir leider sagen, dass es mit einer historisch belegbaren Darstellung absolut nichts zu tun hat, aber weißt du ja schon. Also du dir die Sachen zugelegt hast, wusstest du es eben nicht besser und glaub mir: Du sprichst mit einer Leidensgenossin. Als ich mit diesem Hobby angefangen habe, habe ich mir für kleines Geld irgendwelchen "ambientigen" Kram im Internet geholt und fand mich gut damit. Dann setzt das Umdenken ein und - du hast die Erfahrung gemacht - man stellt fest, dass man eine gehörige Summe Lehrgeld bezahlen musste.
Erspar dir diese Erfahrung beim zweiten Anlauf. Das heißt: Bevor du dir jetzt überlegst, dass du ein Söldner bist und wie du deinen Freund als Kaufmann kennengelernt haben könntest und was du dann auf einem Marktbesuch für eine "Funktion" hast solltest du recherchieren. Am Anfang jeder guten Darstellung steht ein intensives Quellenstudium. Wohlgemerkt Quellen, ich spreche nicht von Literatur. Literatur ist - wie Jens es zu den Anleitungen erklärt hat - die Auslegung einer Person und sollte nur zur Unterstützung deiner Quellenarbeit dienen. Das heißt für dich; lesen, lesen und noch mehr lesen (und gucken :) ). Für deine Zeit bietet sich z.B. die Maciejowski-Bibel als sehr prominentes und leicht zugängliches Werk an. Die stammt zwar aus Frankreich, bietet aber einen ersten Einblick in eine richtige Quelle aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Inwiefern die dort abgebildete Kleidung dann für einen Norddeutschen nutzbar ist musst du auswerten (Zieh weitere, lokale Quellen und Literatur hinzu).
Als ich Angefangen habe, für meine Darstellung zu recherchieren, erschien mir das wie eine unüberwindbare Hürde und der Anspruch, meine Sachen mit Hand zu nähen kam in meinen Augen beinahe einer Drohung gleich :) Ist aber alles halb so wild. Recherche und Herstellung deiner Ausrüstung sind 80% des Hobbys, das Ganze auf einer Veranstaltung zu präsentieren ist dann das Sahnehäubchen.
Je mehr du liest, desto mehr Fehler in deiner Vorstellung von einem Söldner wirst du finden und ersparst dir, wieder Geld für Dinge auszugeben, die im Nachhinein nichts taugen. Es wird wohl Niemanden geben, der dir hier Schritt für Schritt erklären kann, welche Ausrüstung, welche Stoffe usw. du nutzen musst. Diese Arbeit bleibt an dir selber hängen.
Für mich ist der finanzielle Aspekt ein sehr wichtiger, da ich Studentin bin und somit "berufsbedingt" nicht besonders viel Geld habe. Wie es da bei dir steht weiß ich natürlich nicht (will ich auch nicht wissen :) ), aber wenn du tatsächlich einen Söldner darstellen willst, dann musst du dir bewusst sein, dass du einen dicken Batzen Geld in die Hand nehmen musst. Ich stelle eine Bürgerin dar und selbst so eine "einfache" Darstellung hat seine Kosten. Wenn du deinen Söldner wirklich historisch belegbar gestalten möchtest, dann kommt mehr auf dich zu, als ein paar Euro für Stoff. Guter Wollstoff hat seinen Preis (vielleicht wäre es sogar möglich, deine Sachen aus Seide zu machen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass Seide ihren Preis hat :) ), dazu kommen Unterbekleidung, Kopfbedeckung, Schuhe, Gürtel und - wäre dann für einen Söldner sehr wichtig - das Rüstzeug. Ich kenne mich beim Thema Waffen nicht wirklich aus, aber die Dinge, die du für kleines Geld im Internet kaufen kannst sind vermutlich nix. Das pauschalisiere ich jetzt einfach mal. Das heißt, du musst dir die Sachen von einem Handwerker anfertigen lassen und Handwerk hat seinen Preis (Das ist auch gut so).
