Sind wir alle Millionäre?
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Eintrag #1 vom 22. Okt. 2004 16:53 Uhr
Julian Decker
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Moin!
Nachdem wir inzwischen wohl alle die Saison hinter uns haben und es in die besinnliche Zeit geht, wäre es vielleicht an der Zeit zu resümieren.
Nachdem ich in letzter Zeit öfter Quellen zu Stoffunden und Faksimile höfischen Lebens betrachtet habe, ist mir nach und nach die Erkenntnis gekommen, daß viele (auch ich) zu reich sind.
Wenn man sich diverse Wikinger betrachtet, die, behängt wie ein Julbaum auf dem Markt einherspazieren oder Knechte in Tuniken aus feinstem Leinen oder Borte überquellende Klappenröcke, ganz zu schweigen von Kleidern die von oben bis unten bestickt sind. Auf die Frage, was sie denn genau darstellen: Ich bin ein Bauer!
Da stimmt doch was nicht?
Im Bamberger Dom liegt ein Papst begraben, dessen leinerne Untertunika gröber gewoben ist, als die eines Reenactors der lediglich einen Knecht darstellt!
Im Codex Manesse tragen die Adligen beim Ballspielen als einzigen (!) Schmuck geflochtene Blumenkränze!
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Viele, vor allem die Leute deren Grundausstattung komplett ist, neigen dazu sich nach und nach mit außergewöhnlichem Schmuck oder aufwendigen Klamotten zu bekleiden. Ich gebe zu es ist auch einfach zu verlockend sich noch einen dicken Bernstein zu kaufen oder noch eine kleine Stickerei zu den anderen anzufertigen! Aber das führt nach einiger Zeit dazu, dass man als einfacher Bauer aussieht wie der Jarl von Haithabu! Die Qualität der Darstellung hängt nunmal nicht von der Menge des Schmucks oder vom Reichtum der Stickerei ab, sondern davon, dass die dargestellte Person ihrem Stand und Geldbeutel gemäß aussieht. Das heißt leider für alle ßrmeren: Wolltuniken und -hosen auch im Sommer bei 35 Grad! Die Ausrede, "Das hab ich geplündert" lässt sich vielleicht bei einem oder zwei Gegenständen noch akzeptieren, spätestens aber wenn ein Knecht mit Schmuck wie Mr.T herumrennt hört die Glaubwürdigkeit aber auf.
Es ist in dieser Zeit zwischen der letzten und der ersten Veranstaltung also vielleicht angebracht nicht wieder neue Kleinodien anzuhäufen, sondern die Klamotte "auszumisten".
ßbrigens gilt oben genanntes nicht nur für Wikinger oder FrühMis sondern durchaus auch für andere Zeiten!
Ich will mit diesem Eintrag keinem ans Bein pinkeln, schließlich fasse ich mir auch an die eigene Nase. Der Eintrag war nur als kleiner Denkanstoß gedacht!
Viel Spaß beim Diskutieren!
Thorwald
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Eintrag #2 vom 22. Okt. 2004 17:44 Uhr
Ranes Haduwolff
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Grüß Euch,
…gut geschrieben! Abgesehen davon, daß der vertrocknete Papst mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Büßerhemd getragen hat, was ja nu wirkllich nicht bequem und kuschelig sein soll, der Mann hat recht…
Andererseits, die Stoffqualität im MA war doch hoch…ich denke da an diverse Funde…
Ars Militia - Euer Haduwolff
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Eintrag #3 vom 22. Okt. 2004 18:41 Uhr
Roland Schulz
Hi Julian,
ich bin ganz deiner Meinung. Punkt.
Mich würde es auch sehr freuen, wenn viel Darsteller mal genau das tun würden, nämlich ausmisten. Und zwar nicht nur (der angestrebten Darstellung entsprechend) Schmuckgegenstände und Stoffe/Webarten, sondern auch Waffen und Rüstungen/teile.
Und zwar ausmisten/korrigieren in BEIDE Richtungen, mit dem Trend seine Ausrüstung aufzuwerten oder eben abspecken.
Der unvermeidliche, weil leider überall zahlreich auftretende Ritterus Vulgaris (Marke Indienkette, Kasperletreter der Marke Superclown, Baumwollfetzen und 8 Kg Schwert) ist genauso gemeint, wie der von dir angesprochene Wiki/Rus (Beschreibung hast du übernommen..).
Beides ist neben der Spur.
Der eine hat nichtmal ein paar ordentliche Stiefel (geschweige denn einen Kemenatentauglichen und minnetauglichen Abend- Schuh), der andere läuft (als Knecht oder sich auf dem "Wiking" befindlicher) rum wie MarkGraf Pommes de Terre zu Rübennasenhausen.
Lass uns ne Protest- und Ausmistpartei gründen, oder wenigstens nen Verein dazu.. *gg*
Gruß,
Roland
Leben und Handwerk der Alamannen I.G.
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Eintrag #4 vom 22. Okt. 2004 18:53 Uhr
Jens
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Ich bin grundsätzlich deiner Meinung; Prunk und Protz sollte schon der Darstellung angemessen(!) ausfallen, jedoch ist das freilich je nach Zeit auch sehr unterschiedlich, nicht ohne Grund wurde z.B. im späten Mittelalter eine Kleiderverordnung nach der anderen erlassen, um dem mächtig werdenden Bürgertum in ihrem Prunkwahn einen Riegel vorzuschieben (gnädigerweise wurden dann Goldschmuck im Wert soundsoviel Pfund erlaubt, oder bestimmte Seidensorten…)
Ansonsten sollte meiner persönlichen Meinung nach der Protz auch dem Anlass entsprechend sein; im Alltag in Seide und Gold gehüllt zus ein, mag eher die Ausnahme gewesen sein, beim Sonntagsstaat und bei entsprechender Rolle darf’s auch mal mehr sein.
Ansonsten: Qualität statt Quantität, Qualität statt Prunk, sinnvolle Tätigkeit statt Rumstolzieren.
Was das angesprochene Frühmittelalter angeht, mag ich mich auf Grund zu geringer Kenntnisse nicht zu einem Urteil hinreissen lassen; vieles sieht sehr schön aus, meines Eindrucks(!!) nach ist es aber viel zuviel.
Gruss, Jens
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Eintrag #5 vom 22. Okt. 2004 21:19 Uhr
Holger Kämpf
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Dem kann ich voll und ganz zustimmen. Ich kann jetzt nur für Wikis sprechen, aber mir fiel diese Entwicklung v.a. auf Herzberg 04 auf. Die Darstellung entwickelt sich zumindest bei den Wikis in diese Richtung. Den Wiki-Männchen wird zwar eine gewisse Protzsucht zugesprochen, aber dennoch sollte man sich seiner "Rolle" entsprechend seine Darstellung in Schmuck, Stoff Farbe und Zierat überdenken.
Offenbar herrscht z.zt. der Irrglaube, durch mehr Schmuck, Borte oder Stickerei steige die Qualität der Darstellung.
Betrachtet man dann das Schuhwerk oder die Keramik der "Frümi-Bill-Gates", wäre das Geld für die Klunker dort besser investiert.
Schaut man sich dann manche Schmuckstücke genauer an, die sich jener um den Hals hängt,sieht man ein Sammelsurium der verschiedensten, zeitl. Stilepochen.
Offenbar ist es mit dem historischen Wissen dann doch noch nicht so weit her oder anders gefragt, muß dort jemand etwas vielleicht kompensieren ?
Ich ziehe daraus meine Schlüsse und meine,daß es
bei diesen Darstellern es mit dem historischen Wissen bzw. das Wissen umzusetzen noch nicht so weit her ist.
Und da wäre man wieder beim Anfang angelangt: man muß halt lesen, recherchieren, Quellen vergleichen und danach seine Ausrüstung entsprechend aufmöbeln.
Grüße
Holger
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Eintrag #6 vom 23. Okt. 2004 01:40 Uhr
Wolfgang Ritter
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Ein perfider Plan!
Zitat: "….spätestens aber wenn ein Knecht mit Schmuck wie Mr.T herumrennt hört die Glaubwürdigkeit aber auf.
Es ist in dieser Zeit zwischen der letzten und der ersten Veranstaltung also vielleicht angebracht nicht wieder neue Kleinodien anzuhäufen, sondern die Klamotte "auszumisten".
ßbrigens gilt oben genanntes nicht nur für Wikinger oder FrühMis sondern durchaus auch für andere Zeiten!"
Und wer kauft dann all die ausgemisteten Kleinodien von den reumütigen Darstellern zu günstigen Preisen? Etwa Du?
Im Ernst, Du hast schon recht, bevor man sich wie ein Christbaum behängt, sollte man/frau eher versuchen die KOMPLETTE Darstellung zu perfektionieren. Die wenigsten können wohl von sich behaupten, dass sie neben Kleidung auch die stimmigen Küchenutensilien und wenigsten Sitzbank und Tisch als Möbel ihre eigen nennen…..Da gibt es auch bie mir noch mehr als genug zu tun, bevor ich mich zum Stutzer herausputzen kann. Nichtsdestotrotz bin ich schon froh, im 15. Jhdt. unterwegs zu sein, wo man schon ein wenig mehr aufbieten darf, ohne gleich den Grafen von Rotz zu markieren!
Liebe Grüße
Wolfgang Ritter
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Eintrag #7 vom 23. Okt. 2004 05:29 Uhr
Sylvia Crumbach
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Wolfgang, wenn es irgendwo etwas mehr sein darf, dann in der Völkerwanderungszeit ;-)
Was die Rollen anbetrifft: wenn man das machen will - bitte. Ich persönich habe einige Sätze Kram und Kleidung, die ich nach Spaß und Bedarf trage. (Ich bin nicht eine Wikingerin mit krankem Mann aus Oslo, die selbigen mit einem slawischen Gemüsehändler betrügt und deshalb ein paar Glasperlen besitzt ….)
Warum soll denn jemand, der/die sich das leisten will, keine reiche Ausstattung haben oder tragen?
Das aber dann auch richtig gut, mit schönen Metallteilen, großartigen Stoffen etc.
Ich denken mit handwerklichem Geschick, viel Geduld und Glück kann man eine Wikingerfrauentracht schon mit einem Eu´s -Einsatz zwischen 750 - 1000,– auf die Reihe bringen. Warum also nicht. (Für Männchen wird es erheblich teuerer …)
Was ich nicht so Klasse finde ist der weit verbreitet Weg: Irgendwas anziehen und so viel wie möglich umhängen.Es gibt ein einziges Männergrab mit Wikingermännchen und Glasperlen, Thorhammeramulette bei Männer sind auch so eine Sache. Lieber anstatt dessen etwas mehr Geld in schöne Stoffe investieren!
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Eintrag #8 vom 23. Okt. 2004 10:14 Uhr
Daniel Van den Woldenberg
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Leider ist es wirklich so, dass viele einfach keinen Punkt mehr erreichen, wo sie sagen, jetzt höre ich mal auf mit den neuanschaffungen, sondern kompletiere und verbessere mal meine grundausstattung.
Auch sind die Materialien nicht immer standesgemäß.
Manche Leute sollten zum Beispiel einfach mal öfters Knochen für Schmuck oder kleinere Gebrauchsgegenstände verwenden, denn dies war wesentlich billiger als das andauernde Silber oder ähnliches.
Gruß,
Wilhelm der Knochenschnitzer
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Eintrag #9 vom 23. Okt. 2004 11:23 Uhr
Sylvia Crumbach
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ßhmm, Knochen als Schmuck weil billiger?
Dazu sollte erst mal geklärt sein ob und welcher Schmuck auch wirklich getragen worden ist. Und für Knochenplagiate kenne ich spontan keine Belege.
(Außer vielleicht den Kreuzanhägern 10./11.)
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Eintrag #10 vom 25. Okt. 2004 15:35 Uhr
Julian Decker
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Hallo beisammen!
Nochmal ein kurzer Nachtrag zum Thema Stoffqualität.Ich hab in einem anderen Thread (Recherche-> Das knallig bunte Mittelalter)einen interessanten Eintrag gefunden:
aus Hessen, Kaiserchronik des Pfaffen Konrad, 1150: "Dem Bauern ist nach dem Recht nur Schwarz oder Grau zu tragen erlaubt. Gere darf er nur an der Seite tragen; rindlederne Schuhe sind genug; für das Hemd sieben Ellen und für die Kniehose Tuch aus Rupfen!
Ich glaube, ähnliches gibt es schon in einer Kleiderordnung Karls d. Gr. ca. 805!
Also: Billigere Stoffe, weniger Material und (womöglich auch) ungefärbt! Wäre das ein akzeptabler Leitfaden für eine korrekte Darstellung?
Grüße,
Thorwald
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Eintrag #11 vom 03. Nov. 2004 11:33 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Eine zweischneidige Sache.
Sich als einfacher Mensch - gleich, was genau - mit Edelmetall, kostbaren Steinen und Geschmeiden zu behängen ist mit Sicherheit nicht passend. Denn diese Dinge hätten Geld gekostet und von dem hatte der einfache Mensch nicht soviel, wie er gerne gehabt hätte. Nicht, dass sich da über die Jahrhunderte bis heute was geändert hätte…
Aber aus dieser Tatsache nun auf eine - durchaus wünschenswerte, ich schließe mich da den Vorrednern an - allgemeine Bescheidenheit bei der Ausstattung schließen zu wollen, greift zu kurz. Eine Frage: Was machte der Bauer im Mittelalter eigentlich im Winter?
Antwort: Drauf warten, dass er rum ist.
Das mag etwas vereinfacht ausgedrückt sein, aber es stimmt im Kern. Die Leute hatten gerade im Winter sehr viel Zeit und, in Ermangelung solch moderner Annehmlichkeiten wie Kino, Wintersport in Gore Tex, TV-Chats usw, auch jede Menge Langeweile. Während dieser Zeit wurde manch kostbare und prächtige Handarbeit angefertigt, die uns heute staunen macht und fragen lässt: "Hatten die nix Besseres zu tun?" Stimmt. Ebendies.
Es ist also durchaus angebracht, eine gewisse Pracht bei den Dingen zu entfalten, die man selber herstellen kann oder könnte. Das beinhaltet Stickereien auf der Kleidung (bei den dafür nötigen Mengen ist auch gefärbter Faden erschwinglich), geschnitzte Griffe, Anhänger oder sonstiger Tand, sei es aus Holz, Horn, Bein oder Speckstein, und vieles Andere.
Bei Dingen, die der einfache Mann/Frau in Ermangelung entsprechender Fertigkeiten, Werkzeuge oder Materialien hätte käuflich erwerben müssen, ist, wie erwähnt, dagegen Bescheidenheit angesagt.
Derart prächtig herausgeputzte Erscheinungen sind natürlich nicht auf dem Acker oder in der Werkstatt zu erwarten. Da hat man natürlich seine Arbeitsklamotten getragen. Aber zum Kirchgang oder auf Festen hat sich selbst der einfache Mensch des MA in seine besten Kleider geworfen, daher auch der Begriff "Sonntagsstaat". Einen Nachhall dieser Sitte sieht man in den zahlreich im Original erhaltenen bäuerlichen Trachten des letzten und vorletzten Jahrhunderts. Da würde man auch nicht erwarten, dass ein Bauer in so was rumläuft.
Im ßbrigen hat Karl der Große nie eine Kleiderordnung erlassen, die festgelegt hätte, wer was tragen darf. Das ist eine Erfindung aus späteren Zeiten, als die Erschaffer der ersten "echten" Kleiderordnungen versuchten, sich zu legitimieren. Die Franken (man achte auf den Namen) waren freie Menschen, die im Prinzip tragen durften, was immer sie sich leisten konnten und wollten, unabhängig vom Stand, den es in der gesellschaftlich abgrenzenden Form damals ohnehin noch nicht gab.
Dass Karl selbst in diesen Dingen bescheiden oder eher "rustikal" gewesen sein soll, war seine persönliche Einstellung, da gibt es viele ßberlieferungen hauptsächlich aus der Vita. Er hat aber niemals seinen Untertanen verbindliche Vorschriften gemacht. Was häufig als Kleiderordnung missverstanden wird, sind seine Preisverordnungen in den Kapitularien. Diese aber hatten nur den Zweck, den Nepp bei modischen Neuerscheinungen einzudämmen.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #12 vom 03. Nov. 2004 12:42 Uhr
Jens
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Also Stefan, hier bin ich nicht deiner Meinung.
