Eintrag #1 vom 07. Jun. 2013 17:33 Uhr
Sabine
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Beisetzung von Gefallenen im Spätmittelalter in Frankreich - wie?
Wie genau wurden in Schlachten Gefallene im Spätmittelalter in Frankreich beigesetzt?
Ein Bekannter schrieb mir gestern, dass man damals die Leichen der Gefallenen nicht als Ganzes mitnahm, um sie beizusetzen, wenn der gewünschte Ort der Beisetzung zu weit entfernt war, weil man keine faulende Leiche transportieren, also bei sich haben wollte. Sondern dass man die Eingeweide der Gefallenen herausnahm und diese an Ort und Stelle begrub. Den Rest der Leiche hätte man mit genommen und Herz und Skelett getrennt beigesetzt.
Stimmt das?
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Eintrag #2 vom 08. Jun. 2013 17:29 Uhr
Jan Keupp
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Es handelt sich um eine Beisetzung "more teutonico". Dies war auf Feldzügen gängige Praxis, es gibt dazu einen hübschen wikipedia-Eintrag mit weiterführender Literatur.
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Eintrag #3 vom 10. Jun. 2013 12:16 Uhr
Jens
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In Schlachten gefallene Soldaten in FR im SMA
Hallo Sabine,
Das von Jan angeführte Verfahren ist an sich nur bei hochgestellten Personen zu finden. Was generell nach einer Schlacht mit den Leichnamen passierte, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab- angefangen von dem Stand der Person, über die jeweilige Situation, bis hin zum Wetter. Das war aber nicht nur für Frankreich der Fall, prominentestes Beispiel ist die Schlacht bei Wisby, Gotland, Mitte des 14ten, wo viele Tote mitsamt einem Grossteil ihrer Ausrüstung in Massengräbern landeten, weil es erst nach Tagen und trotz heißen Wetters möglich war, sich um die Toten zu kümmern. Gerade in Frankreich im Spätmittelalter konnte bei einer Schlacht im 100jährigen Krieg die Situation entstehen, dass schlicht keiner da war, der sich angemessen kümmern konnte. Das siegreiche Heer hat sich sicher etwas um die eigenen Toten gekümmert- das konnte bei einfachen Soldaten aber halt schlicht ein Massengrab bedeuten. Da landeten dann auch die Toten der Gegenseite, so kein Interesse bestand, sich anderweitig um diese zu kümmern, auch da gibt es mehrere Beispiele aus anderen Ländern.
Erstaunlicherweise weiß man von sehr vielen Schlachten in Frankreich (aber nicht nur da) nicht, wo die Toten geblieben sind- da gibt es nur Gerüchte, Hinweise über Ortsnamen und bei Grabungen zufällg zu tage tretende Häufungen an Knochen. So gibt es für Crecy z.B. Gerüchte, dass eine Gruppe Ritter lokal in einem Kloster bestattet wurden- dieses gibt es nur leider nicht mehr, und Knochenfunde sagen eben nur bedingt etwas darüber, wer die Person war (Details hierzu bei "The Battle of Crécy, 1346" von
Andrew Ayton und Philip Preston) Ausgehend davon, dass Crecy auch im Hochsommer stattfand, ist aber eben auszugehen, dass man sich -wenn- schnell um die Toten kümmerte.
Nachweise hierzu sind aber schon oft deswegen nicht so leicht, weil der exakte Ort der Schlachten teils garnicht mehr bekannt ist. Aus logistischen Gründen wurden die Toten bei einer w.o. beschriebenen Situation freilich nicht kilometerweit gekarrt, sondern tunlichst vor Ort bestattet, mit den genannten Ausnahmen.
Weiteres prominentes Beispiel wäre Portiers.
Hier sind sogar Zahlen von lokalen Begräbnissen erhalten: es wurden lokal im Kloster 60 Ritter und 42 Knappen beerdigt. Weitere 18, inklusive dem Herzog von Bourbon bei einer lokalen Kirche- ein Beispiel dafür, das o.g. Praxis, ob jetzt auf Grund des Verbotes um 1300 oder nicht, nicht immer bei hochrangigen Personen angewandt wurde. Und nochmal 50 bei einem anderen Koster.
Wohlgemerkt, die schwankenden Zahlen der Toten bewegen sich bei um die 2500, nur für die "Men at Arms".
Jetzt muss man noch bemerken, dass eine Beerdigung in Nicht-Geweihter Erde nach damaligen Verständnis ein Problem war, und an sich eine Strafe. Allerdings halt Soldaten nicht-adliger Herkunft diesbezüglich eh einen schlechten Stand hatten. Insofern ist ein Massenbegräbnis aus mittelalterlicher Sicht keine erstrebenswerte Sache gewesen (naja, nach heutiger auch nicht), ob da allerdings schnell mittels eines lokalen Geistlichen die Erde für geweiht erklärt wurde, oder ob das dann persönliches Pech der Fusstruppen war, kann ich nicht sagen. Wisby ist jedenfalls hierbei ein augenfälliges Extrembeispiel, weil hier auch Ritter in der Grube landeten- was definitiv nicht Usus war.
