Eintrag #1 vom 17. Aug. 2013 11:59 Uhr
Niklas
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Hallo zusammen,
ich bin zur Zeit am Aufbau einer Darstellung, mit Ziel einen adligen Ritter niederen Ranges darzustellen. Die angestrebte Zeit ist um 1400-1410 n.chr. und die Region Norddeutschland/Grafschaft Holstein. Rüstzeug steht erstmal nicht zur Debatte - ich bräuchte eher Tipps zur standesgemäßgen Bekleidung. Ich habe vorher eine Bauerndarstellung und die Darstellung eines Ritters des deutschen Ordens um 1250 gemacht, aber das frühe Spätmittelalter reizt mich nun doch mehr. Nur fehlt mir da absolut die Erfahrung, was Kleidung angeht.
Soweit ich mich nun in die Materie eingelesen habe, sind die Schnitte zu dieser Zeit durchaus figurbetonter und aufwändiger, als die, der früheren Mode. Doch was für Stoffe passen zu der Darstellung eines adligen aber niedrigen Ritters und welche Kleidungsarten sollte man da ins Auge fassen?
Vielen Dank für die Hilfe,
Niklas
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Eintrag #2 vom 18. Aug. 2013 20:52 Uhr
Jens
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Servus Niklas,
Ich tu mir gerade etwas schwer, den Einstieg zu finden, daher wäre es vlt. gut, wenn Du grob deinen Kenntnisstand der Kleidung um 1400 darlegen könntest, bzw. mit welcher Literatur/Quellen du derzeit arbeitest. Freilich könnte ich jetzt grob meine Kenntnis der Kleidung um 1400 wiedergeben, aber das würde dann ein langer Absatz werden. Die unterscheidet sich schon enorm von der um 1250.
Die Stoffe an sich unterschieden sich im Grundsatz nicht von denen um 1250, vlt. im Muster, und verschiedenen speziellen Varianten.
Sprich, Wolle, Leinen, Seide in Köper und Leinwandbindung, dazu Damast, Brokat, Barchent. Im Detail könnte man auch hier Bände füllen.
Die Kleidung an sich wird eben mindestens modische, guter Qualität sein, wenn auch im Alltag sicher nicht die empfindlichsten Stoffe (eine Seidenhose im Alltag wäre eher unpraktisch). Aber für mich(!) gehört zu einer Darstellung auch mehr, nämlich verschiedene, den Anlass angemessene Garderoben, wie damals auch, d.h. auch einen Sonntagsstaat bzw. etwas für festliche Anlässe.
Aber das hängt halt auch davon ab, was Du als "Darstellung" definierst, d.h. durch was Du als "Ritter" erkennbar sein willst. Ein Typ in modischer Kleidung ist ja erst mal nur ein Typ in modischer Kleidung. Selbst in Rüstung ist er nur ein Träger solcher. Zum "Ritter" wird er erkennbar für andere ja erst durch Symbole, Handlungen, und vor allem durch die Interaktion mit anderen. Vor Publikum kann das auch die Gesamtheit der dargelegten Gegenstände nebst Erläuterung sein.
Und ich hoffe, Du bist dir im Klaren, dass das schweineteuer und schweineaufwändig wird.
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Eintrag #4 vom 19. Aug. 2013 19:36 Uhr
Niklas
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Hallo Alexander,
vielen Dank für den Tipp mit der Gruppe aus Hamburg. Ich habe mir die Seite mal angesehen und werde sie heute Abend noch in Ruhe auf Tipps durcharbeiten.
Das scheint jedenfalls ein guter Schritt in die richtige Richtung zu sein.
Hallo Jens,
auch dir vielen Dank für deine umfassende Antwort.
Ja, mir ist bewusst, dass das erreichen des Ziels einiges an Arbeit und Kapital verschlingen wird… aber wie sagt man so schön? "Von nix, kommt nix." ;)
Um nochmal auf den Ursprung zurück zu kommen und etwas konkreter zu werden, bzw. deiner Bitte im Eingang des Post’s nachzukommen:
Zum Einen orrientiere ich mich an entsprechenden Funden:
Zum anderen habe ich das Buch "Kleidung des Mittelalter selbst anfertigen - Grundausstattung für den Mann", als direkte Quelle für die praktische Umsetzung zur Hand. Ob und in wiefern dieses Werk nun ein historisch korrektes Bild zeichnet, oder als qualitativ hochwertig, was die Sach- und Fachebene angeht, kann ich leider nicht beurteilen. Meinem Kenntnisstand nach bringt es jedenfalls einen guten, groben ersten Grundeindruck von der Mode und Nähtechniken.