Wenn sich deine Ausflüge ins Mittelalter vorerst auf Tagesbesuche beschränken, warum dann nicht einen Bürger oder Handwerker darstellen? Dass diese nur in naturfarbenen Säcken rumgelaufen sind gehört ins Reich der Mythen :) Und was deinen Spaß am Schwertkampf angeht: Beherrschst du das denn (Ich weiß grade nicht, ob du vorher schon was dazu geschrieben hast)? Wenn nicht, dann kannst du das Schwert auch zuhause lassen.
Ich hoffe sehr, dass mein Beitrag nicht unhöflich klingt, ich möchte dich nur an meiner Erfahrung teilhaben lassen :) Setz dich ZUERST intensiv mit dem Thema auseinander, lass deine Vorstellungen beiseite und sei offen für neues. DANN kannst du loslegen und deine Ausstellung zusammenstellen.
Noch ein kleiner Nachtrag: Was du auf Mittelaltermärkten siehst ist leider zu 90% Schmuh. Insofern die von dir gesagte Gruppe keine konkrete, belegbare Familie nachgestellt hat, (bsp "Heyden - Bürger czu Nürenberch" auf Facebook), ist es sinnfrei, einen Familienstammbaum mit Geschichten der einzelnen Personen auszuarbeiten. Wozu auch? Ich bin in meinen immerhin sechs Jahren, die ich in diesem Hobby bin noch kein einziges mal gefragt worden, wer ich denn konkret sein soll und wieso ich jetzt genau da bin :) Das ist so ein Szene-Ding dieser Märkte, lös dich davon. Das brauchst du nicht und es wird dich auch niemals jemand danach fragen. Du willst ja ein Stück Geschichte lebendig werden lassen und kein Rollenspiel machen.
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Eintrag #7 vom 10. Mrz. 2016 12:03 Uhr
Jens
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Ann hat das sehr schön dargelegt, ich würde das Ganze bislang gesagte gern auf eine triviale Formel runterbrechen:
- Guck, was du machen willst
- Schau wie du da hin kommst
- wenn es historisch sein soll, recherchier viel und fang !sehr einfach! an
- bedeutet Grundkleidung, keine Definition des Standes usw.- ein "jedermann" sozusagen. Das langt für Besuche, erste Schritte auf hist. VAs usw.
Fürs 13te gibt es hier im Forum schon reichlich "Futter" für eine Grundausstattung, und der Verweis auf z.B. unsere Seite (wobei es fürs 13te sicher auch bessere gibt) ist sicher nicht völlig eigennützig. Ist auch nicht rasend schwer vom Herstellungsaufwand.
Das mit dem letzten Absatz kann man übrigens arg unterschreiben. In meinem Profil steht auch noch viel blabla mit Namen und co.- das ist maximal teils zur Recherche eines bestimmten Personenkreises noch nutzbar. Effektiv stellen wir bei jeder Veranstaltung was anderes dar, was halt reinpasst, und wir machen können. Für manches macht man spezielle Klamotten-einfacher oder aufwändiger- oder neues Werkzeug usw.
Wir waren schon Adelige, Bauern, Färber, Knechte, Spinnerinnen, Nestelmacher, Handschuhmacher, Schneider, Stickerin, Kriegsknecht…
Was Schwertkampf angeht, würde ich den eh als etwas getrenntes Hobby betrachten. Soll es gescheit sein, ist evtl. ein Fechtverein/-gruppe ein guter Ansatzpunkt, und dann wirst Du eh erst mit Übungswaffen hantieren. Das kann man mit ner Darstellung kombinieren bzw. auf einer Veranstaltung dnann durchführen, aber auch da braucht es selten bis nie eine großartige Begründung, warum man nun ein Schwert in der Hand hat. "Ritter" is man bei Besuchern dann eh, schlechtestenfalls auch mit dem Küchenmesser in der Hand :D
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Eintrag #8 vom 11. Mrz. 2016 08:57 Uhr
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Mal einen Schritt zurück, da ich hier noch eine gewisse Verwirrung sehe. Vielleicht ein zwei kurze Worte zu "dem Hobby" an sich, um ein wenig Klarheit zu schaffen.
Es gibt gefühlt tausend Ansätze und Gründe, warum jemand etwas macht, das sich in irgendeiner Form "Mittelalter" nennt. Für den Laien ist dies manchmal nicht direkt zu erkennen, er sieht nur Leute in entsprechend anmutender Klamotte und oft fehlt ihm - gerade wenn man nur über Märkte einsteigt - auch einfach der Vergleich.