Fazit: Allgemeingültig, zumal für das ganze Spätmittelalter, kann man das nicht beantworten.
Für einige Schlachten kann man es eingrenzen, für andere wieder nicht. Ansonsten hält sich eben Massengrab mit lokalen Einzelbegräbnissen und speziellen Ehren die Wage, je nach Person.
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Eintrag #4 vom 10. Jun. 2013 13:17 Uhr
Sabine
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Vielen Dank für Eure Antworten!
Die Zeit, die für mich interessant ist, wäre ca. Anfang bis Mitte des 15. Jahrhunderts in Frankreich.
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Eintrag #5 vom 10. Jun. 2013 18:09 Uhr
Jens
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Im Grunde ist es im frühen 15ten nicht anders. Beispiel das berühmte Agincourt. Das ist vergleichsweise exrem gut dokumentiert, auch archäologisch. Hier gibt es eine englischsprachige Seite, die sich gerade mit den Gräbern auseinandersetzt, und auch Literaturverweise für Agincout, sowie Referenzen zu anderen Schlachten des 15ten (Towton, England z.B., auch sehr gut dokumentiert) angibt.
Ich stelle mir etwas die Frage, in welchem Kontext du deine Frage stellst. Kann es sein- Vermutung- dass es für ein Buch ist? So denn dem so ist, würde ich Nachforschungen zur jeweiligen Schlacht anstellen, und wie da die Quelllage zur Begräbnissituation aussieht. Das kann sehr stark variieren, mit den jeweiligen Rahmenbedingungen, wie erwähnt Wetter, Personen, ggfs. Sorge vor Feindnachrückung, aber auch Verachtung des Feindes usw.
In Agincourt z.B. wurden die englischen Toten, die keinen großen Namen hatten, meines Wissens nach in einer Scheune aufgetürmt, und diese angezündet, was nach christlichen Verständnis eigentlich undenkbar ist (weil die Gebeine nicht auferstehen können, daher ja auch Ketzerverbrennungen), während die Adeligen (auch französischen) entweder in Klöstern bestattet wurden, oder anderweitig überführt etc. wurden.
Die restlichen Franzosen wurden in mehreren Massengräbern beerdigt.
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Eintrag #6 vom 12. Jun. 2013 14:36 Uhr
Sabine
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Ich stelle die Frage im Zusammenhang vor allem mit den Schlachten und der Zeit von Jeanne d’Arc. Für ein Buch - aber auch unabhängig davon aus großem Interesse, möglichst viel (Hintergrund)Wissen zu bekommen.
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Eintrag #7 vom 13. Jun. 2013 10:50 Uhr
Jens
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Als ob ich es geahnt hätte ;)
Meines Erachtens ist es das sinnvollste, die jeweiligen Schlachten im Verlauf, Ergebnis und archäologisch zu einem gewissen Grad einzeln zu betrachten, an denen sie teilgenommen hat. Allgemeine Aussagen nutzen da wenig. Jede Schlacht ist anders (gewesen), und oft ist das mit Feind/Freund nicht so einfach, gerade im 100jährigen Krieg. Die oft in Filmen über Jehanne kolportierte Todfeindschaft von Franzosen und Engländer existierte teils so garnicht, zumal auch oft genug Franzosen- Burgunder- gegen Franzosen- andere- kämpften, nicht zu reden von ausländischen Söldnern uvm.
Beredtes Beispiel ist der schottische Soldat John Steward, der 1429 bei Orleons an der Schlacht der Heringe teilgenommen hat und fiel; er ist in der Heilig-Kreuz Kathedrale in Orleons beerdigt (!! als Engländer, der Orleons belagerte!)
Off-Topic:
Ich habe eine persönliche Bitte: Bitte bitte bitte recherchiere sorgfältig. Es gibt zu viel Unfug über Jehanne, und das letzte was die Welt braucht, ist ein weiteres, schlecht recherchiertes, gar esoterisch verbrämtes Buch über sie. Sie ist ja Projektionsfläche für so vieles geworden, aber sie und ihre Zeitgenossen haben es wirklich verdient, dass man sich die Zeit nimmt, sich ordentlich zu informieren.
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Eintrag #8 vom 13. Jun. 2013 11:58 Uhr
Jens
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Man hat mich gerade auf einen Irrtum aufmerksam gemacht: John Steward war nicht nur auf Seite der Franzosen (wie viele Schotten), sondern hatte sogar franz. Besitztümer. Hab ihn mit einen Namensvetter verwechselt. Das erklärt auch das Grab ;)
Man sieht, man muss genau hingucken…
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Eintrag #9 vom 13. Jun. 2013 19:37 Uhr
Sabine
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Ja, da muss man sehr genau recherchieren. Über vieles gibt es gar keine Aufzeichnungen.
Die Schotten und die Engländer waren damals ja noch zwei Paar Stiefel. Die waren sich nicht "grün", also noch kein vereintes Königreich.
Jehanne hatte u.a. auch Schotten in ihrer "Mannschaft".
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