Auch im Winter wollen Tiere gemolken und versorgt werden, Ställe ausgemistet, Gebäude und Gerätschaften geflickt und instand gehalten werden, Kleidung ausgebessert.
Dazu kommt, dass in Ermangelung an geeigneten, kostengünstigen, und vor allem: ausreichend Licht gebenden Lichtquellen im Winter bei der reduzierten Lichtstärke und Tageslichtdauer die Tätigkeitsdauer wesentlich begrenzter ist, und die verwendet man zunächst einmal für das Wesentliche.
Dazu kommen die, jedenfalls meines Wissens nach, sehr mageren Hinweise auf übergrosse Verzierungen an Kleidung und Gegenständen der einfachen Bevölkerung in Fund, Bild und Wort; das "besser" der Sonntagskleidung bezog sich dann halt auch einfach mal auf das Wechselkleidungsstück, dass in einer etwas teureren Farbe gefärbt, aus besserem Tuch gefertigt war, dass man nicht dauernd der Witterung und dem Arbeitsdreck aussetzte.
Ich denke zudem, dass die spätneuzeitliche ländliche Tracht, die sich in der Form erst recht spät gebildet hat, als Vergleich herangezogen werden kann, da sie auf wesentlich fortgeschritterneren technischen Möglichkeiten basiert (die geschlossene, regelbare ßllampe war ein _grosser_ Schritt nach vorne), und auch unter ganz anderen sozialen Umständen entstanden ist.
Generell halte ich eine pauschale Aussage gerade hier nicht machbar, da die sozialen Umstände des späten Mittelalters von der des Frankenreiches z.B. schon erheblich differierten.
Würde deine Theorie stimmen, würde man davon ausgehen müssen, dass durch das gesamte Mittelalter Kleidung einfacher dörflicher Haushalte (von bürgerlichen rede ich mal weniger ob der anderen Umstände) an der "besseren" Gardarobe viele auf "einfachen,billigen" Werkstoffen wie z.B. pflanzlich gefärbtes Wollgarn Verzierungen aufwiess.
Nun kenne ich persönlich aber keinen einzigen Hinweis auf derartige Kleidung ausser bei moralisch überhöhten Werken (Helmbrecht wurde schon genannt).
Wenn anders bekannt, können wir die hier ja mal sammeln, und klar den einzelnen Zeiten und Regionen zuordnen.
Gruss, Jens
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Eintrag #13 vom 03. Nov. 2004 15:12 Uhr
Jens
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…."erst recht spät gebildet hat, als Vergleich…"
Ich meine natürlich _nicht_ als Vergleich herangezogen werden kann ;)
Gruss, Jens
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Eintrag #14 vom 03. Nov. 2004 17:43 Uhr
David Seidlitz
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Hallo,
da muß ich Jens zustimmen. Im Winter gab es genug andere notwendige Tätigkeiten zu verrichten. Beispielweise Holz schlagen, weben, spinnen, flicken, sämtl. Ausbesserungsarbeiten am Hof, schlachten, nähen usw. Aber mal angenommen es entstünde ein solches Kleinod aus Bauernhand, macht es satt? Es liegt nutzlos rum. Würde der Bauer es verkaufen…
Spekulation aus.
Wer auch nur tangential mit dem bäuerlichen Leben der letzten Jahrzehnte zu tun hatte, wird wissen, daß es Langeweile dort nicht gibt. Auch wenns eine andere Epoche ist.
Diese Argumentation zur Rechtfertigung von Klunkern und Stutzeraccessoires bei einfachen Darstellungen läuft meiner Meinung nach etwas schief.
Gruß,
David
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Eintrag #15 vom 03. Nov. 2004 22:33 Uhr
Jens
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Wobei Stefan das ja wohl nicht wollte, David, so ich Ihn denn richtig verstanden habe, nur meinte, die "gute" Garderobe könnte handwerklich verziert gewesen sein, sowie auch Accessoirs.
Mein Problem ist auch, dass Darstellungen einfacher Leute selten sind, und wenn, ja auch mitunter im Kontext zu sehen sind, selbst in dem in meiner Zeit gern herangezogenen Luttrell Psalter wird das Leben der einfachen Leute idealisiert, insofern würde ich dort nicht auf Grund der Farben (das ohnehin nicht) oder z.B. einer anderfarbigen Innenfläche einer Tunika Schlüsse ziehen, wie etwa "waren gefüttert".
Wie es bei den Franken ist, könnte ich in Ermangelung an Wissen über die Zeit udn Region nicht sagen.
Gruss, Jens
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Eintrag #16 vom 04. Nov. 2004 13:39 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Ich weiß. Ich denke zu viel, anstatt mich nur auf die Fundlage zu beschränken. ßble Angewohnheit aus meiner Kindheit, ich versuche derzeit, sie mir abzugewöhnen…
Ich beziehe mich auf die Frankenzeit, denn das ist meine Darstellung und in der kenne ich mich leidlich aus. ßber Zeiten, in denen ich mich nicht auskenne, pflege ich gewöhnlich den Mund zu halten.
Es ist richtig, dass Tiere geschlachtet wurden, Holz geschlagen und einiges andere auch. Was davon im Winter gemacht werden konnte und musste, wurde selbstverständlich im Winter gemacht. Wie ich schon sagte "Das mag etwas vereinfacht ausgedrückt sein…". Bitte die Sätze komplett lesen.
Aber es ist nun einmal so, dass z.B. Tiere eben nicht durch den halben Winter gefüttert wurden, um sie dann Mitte Januar zu schlachten. Was man nicht durch den Winter zu bringen dachte, wurde vor(!) dem Winter geschlachtet. Ebenso gehe ich nicht im kältesten Winter in den Wald zum Holz schlagen, wenn ich das auch im Herbst noch erledigen kann.
Das mit dem Melken, dem Versorgen und anderem stimmt natürlich, aber ob das, im Vergleich zu den Tätigkeiten des restlichen Jahres, wirklich immer tagesfüllend war, wage ich zu bezweifeln. Diese Tätigkeiten waren im übrigen Jahr auch notwendig. Ich meine, dass im Winter einige Tätigkeiten wegfielen und diese Zeit dann anderweitig genutzt werden konnte. Ich wäre an einer Liste von bäuerlichen Tätigkeiten, die speziell und nur im Winter gemacht werden konnten und mussten, sehr interessiert. Wegfallen dürften im Winter jedenfalls die ausgesprochen zeitraubenden Arbeiten wie Sähen, Pflügen, Ernten usw.
Im ßbrigen geht es mir bei der Infragestellung des Klischees vom stets einfachst gekleideten Menschen nicht um Knechte, Tagelöhner oder Leibeigene, sondern um freie Bauern oder einfache Handwerker.
Bei den Franken war im Prinzip jeder Mann ein Freier. Das traf auch auf die Galloromanen zu, deren Land die Franken ja besiedelt hatten und für die weitgehend die gleichen Regeln und Gesetzte galten. Es gab daher keine Vorschriften, wie der Eine oder Andere sich zu kleiden hatte. Es galt also flächendeckend im Frankenreich: "Zieh an, was Du willst."
ßberhaupt: Wenn die Bauern (ich picke die jetzt mal als Vertreter des einfachen Volkes heraus) sich ohnehin nur in einfachsten Sachen kleiden konnten, warum haben dann Klerus und Obrigkeit in späteren Zeiten denn Kleiderordnungen erlassen müssen? War das nicht völlig unnötig, wenn die Jungs ohnehin nur so rumlaufen konnten, wie es propagiert wurde? Oder ist das nicht vielmehr ein Indiz dafür, dass da versucht wurde, eine gewisse Eitelkeit zu unterbinden, respektive den niederen Ständen Kleidung zu verbieten, die sie auf eine Stufe mit höheren Ständen gehoben hätte? Noch einmal: Wozu, wenn sich die Leute das eh nicht leisten konnten?
Ich bitte auch darum, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Ich habe nie von "übergroßen Verzierungen" oder "Klunkern und Stutzeraccessoires" gefaselt. Es laufen, und da stimme ich ja, wie erwähnt(!), meinen Vorrednern zu, zuviele Christbäume herum. Es geht mir vielmehr um die Polarisierung und Dogmatisierung, die im Verlauf des Threads schleichend Einzug gehalten hat. (Graue Bauern, Billige Wolle auch bei 35 Grad im Schatten, zu knappe Höschen aus Rupfen…) Da ist es wieder, das alte TV-Problem von Schwarz und Weiß.
Die von Jens angesprochene Sache mit der schlechten Beleuchtung im Winter ist korrekt. Aber ich frage mich, wie die Mönche des frühen Mittelalters dann bei gleicher Problematik derart prächtige Pslater malen und schreiben konnten. Für sie war der Winter genauso dunkel und sie haben trotzdem das ganze Jahr über an ihren Schriften gesessen. Offenbar hat Kerzenschein wohl ausgereicht, um qualitativ brauchbare Dinge herzustellen.
Apropos Psalter. Die Darstellungen in den Psaltern illustrieren für gewöhnlich Geschichten aus der Bibel. Dazu sind sie sehr schematisch gehalten. Könige müssen klar als solche erkennbar sein, Krieger ebenfalls und Bauern auch. Daher wurde in Klischees gemalt: Der König ist prächtig gewandet und hat eine Krone auf, der Krieger Waffen in der Hand und der Bauer einfache (Arbeits-)Klamotten an. Wenn ich das jetzt aber als Beleg nehme, dass
Bauern immer einfache Arbeitsklamotten anhatten, dann muss ich auch unterstellen, dass alle Könige immer Kronen trugen.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #17 vom 04. Nov. 2004 14:16 Uhr
Jens
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Stefan, das mit den Verzierungen glaube ich durchaus richtig verstanden zu haben, insofern als dass ich sogar extra David darauf hinwies; eine Kolportierung eines meines Erachtens auch nicht erkennbaren "TV-Problems" (was ich angesichts der Maße und Inhomogenität der hier postenden User auch als sehr verallgemeinernd empfinde), ist nun wirklich unnötig.
Um deine Frage nach Verordnungen in späteren Zeiten des Mittelalters zu beantworten: dies lässt sich (meines Wissens und Erachtens nach jedenfalls) mit dem sich wandelnden Lebensstandard und dem z.B. häufigeren Erblandbesitz oder Erbpachtrecht erklären, die u.a. nachweissbar auch (und da muss man eben regional stark unterscheiden, regionale Verordnungen mögen nicht symptomatisch für alles sein, aber eben kennzeichnend in ihrem Auftreten für einen beginnenden Wandel) das Tragen von Waffen, Schmuck etc. bei der ländlichen Bevölkerung beschreiben oder einschränken.
Was die Beleuchtung angeht; auf diese wurde auch schon in Studien bezüglich der Entwicklung der Produktivität und Arbeitsleistung eingegangen, leider kenne ich aber keine Erwähnung der monastischen Tätigkeiten, jedoch denke ich, dass einem Kloster an sich mehr Mittel zur Verfügung standen als dem einzelnen (einfachen!) Mann.
Die Arbeitszeiten zeigen sich ja ebenfalls im städtisch-bürgerlichen Umfeld, die sich an den Tageszeiten ausrichteten (und hierzu gibt es meines Wissens nach auch noch erhaltene Verordnungen der Gilden, z.B. aus Nürnberg).
Ich würde also nicht aus einer Annahme (Bücher malen bei Mönchen) einen Rückschluss auf die übrigen Bevölkerung ziehen; hier fehlen mir schlicht und ergreifend konkrete Hinweise.
Da sehe ich auch kein Dogma darin, zu sagen "bis es konkrete andere Hinweise gibt, gehe ich von einfacher Kleidung aus".
ßbrigens habe ich auch bei 35° im Schatten kein Problem mit Wolle; wenn ich hart arbeite, und es mir zu warm wird, ziehe ich das wollene Kleidungsstück eben aus.
Schlussendlich denke ich einfach, dass Spekulationen (und das hat nichts damit zu tun, dass "Denken" nicht erlaubt ist) wenig helfen, solange konkrete Hinweise fehlen. Das alte Belegproblem eben. Ohne eine sehr detaillierte Analyse der Umstände ist eine Spekulation eben auch ziemlich mager.
Gruss, Jens
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Eintrag #18 vom 04. Nov. 2004 17:11 Uhr
Ameli
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Hallo,
einen Hinweis möchte ich doch einwerfen: Neidhart von Reuenthal spottet in vielen seiner Lieder über die allzu aufgeputzten "Bauerntölpel", die sich (seiner Ansicht nach) zu bunt/auffällig/stutzerhaft/unpassend kleideten.
Also damals wie heute das allgemeine Aufplustern?
Gruß
Ameli
- die selbst schon "Christbaumreenactment" für ihre Tracht zu hören bekam ;-)
PS: Bild gerne auf Anfrage per Mail ;-)
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Eintrag #19 vom 05. Nov. 2004 09:32 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Mir ist keine einzige Abbildung bekannt, in der ein Bauer oben ohne gezeigt wird.
Bitte Beleg für diesen Lösungsansatz, Jens ;-)
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #20 vom 05. Nov. 2004 09:49 Uhr
David Seidlitz
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Hallo Stefan,
Bauern "oben ohne" Bitteschön:
Das nur als Beispiel, es gibt wesentlich mehr Darstellungen, passte dort nur nicht zum Thema :o)
Gruß,
David
familia ministerialis
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Eintrag #21 vom 05. Nov. 2004 11:34 Uhr
Roland Schulz
in der Mac Bibel sind noch mehr, wenigstens ein oder zwei Abbildungen von "Oben ohne" Bauern.
Gruß,
Roland
Leben und Handwerk der Alamannen I.G.
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Eintrag #22 vom 05. Nov. 2004 12:23 Uhr
Annette Imort
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Zurück von der Historie zum heutigem Reenactment: Mit sind ein paar Dinge aufgefallen, die ich einfach mal in den Raum stellen will - und es ist NICHT boshaft gemeint, auch wenn’s vielleicht stellenweise so klingen mag (das ist immer der Nachteil, wenn man die Aussage eines anderen nur liest und nicht den Tonfall dabei hört…):
Die Darstellung des Einzelnen in der Szene hat möglicherweise mehr mit seinem sozialen Status im realen Leben zu tun, als wir alle uns klarmachen. Männer tragen heutzutage keinen Schmuck. Sie würden es aber vielleicht gerne, also leben sie dieses Bedürfnis in der Szene aus. Der Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger möchte wenigstens in einem Bereich seines Lebens mal nicht das Aschenputtel, sondern der "Prinzesserich" (männliche Form von Prinzessin???) sein. Und das läßt sich vielleicht am augenfälligsten über Schmuck, Borten, Stickereien, großes(!) Schwert und Adligendarstellung transportieren. Ich kenne einige "Riddä" oder FrühMi-Adlige, auf die das zutrifft. Damit einher geht dann leider oft auch großsprecherisches Gehabe (sowohl in der Lautstärke als auch in der Form; im Inhalt oft weniger), das Unsicherheiten überdecken soll. Die Leute, die im realen Leben dagegen "bessergestellt" sind, haben es vielleicht nicht so nötig, mit ihren Reenactment-Status etwas auszugleichen oder investieren eher in qualitativ hochwertige Materialien (z. B. handgewebte Stoffe), denen man den teuren Preis nicht sofort ansieht.
Wie gedagt, ist nur eine Theorie, und ich will damit um Gottes Willen keinem ans Bein pieseln…
Annette
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Eintrag #23 vom 05. Nov. 2004 12:27 Uhr
Annette Imort
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uups, hab was vergessen: Dabei geht es natürlich nicht nur um die finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen, sondern mehr vielleicht noch um sein Selbstwertgefühl und das Bedürfnis, dort einen Ausgleich zum unbefriedigenden Alltag schaffen zu müssen.
Annette
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Eintrag #24 vom 05. Nov. 2004 13:14 Uhr
David Seidlitz
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Hallo,
deine Theorie, Annette, mag ja ab und an bei einzelnen Exemplaren zutreffen, aber ich kenne genug Beispiele wo es durchaus anders ist. Diese Jacke mag sich anziehen wer will. Genauso könnte man einen Zusammenhang zwischen fundierter Darstellung und Bildungsgrad herstellen, klappt nicht immer.
