Eintrag #1 vom 20. Jun. 2005 12:07 Uhr
Wolfgang Kummer
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Hallo!
Ich hätte eine Frage zu den Visierhelmen (Armet)zw. 1450 und 1590 welche seitliche Schaniere ("beweglichen Wangen")hatten und am Kinn verriegelt wurden.
Diese Helme besitzen eine Stielscheibe aber wozu?
Bei L. und F. Funckens "Waffen und Rüstungen" wird berichtet: Die Scheibe diente die Nähte an den Wangen des drehbaren Visiers zu schützen und zu verdecken. Der Stiel bekam einen Innenriemen, mit dem der Helm am Rückenstück festgemacht wurde.
So weit so gut, doch gibt es auch Helme die keine seitlichen Scharniere und hintere Nähte haben aber trotzdem über eine Stielscheibe verfügen. Jetzt könnte man meinen die Stielscheibe diente zur Befestigung des Helmes mit dem Rückenteil, was aber völlig idiotisch ist den dann kann man den Kopf (Helm) überhaupt nicht mehr drehen. Und außerdem fehlt am Rückenstück die Befestigung für den Riemen! z.B.: Reliefküriss im Grazer Zeughaus v. Hans Maystätter.
Vielleicht kennt sich ja jemand mit Stielscheiben aus und kann mir weiterhelfen.
Danke im Voraus!
Wolfgang
Wenn nötig kann ich Euch Bilder per E-mail schicken.
Wolfgang Kummer
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Eintrag #2 vom 20. Jun. 2005 13:21 Uhr
Peter Dietl
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Hallo,
also meines Wissens sollte die Stielscheibe dazu dienen, im Falle eines Sturzes auf den Hinterkopf das ruckartige "Durchbiegen" des Genickes und damit einem Genickbruch vorzubeugen, also eine Art Abstandshalter. Sie ist recht haufig auf Armethelmen zusehen. Dürfte trotzdem eine äusserst harte und lebensgefährliche Landung gewesen sein.
Peter von Teplitz
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Eintrag #3 vom 25. Jun. 2005 08:58 Uhr
Peter Müller
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Das mit der Stielscheibe ist eines der letzten ungelösten Rätsel der mittelalterlichen Harnischtechnik, bisher konnte noch keiner eine wirklich befriedigende Erklärung dazu liefern. Der Stiel der Scheiben variiert in der Länge, ist also an manchen Helmen so kurz, dass er beim Sturz nicht auf den Boden aufkommt. Die Theorie des "Genickbruchschutzes" kommt zwar immer wieder auf, ist aber doch haarsträubend, wenn man näher drüber nachdenkt. Schutzfunktion: Die Schwachstelle des Armets, das "Schwänzchen" an der Rückseite, wird eigentlich durch die aufliegenden Wangenklappenteile recht gut verstärkt. Die Stielscheibe hebt diesen Schutz auf: Kriegt man einen Hieb drauf, fährt einem das Schwänzchen ins Genick, mit viel Glück bricht vielleicht die Nietstelle am Schwänzchen vorher- viele Armets besitzen noch die Nietbohrung, aber die Stielscheibe fehlt (das wird wahrscheinlich aber andere Gründe haben). Ein ebenfalls gern herbeigezogener Erklärungsversuch ist der Schutz des Halteriemens, der den zum frühen Armet getragenen Bart am Helm festschnallt. Bei Armets ab spätestens 1515 wird kein Bart mehr getragen, trotzdem bleibt die Stielscheibe noch in Mode. Zudem fragt man sich, welches Primärziel ein mit einer Klinge bewaffneter Gegner wohl im Auge hat- den Bartriemen wohl kaum. Der Bart ist nach einem Lanzenangriff im Feld eher hinderlich als nützlich, also wird der Träger dem vermeintlichen "Bartabnehmer" eher einen hochgehaltenen Daumen als einen Fluch entgegenbringen. Befestigungsriemen zum Rücken? Das der Satz aus dem Funcken stammt, erstaunt mich wenig. In diesem Buch wird so viel Mumpitz erzählt, das man es schon als Comic bezeichnen kann. So ein Riemen ist weder erhalten, noch auf irgend einer Darstellung zu sehen.
Als Erklärungsversuch hätte ich noch "modisches Accesoir" zu bieten, Scheiben (allerdings ohne Stiel) sind auf vielen Abbildungen von anderen Helmtypen und Handschuhen sichtbar, bei denen aber eine zusätzliche Schutzfunktion durchaus Sinn machen würde….
Noch jemand ne Idee?
Schöne Grüsse
Peter
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