Soll heißen: Es gibt Gruppen - primär auf Märkten - denen ist Rollenspiel (auch wenn sie den Begriff selbst oft eher scheuen) sehr wichtig. Das beginnt bei Viten, über konstruierte Geschichten, warum jetzt wer mit wem wo zusammen "reist", und geht bis zu solchen Konstrukten, daß sich nur Ritter - unabhängig der Ausstattung und Kompetenz - nennen darf, wer seinen Knappendienst bei einem anderen "Ritter" abgeleistet hat. Oft bilden diese Gruppen ein relativ geschlossenes Bild, weil sie eben miteinander in einem fiktiven, eingespielten Sozialgefüge interagieren, oftmals griffige Symbolik verwenden (Gruppenfarben, Wappen der "Herren" usw.) und nicht zuletzt, weil sie auf Märkten mit einem riesigen Lager voller - für den Laien - beeindruckender Ausrüstung ihre Welt schaffen. Der Fokus dieser Gruppen liegt auf besagter "ihrer Welt", hier geht es mehr um ein Gefühl des Lebens - teils bis hin zu dem Punkt, daß eine starke Identifizierung mit der Rolle stattfindet. Daher auch die Viten, man "lebt" dort seine Rolle, und versucht, die verschiedenen Auftritte in diesen Kontext einzubinden. Daher auch das geradezu klassische "Reiselager", das als rechtfertigender Rahmen dient. Historische Genauigkeit steht in diesen Gruppen in der Regel mehr oder weniger deutlich - teils massiv - hinter dem Rollenspiel zurück.
Damit steht ihr Ansatz aber diametral zu dem, den du hier in der Regel finden - und der von den Vorrednern erläutert wurde - wirst. Hier gibt es in der Regel keine Viten, dafür Tätigkeiten/Berufe, die in den entsprechenden Kontext einer jeweiligen Veranstaltung eingebunden werden. Ja, im Falle eines konkreten Reenactments (also der möglichst genauen Nachstellung einer belegten Begebenheit) sind dann notwendigerweise dort auch Namen mit Viten darunter, die gelten dann aber nur für diese einzelne Veranstaltung. Bei einer generischen Burgbelebung etwa werden aus den Söldnern des letzten Reenactments nun feste Burgmannen, die bei der nächsten Veranstaltung Bürger in einem Aufgebot sind. Usw. Auf ganz anderen Veranstaltungen stehen diese Leute als Beispiel für mittelalterliche Infanterie neben Römern, Landsknechten, Musketieren bis hin zu Soldaten der Neuzeit und zeigen die Entwicklung der Rüst- und Waffentechnik auf. Viten sind hier vollkommen egal, die Korrektheit der einzelnen Ausrüstungsteile und des Gesamtbildes dafür um so mehr. Auf Märkten hingegen findet man solche Leute eher selten. Es gibt Ausnahmen, aber in der Regel werden hier Veranstaltungen bevorzugt, die einen anderen Ansatz haben.
Ganz wertfrei: Egal, welcher Ansatz einem nun besser gefällt, sich von beiden beraten zu lassen bzw. sie als Vorbild zu wählen steht sich meist selbst im Weg. Von der einen beraten zu lassen und bei der anderen mitspielen zu wollen führt regelmäßig zu Enttäuschung.
Fazit: Wenn du es - da du hier gefragt hast - historisch korrekt machen willst, orientiere dich an dem, was meine Vorredner geschrieben haben. Dann ignoriere aber besser ausnahmslos alles, was du auf Märkten gesehen hast. Die drei Tropfen, die vielleicht ausnahmsweise doch was taugen kriegst du später auch anderweitig mit.
Wenn du auf Märkten einfach Spaß haben willst… Tu was die tun.
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Eintrag #9 vom 11. Mrz. 2016 13:18 Uhr
Bastian
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Moin moin!
Freut mich wirklich sehr so viel Hilfe und Tipps zu erhalten.
Hey Jens…Ja das kann sein. Ich bin da wohl falsch an die Sache ran gegangen.
Wir haben halt gedacht "man macht das so" mit Hintergrundgeschichte und so.