Handgewebte Stoffe bekommt man durchaus auch zum adäquaten Preis, t.w. so günstig das sie den maschinengewebten diesbezüglich Konkurrenz machen (habe in den letzen Wochen ca. 25m (!) weit unter 100 Euro erstanden). Die Frage ist wie viel Energie man bereit ist dafür zu inverstieren. Das ist m.M. weniger eine Frage des sozialen Status im realen Leben.
Aber was weiß ich schon.
Gruß
David
familia ministerialis
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Eintrag #25 vom 05. Nov. 2004 14:14 Uhr
Annette Imort
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@ David
genau deswegen spreche ich ja auch von "einigen" und "Einzelnen". Die Theorie, die sich auf alles und jeden anwenden läßt, gibt’s eh nicht.
Annette
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Eintrag #26 vom 05. Nov. 2004 17:59 Uhr
Sylvia Crumbach
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Du weißt zB. wo man 25 m handgewebten Stoff für 100,– Eu´s kaufen kann, David……..
Antette, klar gibt es bestimmt. Vielleicht wie Schwanzwedeln beim Autofahren oder so. Prestige nach dem Motto: Mein Haus, mein Boot, mein Auto ist bestimmt schon seit der Stufe homo etrectus beim Menschen angelegt. (Wenn die denn schon Auto, Boote und Häuser gehabt hätte!)
Aber: sobald man in Klamotte ist verschwimmen auch Grenzen. Man lehrt Leute kennen und mögen, die man nie getroffen hätte - wo keine Berührungspunkte räumlich oder auch sonst gegeben wären - das vom Sozialprestige ganz abgesehen. Das gemeinsame Interesse an Geschichte halte ich für eine sehr verbindende Sache. Andererseits trifft man auch Mutanten die nun wirklich nicht sein müssen ……
Gruß aus dem schönen Ruhrgebiet!
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Eintrag #27 vom 06. Nov. 2004 06:55 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Annettes Theorie hat was, noch dazu weil ich es drehen und wenden kann, wie ich will, ich finde da unangenehmerweise einige Aspektchen drin, in denen ich mich mehr wiedererkenne, als mir lieb ist.
Nicht in allen, natürlich…
Ich möchte aber wagen, die Theorie um einen Gedanken zu erweitern: Es mag (finanziell besser gestellte?) Darsteller geben, die sich vieles leisten (können?), was ihnen gefällt, und dann hinterher, konfrontiert mit Kritik am Prunk, in eine Rechtfertigungsmentalität verfallen und bei ihrer Argumentation und dem Belegzwang über das Ziel hinausschießen. Da werden dann auch - an sich durchaus legitime - Argumente wie "Kriegsbeute", "Importware" oder "Erbstück" gerne mal überstrapaziert. Auf der anderen Seite gibt leider manchmal auch die Gegenfraktion zu viel Gas und kramt dann ihrerseits Belege, Argumente und Spekulationen hervor, die zwar nicht konkret falsch sind, aber im Eifer des Gefechts eben mal zu einseitig oder zu absolut (=dogmatisch) ausgelegt werden. (Das, Esca, kann man in (zu) vielen TV-Threads beobachten und eben das ist es, was ich mit dem "alten TV-Problem von Schwarz und Weiß" meine.)
Aber abgesehen davon, dass dies mehr oder weniger auf den einen oder anderen hin und wieder zutreffen mag (ich hoffe, ich habe genügend Konjunktive eingebaut, um Antworten vorzubeugen, dass es ja durchaus einen geben mag, auf den das natürlich nicht zutrifft), es erklärt vielleicht die Situation, die Decker beschrieben hat, aber es macht sie - rein darstellerisch - nicht besser.
(Kurzer Einschub mit erhobenem Zeigefinger;-) :
Man kann allerdings - wenn man möchte - im Hinterkopf behalten, dass, wie Annette sagt, vieles an der Darstellung den Menschen verkörpert, der dahinter steht, und sich mal zurückhalten, um eben diesen Menschen nicht zu verletzen. Mit zurückhalten meine ich, nicht von sich aus loslegen und sagen: "Ey, Alter, was haste denn für ne absolut unauthentische Klamotte? Das ist falsch und das und das auch und überhaupt…" Gut, man kann das natürlich diplomatisch verklausulieren, aber der Kern der Aussage kommt an.
Oder, wie Sylvia sagt, man lernt andere Menschen kennen, mit anderer Herkunft und einem anderen Draht zum MA. Warum sie gleich wieder vergraulen? Vielleicht will der gar nich absolut authentisch sein? Vielleicht hat er - würg - einfach nur Spaß am Markt? Vielleicht will er gar nicht belehren? (Ich hab schon Leute getroffen, die lachend gesagt haben "Ich weiß, dass meine Klamotte nicht ganz stimmt, aber das ist mir egal." Das waren trotzdem echt nette Menschen. Und ich hab mich sogar schon, ja, ich oute mich, mit LARPis gut verstanden)
Ich will es einfacher ausdrücken: Leben und Leben lassen. Das nur anbei, denn eigentlich geht es am Thema selbst vorbei. Also weg vom Soziologischen und wieder hin zum Fachlichen.
Einschub Ende)
Es gibt wahrlich einige Zusammenstellungen, die nicht passen. Nur: womöglich galten im Frühmittelalter einfach andere Umstände als im Spätmittelalter? Eine finnische Bäuerin des Frühmittelalters mag in den Augen eines Hochmittelalterdarstellers etwas zu schmuck erscheinen, aber vielleicht war das in ihrer Zeit und Gegend einfach so. Umgekehrt mag eine FMA-geschulte Wahrnehmung bei der Beurteilung eines HoMis an ihre Grenzen stoßen. Ein Beispiel habe ich schon genannt: Die immer wieder fälschlich angebrachte Kleiderordnung Karls des Großen. Wer sich mit seinem Fachwissen aus dem Hochmittelalter beispielsweise einem Frankendarsteller mit eben diesem Argument nähert, begibt sich auf dünnes Eis. Deutlicher gesagt: Er blamiert sich königlich. Es lohnt sich also, ein bisschen weiter als bis zur eigenen Nasenspitze zu schauen und öfters mal den guten alten Grundsatz zu beherzigen: "Wenn Du keine Ahnung hast, einfach mal die Fresse halten!" (Stammt nicht von mir, deshalb übernehme ich keine Verantwortung für die rüde Formulierung)
Ich fasse mich gleich mal an die eigene Nase und möchte noch einmal ausdrücklich bemerken, dass meine Argumentation das FMA, insbesondere das Frankenreich betrifft. Ich stelle keine Situationen anderer Zeiten in Frage, da mir dazu, außer im Einzelfall, das Fachwissen fehlt. Ich stelle aber sehr wohl Behauptungen in Frage, die sich auf das gesamte MA beziehen wollen und für meine Zeit und Gegend definitiv so nicht stimmen.
Und für die Franken im FMA gilt klar: Keine Kleiderverordnung, (noch) keine Unterdrückung der Bauern im Allgemeinen, keine klare Abgrenzung verscheidener Stände mit Ausnahme der Fürstenfamilien und - bisweilen praktiziert, obwohl kirchlich verboten - ausländischer Sklaven. Tracht und Putz nur von der finanziellen Situation des Einzelnen abhängig und völlig losgelöst von anderern Reglementierungen. Kurz: Der fränkische Bauer konnte sich, wenn er es sich denn leisten konnte, mit Gold, Silber und Edelsteinen behängen, bis er nicht mehr laufen konnte, wenn ihm danach war. Es gab genügend Bauern im Frankenreich, die sich das leisten konnten, denn "Bauer" war noch kein Stand, sondern ein Beruf. Und den hatte im Frankenreich die Mehrzahl der Freien, natürlich mit unterschiedlichen Ländereigrößen. Da aber im FMA die Bevölkerungsdichte im Gebiet des Frankenreiches teilweise noch recht dünn war, waren die Landbesitztümer im Schnitt deutlich größer als in späteren Zeiten; das teilweise durch entstehende Abhängigkeitsverhältnisse, aber auch durch Aufteilung der Ländereien unter mehreren Erben bedingt.
Auch der Wehrdienst war an den Landbesitz gekoppelt, insofern, als die vorgeschriebene Ausrüstung, mit der der Freie zum Kriegsdienst erscheinen musste, davon abhing.
Also nicht wundern, wenn ein Darsteller in voller Rüstung, mit Helm, Schild und Schwert, Flügellanze und Bogen auf die Frage, was er denn darstelle, antwortet:
"Ein Bauer!"
Keine weiteren Belege für Bauern oben ohne, bitte! Das war ein Insider von mir an Esca, den vielleicht nicht jeder versteht.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #29 vom 07. Nov. 2004 12:59 Uhr
Julian Decker
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Sind wir alle Millionäre?-Noch ein Nachtrag
@ Stefan:
Ich muß meine Meinung (teilweise) revidieren! Ich habe letzte Woche ein Referat zum Thema merowingerzeitliche Bestattungen gehört, und da wurde EINDEUTIG gesagt, dass ein freier (und auch einigermaßen wohlhabender) Bauer durchaus eine schwere Rüstung haben konnte, d.h. Spartha, Schild, Helm, vielleicht sogar Kettenhemd. Allerdings, so wurde auch gesagt: diese reichen Bauern stellen bis ins 7.Jhd höchstens 5 Prozent der Bevölkerung. Rein rechnerisch dürften dann auf einem Markt vielleicht zwei oder drei Leute so aufgerödelkt herumstolzieren, während der Rest in ärmlicheren Klamotten herumlaufen darf.
Weiter im Referat hieß es aber auch, dass es für einen Durchschnittsbauern auch möglich war kostbarere Gegenstände, wie etwa ein hübsches Sax o.ä. zu besitzen. (
Summa sumarum: 1)Für das FMA gelten andere Regeln, als für HoMis oder SpäMis (Bauern im 7./8.Jhd. können sich offensichtlich mehr leisten als ihre Nachfahren)
2) Reichtum ist regional unterschiedlich (logisch, nicht jede Region hat gleiche Vorraussetzungen)
Beste Grüße
Julian
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Eintrag #30 vom 07. Nov. 2004 13:08 Uhr
Jens
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Hallo Julian und alle anderen,
Ich persönlich denke, das ganze ist einfach weniger eine Sache der Möglichkeiten der Personen, denn der gewählten Darstellungen. Es sind meines Erachtens nach auch "reiche" Bauern sowie gut gestellte Teiled er Landbevölkerung im Hoch-und Spätmittelalter nachweissbar, nur stellten die nicht die Mehrheit der Bevölkerung, gleiches gilt wohl auch für die skandinavische Bevölkerung während deren Eisenzeit bzw. unseres Frühmittelalters.
Die Frage nach der Notwendigkeit der Tatsache, ob jeder aufwändige Kleidung und Assstattung benötigt, bleibt meines Erachtens nach bestehen.
Ich denke vor allem auch, man sollte sich nicht immer am Bauern festhalten, oder sind nun alles reiche Bauern?
Gruss, Jens
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Eintrag #31 vom 07. Nov. 2004 22:49 Uhr
Roland Schulz
@ Stephan
Zitat:
"Der fränkische Bauer konnte sich, wenn er es sich denn leisten konnte, mit Gold, Silber und Edelsteinen behängen, bis er nicht mehr laufen konnte, wenn ihm danach war. Es gab genügend Bauern im Frankenreich, die sich das leisten konnten, .."
Auf welche Quellen/Funde bezieht sich deine Aussage, Stephan? Und auf welche Zeit?
Bitte mehr Input.
Zitat:
"Also nicht wundern, wenn ein Darsteller in voller Rüstung, mit Helm, Schild und Schwert, Flügellanze und Bogen auf die Frage, was er denn darstelle, antwortet: "Ein Bauer!" .."
Nach meinem Wissen widerspricht die Fundlage bei den Franken (als auch bei Alamannen und anderen Völkern während der Merowingerzeit) dieser Aussage. Schild ja, Schwert/Spatha zum Teil, Flügellanze meinethalben, aber Rüstung und Helm?
Bitte, wie schon oben, worauf beziehst du dich hierbei?
Gruß,
Roland
Leben und Handwerk der Alamannen I.G.
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Eintrag #32 vom 07. Nov. 2004 23:18 Uhr
Walter Ruf
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Namd Roland,
ich glaube da liegt ein Mistverständniss vor.
Stefan meinte, dass der Bauer durchaus befugt war sich zum Militärdienst aufzurödeln wie er nur konnte/es die Finanzen zulassen, bzw dass es keine Gesetze gibt die ihm das verboten hätten.
Er meinte nicht(!) dass dies der Regelfall im FMA wäre. Ob die Bauern dies nun taten, steht auf nem anderen Blatt…
Imho ging es Stefan nur darum, den Mythos der der Kleiderordnung im Frankenreich aufzuklären, aber ich kann mich auch irren :)
Gruss,
Walter / Grimar
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Eintrag #33 vom 07. Nov. 2004 23:21 Uhr
Walter Ruf
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Nachtrag: Ein Lehnsherr wäre imho auch schön blöd, wenn er seinen Unterstellten verbieten würde, dass sie sich (auf eigene Kosten wohlgemerkt) aufrüsten und somit die Kampfkraft des eigenen Heere stärken.
Das wäre quasi von oben angeoordnete Wehrkraftminderung :)
[OT]Naja, wobei, bei der BW ists ja auch so…[/OT]
Walter/Grimar
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Eintrag #34 vom 07. Nov. 2004 23:29 Uhr
Carina Schmid
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Naja Walter,
aber BW ist heute und nicht vor 1000 Jahren ;-) Wobei Eure Ansatzpunkte stimmen, wenn ihr sagt, für eine authentische Darstellung hängt einfach zu viel Schmuck und zuviel Borte, womöglich noch aus Seide, an euch rum. Aber ihr könnt nun unmöglich hergehn und allen auf den Märkten, vom Kelte bis zum Spä-Mi sagen: kleidet euch weniger prunkvoll. Ein "Reformversuch" würde scheitern.
War keine Kritik von mir, aber ein Gedanke.
Liebe Grüsse, Carina
Bewertung:
Eintrag #35 vom 08. Nov. 2004 00:38 Uhr
Walter Ruf
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@ Carina:
a) Hab ich extra geschrieben OT=Off Topic!, das Ironie Tag wollte ich mir sparen
b) Ich habe niemanden gesagt, dass er downgraden soll
c) Soll es ein Denkanstoss sein, keine Reform
d) Denke ich generell, dass eine konstruktive Diskussion immer ein Gewinn ist, denn Stillsand ist Rückschritt. Wer sich davon angepisst vorkommt, bitte :)
lg
Walter / Grimar
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Eintrag #36 vom 08. Nov. 2004 02:20 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Zu meiner Darstellung:
Ich stelle einen reichen Bauern um 750 - 800, im Gebiet des heutigen Franken dar. Ich bin nicht, ich wiederhole: - nicht - mit Preziosen behängt und meine Ausgehkleidung ist aus Wolle. Mein Schmuck besteht lediglich aus einer kleinen, emaillierten Scheibenfibel mit Kreuzsymbol.
Meine bisherigen Ausführungen beziehen sich nicht auf eine spezifische Einzeldarstellung, schon gar nicht auf meine eigene, sondern auf die Möglichkeiten im gesellschaftlichen Querschnitt. Ich halte nichts davon, für die gesamte Szene einen "Durchschnittsmenschen" zu definieren und durch individuelle Gewichtung der Quellen und den seelischen Druck einer darauf aufbauenden Einstufung der Authentizität der Darstellung eine Annäherung derselben an dieses Konstrukt zu erzwingen.
In letzter Konsequenz an die Darstellung des statistischen Durchschnitts müssten 99% der Szene das Hobby aufgeben, da die Anzahl ihrer Kinder, ihre Ausbildung, ihr Gesundheitszustand, ihr Alter und vieles andere mehr nicht mit der durchschnittlichen Realität des MA übereinstimmen.
