Zunftbrauch: Gautschen???
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Eintrag #1 vom 20. Jan. 2003 09:59 Uhr
Birgit
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Hallo Leute,
treibe mich für gewöhnlich um 1170 herum.
Habe jetzt mal eine Frage zu einem Zunftbrauch der Drucker (wahrscheinlich 1510 und ein paar zerquetschte entstanden).
Das Gautschen! Soll nach bestandener Abschlußprüfung auch bei uns Mediengestaltern stattfinden.
Was lief da eigentlich früher ab?
Große Bitte an alle,
erschlagt mich mit Wissen!
Herzlichen Dank im voraus.
Bridget Von Godefroyd’s Erben
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Eintrag #2 vom 20. Jan. 2003 10:54 Uhr
Thorsten
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Moin Birgit,
das Gautschen an sich wurde erst im 19. Jhdt. entwickelt, vorher muß es wohl die verschiedensten "Initiationsriten" gegeben haben. Hier ist eine Site, die das Gautschen beschreibt:
wwwbvdm-online.de/branche/0700/0706!br.nclk
Wobei ich davon ausgehe, daß man im letzten Jhdt. die Lehrlinge nicht wie heute mit einem Schwamm Wasser gewaschen und dann getaucht hat, sondern damals einen Druckerschwamm (mit Schwärzeresten) verwendet hat ;-)
Thorsten
(Gegautscht mit Schein 1988 als Druckvorlagenhersteller, der heute selber Azubis zum ßrgern hat :-)
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Eintrag #3 vom 25. Jan. 2003 18:16 Uhr
Birgit
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Jetzt weis ich wenigstens was im Mai auf mich zukommt.
An meiner Schule (Umschulung) haben alle die Bescheid wussten nämlich schön die Klappe gehalten.
Also nochmal Riesendank.
Bridget von Godefroyd’s Erben
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Eintrag #4 vom 09. Mrz. 2003 18:35 Uhr
Roman Luplow
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Hi,
das Gautschen als Ersatzritual für das Depositum ist um 1830 "erfunden" worden. Seine Entsteheung fällt eng mit dem Verbot der Zunftgerechtigkeiten zusammen. Das früher übliche Postulieren und die Durchführung des Depositums in verschiedenen Handwerkszweigen hat zu immenser Verschuldung der neuen Gesellen und teilweise tödlichen Spektakeln geführt.
Das Gautschen stammt vermutlich aus dem Bereich der Papiermacherei, wo es speziell die Trennung des Papiervlieses vom Filz beschreibt. Das ist nach dem Gautschen so ziemlich der nasseste Teil am Papiermachen.
Allerdings verwendeten auch die Buchdrucker den sogenannten Angautscher (Feuchtschwamm).
Das Ritual des Gautschens wird heute oftmals als öffentlcihes Spektakulum und weniger als Einführung in den Kreis der Kunstgenossen gesehen ;-(
Falls mal jemand so ein Spektakel zeitgerecht durchführen will, sollte er sich mal melden. Ich kann dann Literatur zum Depositionsspiel und vor allem zu den zu verwendenen und zu erklärenden "Werkzeugen" bereitstellen. Das wäre mal ein Spektakel für einen MA-Markt!!!!!
Einen passenden Kornuten müßte man aber schon haben.-)
Mit Gunst von wegen’s Handwerk
Papyrmacherey Dishley
Roman
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Eintrag #5 vom 10. Mrz. 2003 09:31 Uhr
Birgit
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Hi Roman,
wolte eigentlich nur wissen was auf mich zukommt.
Die Veranstaltung wird mit Mittelalter wahrscheinlich so viel zu tun haben, wie der heutige Fasching! (Graus!!!)
Aber mal ne andere Frage?
Depositum??
Kornuten??
Was’n das??
Kann man das essen???
Ne ehrlich, kenne die Begriffe echt nicht.
Erklärst du sie mir??
Bridget von Godefroyd’s Erben
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Eintrag #6 vom 14. Mrz. 2003 11:51 Uhr
Dieter Hofmann
Hi Birgit,
Deine Frage nach einem "Kornuten". Das ist der Täufling, in Deinem Fall also Du selbst. Durch das Gautschen wird der Kornute "in alle von Kaiser Friedrich III. verliehenen Rechte und Pflichten eingeführt" und somit als "ehrbarer Schwarzkünstler" anerkannt. Nach dem Gautschen wird dem Kornuten der sogen. Gautschbrief (unter-
schrieben von Gautschmeister, Packern, Schwammhalter und Zeugen) ausgehändigt. Es soll Zeiten gegeben haben, in denen der Gautschbrief wichtiger als der Gehilfenbrief war. Ich selbst bin gelernter Schriftsetzer und 1956 gegautscht.