Und ja Tagesbesuche auf Märkten. Woanders waren wir noch nicht. Und das da viel Fantasy ist habe ich schon bemerkt.
Dafür werden die Sachen die ich jetzt habe auch erstmal noch reichen. Aber ich möchte mich halt verbessern und mehr mit dem Thema beschäftigen.
Will auch mal zu den Burgmannentagen in Vechta. Das scheint ja eher eine Living History Veranstaltung zu sein.
Aber ich merke schon, dass ich mir das alles etwas zu einfach vorgestellt habe.
@ Ann
Ja das ist mir schon aufgefallen. Und es freut mich zu hören, dass ich nicht der einzige bin, der so angefangen hat und Lehrgeld bezahlt hat.
Ja die Unterscheidung von Quellen un Literatur scheint hier einen großen Stellenwert zu haben. Da hatte ich mir bisher z.b. noch gar keine Gedanken drüber gemacht.
So fühle ich mich auch gerade. Je mehr ich hier lese und merke was ich alles falsch gemacht habe oder falsch angegangen bin und wie es richtig geht umso unsicherer werde ich auch.
Momentan habe ich irgendwie das Gefühl vor nem riesigen Berg oder Irrgarten zu stehen. Aber ich denke das wird sich mit der Zeit geben. Noch ist das halt alles neu für mich.
Und nein es kam nicht unfreundlich rüber. Ich bin ja für Hilfe dankbar und versuche auch diese anzunehmen.
@ Jens
Ja einige Ansätze wie Ort und Zeit habe ich ja schon.
Und habe hier auch schon einige Interessante Beiträge zur Mitte des 13ten gefunden.
Habe ja erst etwas gelesen und die Suche genutzt bevor ich selber nen Eintrag geschrieben habe.
Ja ich habe bei deinen Bildern schon gesehen, dass ihr da sehr vielseitig seid.
Bis zum Schwertkampf wird es wohl noch ein langer Weg! :D
Obwohl ich schon mehrere Küchenmesser habe… :P
@ Alexander
Danke für den Beitrag. Sehr gut geschrieben…
Diese Unterscheidung habe ich so noch nicht getroffen. Kenne ja aber auch nur die Märkte mit den Heerlagern und so.
Darüber bin ich ja an das Thema Mittelalter geraten. Und eben auch über die von dir angesprochenen Gruppen, die in einer Art Rollenspiel dort zusammen sind.
Für mich klingt das nun bei den Living History oder Reenactment VA als ob man da als eine Art "Statist" agiert und quasi den entsprechenden Platz dort einnimmt.
Das war mir bisher nicht bewusst. Aber ich bin ja im Lernprozess. :D
Ich werde mir mal vornehmen zu einer solchen Veranstaltung zu gehen um mal den Unterschied zu sehen.
Hab da ja, wie oben schon geschrieben, die Burgmannentage in Vechta im Auge
Bewertung:
Eintrag #10 vom 11. Mrz. 2016 14:43 Uhr
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..naja, Statist würde ich so mal nicht sagen. Das klingt so wie auf Kommando. Lass es mich mal an meinem Beispiel im 14.Jhd erklären. Ich habe mich ähnlich wie du für eine militärische Rolle entschieden. Mit der Zeit und dem Ausbau der Ausrüstung kamen diverse Veranstaltungen, die zum Teil auch eine Geschichte als Hintergrund hatten. Mit gewissen Modifikationen in der Ausrüstung habe ich an Reenactments in Italien als deutscher Söldner, in Belgien als flämischer Bürger, sowie als Burgmann bei diversen Burgbelebungen mitgewirkt.
Ich habe grundsätzlich jedesmal ungefähr das gleiche getan, eine militärische Rolle, mal halt im Felde, mal auf der Burg, mal im Krieg, mal in Friedenszeiten. Zwischen den einzelnen historischen Begebenheiten der Reenactments lagen allerdings mehr Jahre, als in einer Vita für eine Person meines Alters vertretbar wären, und mit verschiedenen Hintergründen hätte ich auch einen inhaltlichen Bruch, der nicht in eine Vita passt. Aus einem Söldner wird kein flämischer Bürger und daraus kein deutscher Burgmann. Also bin ich schlicht immer das, was für die jeweilige VA passt in meinen Möglichkeiten, und ansonsten einfach "ich".