@ roland
(Aus Platzgründen quantitativ stark gekürzt)
Quellen (auch berarbeitet):
- Diedenhofener Kapitular, insbes. Kap. 5 und 7 (MGH Capitularia I, Nr 44)
- MGH Capitularia I, Nr 21
- Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, bearb. von R. Buchner 1964 u. 1977
- diverse Reichsannalen, verschiedene Verfasser, unbekannt, insbes. Annales Fuldenses, bearb. von R. Rau, 1960
- Prümer Urbar (spez. in Kap. opus textile)
- Notker der Stammler, Gesta Karoli Magni, hersg. Hans F. Haefele, München 1980
Literatur:
- Otto Hintze: Staatsverfassung und Heeresverfassung. In: Ders. Staat und Verfassung. Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, hersg. von Gerhard Oestreich 1962
- Heinrich Sproemberg: Die feudale Kriegskunst In: Ders.: Beiträge zur belgisch-niederländischen Geschichte (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, Bd. 3), Berlin 1959
- Mechthild Müller, Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters, hersg. Rosemarie Müller, Walter de Gruyter, Berlin, 2003
Weitere Verweise und Quellenangaben finden sich sehr zahlreich in der erwähnten Literatur, es war mir nicht möglich, alle zu überprüfen; bitte selbst nachlesen.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Infragestellungen des Fachwissens der Autoren sowie der Glaubwürdigkeit der Literatur und deren Quellen sind bitte an den jeweiligen Autor direkt zu richten. Für eine Diskussion der Logik meiner Schlussfolgerung im Bezug auf die Darstellung im Mittelalterhobby bin dagegen ich zuständig.
Zur Fundlage:
Nach die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion durch die Karolinger, insbes. KdG, bricht die Sitte der reichen Grabbeigaben stark ein. Desweiteren ist in normalen Gräbern der Erhaltungsgrad textiler Werkstoffe sehr schlecht, Ausnahmen nur bei Stücken von sehr geringer Größe, die in unmittelbarer Nähe von oxydiertem Metall (vornehmlich Eisen) lagen. Die Größe der Fundstücke ist oft im mikroskopischen Bereich. Daher ist die Fundlage für einen flächendeckend gültigen Beleg nicht ausreichend.
(Man könnte, setzt man die absolute Gewichtung auf Grabfunde, allerdings auch argumentieren, dass bei der geringen Menge großflächiger textiler Reste in zahlreichen frühmittelalterlichen Gräbern belegt sei, dass der Großteil der Menschen im frühen MA zumindest regional halbnackt herumgelaufen sein muss. Die Metallteile, wie etwa Nadeln oder Ringe, die von einigen unwissenden Archäologen als Indiz für ehemals vorhandene Kleidung und deren Aussehen und Schnitt angesehen werden und deshalb mit so irreführenden Bezeichnungen wie "Gewandspange" oder "Mantelfibel" belegt werden, waren in Wahrheit Piercings.
Für meine speziellen Freunde:
Der in Klammern gesetzte Abschnitt ist sarkastisch und damit nicht als Grundlage für eine fachliche Diskussion geeignet)
Meine ambivalente Meinung zu Bildquellen möchte ich an dieser Stelle nicht wiederholen, man kann sie an anderem Orte in den Threads nachlesen.
Zum mangelnden Input:
Im ganzen Thread wurden nur zwei Quellen erwähnt (beide von Julian: die Kaiserchronik des Pfaffen Konrad um 1150, sowie noch ein Verweis auf das Leichenhemd eines nicht näher genannten Papstes im Bamberger Dom), was Dich, Roland, aber im bisherigen Verlauf des Threads merkwürdigerweise nicht zu stören schien. Erst meine bescheidene Meinung brachte Dich dazu, "mehr input" zu verlangen. Ich bemühe mich, diese Auffälligkeit nicht zu interpretieren und bitte um eine Erklärung: Beruht der Wunsch nach input tatsächlich auf ernsthaftem Interesse an meiner Meinung oder steckt etwas anderes dahinter?
Unabhängig davon sei mir die Rückgabe des Kompliments erlaubt: Womit belegst Du deine offensichtliche Skepsis gegenüber meiner Darstellung? Welche Quellen sprechen konkret gegen mich?
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #37 vom 08. Nov. 2004 02:38 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Hallo, Julian und Jens
Womit wir einer Meinung wären. Ihr habt uneingeschränkt Recht, wenn Ihr sagt, dass ein wohlhabender Bauer (den ich aus der Menge der einfachen Leute exemplarisch herausgepickt habe) durch wohl alle Zeiten die Minderheit darstellte. Wenn sich alle Darsteller nun auf diese Minderheit berufen würden, gäbe das definitiv ein falsches Erscheinungsbild der mittelalterlichen Gesellschaft.
Es wäre aber genauso unauthentisch, diese Minderheit - und sei es auch fachlich noch so gut gemeint - wegdefinieren zu wollen.
Organisatorisch entstünde das Problem, auf einer Veranstaltung Leute abweisen zu müssen mit der Begründung: "Tut mir leid, einen reichen Bauern haben wir schon, jetzt müssen erst mal 9 ärmliche kommen. Erst dann können wir Sie einlassen." Ich denke, an dem Problem können wir nicht wirklich viel ändern. Es reicht m.E., wenn wir uns über diese Unvollkommenheit der Szene bewusst sind und darüber lächeln können.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #38 vom 08. Nov. 2004 02:41 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Mir fällt auf, dass die Damen sich diesem "Problem" scheinbar deutlich unverkrampfter nähern können.
Freut mich, Mädels ;-)
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #39 vom 08. Nov. 2004 06:05 Uhr
Beate
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Wie meinst du das?
Mir ist aufgefallen, dass bei den Wikis anscheinend fast jede Magd eine Schürze trägt, ein Kleidungsstück, dass meines Wissen doch eher den höhergestellten Damen vorbehalten war.
Gruß, Beate
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Eintrag #40 vom 08. Nov. 2004 10:10 Uhr
Ameli
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Hallo Beate,
"jede Magd bei den Wikis trägt eine Schürze".
Da muß ich doch gleich nachhaken. Du meinst die zusätzliche Stoffbahn, die über dem Oberkleid (gehalten an Trägern mit Schildkröt- oder Schalenfibeln) zusätzlich zwischen die Fibeln gepinnt wird? Stimmt, könnte so sein. Wobei ich z.B. bei Interpretationen von Gotland- oder Birkatracht wieder vorsichtiger wäre. Da ist auch unter den Wissenschaftlern/innen noch viel Spekulation angesagt.
Wobei die Wikidamen noch mehr Möglichkeiten hatten, zu protzen. Ich denke da z.B. an plissierte Untergewänder. Die sieht man (zum Glück?) sehr selten….
Lieber Stefan, vielleicht liegt’s auch daran, daß wir von Haus aus prunk- und putzsüchtig und eitel sind? Und das nun wirklich nieMANNd in Frage stellt? *grins* :-)=)
Gruß
Ameli
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Eintrag #41 vom 08. Nov. 2004 10:15 Uhr
David Seidlitz
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Hallo Stefan,
im Grunde kann ich deiner Argumentation folgen. Allerdings sind wir nun auch bei "wohlhabenden" Bauern, und nicht mehr beim Bauern mit "viel Zeit". Der Schlüssel ist doch letztlich die finanzielle Situation.
Was ich aber nicht verstehe: welche Veranstaltung (in welcher Form auch immer), von Märkten ganz zu schweigen, stellt denn einen Querschnitt der mittelalterlichen Gesellschaft dar?? Besser gesagt, welche ambitionierte Veranstaltung schreibt sich dieses Ziel auf die Fahnen?
Ich glaube das wir oft ein "Idealbild", oder eben den "Durchnittsmensch" darstellen. Anderes wird sich bei der Quellenlage/ den ßberlieferungen auch gar nicht machen lassen.
Gruß,
David
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Eintrag #42 vom 08. Nov. 2004 10:27 Uhr
Jens
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Alle, und im speziellen Stefan:
Es würde mich freuen, wenn wir mal entspannt (als ob das nur die Damen könnten) über ein Thema diskutieren könnten _ohne_ dass sich jeder, bzw. seine Darstellung gleich angesprochen/kritisiert fühlt, denn _das_ empfinde ich viel eher als "typisches" Problem, sei es Deutsch, TV-lerisch oder sonstwie.
Also bitte reden wir von der grossen, runden, uneingrenzbaren Allgemeinheit und fangen wir nicht an, an Personen rumzupriemeln.
Geht das?
Danke.
Gruss, Jens
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Eintrag #43 vom 08. Nov. 2004 10:55 Uhr
Sylvia Crumbach
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"Mir ist aufgefallen, dass bei den Wikis anscheinend fast jede Magd eine Schürze trägt, ein Kleidungsstück, dass meines Wissen doch eher den höhergestellten Damen vorbehalten war."
Eigentlich sollte man damit anfangen Begrifflichkeiten wie "Bauer" oder "Magd" zu überdenken. Ich stelle persönlich eigentlich auch nichts da, schon gar keine Person. Wenn ich mich in einem meiner diversen Fummel werfe, trag ich die Tracht einer wohlhabenden Frau, oder einer nicht sehr wohlhabenden Frau. Wo "wohlhabend" dabei nur als Vergleichsbegriff dient. Es kommt eigentlich noch dazu, daß man sich vom "Markt" lösen sollte, zumindest beim nachdenken. Alleine schon der Begriff Wikingermarkt ist doch eigentlich Blödsinn, weil man keine Wikinger kaufen kann (*g*). Hat man das übliche Zelt-Senario kann man auch auf solche Bilder verzichten, weil alle Zeiten und Auffassungen durcheinanderlaufen.
Wir hatten hier mal einen Thread "Sind arme Leute überhaupt dastellbar?", bei der Frage mußte ich feststellen, daß ganz einfache Sachen fast noch teuerer und schwerer zu beschaffen sind als Materialen für eine "Mittelstandsausstattung".
Das Problem ist, daß man Ausstattungen nicht mischen sollte. Wenn ich weiß, daß ich richtig arbeiten muß und mich auch richtig einsaue - naja dann ziehe ich meine passenden Sachen an. Für Modenschauzwecke, oder wenn ich meine, daß ich Spaß daran habe, hohe ich den schicken Fummel aus der Kiste. ABER ein ein Grobleinen-Kleid eine goldene Fibel - NEIN, NEIN, NEIN!
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Eintrag #44 vom 08. Nov. 2004 13:39 Uhr
Roland Schulz
@ Stephan
Mich störte bislang gar nichts, meine Frage nach den Funden/Quellen für Helme, Rüstungen und derlei (nach Fundlage) äußerst seltenen Gegenständen, war tatsächlich aus reiner Neugierde und Interesse entstanden. Sowas gibts.
Ich stoße mich nur an der Aussage, daß eben ein Bauer (pauschal) mit Rüstung, Helm, Schwert etc. daherkommt. Fakt ist meines Wissens nämlich, daß die Grabfundlage dies eben NICHT hergibt, sondern im Gegenteil, daß Rüstungen (Lammelnpanzer, Ringelpanzerhemden) und Helme eben höchst selten sind, und aufgrund der anderen Funde innerhalb der jeweiligen Gräber ziemlich eindeutig sehr reichen Kriegern und adeligen Herrschern zugeordnet werden.
Zumindest behaupten das sowohl Alamannen- als auch Frankenkatalog und darüber hinaus.
Daher die Frage, ich bitte um Nachsicht ob meiner Neugierde, ich bin ein schlechter Mensch. *g*
Gruß,
Roland
Leben und Handwerk der Alamannen I.G.
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Eintrag #45 vom 08. Nov. 2004 13:41 Uhr
Roland Schulz
oh Herr…. LAMELLENpanzer… LAMELLEN…Argl
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Eintrag #46 vom 08. Nov. 2004 15:06 Uhr
Volker Bach
Bitte einloggen, um Volker Bach eine Nachricht zu schreiben.
Es gibt bei dieser Frage noch einen Punkt, der häufig übersehen wird, aber glaube ich eine wirklich wesentliche Rolle spielt:
wo kriegt man die ‘einfachen’ Sachen her?
Nur so als Beispiele aus eigener Erfahrung: im späten 14. Jh sind mir drei Arten von Knöpfen bekannt: Stoffknöpfe, Metallknöpfe und Knochenknöpfe. Metallknöpfe kann man (in hoher Qualität) kaufen. Stoffknöpfe muss man meines Wissens nach selber per Hand nähen, Knochenknöpfe selbst schnitzen.
Gute, leichte Wollstoffe sind ohnehin schwer genug zu bekommen. Ich war sehr glücklich, jetzt ein paar (maschinengewebte) Längen in dunkelstem Blau und Dunkelrot zu kriegen. Authentischer für die Alltagskleidung (eines Römers) wäre sicher ungefärbter, ungebleichter Wollstoff in cremefarben oder braun, aber - wo gibts den?
Viel Schmuck war sicher aus einfachen Materialien hergestellt (als Beispiel würde ich hier Römerzeitliche Phallusamulette aus Geweih anführen). Könnte ich tragen, müsste ich mir selber schnitzen. Ein bronzenes oder silbernes Amulett ähnlicher Art krieg ich im Onlineversand.
Es gibt viele Bücher zur Bekleidung im MA, die meisten an Bildquellen orientiert und Bürger und Adlige darstellend. Ich kenne jetzt auch eine Studie zur Bauernkleidung - zu beziehen am Museumsshop des Museumsdorf Düppel. Bestellen Fehlanzeige. Also kann ich auch darauf bis nächstes Frühjahr warten, denn im Winter ist da keine Saison.
Sehr viele Firmen, die die Szene bedienen, leben, fürchte ich, von Dingen, die einen grossen Markt finden. Wie Schmuck und Ziergegenstände eben. Häufig ist das einfache teurer als das edle, und schwerer zu finden ist es allemal. Gerade Anfängern wird es nicht einfach gemacht, sich da zu orientieren, und wer einmal eine einigermassene ‘A’ Ausstattung hat - natürlich mit dem ganzen Geklingel - bestimmt damit natürlich auch mit das Marktgeschehen. Es sieht ja sehr imponierend aus.
Ergo, mehr Aufklärung und mehr Quellen für gutes Material. Es ist nicht mit einem ‘Man muss sich schon etwas bemühen’ getan. Ich jedenfalls mache es keinem zum Vorwurf, wenn er nach langer Recherche bei einer Bekleidung ankommt, die für seinen Stand zu fein ausgefallen ist. Pannesamt ist und bleibt Panne, aber es gibt auch den Punkt wo ich nicht mehr Einsatz verlangen kann - einfach zu sein ist nämlich gar nicht so einfach.
Ianus
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Eintrag #47 vom 08. Nov. 2004 17:01 Uhr
Jens
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Also das erklär mir mal einer; wieso soll man ausgerechnet daran scheitern, Kleidung und Ausrüstung, die ob der Schlichtheit auch in der dargestellten Zeit oft in Hausarbeit selber hergestellt wurde, selber anzufertigen?
Und dafür ist es halt auch mein Hobby, dass ich nicht alles zukaufe.
Und das Buch aus Düppel hat ein Bekannter von mir dort angefragt und bekommen….
Gruss, Jens
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Eintrag #48 vom 08. Nov. 2004 17:34 Uhr
Beate
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Hallo, Amelie
"Du meinst die zusätzliche Stoffbahn, die über dem Oberkleid (gehalten an Trägern mit Schildkröt- oder Schalenfibeln) zusätzlich zwischen die Fibeln gepinnt wird? Stimmt, könnte so sein."
Das ist es ja eben, gehalten wird es von 2 Fibeln, oft ist dann noch eine oder mehrere Schmuckketten dazwischen. Da muss die Dame doch schon etwas betuchter sein, um sich das leisten zu können, oder wie siehts du das?
Der Begriff "Schürze" passt meiner Meinung nicht so recht, weil man ja vom bei einer Schürze immer an ein Kleidungsstück für grobe schmutzige Arbeit denkt. Vielleicht sollte man lieber vom Trägerkleid sprechen?
Gruß, Beate
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Eintrag #49 vom 08. Nov. 2004 17:34 Uhr
Oliver Hauss
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>Also das erklär mir mal einer; wieso soll man ausgerechnet daran scheitern, Kleidung und Ausrüstung, die ob der Schlichtheit auch in der dargestellten Zeit oft in Hausarbeit selber hergestellt wurde, selber anzufertigen?
Das wurde dir bereits in dem vorigen Beitrag erklärt: Weil das ANGEBOT an dem entsprechenden Material heute ein anderes ist. Gerade WEIL die Ausrüstung damals häufig in Hausarbeit hergestellt wurde, und das bei den heutigen ßquivalenten nicht der Fall ist, ist die Verfügbarkeit des Rohmaterials eine ganz andere. Dazu kommen massive ßnderungen der allgemeinen Infrastruktur, einschliesslich der natürlichen. Moderne Forstwirtschaft, Tierschutzbestimmungen etc. etc. ad nauseam.