Zu guter letzt stütze ich mich noch auf mehr oder weniger zahlreiche Bildquellen, die man u.A. auf effigiesandbrasses.com/ finden kann.
Mein Kenntnisstand der Männer-Mode um 1400 n.chr. geht dahin, dass die Schnitte deutlich figurbetonter sind und wesentlich mehr Knöpfe (Zinn, wie Stoff) eingesetzt werden, als es um 1250 n.chr. der Fall war. Auch kann ich beobachten, dass Kleidungsstücke wie Surcots, Cotehardie’s und Jopulas stellenweise kürzer ausfallen, als es im 13. Jahrhundert der Fall war. Interessant finde ich die Beinlinge, da mir nicht ganz klar ist ob diese nun schon durchgehend "hoch" getragen wurden (ich meine die Variante mit dem Bedeckung des Po’s) oder ob auch noch die ältere Variante ohne den erwähnten Teil getragen wurden. Unterschiede in der Unterwäsche (Leibhemd,Bruche) sind mir keine geläufig.
Dies erstmal als Eingang zu meinem Wissensstand.
Weitere Definition des Ziel’s:
Deine und meine Ansicht einer Darstellung unterscheiden sich nicht wesentlich. Ich gehe durchaus mit deiner Meinung dacore, dass ein "Typ in modischer Kleidung erstmal nur ein Typ in modischer Kleidung ist" - und mehr nicht. Doch das ist für mich auch erstmal "nur" ein Etappenziel, das es zu erreichen gilt. Wie der weitere Fortschritt der Darstellung aussieht, steht erstmal auf einem anderen Blatt Papier, solange nicht die "Grundausstattung" an Fachwissen und der Kleidung vorhanden ist.
Viele Grüße, Niklas
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Eintrag #5 vom 20. Aug. 2013 11:08 Uhr
Jens
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Hallo Niklas,
Also "Kleidung des Mittelalter selbst anfertigen - Grundausstattung für den Mann" wäre keine Quelle- das ist Sekundärlitertaur, und in dem Fall auch nicht wirklich empfehlenswert, da es für die Mode um 1400 wirklich so garnix hilft. Da würde ich -als Einstieg(!) eher die Bücher von Ulrich Lehnart (
wwwamazon.de/[
]/ref=sr_1_1?[
] ) empfehlen, um einen groben Überblick über die Mode und Wehrtechnik zu bekommen.
wwwkostym.cz ist praktisch, aber halt nur eine Webseite mit Bildsammlung. Am besten, Du besorgst dir mal die Literatur, die die betreffenden Originale deines Zeitrahmens dokumentiert. Ausserdem würde ich von o.g. Buch von Ulrich die Literaturliste durchackern. Eines der zentralen Werke für kurz davor/den Zeitrahmen bzw. für das Verständnis für die Kleidung dürfte "Woven into the earth" (
wwwamazon.de/[
]/8772889357) sein, dazu das berühmte "Textiles and clothing" der Londonfunde, was jenseits der Dokumentation dieser auch allgemeines zur Mode und Anfertigung von Textilien der Zeit bietet:
wwwamazon.de/exec/obidos/ASIN/1843832399/tempusvivit-21
Für den Norden würde ich auch unbedingt Lübeck besuchen, und mir die hiesigen Funde zu Gemüte führen, ausserdem findet gerade in Hamburg eine schöne Ausgrabung statt, da können dir die Elvelüüt auch Empfehlungen geben (schönen Gruß an Andreas!)
Auch wenn es an deinem Zeitrahmen etwas vorbeigeht, würde ich ob des grundsätzlichen Verständnisses für Mode beim Adel gen 1400 auch meine Allzweckwaffe "Fashion in the Age of the black prince"
wwwamazon.com/[
]/085115767X empfehlen. Die Mode um 1400-1410 dokumentiert es ausdrücklich nicht, aber den Weg dorthin, was bei der Auswertung von Bild-und Textquellen elementar sein könnte. Grundsätzlich ist der von dir gewählte Zeitraum insofern schwierig(er), da selten die Unterkleidung, also Wams und Hose, zu sehen sind. Stoffe, Überkleidung wie Juppe, Joppe, Schecke, Houppelande, Schaube etc. sind weniger das Problem, durchaus aber auch die Unterscheidung.