Und wenn Wache schieben gerade mal langweilig ist, in der Küche aber Landunter, ziehe ich meine Arbeitskluft (Besagte "einfache Einsteigsklamotte", die ich auf keinen Fall missen möchte) an und "bin" für gewisse Zeit "Knecht", hacke Holz, hole Wasser oder was auch immer sonst anfällt.
Bewertung:
Eintrag #11 vom 11. Mrz. 2016 15:47 Uhr
Laura
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Hallo Bastian,
du hast ja jetzt echt schon einige sehr gute Tipps und Hinweise bekommen und ich finde es super, dass du sie so gut annimmst. Und ja, ich kann dich TOTAL verstehen, denn genau wie dir ging es mir am Anfang auch. Ich bin genau wie du irgendwann (mehr oder weniger von alleine) darauf gekommen, dass "Wir machen Mittelalter" und "Wir machen eine historische Darstellung" nicht unbedingt das Gleiche ist. Und als ich angefangen habe zu recherchieren dachte ich mir nur: Das kannst du niemals!
Aber der Wunsch danach, es "richtig" zu machen wird das bald schon in den Schatten stellen, glaube mir!
Was ich dir jetzt empfehlen kann ist so viel zu lesen wie möglich.
Ich würde folgende Dinge tun:
1. Schau dir Websites von GUTEN Darstellern an. Jens hat ja schon auf seine Website verwiesen und die kann ich dir wirklich sehr empfehlen. Andere Darsteller, die ich dir empfehlen kann sind z.B. Apud Angeron, Tempora Nostra, IG Wolf, AG Hochmittelalter oder Evocatio Ratisbonensis (nicht alle Mitte 13. Jahrhundert, aber es geht eher ums Prinzip jetzt) . Schau dir an, was sie machen. Lies dir etwas über ihren Anspruch durch, schau dir die Veranstaltungen an, die sie besuchen, das Handwerk, dass sie vorführen usw.
Und DANN mach nicht den Fehler zu denken: Ah ja, das ist ja bei denen so und so, dann mache ich das jetzt auch.
SONDERN: Lies dir ihre LITERATURLISTEN dieser Darsteller durch. Schau dir die Linklisten an. Kauf dir die BÜCHER (nein nicht alle, und schonmal gar nicht alle auf einmal, aber das, was für dich am relevantesten ist ;) ) und durchforste die Websites.
2. Lies dieses Forum von vorne bis hinten ;). Hier kannst du echt was lernen. Nicht unbedingt jetzt um die perfekte Schritt für Schritt Anleitung zu erhalten, sondern um zu lernen, wie man an eine historische Darstellung herangeht. Auch hier findest du massig Literaturhinweise und Linktipps (aber hinterfrage jede Aussage, nicht jeder der hier was behauptet hat auch recht ;) ).
Schau dir auch die Einsteigerhandzettel an.
3. Schau dir Quellen an! Ich habe dir ja oben schon 2 Links geschickt. Nutze diese Seiten! Du wirst schnell z.B. ein Gefühl für die Kleidung deiner Zeit bekommen.
4. Überdenke dann noch einmal, was du letztendlich machen möchtest. Dir muss bewusst sein, dass eine historische Darstellung nicht mal eben gemacht ist, dass es viel Zeit (und manchmal auch Geld) kostet und das jedes Detail wichtig ist. Aber, und das kann ich dir auch sagen, das Gefühl, wenn du dein erstes "richtiges", selbstgenähtes Kleidungsstück in den Händen hast, ist unbezahlbar. Klingt das gut? Dann überlege dir was du machen möchtest. Mein Tipp: Fang erstmal z.B. mit der Unterbekleidung an. Da kannst du üben und Leinen für eine Bruche z.B. ist auch nicht so teuer. Baue auf deinen gesammelten Erfahrungen deine weitere Darstellung auf. Lerne aus deinen Fehlern und machs beim nächsten Mal besser. :) Und, wie schon oft gesagt, aber ich kann es nur wiederholen: Fang mit was EINFACHEM an. Darauf kannst du später immer noch aufbauen!