>Und dafür ist es halt auch mein Hobby, dass ich nicht alles zukaufe.
Behaupte nur nicht, du "machst Mittelalter" wenn du Sachen selber machst, die man damals gekauft hat ;)
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Eintrag #50 vom 08. Nov. 2004 17:50 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Versuch ich doch immer wieder auf’s Neue, Jens!
Erklär mir bitte, weshalb das "ganz speziell" an mir liegen soll.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #51 vom 08. Nov. 2004 17:52 Uhr
Sylvia Crumbach
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Hallo Jens,
die Broschüre ist tatsächlich nur dort zu bekommen. (alles andere ist wirklich Glück). Es kann nicht jeder alles selber machen und manches was "selbergemacht" herumgetragen wird sieht auch ganz erbärmlich danach aus.
Hallo Volker,
"Gerade Anfängern wird es nicht einfach gemacht, sich da zu orientieren, und wer einmal eine einigermassene ‘A’ Ausstattung hat - natürlich mit dem ganzen Geklingel - bestimmt damit natürlich auch mit das Marktgeschehen."
Das ist genau das Problem - wer am buntesten ist, fällt am meißten auf - egal wie. Klar ist es spannender 25 Indien-billig-Perlen zu tragen als 3 gute für den gleichen Preis ….
Ich bin für mehr richtig bunte gute Ausstattungen - aber dann auch konsequent. Also - warum eigentlich nicht?
Was Wikingerkleidung mit Hängerock angeht - warum nicht? Schöne Fibeln, netter Schmuck und schöne Stoffe - das ist doch eine feine Sache, finde ich. Sollen wir anfangen zu sagen, daß nur noch 2 Frauen am Samstag und 3 am Sonntag die Schalenspangen tragen dürfen, das ist doch Blödsinn, ganz ehrlich.
Wie schon geschreiben - was soll dieses "Ich bin eine Magd?". Ich bin kaufmännisch-technische Angestellte - egal in welchem Fummmel …..
Gruß vom Dachs!
PS, Volker "römermäßige Wollstoffe" findest Du hier: wwwmeterweise-stoffe.de/infoshop
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Eintrag #52 vom 08. Nov. 2004 18:04 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Hallo, Roland,
Da haben wir uns wohl gründlich missverstanden, aber damit hatte ich nicht gerechnet, da ich in meinen Augen doch recht klar darauf verwiesen hatte, dass meine Abhandlungen definitiv NICHT aussagen sollten, dass ALLE Leute im MA reich ausgestattet herumliefen und dies eben NICHT der Standard war. Scheine ich auch tatsächlich leidlich erfolgreich gemacht zu haben, da einige Andere es wohl verstanden.
Naja, wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. (An die eigene Nase fass…) Ist mir ja schließlich auch schon passiert, dass ich da hin und wieder was überlesen hatte.
@ David
Vielleicht habe ich etwas zu flapsig argumentiert, aber ich wollte eben eine einseitige Denkweise aufbrechen.
Und vom wohlhabenden - lassen wir Jens zuliebe mal den Begriff Bauer weg - einfachen Menschen abgesehen, denke ich immer noch, dass durch den Wegfall typischer, zeitraubender Ackertätigkeiten im Winter bei den Bauern ein Zeitüberschuss herrschte. Vielleicht nicht viel, aber eben doch. Ich lasse mich aber gern durch die schon mal gewünschte Liste typischer reiner Wintertätigkeiten da eines Besseren belehren.
Eine Diskussion über die Nichtverfügbarkeit von in ihrer Leuchtkraft mit Kerzen vergleichbaren Beleuchtungsmitteln für einfache Menschen möchte ich hier nicht führen.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #53 vom 08. Nov. 2004 18:10 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Ich denke, gerade die Darstellung eines Durchschnittsmenschen ist nur schwer möglich. Denn es wurde eben kein einziger "Durchschnittsmensch" beerdigt und auch keiner detailliert beschrieben. Das waren alles Individuen. Dass wir sehr wohl einen Fundquerschnitt und einen Beschreibungsquerschnitt haben, entspringt einer archäologischen Systematik.
Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die mittelalterliche Bevölkerung, genau wie heute, aus Individuen bestand, die einander sehr verschieden sein konnten.
Wenn aber ohnehin keine Veranstaltung den Anspruch erhebt, eine querschnittliche Darstellung zu bieten, dann verstehe ich den Rummel um die Ausnahmedarstellungen nicht ganz.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #54 vom 08. Nov. 2004 18:56 Uhr
David Seidlitz
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Hallo Stefan,
vielleicht sollte man in die ßberlegung zur "zeitraubenden Ackertätigkeit" eben genau diesen Zeitaufwand mit einbeziehen. Viele Dinge welche in den Sommermonaten aus Gründen der zeitraubenden Arbeit auf dem Feld liegen bleiben, müssen im Winter gemacht werden, um im nächsten Jahr wieder effektiv arbeiten zu können. Aus diesem Grund würde ich eben Flick- und Wartungsarbeiten als Wintertätigkeit ansehen. Warum sollte denn im Sommer zusätzlich gearbeitet werden wenn im Winter Zeit dafür bleibt? Etwa um Schmuckstücke zu schaffen? Im ßbrigen ist der Holzeinschlag eine absolut typische Winterarbeit.
Am Ende werden wir es so genau niemals wissen, was der einzelne wann und wie getan hat, darum ist es vielleicht müßig. Ein wohlhabender Bauer hat eventuell auch Knechte die für ihn im Winter die notwendigen Arbeiten ausführen, und er baut Schmuckstücke?? Oder wird er sie sich kaufen??
Was soll also das ganze?
Das FMA ist nicht wirklich mein Gebiet, aber ist es tatsächlich so, daß die beschriebenen Grabfunde den "Normalzustand" beschreiben? Oder wurden die Menschen im Grab extra hergerichtet und ausgestattet? Inwieweit spiegelt das das Individuum wieder? Wer klärt mich auf?
Diskussionsbereiter Gruß,
David
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Eintrag #55 vom 08. Nov. 2004 19:04 Uhr
Ameli
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Hallo Beate,
dachte ich mir, daß Du den Trägerrock meinst. Der wird für Haithabu als ziemlich gesichert angenommen.
Allerdings besteht hier auch die Möglichkeit noch eine zusätzliche Schürze drüber zu tragen.
Mit dem Schmuck gebe ich Dir recht, der fällt oft recht üppig aus.
Bei Kleidung und Zuschnitt wäre ich vorsichtig, wie gesagt, die Birkatracht oder auch die gotländische Tracht sind etwas anders gestaltet.
Ich würde sagen, wir verlassen die Kleiderschnittdiskussion, dazu gibt es zu wenig 100% gesicherte Erkenntnisse, wie genau die Stücke besonders aus dem FrüMi ausgesehen haben. Zu der Erkenntnis sind wir hier schon in anderen Threads gekommen, daß wir uns in einem großen Feld der Spekulation bewegen.
Ansonsten schließe ich mich Sylvia an. Warum nicht glitzern und glänzen, wenn es konsequent ist? ;-)
Gruß
Ameli
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Eintrag #56 vom 08. Nov. 2004 19:05 Uhr
Claudia
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>Also das erklär mir mal einer; wieso soll man ausgerechnet daran scheitern, Kleidung und Ausrüstung, die ob der Schlichtheit auch in der dargestellten Zeit oft in Hausarbeit selber hergestellt wurde, selber anzufertigen?
Esca, denk mal an handgesponnene und gewebte Stoffe. Wer von uns hat das schon? Ich spinne schon etliche Jahre, aber weben kann ich noch nicht und bis ich genug gutes Garn habe, vergeht auch noch ne Weile. Also es IST schwierig.
Oder denk an Daubenschalen, GUTE Daubenschalen. Es ist viel leichter, sich eine recht gute Replik eines Keramikbechers zu besorgen, als eine ordentliche Daubenschale. Aber was war damals bei einfachen Leuten mehr in Gebrauch?
Oder wenn ich an andere Zeiten denke, so ist es dort betraechtlich einfacher, sich eine Fibel-Replik aus Silber zu besorgen als eine aus Bronze (gleiches Modell). Wer kann heute schon noch Bronze schmieden?
Gruss, Claudia
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Eintrag #57 vom 08. Nov. 2004 22:23 Uhr
Jens
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Oliver & Claudia:
Alles schön und gut, aber das verhindert noch keine einfache Darstellung. Wolle gibt’s nunmal zu kaufen, wie auch Tuch, wie auch Horn, das man dann bearbeiten kann. Nen Daubenbecher traue (Achtung, hypothetisch!) ich mir sogar noch selber zu machen, wenn ich es möchte. Und auch die gibt’s zu kaufen (sind fast genauso häufig/selten wie _gute_ _passende Keramik).
Aber auch da gibt’s Leute, die sich spezialisiert haben, oder zu denen ich hingehen muss "mach mal soundso".
Ich denke wirklich nicht, dass es schwierig ist,was einfaches richtig zu machen, schwieriger als einfach den StTandardkram, den man grad angeboten bekommt, prompt zu kaufen, vielleicht, aber das braucht einfach nur etwas Selbstbeherrschung ;)
Und ich denke nicht, dass es ein Problem von Händlern, Industrien oder sonstwas ist, dass das Zeug fehlt, sondern eher von Leuten, die _ein_ Handwerk darstellen, und _genau_das_ dann auch spezialisiert durchführen.
Meisstens werden die Leute, die mal gutes Zeug anbieten, recht flott zum Tandhändler, weil’s "eben der Markt verlangt".
Also Gürtel nähen, statt Standardteil mit viel Beschlägen kaufen, Kleidung selber nähen aus einfachen Stoffen, halt mal eben übern Schatten springen und nicht viele Knöpfe drannmachen- das sehe ich als Problem wirklich nicht…
Gruss, Jens
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Eintrag #58 vom 09. Nov. 2004 00:54 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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So habe ich die Sache noch nicht betrachtet.
Ich denke, da hast Du prinzipiell Recht. Wenn ich irgendwelche Reparaturarbeiten auf den Winter verschieben kann, dann bietet sich das natürlich an. Andererseits werde ich wahrscheinlich den Großteil der Reparaturen dann erledigen, wenn sie anfallen und nicht erst in einem halben Jahr. (Kleidung, Haus, etcetera) Es bleiben aber immer noch zahlreiche Reparaturen, die ich tatsächlich ohne Not vor mir her schieben kann. Den Pflug, den ich etwa im Frühjahr gebraucht habe, werde ich wohl erst wieder nächstes Jahr brauchen, kann mir also mit der Reparatur Zeit lassen. Ich denke, da gibt es noch mehr Beispiele.
Trotzdem bin ich nach wie vor, wenn auch nicht mehr mit der Intensität, der Ansicht, dass es im Winter unterm Schnitt gesehen und im Gegensatz zum Rest des Jahres, zwangsläufig Ruhezeiten gab.
Warum nun besagte Familie sich für das ßberleben nicht unbedingt notwendige Dinge (Eine absichtlich vorsichtige Formulierung, um dem Streitwort "Schmuck" und seinen Derivaten aus dem Weg zu gehen) selbst herstellen statt kaufen und behalten statt verkaufen sollte, liegt allerdings auf der Hand:
Kaufen kostet. Das kennen wir selbst alle nur zu gut. Selbermachen ist billiger.
Verkaufen wäre natürlich toll. Nur: Wer soll es denn kaufen? Andere einfache Leute haben kein Geld dafür. Und diejenigen, die Geld haben, würden sich was Gescheites drum kaufen und sich nicht mit Bauernschmuck behängen. (Man denke an die zwangsläufig bescheidenen Materialien und die wahrscheinlich ebensolche Qualität.)
Zur Grablege:
(Vorsicht! Keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine stark vereinfachte Kurzfassung!)
Im FMA sind die Sitten europaweit ausgesprochen verschieden. Speziell in nicht christianisierten Gebieten bestand aber die Tendenz, soweit sich die Familie des Verstorbenen (zumeist nicht wirklich er selbst, denn er hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel zu sagen) das leisten konnte, verhältnismäßig reiche Grabbeigaben mitzugeben. Das trifft zumindest auf die Gebiete zu, in denen von einem Nachleben im Totenreich ausgegangen wurde, das dem irdischen Dasein recht ähnlich sein sollte. Dabei wurde von den Hinterbliebenen oft mehr Aufwand betrieben, als es, rein rational betrachtet, vernünftig gewesen wäre. In diesen Gebieten wurde der Tote also, wie Du sagst, speziell zurechtgemacht, allerdings natürlich im Rahmen der Möglichkeiten und seiner Besitztümer zu Lebzeiten, also durchaus individuell.
In den christianisierten Gebieten dagegen setzte sich eine gewisse Bescheidenheit durch, da man jetzt wusste, dass irdische Güter nicht mit ins Jenseits genommen werden konnten. Hier finden sich oft recht bescheidene Grabausstattungen. (Siehe das von Julian eingangs erwähnte Büßerhemd des Papstes im Bamberger Dom) Das führte übrigens zu einem in der Archäologenszene recht beweinten Zustand der Fundarmut zu Beginn der Karolingerzeit.
Vereinfachtes Fazit: Heidnische Begräbnisse spiegeln durchaus bis zu einem gewissen Punkt das Individuum wieder, bei christlichen Begräbnissen mag das anders aussehen. In letzterem Falle gibt es Ausnahmen besonders bei weltlichen und geistlichen Würdenträgern, die natürlich besonders würdig begraben werden sollten. (Wobei hier wahrscheinlich die unmittelbare Zeremonie der Grablegung im Vordergrund stand und nicht der spätere Zustand im Grab selbst.) Die sind allerdings für unsere Situation hier nicht von Belang.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #59 vom 09. Nov. 2004 10:50 Uhr
Claudia
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Esca,
es geht mir nicht um die uebliche Faulheitsbegruendung "das geht nicht", sondern rein um die Anerkennung, dass eine Darstellung einer Person mit niedrigem sozialem Rang schwierig sein kann, u.U. schwieriger als die einer "mittelstaendischen" Person.
Das mit dem "Daubenschalen-Selberbauen" glaube ich erst, wenn ich’s sehe. Das haben naemlich schon etliche Leute probiert (auch "Holzwuermer" dabei), keiner mit befriedigendem Resultat. Und an Herstellern, die das ordentlich koennen, ist mir bisher genau _einer_ bekannt. Wenn irgendwo Daubenbecher angeboten werden, sind in aller Regel die Dauben viel zu dick, sie sind geleimt, meistens uebergedrechselt und mit Spanbindung statt Rutenbindung. Pfui Deibel.
Gruss, Claudia
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Eintrag #60 vom 09. Nov. 2004 11:18 Uhr
Sylvia Crumbach
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Hallo Claudia,
das sehe ich genau so. Es GIBT gute Daubenschalen. Aber ich bin sicher, wenn ich eine mache, dann lasse ich mir das Stück nicht abschwatzen. Und das sehen alle Leute, die ich kenne und die es wirklich schaffen, ähnlich. Das gilt auch für viele andere Sachen. Keramik ist da, besonders für das HMA und römische Zeit, SEHR viel leichter zu beschaffen.
Worauf wird eigentlich zurück geführt, daß man sich schmücken muß? Nach Ableitung von M. Schulze-Dörlamm im "Salierkatalog" verschwinden alle "Schmuckstücke" aus einfachen Materialen mit Etablierung des feudalen Systems. Das ganze hohe Mittelalter ist sehr Schmuck- und Metallarm (im Vergleich natürlich). Wenn man sich mit solchen Sachen behängen will ist das HMA nicht die richtige Wahl. Da bietet sich den Völkerwanderungszeit an, definiv. Oder für den der als Mann wirklich übertreiben will: römischen Mititär in der Spätantike.
Jede Zeit hat "Reichtum" mit anderen Medien ausgedrückt - und auch jeder Kulturkreis hat andere Vorstellungen dazu.
Die "Bauerntachten" mit dem Tachtschmuck sind eine REINE Errugenschaft der Neuzeit!
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Eintrag #61 vom 10. Nov. 2004 00:06 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Hallo, Sylvia.
Man muss ja nicht, man darf. Und das speziell im Frühmittelalter, was ja so eine Art Nachwehe der von Dir angesprochenen Völkerwanderungszeit war.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #62 vom 10. Nov. 2004 08:14 Uhr
Sylvia Crumbach
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Klar, darf mann/frau! Wer sollte da was gegen haben?