Gruß aus dem hohen Norden Dieter
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Eintrag #7 vom 17. Mrz. 2003 08:39 Uhr
Birgit
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Danke,
jetzt bin etwas schlauer.
Man lernt doch Gott sei Dank nicht aus.
Bridget von Godefroyd’s Erben
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Eintrag #8 vom 26. Mrz. 2003 18:37 Uhr
Roman Luplow
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Entschuldige, daß ich so lange ruhig war, aber die Vorbereitungen der Saison ;-)…
Also zu den Begriffen:
Kornut = Hörnerträger, war ursprünglich die Spottgestalt des sogenannten Depositums, der Kornut stieß sich symbolisch die Hörner ab, nachdem er zuvor öffentlich blamiert wurde
aus dem Kornuten wird dann der Geselle
Postulieren= Zeit des Verdientwerdens, vergleichbar mit der Verbeamtung auf Probe ;-) eigentlich unsinnig, aber sinnvoll als Bindungsfrist an den Lehrbetrieb, während des Postulates war man sozusagen fachlich ehrlos und wurde erst durch ordentliches Postulieren (Feiern ausrichten, Geschenke machen, überdurchschnittliches Arbeiten…) zum ehrlichen Gesellen
postulieren durften nur ehrlich (also ehelich) geborene KInder, die ein ehrlich Handwerk erlernten. nicht postulatsfähig waren unehrliche Handwerke (Schinder, Henker…) und Bastarde oder Kegel
Depositum oder deposition= Einführungsritual von Kasten und ehemals auch Handwerkszünften, wird heute noch als widerliches Aufnahmeritual in Hochschulen in Frankreich und Amerika gebraucht (z.B. Höllennacht)
Das Depositionsspiel war lange Zeit rituelle festgeschrieben und bestand aus einer abwechselnd vorgetragenen Litanei (meist 3-4 Figuren, Meister, Depositor, Knecht, Scharlatan…), im MA wurde im Rahmen des D. exorbitant getafelt und der Kornut arg geschunden, das endete teilweise sogar mit Toten(!), auf jeden Fall aber mit Schulden für den ausrichtenden ex-Lehrling
Das D. und Postulieren ist nicht umsonst verboten worden.-)
Ich hoffe, die Hinweise helfen etwas weiter. Ansonsten mail mich mal an, ich schick Dir ein paar Kopien aus der Ffachliteratur.
Mit Gunst von wegen’s Handwerk
Papyrmacherey Dishley
Roman Luplow
PS: Die vereinfachte Depositumsform mit Vorführung der Instrumente (Beil, Säge, Bock…) und absingen der Litanei wäre doch mal was als Ersatz für das lumpige Gautschen heutiger Tage, oder?!
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Eintrag #9 vom 31. Mrz. 2003 13:16 Uhr
Birgit
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Würde mir auch besser gefallen als die heutige Faschingsveranstaltung.
Bloß wenn ich den Vorschlag bringe steinigen mich meine Klassenkameraden.
Nasse Leute und saufen ist denen lieber.
Sind ansonsten alle okay.
Aber das wird ihnen wohl zuviel Geschichte.
Also gehabt euch wohl und herzlichen Dank für die Infos
Ps. Seid ihr auch alle schon ganz "fickrig" auf den Saisonbeginn?
Bridget von Godefroyd’s Erben
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Eintrag #10 vom 02. Apr. 2003 19:40 Uhr
Hans Joachim Oberländer
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Also die Gaudi des Gautschens könnt ihr euch mal in ":-)" meiner ehrwürdigen Heimatstadt Mainz ansehen.
Meines Wissens nach wird dort noch gegautscht.
Und zwar direkt vorm Gutenberg Museum.
Prüftermine bekommt ihr über die IHK Mainz heraus.
gruss
ein 1983er echter gelernter Buchdrucker.
:-))
Der Trossmeyster Julien de Thionville
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Eintrag #11 vom 04. Apr. 2003 19:14 Uhr
Roman Luplow
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Also das mit dem Nass und Saufen ist schon dabei gewesen! Das heutige autscghritual ist auch im Depositionsspiel enthalten, nur gehören da halt auch noch andere "pielchen" dazu, die eher unangenehmer Art waren. Danach mußte man wahrscheinlich stramm saufen ;-)
Also, wenn es interessiert, würde ich gern mal mit zugelassenen Kollegen (mindestens Papiermache-, Drucker- oder Setzermeister!) ein solches Ritual aufbauen. Natürlich sollen die Kornuten nicht wirklich totgequält werden ;-)) Echt müßten die aber auch sein, also kein Theater!