Du wirst sehen, schon bald siehst du diese Märkte mit ganz anderen Augen. Auf einmal wirst du merken, dass Gruppen, die du vorher für wahnsinnig "mittelalterlich" gehalten hast, auch wenn ihre Ausrüstung in sich stimmig ist (und ich ihnen auch nicht absprechen möchte, dass sie sich damit wahnsinnige Mühe gegeben haben) leider nichts mit dem Mittelalter zu tun haben. Du wirst merken, wenn einer den falschen Gürtel trägt, den falschen Stoff benutzt oder irgendetwas Unsinniges erzählt. Und dann willst du dich weiter verbessern.
Oft wird von den "Marktgängern" behauptet die "A-Päpste" hätten ja keinen Spaß, oder so wie die "A-Päpste" es machen macht es keinen Spaß oder auch die Aussage: "Ach ja, das ist ja alles nicht so richtig, aber es soll ja noch Spaß machen". Das könnte ich andersrum genau so sagen, DENN: MIR macht NUR (noch) die historische Darstellung Spaß. Mich mit ambientigen Sachen zu verkleiden ist wirklich so gar nicht (mehr) mein Fall. Da bleibe ich lieber Zuhause. Will sagen: Was Spaß macht entscheidet der, der es macht. Ich habe mich, gerade am Anfang, viel zu sehr von der Aussage "Das macht alles keinen Spaß" einschüchtern lassen (wohlgemerkt von Leuten, die sich noch nie mit einer historischen Darstellung befasst haben). Also hab keine Angst davor! Das ist kein Hexenwerk und die meisten Leute die dieses Hobby machen, haben weder eine Schneiderlehre noch ein Geschichts/Archäologie Studium absolviert :).
Aber es braucht Zeit, Geduld und Spaß an der Sache. :)
Also: Auf geht’s, viel Spaß und Erfolg, und für weitere Fragen gibts dieses Forum und jede Menge Facebook Gruppen (z.B. 13. Jahrhundert in Deutschland) in denen viele hilfsbereite Leute sind. :)
Liebe Grüße,
Laura
Bewertung:
Eintrag #12 vom 16. Mrz. 2016 11:21 Uhr
Jens
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Hi Bastian,
Mal ganz anders aus eigener Erfahrung: ich habe auch auf Märkten angefangen. Erst wegen (Sport)fechtens zum Schwert gekommen, damals dann "Schaukampf", also quasi Improvisationstheater mit Stunteinlagen. War witzig. Man hat sich irgendwie verkleidet, wie man es für "mittelalterlich" hielt. War ne schöne Zeit, man konnte viele Leute kennenlernen, hatte was abenteuerliches, von Lagerfeuerromantik und Pfadfindern. Wie bei einem Online-RPG (Rollenspiel) konnte man "seine" Figur erfinden und formen, um dann bedinungslos fantastisch - oder was man damals für historisch hielt- diese anzuwenden.
Das ging aber da schon nur bedingt. Richtig Rollenspiel geschieht nur im Larp, und selbst da nicht die ganze Zeit.
Der Pfadfinderaspekt nutze sich ab, zumal man ohne Recherche viele Dinge schlicht modern zu lösen versuchte, und das irgendwann auf den Keks ging (ich sag nur Feldbett). Irgendwann wäre der Aufwand, sich was uriges auszudenken, genauso hoch gewesen, wie zu gucken "wie haben die damals das denn gemacht?". Den Weg gehen erstaunlicherweise trotzdem viele, da wird eine Truhe aus Leimholz auf Alt geflammt, und die Baumarktbeschläge in Öl geschwärzt, anstatt gescheites Holz und einfache geschmiedete nach Vorlage zu nehmen (Beispiel). Wer’s mag.
Ich halt nicht. Daher habe ich mich von dem abgewandt. Und gemerkt, dass auf Märkten das meiste Schmu ist. Nicht nur das Zeug, von dem doch gern behauptet wird, es wäre so oder genau so gewesen. Sondern auch die "wir haben uns alle lieb und sind eine Szene" Einstellung. Wer den Finger drauf legt- dafür bin ich zugegebenermaßen bekannt- dass es eben nicht so ist, wie behauptet- dann ist spätestens da die Freundlichkeit passé. Auch ob der starken Identifikation mit den "Rollen" gibt es viele Konflikte.