Gruß von einem eitelen Dachs!
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Eintrag #63 vom 11. Nov. 2004 18:58 Uhr
Karen Thöle
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Durchschnittlich oder überdurchschnittlich?
Ich denke, wir sollten zwei Fragen auseinanderhalten (und bei der zweiten fürchte ich, daß ich da gerade anfange, in einem Wespennest zu stochern):
- 1.) Haben wir bei einer Person insgesamt eine in sich stimmige Darstellung mit nicht nur zeitlich, sondern auch in bezug auf den Wert zusammenpassende Darstellung?
- 2.) Wollen wir, können wir als Einzelperson oder als Gesamtheit der auf einer Veranstaltung anwesenden Personen den "Durchschnitt" mittelalterlichen Lebens darstellen?
Zu 1.) Ich glaube, da sind sich hier die meisten bei Tempus vivit einig, daß das anzustreben ist. Und da ergeben sich die Probleme der Verfügbarkeit: Wo bekäme ich den gemusterten Lampas-Gewebe-Stoff her, der zu einem Gürtel mit Silberbeschlägen passen könnte? Oder wo die einfachen Accessoires, die zum groben Ikea-Leinen passen? Beides hat eigene Schwierigkeiten. Und ich denke, wir kritisieren hier zu Recht, wenn jemand diesen Schwierigkeiten ausweicht, indem er die (einfacher zu beschaffenden) "Klunker" mit dem groben Stoff kombiniert. ßbrigens ist das die Schiene, auf der hier auch oft argumentiert wird, wenn Leute überzeugt werden sollen, sich eine "einfache" Darstellung zu suchen - je dichter ich an eine wirklich historische Fertigung gehe, desto stärker beginnt anscheinend der Preis-Aufwand wieder den mittelalterlichen Verhältnissen zu entsprechen.
Zu 2.) Da scheiden sich die Geister. Klar ist es wünschenswert, wenn sich die Bevölkerungsverhältnisse auch in den Zahlenverhältnissen der Stände auf einer Veranstaltung widerspiegeln. Klar ergeben sich bei "korrekten" Zahlenverhältnissen auch nicht die vor Kurzem hier geposteten Probleme der Gruppe, bei der mit einberechnet werden mußte, daß der Koch auch am Turnier teilnehemn wollte.
Aber ich kann verstehen, daß es so viele Leute zu einer adligen Darstellung drängt. Und das muß nicht mal der Minderwertigkeitskomplex desjenigen sein, der zumindest in seiner Freizeit mal Graf Rotz sein möchte, oder der Traum des kleinen Mädchens, einmal Prinzessin zu sein, der die Pubertät überstanden hat.
Denn womit beschäftigt sich der Geschichtsunterricht? Mit der Politik des Hochadels. Für wen wurde die Literatur verfaßt, die uns heute noch fesseln kann, und von wem handelt sie? Richtig, die höfischen Romane des Adels. In welchem Umkreis wurde die (weltliche) Musik gemacht, die uns überliefert ist? Bei Hofe. Wen zeigen die Bildmalereien häufiger als die armen Bauern? Biblische Figuren - und Adlige.
In gewissem Sinne wird dadurch der Adel (oder im weitesten Sinne adliges Umfeld) leichter darzustellen als die einfachen Leute (oder der "Durchschnitts-Mittelalter-Mensch"). Ich zum Beispiel möchte Musik machen. Ich kann keine Dorfmusikantin darstellen, weil wir von denen keine Musik haben. Andere mögen eigene Gründe haben, warum für sie eine Adelsdarstellung "notwendig" ist.
So, und jetzt steinigt mich.
Bis denn
Karen Thöle
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Eintrag #64 vom 12. Nov. 2004 10:06 Uhr
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…und ein Einwand:
"- 2.) Wollen wir, können wir als Einzelperson oder als Gesamtheit der auf einer Veranstaltung anwesenden Personen den "Durchschnitt" mittelalterlichen Lebens darstellen?"
Auf einer Veranstaltung zum großen Teile nicht, es sei denn, man machts selbst und läd gezielt Einzelpersonen für entsprechende Rollen ein.
Aber innerhalb einer Gruppe kann es klappen.
Wenn auf einer Veranstaltung (auch museale) verschiedene Zeiten nebeneinander liegen können, dann kann auch jede Gruppe ihr Sozialggefüge haben.
Gruß, Ivain
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Eintrag #65 vom 12. Nov. 2004 11:45 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Die Darstellung einer Gruppe wird natürlich erheblich stimmiger, wenn sie ihr eigenes Sozialgefüge hat. Aber für ein vernünftiges querschnittliches Sozialgefüge sind die meisten Gruppen einfach zu klein oder in ihrer Darstellung falsch strukturiert.
Die meisten Gruppen, ich lasse jetzt die "Söldnerhaufen" und ihre Derivate mal weg, stellen irgendeinen mehr oder minder wichtigen Adeligen oder zumindest sehr wohlhabenden und einflussreichen Bürger nebst Gefolge dar. Dabei fällt oft auf, dass die Größe und Struktur des Gefolges im Vergleich zum "Herrscherpäärchen" recht bescheiden ausfällt. Es mag also zwar eine realistische qualitative Schichtung geben, aber eben keine quantitative.
Einige wenige Gruppen haben da einen anderen Weg eingeschlagen: Sie stellen einen einfachen Haushalt dar, wenn auch in einigen Fällen immer noch nicht einfach genug. Durch den Aufenthalt innerhalb einer oder vielleicht zwei Gesellschaftsschichten können diese Gruppen selbst bei einer geringen Größe ein ausgewogenes Bild darstellen.
Unabhängig davon kann man als einzelne Gruppe, von wenigen Ausnahmen sehr großer Gruppierungen wie der Company mal abgesehen, ohnehin keinen "Durchschnitt" mittelalterlichen Lebens darstellen. Man könnte versuchen, dies als komplette Veranstaltung in einer gewissen Annäherung zu tun, muss dann aber
1.
seine Gruppen und ihre Darstellung sehr genau kennen
2.
detailliert planen und viele Gruppen abweisen, die an sich gut sind, aber die mittelalterliche Gesellschaftsschichtung auf der Veranstaltung verzerren würden.
Auf einer musealen Veranstaltung ist das sicherlich machbar, auf gewinnoptimierten Märkten (und das ist die Mehrheit) wird man mit diesem Anspruch beim Veranstalter wahrscheinlich nicht landen können.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #66 vom 15. Dez. 2004 21:20 Uhr
Hermann Spies
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Hallo,
alle Beiträge sind sehr interessant. Sicher würden sich einige auch gerne besser kleiden, aber was wenn diese Leute sehr fleißig arbeiten und nur sehr wenig Zeit haben, dazu handwerklich völlig unbegabt sind und trotzdem gerne auf Veranstaltungen möchten ?
Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich was zu kaufen oder schneidern zu lassen. Es gibt gute Ausrüstung zu kaufen, sicher…….aber habt ihr euch mal die Preisentwicklung der letzten 4 Jahre angeschaut ? Bei Preisen für einen Gürtel zwichen 220,- und 300,- - oder 170,- bis 220,- - für eine Tunika usw. werden sicher viele froh sein wenn sie überhaupt einigermaßen vernünftig gekleidet sind. Daher sind sicher viele gezwungen , billiges Zeug zu kaufen, auch wenn sie meilenweit von einer vernünftigen Darstellung entfernt sind
Gruß
Armand
Armand le Pique
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Eintrag #67 vom 15. Dez. 2004 21:46 Uhr
Maik Flügel
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Hi,
das finde ich einen guten ansatzpunkt!!!!!!!!!
Denn wenn ich sehe für was diverse Händler ihre sachen einkaufen und sie für Apothekenpreise verkaufe, kann man nur sagen das sie ihre eigenen Leute dermaßen übers ohr hauen das es nichtmehr schön ist!
Das ist ein mentalität die ich nicht verstehe!
so das von mir dazu!
doswidanje
wladimir
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Eintrag #68 vom 15. Dez. 2004 23:08 Uhr
Roland Schulz
Ok, es ist zwar eigentlich OT, aber dennoch:
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Eintrag #69 vom 15. Dez. 2004 23:15 Uhr
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Nein, nein und nochmals nein !
Hier geht es nicht um korrekte oder fuzzimäßige Ausrüstung, hier geht es um korrekte, aber für die Rolle zu teure Ausrüstung, speziell Zierrat.
Hier soll keine weitere A Debatte über Gromitum vom Zaun gebrochen werden.
Und zu den an den Haaren herbeigezogenen Argumenten von wegen Preisen hat Roland eigentlich alles gesagt.
Alles weitere in diese Richtung werde ich jetzt löschen.
Gruß, Ivain
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Eintrag #70 vom 16. Dez. 2004 00:08 Uhr
Jens
(Nachname für Gäste nicht sichtbar)
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Meiner Meinung nach ist es schlicht so, je näher man dem dem real Thing kommt, um das mal nett zu umschreiben, desto historischer werden auch die Preisdimensionen, und man wird sich bewusst, warum man schon besser betucht sein hat müssen, um mit (damaligen Mitteln!) kreischleuchtendenbunten Klamotten, golddurchwirkter (damals verfügbarer!) Seide und extrem bestickten Kleidungsstücken rumzulaufen.
Dann wenn man sich die Analysen der möglichen Hausmethoden mal genauer anguckt, dann hatte schon nicht jede Region Zugriff auf Leinen, es sei denn, es wurde importiert, nicht jede auf eine grosse Bandbreite an Färberstoffen usw. usw.
Das heisst: hinterster Winkel der Welt als Heimat, aber bunt bestickt = teuer weil zugekauft.
Das sind aber mühsam regional zu recherchierende Details. Und da hapert’s oft (und da nehm ich mich beileibe nicht aus) oft.
Was ne quietschbunte Klamotte in Grönland ist des anderen Halbseidenfutter in Flandern.
Vlt. sind wir nicht alle Millionäre, aber oft auch zu undefiniert in der Darstellung.
Ich find immer ein schönes Beispiel Kerzen: zu hunderten werden die jedes Saison auf Veranstaltungen durch den Wind geblasen; aber nur, weil’s das 4er Pack für 0,99- aus dem Supermarkt sind. Sind es dann für 5- handgezogene Bienenwachskerzen vom Nachbardarsteller (und das ist eigentlich noch nicht mal historische Preisdimension, man überlege sich mal, der/die müsste davon leben), dann sieht es schon anders aus. Eine VA, 4 Kerzen = 20-. Teurer Spass.
Oder anders: Nesteln (nun grad eines meiner Interessengebiete).
SpäMi, Wams-Hose Kombi, ca. 30 Nesteln für ne Süddeutsche Kombi. Nesteln Handarbeit? Stück min. 3-5-, und da ist neben den Preis für Spitzen und Material grad vlt. mal nen Euro für die Arbeit drinnen, das macht mal eben 90-150- nur für die Nesteln!
Was is das Ergebnis? Gedrehte Baumwollkordeln für 2- das Paar sind Szenestandard…
Und nu sag bitte keiner, das haben die im Winter gemacht…da musste die Hose auch schon halten ;)
Gruss, Jens
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Eintrag #71 vom 16. Dez. 2004 06:05 Uhr
Beate
(Nachname für Gäste nicht sichtbar)
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Ich stutze gerde über den Beitrag Nr. 65 von Hermann:
"… Sicher würden sich einige auch gerne besser kleiden, aber was wenn diese Leute sehr fleißig arbeiten und nur sehr wenig Zeit haben, dazu handwerklich völlig unbegabt sind und trotzdem gerne auf Veranstaltungen möchten ?…"
Diese Hobby besteht doch zu einem sehr großen Teil aus handwerklichen Basteln!
Wenn einem das nicht liegt und keinen Spass macht, dann sollte man doch mal überdenken, ob es das richtige Hobby für einen ist.
Mein persönlicher Ansatzpunkz ist es, soviel wie möglich selber zu machen. Schaff ich natürlich nicht, aber einen Versuch sollte man doch mal wagen. Man entdeckt ungeahnte Talente bei sich.
Das Ergebnis deines Handwerks kannst du dann gegen etwas tauschen, wass ein anderer produziert. Man muss nicht teuer kaufen.
Und das Nähen einer Tunika bring ich dir an einem Wochenende bei. ;-) Das ist nun wirklich einfach.
Gruß, Beate
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Eintrag #72 vom 16. Dez. 2004 09:15 Uhr
Sylvia Crumbach
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"Daher sind sicher viele gezwungen , billiges Zeug zu kaufen, auch wenn sie meilenweit von einer vernünftigen Darstellung entfernt sind"
Noch mal zu Beitrag 65:
Gute Sachen sind teuer. Keine Frage. Eine solide Grundausstattung, die auch schön ist, anständige Schuhe etc. das ist alles ein Frage von Ruhe, Abwarten und Informieren bevor man kauft, bzw. schnell zuschlägt.
Aber sowas hat irgendwo Grenzen. Bei Schmuck z.B. oder Waffen, Rüstungen.
Sowas ist teuer. So was war damals teuer.
Eine auch nur im Ansatz akzeptable Ausstattung für einen Auxiliar-Soldarten 1. Jhrh. kostet, wennn am alles zukauft (kalkuliert) ca. - 8.000,– und damit mehr als unser Auto.
Das kann man mit "selbermachen" drücken, aber nicht einmal halbieren. Aber nicht akzeptabel ist Indien-billig Schrott. Aber genau das sieht man in der Regel und genau das scheint den Veranstaltungsträgern auch zu reichen. ( Was mir persönlich egal ist, weil ich mein Hobby pflege udn keine Firma unterhalte).
Das in für alle Bereiche so.
Was wirklich edel ist - ist auch teuer. Da hilft nur tieferstapeln oder zu Hause bleiben.
Ganz klar: Wenn ich Ritter sein will - ist das richtig teuer. (Miles, etc natürlich auch und ich schon mal garnicht …)
Klar kann man mal Glück haben oder mit in Kauf genommenen schlechten Gewissen ein einzelnes Teil tragen, aber unabdingbar ist das nicht.
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Eintrag #73 vom 16. Dez. 2004 13:14 Uhr
Ivo Malz (IMMS)
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Moin.
Gehen wir mal an die Wurzel:
Warum tendiert "die Szene" zum beschrieben "Millionärstum"
1)Weil´s geiler aussieht. In einer sozial niedrigeren Darstellung ist man vom Einsteigertunikagromi nur vom Kenner und in Details zu unterscheiden. Also her mit Borten, Stickereien, Beschlägen.
2)Weil Rollenspielbelange mit reinspielen- Knechtsklamotte heißt Knechtsrolle, und in seiner Freizeit will man nicht auch noch Rödelknecht sein. Plus, es haftet einem der Ruch des Neulings an, dem man doch schnellstens entfliehen möchte. Wie bei den Rockern, man will schnell "Member" sein, aber möglichst schnell dem "Hangaround-" oder "Prospect-" Dasein entkommen. Es überschneiden sich also gelegentlich reales Sozialleben und Rolle.
3)Last not least, weil´s so vorgelebt und ergo übernommen wird, weil man sich beim Einstieg in eine Szene an den Szenegepflogenheiten orientiert. Und die Gepflogenheiten, die einem als unbedarftem Sich- schon- immer- für- Ritter- begeistert- habender- und- ein- Hobby- suchender ins Auge springen, sind meist die oben beschriebenen. Auf diesen Ritterfesten, wo diese hart recherchierenden Privatgelehrten ihr Wissen mit einem teilen und einem ganz familiär den Einstieg in die "Szene" ermöglichen.
4)In Sachen "Rolle" finde ich, das Rollengetue wird übertrieben, und wenn die Phrasen vom "verkleinerten rekonstrierten Bild" fallen, handelt es sich oft um ein fingernagelgroßes Ausschnittchen eines Wandgemäldes.
Also z.B die üblichen herzoglichen 5- Mann- Gefolge incl. aller "notwendigen und unumgänglichen Kompromisse". Es hat so was "Designermäßiges", eine Vorgeschichte und ein riesiges Drumrum zu dichten, das dann mit 3 Nasen und zwei Neulingen in Tunika über die Rampe gebracht werden soll.
6)Irgendwie scheint auch an der PR- Front das Wettrüsten unvermindert weiterzugehen. Wer kann mit dem tollsten, glaubwürdigsten, echtesten Konzept auftrumpfen? Nur daß die Punkte anscheinend in der Schriftform gemacht werden sollen.