Nicht für hiesige Mode als Quelle geeignet, aber für das weitergehende Verständnis, und die kostümgeschichtliche Entwicklung ebenso sehr hilfreich ist: "lluminating Fashion: Dress in the Art of Medieval France and the Netherlands, 1325-1515":
wwwamazon.de/exec/obidos/ASIN/1904832903/tempusvivit-21
Hier die Webseite dazu, die vlt. aufzeigt, was ich meine, da wird die Modeentwicklung anhand der beschriebenen Malereien dargelegt:
wwwthemorgan.org/collections/works/IlluminatingFashion
Da Du Bildquellen erwähnst, bin ich mir nicht im klaren, mit welchen Du konkret arbeitest; Holstein ist ja schon "sehr weit oben", da würde ich mal schauen, ob es Altäre des Zeitrahmens gibt, oder Statuen an lokalen Kirchen, und mal mit den der Umgebung, auch Dänemark, vergleichen. Wirklich mit norddeutschen Bildquellen könnte ich ad hoc nicht deinen, die meisten, die ich kenne, sind eher Oberrhein, Süden, wie Bayern, Pfalz, Schwaben usw., sowie freilich Tirol, Österreich. Dennoch schadet es sicher nicht, die zum Vergleich anzusehen, da wären freilich die berühmten Malereien auf Schloss Runkelstein.
Wenn Du mal so weit bist, dir im klaren ob der umzusetzenden Kleidung zu sein, kann dir "Medieval Tailor’s Assistant: Making Common Garments 1200-1500" helfen:
wwwamazon.com/[
]/ref=sr_1_1?[
]
Ausdrücklich *keine* Quellen, und behandelt nicht hiesige Mode, aber, wie man Kleidung der Art handwerklich umsetzt.
Da ich nicht so recht einschätzen kann, wo Du stehst, aber ausgehend von deinen eher allgemeinen Beschreibungen ob er Eindrücke der Kleidung schließe, Du kennst dich damit noch so garnicht aus, belasse ich es jetzt erstmal bei den allgemeinen Empfehlungen; wenn Du jetzt schon vieles kennst, dann sag es, dann kann ich dir vlt. spezifischer Tipps geben; da du schon von Bildquellen sprichst, nehme ich an, Du kennst die Digitalisierungsprojekte der großen Unis wie
wwwub.uni-heidelberg.de/helios/digi/digilit.html schon? Links zu solchen findest du hier im Forum sicher noch einige.
Spezifischer kann man dann werden, wenn Du ein Grundverständnis der Kleidung hast, angefangen von Stickereiarten, Gürtelmoden, Accessoires, Schuhen freilich auch (da würde ich die Schleswiger Funde mal angucken, obgleich ich glaube, die reichen nicht so weit, aber in Lübeck hats ja auch welche z.B., ansonsten ähneln die Fundkomplexe sich stark, so dass du auch die ganzen anderen Fundkomplexe von Freberg über London und co. angucken kannst), Sachkultur usw.
Nur ob eines kleinen Eindrucks, was dich erwartet:
(Sehr grob und nicht regionalspezifisch) Um 1400 würde ich bei einer hochgestellten etwas in der Art erwarten:
- Unterhose, Leinen/Seide, kurz
- Unterhemd Leinen/Seide, weit, ggfs. gefältelt
- Hose, feine Wolle bereits geschlossen, mittig mit einteiligen Keil verbunden, keine "Schamkapsel", sehr tief sitzend, ggfs. mit Ledersohlen versehen, angenestelt an das:
- Wams, aussen Seide, sehr feine Wolle, Brokat, Damast, innen Seide, Leinen, Barchent, körperformend, sehr tailliert, Brust ausgepolstert, eher gesteppt, Muffen an den Handgelenken, geknöpft/geschnürt, eher weite Oberarme und sehr enge Unterarme
- Jacke, feine Wolle, Damast, Seide, Brokat, gefüttert mit Pelz, Seide oder feiner Wolle (alles auch anlaßgebunden), sehr kurz (gerade Schritt bedeckend), entweder in Falten gelegt, oder eng die Brust überspannend, ggfs. Keulenärmel, enger hher Stehkragen, frontal geknöpft
- Poulaines (Schnabelschuhe)
- Sack/Schlupfmütze oder Filzhut, ggfs. gestrickt, verfilzt, und dann mit Faserfloor (Wolle, Seide) versehen, mit Samt bezogen, Brosche
- tief sitzender Hüftgürtel, bündig mit Silber/Goldplatten bedeckt, ggfs. Edelsteine, auch "Dusing", also mit Schellen versehen
- Ringe, ggfs. (weltlicher Ritterordens-)Kette
Wesentlich für die Kleidung ist korrekter Sitz und Optik und Silhouette. Wenn die Taille nicht wirklich eng ist, die Brust rund, alles glatt und eng ist, dann wird es nicht historisch werden. Also völlig anders als im 13ten.
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