Mit Gunst von wegen’s Handwerk
Papyrmacherey Dishley
Roman Luplow
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Eintrag #12 vom 26. Aug. 2003 23:11 Uhr
Melanie Pürschel
Hallo!
Ich durfte mir das nette Spiel aus sicherer Distanz anschauen und war froh das ich nicht daran teilnehmen mußte (Hand in Gips).
Meine Mitschüler fanden das auch
nicht unbedingt witzig - aber man soll ja seine Traditionen pflegen :o)
Gruß Vampi
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Eintrag #13 vom 27. Aug. 2003 15:47 Uhr
Birgit
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Tja am 26.07. bin ich gegautscht worden.
Wie gedacht es wurde eine wahre Faschingsveranstaltung.
Gottseidank bin ich mit der Begründung das ich am nächsten Tag ein ordentliches Stück Autobahn und Lageraufbau zu Herzberg habe. Gut ums Saufen rumgekommen.
Das beste war bei dem Ganzen das wir unseren "heißgeliebten" Klassenlehrer ordentlich in der Bütt einweichen konnten. Aber kapiert hat der die Aktion garantiert nicht.
Von wegen alte Fehler und Untugenden abwaschen.
Nunja wieder ein Kapitel abgeschlossen. Jetzt gehts weiter.
Gruß
Bridget von Godefroyd’s
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Eintrag #14 vom 23. Mrz. 2004 09:18 Uhr
Arnulf Zeilner
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Beim Mittelaltermarkt in Golling/Land Salzburg gibt es jedes Jahr eine Gautschung von der Gewerkschaft Druck- und Papier!
2003 war das ziemlich egal, weil es eh in Strönen geregnet hat, also waren alle gleich naß - und Trinken: na ja, es war auf dem Markt…
Arnulf
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Eintrag #15 vom 09. Jul. 2006 20:49 Uhr
Roman Luplow
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Hmmh, gibt’s hier im TV eigentlich keine Drucker und Papiermacher?
Ich habe irgendwie das Gefühl, daß die "Medienindustrie" auf dem MA-Sektor fast gar nicht vertreten ist.-((( Zumindest treffe ich kaum Fachgenossen - die dieses Wort auch nur ansatzweise mit Ihrem Auftritt erfüllen?!
Also, meldet uch doch mal, wenn es Euch gibt!
Mit Gunst von wegen’s Handwerk
Papyrerei Dishley
Roman Luplow
Papyrerei Dishley
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Eintrag #16 vom 10. Jul. 2006 11:48 Uhr
Thorsten
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Moin Roman,
kommt drauf an, was Du unter Medienindustrie meinst … ich selber kenne massig Mediengestalter, Grafiker und Webdesigner, die sich "mittelalterlich" betätigen. Eingeschlossen meine Wenigkeit als altgelernter Druckvorlagenhersteller mit Gautschbrief :-).
Ich denke mit der allgemeinen Veränderung der Branche ändert sich natürlich der Anteil und die Art der "vorbereitenden" Berufe.
Bis denn
Thorsten
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Eintrag #17 vom 12. Jul. 2006 16:46 Uhr
Chris Wenzel
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Da hier die Frage nach den Leuten aus der "Medienindustrie" aufkam:
Bei uns wurde wohl auch mal gegautscht, heute wird mangels Masse höchstens noch gesoffen… So geschehen auf meiner Freisprechung 2002.
Herzliche Grüße aus der Buchbinderzunft, Chris.
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Eintrag #18 vom 05. Nov. 2006 18:37 Uhr
Roman Luplow
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@Thorsten
Tja, beruflicher Hinterrund ist sicher bei so manchem vorhanden, aber in meinen 8 Jahren MA habe ich bisher nur einen (!) Drucker getroffen, der auch nebenbei noch papier machte. "Machte" deshalb, weil es diesen Stand inzwischen auch nicht mehr gibt…
Also, gibt’s noch aktive Papiermacher? Auch Holz- oder Bleischneider, Kupferstecher etc. trifft man nicht.
Mit Gunst von wegen’s Handwerk
Roman
Papyrerei Dishley
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