7)Irgendwie scheint es keine Alternativen zu Krieger oder Händler und dann Plünderer und freyes Söldnerschwein zu geben. Wo sind die Handwerker, Städtebürger etc.? Warum muß immer ein Rollenkonzept für Rollenspiel- und Showmachbedürfnisse gefunden werden, statt auch einfach mal als glaubwürdige Kleiderpuppe funktionieren zu können?
Ich finde mich in diesen ganzen "Szene"- Mechanismen, -traditionen und -anforderungen nicht wieder. Die meisten oben genannten Punkte bringen mich in meinem Hobby nicht weiter, im Gegenteil.
Ich interessiere mich dafür, wie es damals war, wie sie damals rumgelaufen sind und was sie wie und warum gemacht haben. Das will ich für mich im Rahmen meiner Beschränkungen an Freizeit und Geld erfahrbar machen.
Also such ich mir gerade KEINE "Millionärsdarstellung" aus.
Also baue ich meine Darstellung NICHT um drei , vier bezahlbare Repliken von upper-class- Artikeln.
Also VERZICHTE ich auf drei, vier nussige Details, die mich zwar reizen würden, die aber nicht ohne kreative Kompromisse unter den Hut zu bringen sind.
Also VERZICHTE ich auf einen Pressewaschzettel und MACHE lieber, wenn Zeit und Geld es erlauben.
Ich habe meinen Spaß und meine Erfüllung in meinem Hobby am Basteln und Recherchieren, und die einzige Priorität dabei ist Originaltreue und Freude am schieren machen.
Es ist mir WURSCHT, wer wie über meine Fortschritte oder über mein Arbeitstempo denkt.
Ich mach das für MICH,
MEINEN Spaß und
MEINE Befriedigung in
MEINEM Tempo-
und nicht für mein Ansehen, die Erfüllung von anderer Leute Anforderungen oder huschpfusch, in 3 Tagen ist Freienfels oder Hinterweidenthal, schnell noch was Neues zum Vorzeigen zusammengeballert.
Anscheinend ist diese Sorte Spaß in der "Szene" aber ein Randgruppenhobby oder ein schwer nachvollziehbares "anderes Modell".
Gruß
Ivo
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Eintrag #74 vom 16. Dez. 2004 14:21 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Es ging in dem Thread ursprünglich darum, dass viele Darsteller sich für die Rolle, die sie eigentlich darstellen, zu kostbar ausstaffiert sind. Historisch kostbar wohlgemerkt. Die heutige Preispolitik für MA-Ausrüstung ist diskussionswürdig, das stimmt, hat aber mit der historischen Korrektheit der Darstellung rein gar nichts zu tun. Das ist eine Ausrede, um den Aufwand kleinzuhalten, da hat Sylvia ganz recht. Wer den Aufwand kleinhalten will, der kann das gerne tun, aber eben nicht als möchtegern-prächtiger Ritter von und zu. Da ist dann Bescheidenheit auch in der Rolle angesagt. Was anderes ist unentschuldbar, außer für die Anfänger, denen von gewissenlosen Händlern die Story vom Elch erzählt worden ist. Da wäre dann Raum für gerechten Zorn diversen Händlern gegenüber…
Was es mir aber immer - nicht nur bei TV - schwer macht, mich in eine Diskussion vernünftig einzubringen ist ein ganz anderes Phänomen in der Szene. Nämlich der universelle, das heißt, inkonsequente Einsat von "Belegen".
z.B. Preise und Verfügbarkeit:
Ich bin immer ein bisschen skeptisch, wenn Preise und/oder Verfügbarkeit als Argument hergenommen werden, sei es moderne oder historische.
Zur Verfügbarkeit:
Da wurde schon viel gesagt, dem ich zustimme. Sie sind nur sehr schwer mit den historischen Werten vergleichbar. Ist es heute ein Luxusgut, war damals aber eher üblich? Ist es umgekehrt? Musste es damals importiert werden, heute aber nicht? In welcher Region befinden wir uns eigentlich? Leider sind viele in ihrem Bemühen, die Werte damaliger(!) Dinge abzuschätzen, bei ihren Vergleichen mit dem heutigen Angebot nicht vorsichtig genug. Es wird gern eine "mittelaltertaugliche" moderne Version als einzige Alternative zugrundegelegt, was so nicht unbedingt stimmen muss. Z.B. Bienenwachskerzen als Beleuchtungsmittel. Talg brennt auch und ist deutlich erschwinglicher für den einfachen Menschen. Vom rußenden und flackernden Kienspan mal ganz abgesehen (Das ist übrigens nicht als Argument gegen Jens gedacht, der wohl - zu Recht - mit seinem Beispiel eher die Gedankenlosigkeit vieler Leute in der Szene speziell beim KERZENersatz zeigen wollte). ßbrigens spendet auch das offene Feuer in kalten Winternächten Licht und bestimmt nicht viel schlechter als eine Kerze. Oder Leinen als einzige Alternative zu Wolle. Es gibt zahlreiche Pflanzen, deren Fasern man sozusagen beim Unkrautjäten als Abfallprodukt gewinnen kann. (Nessel, um nur ein Beispiel zu nennen) In kleineren Mengen zwar, aber für den Hausgebrauch vielleicht denkbar. (Die Nessel ist ein Stickstoffzeiger und wächst in Massen an, nennen wir es mal "biologisch überdüngten" Stellen.)
Da bin ich dann oft mal mit einem uneinig, obwohl er eigentlich nichts falsches sagt.
Noch probelmatischer sind die Preise:
Es kursieren einige, mehr oder weniger glaubwürdige, "Preislisten", die immer wieder gerne zitiert werden. Bei diesen "historischen" Preisen sind viel zu viele unbekannte Größen dabei, die uns heute nicht mehr bekannt sind. Ich gehe hier nicht ins Detail, dafür gibt es auch in TV einen eigenen Thread. (Im Vikingnet - Vorsicht: FMA only - wird das Thema derzeit recht detailliert vertieft, zu finden dort unter 72.rapidforum.com/topic=101881010786)
Als Beispiel für den recht universellen Einsatz von Argumenten mag auch der Arbeitsaufwand dienen:
Immer wieder wird damit argumentiert, dass Arbeitszeit damals sehr billig gewesen sein muss. Warum wird dann plötzlich so gern der hohe Arbeitsaufwand einer Sache der (hohen) Werteinschätzung zugrundegelegt? Mal ist der Arbeitsaufwand vernachlässigbar und das Zeug ist nur wegen dem Material teuer, mal hatten die Menschen keine Zeit. Hmmm. Das passt nicht zusammen: "Da steckt aber viel Arbeit drin, das muss wohl sehr teuer gewesen sein" "Ach nein, wissen Sie, Arbeitszeit war damals praktisch nichts wert" "Ach so, toll, dann lass ich es mir auch herstellen" "Oh, da sitzt der Schneider aber lang dran, das wird teuer!" "ßhhh. Na gut, dann mach ich es mir halt selbst" "Oh nein, dafür war Ihre Zeit zu kostbar!" Was denn nun? Spüre ich da wieder den Anflug einer Verquickung moderner und ehemaliger Verhältnisse?
Ich lasse mich gerne auf die eine oder andere Diskussion ein, aber bitte nur bei konsequenter Ausgangslage.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #75 vom 16. Dez. 2004 15:25 Uhr
Ivo Malz (IMMS)
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Moin.
Konsequente Ausgangslage? Gerne.
Handwerker wurden damals sicher nicht nach Stundenlohn und Manteltarifvertrag bezahlt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß auch die Arbeitszeit Einfluß auf die Preisgestaltung nahm.
Bis ein arbeitsintensives Werkstück vor dem Kunden lag, flossen die Preise für die Rohmaterialien genauso ein wie die Arbeitszeit, während der der Handwerker sich und seine Familie ernähren mußte.
Die nächste Frage wäre der historische Zeitraum und die Art der Arbeit. Haben wir es mit Handwerk, Manufakturwesen, Einzelfertigung, Mengenfertigung oder privater Heimarbeit zu tun? Eigenverantwortlich, oder bereits im Gilden- und Zunftwesen verankert?
Und- wie war jeweils der soziale Background des jeweiligen Handwerks? Bei der Anfertigung für welchen Stand? Für den umgerechnet damaligen Lohn eines Löffelschnitzers könnte sich ein moderner Löffelreplikenfertiger nicht über Wasser halten- ein damaliger Gebrauchs- und Wegwerfbilliggegenstand wird zu einem Luxusgut ab 25 Euro.
Andersrum die Verfügbarkeit der Materialien- es ließe sich mit den heutigen industriellen Silberpreisen (im Keller) ein damals elend kostbares Silberlöffelchen für unter 10 Euro anfertigen (anfertigen…nicht verkaufen! Reiner geschätzter Gestellungspreis an den Gießer, Modelerstellung nicht gerechnet).
Dann die Gestellungspreise der Rohmaterialien…sicher gab es richtung SMA fertige Rohbleche zu kaufen…aber der Plattner nahm das teurere Zeug mit einem härtbaren Kohlenstoffgehalt- Stahlblech eben.
Das war nicht das kohlenstoffärmere Eisenblech, aus dem Kochtöpfe und Viehketten gemacht wurden.
Dann gab es noch Standesregeln, welcher Stand welche Materialien in welchem Maße besitzen durfte (Kleiderordnungen etc.).
Dann kommt noch der Kundenkreis dazu. Ein Hofplattner konnte in die Vollen langen und sein Geld für Maßanfertigungen nehmen.
Eine Plattnermanufaktur, die für den Massenmarkt arbeitete, machte keine Massenanfertigung von zeitaufwendigen Prunkharnischen, bloß weil die Arbeit so billig war- da wurden einfache, weniger arbeitsaufwendige Teile in Stadardgrößen rausgehauen. Diese mußten zwar auch diversen Zunftregularien gerecht werden, aber auch hier spielt der faktor Zeit rein.
Gruß
Ivo
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Eintrag #76 vom 16. Dez. 2004 17:46 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Danke, Ivo.
So soll es sein.
(ßbrigens hatte ich, als ich meinen Beitrag schrieb, den Deinen noch gar nicht gelesen, der wurde wohl hochgeladen, als ich grad am Formulieren war. Gute Worte, die mir aus der Seele sprechen.)
Nun denn:
Wer eine diskussionswürdige Situation beschreibt, respektive auf ein derartiges Diskussionsangebot antwortet, der sollte also die genannten Möglichkeiten vordefinieren.
Zu Beginn dieses Threads oder besser gesagt, so ab dem ersten Drittel haben das viele Beteiligte, so auch ich, zumindest teilweise versäumt und damit kam es zwangsläufig zu Missverständnissen, obwohl keiner so recht was Falsches erzählt hat.
Naja, wenn ich es mir nochmal so genau ansehe, ist das Problem weniger, dass nicht klar geschrieben wurde, sondern eher nicht genau gelesen.
Unterscheiden wir also "prächtige" Ausstattung zuerst einmal nach zwei Arten:
1.
Vom - entsprechend teuren - Handwerker / Künstler gekauft oder
2.
In privater Heimarbeit evtl. selbst gefertigt.
Definieren wir als nächstes die Zeit, auf die ich mich beziehe. (Also nicht SMA-Argumente gegen eine FMA-Theorie setzen.)
Legen wir als Drittes die Materialien fest, mit denen gearbeitet werden soll.
Betonen wir als letztes zur Sicherheit noch einmal, über welche Person und deren Situation wir diskutieren wollen: Die "historische", dargestellte, oder den modernen Menschen, der unter der Verkleidung steckt.
Klären wir an dieser Stelle auch, ob wir vom historischen oder modernen "Durchschnitt" reden, oder von Einzelfällen.
Wenn wir im Laufe der Diskussion etwas beitragen wollen, was sich von den vordefinierten Parametern entfernt, sollten wir darauf explizit hinweisen.
Wenn bemerkt wird, dass die Diskussionspartner schon die vorliegenden Quellen unterschiedlich interpretieren, sollte das zuerst geklärt werden, um sich wieder auf eine Basis zu einigen.
Klingt jetzt alles etwas metakommunikativ-klugscheißerisch, ich weiß, aber so oft wie in Foren aneinander vorbeidiskutiert wird, wollt’ ich das einfach mal anbringen.
Ich vermute, ich bin da wohl ein wenig empfindlicher als andere, aber es kostet einfach viel Nerven immer wieder sagen zu müssen: "Davon rede ich doch gar nicht!" oder "Frieden! Ich bin ja völlig Deiner Meinung, mein Problem liegt wo ganz anders…" ;-)
Jetzt noch mal, jeweils bitte unter den genannten Gesichtspunkten, die Frage:
Was genau ist an den prächtig herausgeputzten Leuten denn der Kritikpunkt?
a)
Dass es verboten war, sich herauszuputzen?
b)
Dass es finanziell nicht machbar war?
c)
Dass es das optische Erscheinungsbild des gesellschaftlichen Querschnitts verzerrt und damit ein falsches Bild vom MA vermittelt?
d)
Dass die eigene, sauber recherchierte und unauffälligere Darstellung hinter den "Christbäumen" zurücktritt und man dadurch gekränkt ist, weil alle Touris nur den prunkenden GroMi sehen wollen?
e)
Dass die Leute hinter der Glitzerfassade meist keine Ahnung haben, aber trotzdem klugscheißen, was den mühsam Weitergebildeten einfach ärgert?
f)
Dass man selbst gerne so protzig wäre? ;-)
g)
irgendetwas anderes?
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #77 vom 16. Dez. 2004 18:03 Uhr
Timo Krisch
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Hallo Stefan,
nachdem ich den Thread bislang interessiert mitgelesen habe, möchte ich auf Deine letztgenannten Punkte versuchen einmal einzugehen…
Meiner Meinung nach liegen die "Kritikpunkte an den prächtig herausgeputzten Leuten" wie folgt:
(a) Für bestimmte Darstellungen schon - ich darf bspw. als Ordensdarsteller keinerlei Zierat an meiner Gewandung haben.
(b) Auch wieder für bestimmte Darstellungen gültig - der Mann bzw. die Frau "aus dem gemeinen Volk" konnte sich betimmte Stoffe u.ä. gar nicht leisten.
© Darin liegt tatsächlich eine gewisse Gefahr.
(d) Auch eine Gefahr, die ich persönlich sehe - obgleich ich nicht verallgemeinern will, daß die "Touris" das sehen wollen, sondern es eben - wie von Dir bereits angedeutet - auffälliger ist und daher mehr ins Auge fällt.
(e) Auch das - wenngleich ich diese Aussage für etwas pauschal halte.
(f) Meiner Meinung nach zieht man sich den Zahn selbst, sobald man gewissenhaft zur eigenen Darstellung recherchiert hat.
(g) Nichts anderes, aber wie Du aus meinen Aussagen erkennen kannst, greifen viele der genannten Dinge irgendwie auch ineinander.
In diesem Sinne
Timo aka Timotheus von Falkenbach
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Eintrag #78 vom 17. Dez. 2004 09:10 Uhr
Sylvia Crumbach
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a)
Dass es verboten war, sich herauszuputzen?
Naja, verbieten kann mir grundsätzlich niemand etwas. Ein Verantwortlicher kann sagen, daß ich dies oder das besser lassen soll, oder jenes einfach eine Bereicherung dastellen würde, aber mehr auch nicht.
b)
Dass es finanziell nicht machbar war?
Klar, finanziell habe ich (leider seit diesem Jahr engere) Grenzen. Es ist ja nicht nur die Hardware für die Dastellung zu bezahlen, sondern auch der Infobackground einschl. der Internetgebühren. Aber dazu haben wir eine Rahmenplan und der wird abgearbeitet. Das heißt, die Traumausstattung für die Völkerwanderungszeit muß noch waren. Macht mich nicht glücklich, ist aber so. (Außer ich gewinne einen Preis oder finde einen Sponsor, aber wer will schon werbung auf der Klamotte ;-))))
c)
Dass es das optische Erscheinungsbild des gesellschaftlichen Querschnitts verzerrt und damit ein falsches Bild vom MA vermittelt?
Das ist eine Sache, die für den Bereich in dem ich aktiv bin, eh kaum machbar ist. Dehalb halte ich mich da mal raus. (habe auch irgendwo weiter unten schon mal dazu geschrieben)
d)
Dass die eigene, sauber recherchierte und unauffälligere Darstellung hinter den "Christbäumen" zurücktritt und man dadurch gekränkt ist, weil alle Touris nur den prunkenden GroMi sehen wollen?