Auch im Living History musste ich laange dazulernen- und zwar völlig fernab irgendwelcher Quellen und Bücher Anfangs versuchte ich auch, eine "Rolle" zu definieren, um mich möglichst genau in der jeweiligen Zeit, Region usw. zu verorten. Irgendwann stellte ich dann fest, dass man, würde man das durchziehen, nur in 1% der Veranstaltungen-die eh net auf Bäumen wachsen- reinpasst. Da muss man flexibel sein. Das Ganze ist nunmal ein Nischenhobby, die Marktszene ist schlicht größer, die Veranstaltungen- Märkte freilich vor allem- häufiger, weil da jeder alles darf, und sie auch noch kommerziell sind. Verdient einer Geld damit, machen es mehrere.
Oh und freilich wird auch im Living History sich gern die Köpfe heiss diskutiert und nicht alle mögen sich. Sind halt Menschen ;)
Was jedenfalls deutlich wurde: zu 90% braucht man einfachere Klamotte. Prunkiger Kram führt nur dazu, dass man damit wenig tun kann, weil man net will, dass er leidet. Dem entgegen steht einfach das "Habenwollen" weil es so hübsch ist ;)
All die Erfahrungen führen mich zu dem Fazit, dass:
- Märkte lustig sind, wenn man das will
- es ist aber eine (gewollte) Scheinwelt - eben wie ein Zirkus oder Jahrmarkt.
- wenn man als Ziel hat, wirklich was über Geschichte zu erfahren, erleben oder zu vermitteln, klappt das da nicht. Gar nicht. Das ist einfach nicht das Ziel.
- Geschichtsdarstellung- Living History oder was auch immer ist anders. Ein guter Teil findet zu Hause statt- mit Lesen, Lernen und der Versuch, darauf basierend etwas zu bauen/nähen. Gern auch in Gesellschaft (Stammtische, Nähtreffen)
- Der Einstieg(!) ist- gerade heute nicht nur dank des Internets- ist an sich relativ einfach. Gerade in Zeiten mit einfach zu machender Klamotte. Man muss nur offen und lern-und kritikwillig sein. Wendet sich so jemand an mich, kann man sich verabreden, bringt derjenige Stoff mit, dann helfe ich gerne beim Erstzuschnitt (vorrausgesetzt es ist eine Zeit, von der ich was verstehe).
- Man sollte am Anfang möglichst wenig anschaffen. Man orientiert sich erst nach bestimmter Zeit
- Nix ist so schlimm wie es erzählt wird. Keiner reist einen wegen irgendwas den Kopf ab, gerade nicht vor Ort. Jeder hat was, dass er verbessern müsste, und wozu er net kommt, weil Beruf/Familie/achheutekeinenBockIchSpielEinfachMalCounterstrike ;)
- Es gibt _immer_ zu wenig Veranstaltungen, um es zu nutzen. In jeder Zeit. Weswegen (nicht nur deswegen) viele auch noch gern parallel Larp machen. Mit dem gleichen Zeug und Ergänzungen
- und auf Märkte gehen. Um nen Fladen zu essen, der Tochter nen Schellennarrenstab zu kaufen, über vielen Blödsinn den Kopf zu schütteln, aber vlt. auch sich nostalgisch an den Anfang zu erinnern (machen wir so, ja).
-Nochmal betont: Märkte kann man immer besuchen. Auch in perfekt akkurater Klamotte.
- Schwertkampf findet zu 90% in Sporthallen statt. Auf Veranstaltungen nur wenig. Und damit das lustig ist, braucht man Leute, die Ahnung davon haben, und das mit einem machen. Auf Märkten ist sowas öde, auch fürs Publikum, solange man net nen Theaterstück draus macht. Dann kann man sowas auch historisch sehr gut machen. Siehe "Dreynschlag" (googlen, Youtube). Oder man übt es wie in einer Halle. Nur dann braucht man keinen Markt oder sowas drum. Ergo: separates Hobby mit Schnittmengen.
- wir hier immer viel tippen und reden können, verstehen tut man es erst, wenn man den ersten Kittel per Hand aus gutem Stoff nach Vorlage genäht hat, und es aussieht und sitzt wie in Bildern, und man stolz wie Bolle ist ;)
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