Das ist ein großes Problem. Ich bin sensibel und ein bischen eitel. Hat man ein paar "Brüller" die sich laut und bunt verkaufen (besonders mit meiner persönlchen Archilles-Ferse, der Home-Page), ist es nicht nur das Auftreten auf dem Platz. Da wird im Vorfeld schon abgesahnt, mit Auftrittsmöglichkeiten, präsentabelen Standplätzen etc. Der lauteste verkauft eine Reko ab seine Idee und den Karstadt-Stoff als ein "es geht nicht anders" und bekommt von Kurator auch noch Lorbeeren dafür. Unerfreulich, aber eine Sache über der man stehen muß.
Konkurrenz ist eine Hühnerhofspielchen, das man mitmachen kann, aber nicht mitmachen muß. Wenn ich zufrieden meine Sache zu machen, und jemand findet das gut, freue ich mich. Erarbeite ich so eine Anerkennung, kann ich mein ruhiges Gewissen mit einer Belohnung erfreuen. Das reicht eigentlich oder? Wenn Scharen von Besuchern nach dem rot/gelbem Widderhorn gieren, und? Es fressen auch genug Leute bei MC-Donald….
e)
Dass die Leute hinter der Glitzerfassade meist keine Ahnung haben, aber trotzdem klugscheißen, was den mühsam Weitergebildeten einfach ärgert?
Nicht ärgern! siehe oben!
f)
Dass man selbst gerne so protzig wäre? ;-)
Aber immer! Kommt Zeit, kommt Protz. (wenn ich mal groß bin ….. dann werde ich ….. und dann gehe ich zuu dem und ….)
Mit einem Gruß von einem possierlichen Dachs!
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Eintrag #79 vom 17. Dez. 2004 09:57 Uhr
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Ich verstehe die Fragen a) und b) eigentlich im Bezug auf die Darstellungszeit, nicht auf heute.
Daher:
a)
verboten ?
Ja, in manchen Zeiten gab es Kleiderordnungen gegen übermäßigen Prunk in Stoffen, Farben und Schmuck.
Mit eher mit dem Aufblühen der Städte im SMA bekannt, frühere Hinweise habe ich mangels Einblick in die Zeiten nicht.
b)
finanziell nicht machbar ?
Hier ist der Knackpunkt, der bereits mit Preisen und Verfügbarkeit schon des öfteren angekratzt wurde.
Ich kenne einige Fälle in der Szene, wo die Leute doch den Finanzrahmen ihres historischen Vorbildes deutlich verlassen haben. Liegt unter anderem im Preisverfall einer Waren/Dienstleistungen begründet (siehe Silberpreise oder Bienenwachskerzen in vorherigen Einträgen)
c)
Verzerrung ?
Eine logische Folge, wenn man a) und b) ignoriert, als definitiv ja.
d)
Prunkender Gromi ?
Wenns ein Gromi ist, spare ich mir die Antwort, das ist imho (A-Debatte, die Xte) nicht das Thema.
Wenn die Prunkstücke korrekt sein sollten, aber für seinen Stand zu viele/teuer/edel, dann bewundere ich diese, mache mir aber du c) Gedanken.
e)
Siehe d)
f)
Und ewig lockt…
Klar, wobei ich noch sooooo viel Raum innerhalb meiner historischen Möglichkeiten habe, daß ich selten in Versuchung gerate, drüber hinaus zu gehen. Dann lieber ein neues Detail, was paßt.
Gruß, Ivain
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Eintrag #80 vom 17. Dez. 2004 15:30 Uhr
Julian Decker
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Grüß euch!
Die älteren unter euch werden sich erinnern, dass ich einst diesen Thread eröffnet habe. Inzwischen wurde viel diskutiert (und auch des öfteren wieder die böse A-Frage angeschnitten).
Stefan hat mit seinem Beitrag etwas Interessantes aufgebracht: Was gibt es an den zu reichen zu kritisieren?
a) Das es verboten war?
- Dieses Verbot sich aufzurödeln ist wohl zu
allgemein gesehen. Die richtige Menge an Schmuck und Reichtum muß jeder für seine Darstellung selber herausfinden. Erst da wo es ein Mißverhältnis gibt, sollte es auch Kritik auf den Betreffenden hageln. Unterschiede bei der "richtigen" Menge Reichtum gibt es dabei natürlich nicht nur beim Stand, sondern auch bei der Zeit! Prunk ja- aber nur bei wem es auch dem Stand entspricht.
b)Das es finanziell nicht machbar war?
Ich denke, so wie es heute jeder erstrebt möglichst viel tolles und teures Gut aufzuhäufen, war es damals auch schon. Jedoch war es damals für die meisten einfach unmöglich sich so auszustaffieren wie es heute, möglich ist (erneut das Beispiel Bienenwachskerze, Leinen, etc.) und wie es viele tatsächlich machen. -> einfach mal die Bremse reinhauen und statt Prunkschmuck mal handgewebten, A-gefärbten Stoff kaufen! Was zwar nicht jeden GroMi vor Ehrfurcht auf die Knie zwingt, aber dafür Anerkennung von Leuten die sich auskennen einbringt und schließlich auch das Gefühl, daß man etwas hat, dass so auch vor hunderten von Jahren getragen wurde und vollkommen dem entspricht, was der Darstellung angemessen ist.
c) Verzerrung der gesellschaftlichen Aufteilung auf Veranstaltungen
Wie es in einem vorherigen Eintrag schon hieß: Auf einem Markt kann man keine genaue Wiedergabe der hist. Verhältnisse liefern (schon allein weil alle Zeiten durcheinanderkugeln). Irgendwie ist die Aufgabe eines "MittelalterMarktes" ja auch nicht einen Markt im Mittelalter darzustellen (was zur Folge hätte, daß man statt Met-und Räucherwerkständen Fleischhauer und Gemüsefrauen hat, sowie katastrophale hygienische Bedingungen)sondern ein möglichst breit gefächertes Bild von mittelalterlichem Leben in irgendeiner Form.
Diese Verzerrung ist somit schon im Zweck der Veranstaltung inbegriffen.
Viel schlimmer ist diese Verzerrung bei Museumsfesten oder privaten Feiern wo man zusammenkommt um tatsächlich so A wie möglich alles über die Bhne zu bringen. Wenn es da dann einen gibt, der herausgeputzt wie der Papst einen Knecht darstellt ist dies nicht nur ärgerlich, sondern gewissermaßen auch Geschichtsfälschung.
d),e) und f) sind Gründe, die einen gestanden Reenactor nur ein müdes Lachen abringen können. Ganz ehrlich,wir stehen doch über großmäuligen GroMi-Rittern, dummschwätzenden Händlern und dergleichen,oder?
Dennoch muß es noch einen weiteren Grund für die "Verreichung" geben, da sie nicht nur unwissende Anfänger (denen sei es verziehen) sondern auch langjährige Aktive, die es eigentlich besser wissen müßten, betrifft.(Stichwort: Bestickte Tunika u.ä.)
Auch solche Leute sind anscheinend wieder besseres Wissen "verreicht".
Es bleibt meiner Meinung nach nichts anderes übrig, als den ganzen Glitterkram und Tand auszumisten und in ein geschmackvolles Faschingskostüm umzuarbeiten!
MfG, harrend eurer Antwort
Thorwald
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Eintrag #81 vom 17. Dez. 2004 15:55 Uhr
Jens
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Moin,
Ist imho ganz einfach: dass man "langjährig" dabei ist, heisst eben _nicht_ automatisch, dass man es auch wirklich besser weiss ;)
Bei der Masse der Leute ist "klein aber fein" eben nicht so beliebt wie "ungenau, aber protzig".
Gruss, Jens
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Eintrag #82 vom 18. Dez. 2004 14:24 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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"Erfahrung bedeutet gar nichts. Man kann eine Sache auch 30 Jahre lang schlecht machen."
Ich weiß nicht mehr genau, wer das gesagt hat, müsst ich mal nachschlagen, aber es war einer der wenigen guten Politiker, die Deutschland je hatte. Jedenfalls bringt es Escas Ansicht zu dem Thema noch mal auf den Punkt.
Zu den Punkten d),e) und f):
Ich hab schwer mit mir gerungen, ob ich den smiley hinter alle drei Punkte oder eben nur hinter f) machen sollte. Ich habe mich dann bewusst nur für f)entschieden.
Warum? Nun, ich habe bemerkt, dass bei Leuten in der Szene, die zumindest ein bisschen didaktisch arbeiten wollen (da gehöre ich selbst auch dazu) immer wieder gelinder Gram aufwallt, wenn man planlosen, aber eben interessierten Besuchern geduldig irgendwelche Klischees widerlegt, Quellen erklärt (nicht einfach nur vorlegte), Geschichtsbewusstsein zu wecken versucht u.v.m.
Wenn der solchermaßen aufgeklärte Touri (Arbeitsbegriff) dann geradewegs in die Arme von oben beschriebenen Darstellern läuft, die ihm die Story vom wilden Pferd erzählen, wenn er mit staunenden Augen an deren Glitzerkram hängt und jede - drücken wir es mal vorsichtig aus - geschichtliche Information zweifelhaften Wahrheitsgehaltes, hypnotisiert vom Glitzern der fleischgewordenen Discokugel, für bare Münze nimmt, dann muss zumindest ich manchmal schon gezielt um Fassung ringen.
Dabei muss ich jetzt natürlich differenzieren:
Einerseits die wirklich planlosen "Gromis" über denen der ernsthafte "reenactor" (In Ermangelung eines allgemein anerkannten Begriffs für das, was wir tun) natürlich stehen sollte. Weiß ich ja, fällt mir aber macnhmal schwer ;-)
Die hat Julian ursprünglich, soweit ich dass richtig verstanden habe, auch gar nicht gemeint. Und über Gründe zu spekulieren, warum DIE das machen, ist, denke ich, müßig. (Und speziell auf die sind die Punkte d) und e) gemünzt. Ich hätte diese beiden Punkte daher vielleicht besser weglassen sollen)
Andererseits eben die Langjährigen, die es eigentlich besser wissen könnten, aber trotzdem machen. Warum machen die es? Ich denke, da hat Julian etwas erwähnt, was durchaus zeigt, wie "authentisch" wir die Psyche des mittelalterlichen Menschen tatsächlich darstellen: Die wohl durch alle Zeiten hindurch vorhandene, latente Prunksucht des Menschen, damals wie heute. Man hätte das eine oder andere Stück halt einfach gerne, weil es, verdammt noch mal, gut aussieht. Eigentlich also durchaus korrekt, wenn man versucht, sich herauszuputzen. Nur mit einigen Unterschieden: Zum Einen fällt es uns in der Darstellung einfacherer Schichten heute natürlich erheblich leichter, finanziell wie auch arbeitszeitlich, zu unrealistischen Accessoires zu kommen. In der Darstellung höherer Schichten ist das gleichwohl umgekehrt…
Zum Anderen ist es für uns ein Hobby. Wir vernachlässigen also oft den Aspekt der Alltagstauglichkeit. Der Gedankengang ist etwa wie folgt: "Ich könnt es mir machen oder kaufen und es stört mich ja auch nicht, also mach ich’s." Vorsicht, Denkfehler: Den so gerne erwähnten Knecht oder Handwerker (bei der Arbeit) würde es eben sehr wohl stören, unabhängig davon, ob er es sich leisten könnte oder nicht. Ich meine, auch der Automechaniker von heute würde nicht im Anzug mit Krawatte und silbernen Manschettenknöpfen in die Werkstatt gehen, selbst wenn er gut genug verdienen würde.
Also die Frage: Nicht nur WAS will ich eigentlich darstellen, sondern auch WO? Sonntags beim Kirchgang oder bei einer Hochzeitsfeier, oder bei der Arbeit? Beides kann durchaus legitim sein!
Natürlich wird das querschnittliche Bild verzerrt, wenn der ganze Markt im Hochzeitsstaat aufschlägt, außer das Motto der Veranstaltung heißt "Feiern und Feste im MA".
Ich persönlich meine daher, eine Verallgemeinerung der "Kleiderordung auf MA-Veranstaltungen", respektive ein generelles Stöhnen über - rein materiell/stilistisch historisch nicht widerlegbare - besonders ausstaffierte Darstellungen ist problematisch. Vielmehr müsste differenziert werden zwischen den reinen Möglichkeiten, die zweifellos gegeben waren, und der Differenzierung für den Einzelfall (z.B. das Motto der Veranstaltung)
Soll heißen: Kauft und bastelt ruhig, wenn Ihr wollt, aber überlegt euch genau, bei welchen Gelegenheiten Ihr es anziehen werdet.
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
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Eintrag #83 vom 19. Dez. 2004 10:09 Uhr
Stefan Eck
ein lästerlicher Gedanke…warum wurden seinerzeit die Kleiderordnungen geschrieben? Wohl doch, weil sich "die unten" anmassten, sich so zu kleiden, wie "die da oben", der Obrigkeit passte dies nicht, sie reagierte mit Kleiderordnung, diese können wir heute noch lesen, wissen wie es sein soll…und regen uns heute in einem ellenlangen Topic darüber auf, das sich erneut wieder vielzuviele allzusehr herausputzen…hatten wir da nicht schonmal was?
Ist es nicht vielleicht in Wirklichkeit "A"ut…sch
sich herauszuputzen, weil die damals das ja auch gemacht haben und wir doch alle das "damals" ganz "A"ut…sch darstellen wollen?
Mit dem Griff an die eigene Nase verabschiedet sich
Stefan, Fronbote und Bader …demnächst auch Söldner
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Eintrag #84 vom 19. Dez. 2004 13:02 Uhr
Roland Schulz
Hallo Stefan,
bedauerlicherweise ist dir - vermutlich aufgrund der
intensiven Recherche für die Darstellung des Fronboten, Baders UND Söldners - der eigentliche Sinn dieser Diskussion verschlossen geblieben. *g*
Kleiderordnungen sind sicher auch aus dem von dir angesprochenen Grund gemacht worden. Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, daß Pauschalaussagen wie
Zitat:
die damals das ja auch gemacht haben
Sinn machen, da es wohl weniger die breite Masse der Bevölkerung betrifft, sondern eben eher einige wenige, die gern den neuesten Trend und Tinnef tragen wollten.
Eine kleine Gruppe, die, was ihre Mittel angeht, durchaus mit "höheren Ständen" mithalten könnten, es aber eben aufgrund ihres "niedrigeren Stands" nicht dürfen (sollen).
In diesem Sinne,
schönen Sonntag!
Roland
Gruß,
Roland
Leben und Handwerk
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Eintrag #85 vom 19. Dez. 2004 15:59 Uhr
Ivo Malz (IMMS)
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Moin.
Ja, Kleiderordnungen wurden geschrieben, um bereits besehende Verschiebungen rückgängig zu machen oder zumindest auf Maß zu stutzen und einzudämmen.
Dieser absolut berechtigte Einwand mit dem Thema "Wurden Kleiderordnungen *wirklich* immer zu 100% der Schriftform eingehalten?" wird von unseren halbgebildeten Freunden leider immer wieder gerne hergenommen, um die eine oder andere ausufernde Kreativität zu "belegen".
Abgesehen davon gibt es eine Menge erhaltener Gerichtsakten, in denen minutiös festgehalten ist, wer wegen welchen Verstoßes gegen die aktuelle Kleiderordnung mit welchen Strafen belegt wurde. Deutschland hatte auch damals schon einen Hang zu ausufernder Bürokratie.
Natürlich wurden und werden Verbotsgrenzen gerne ausgereizt und gegebenenfalls gedehnt, manchmal mit langfristigem Erfolg.
Aber, sorry, so mancher kreative Versuch der "Quellendeutung" zum Behufe des "Belegens" meiner aktuellen Lieblingsdarstellung erinnert mich doch eher an Rollenspiel- Regelwerkereien, wo es in der Diskussion nicht mehr darum geht, wie originalgetreu es wirklich ist, sondern wie durch selektives Zitieren das jeweilige Lieblingsmittelalter einen seriösen Anstrich erhält.
Speziell, wenn dann auch noch ein Gruppenkonzept gedichtet wird, das dann, wiewohl durch historische versatzstücke "gestützt", eher an einen historischen Roman erinnert als an das Bemühen historisch interessierter Menschen, eine Darstellung vergangener Zeiten auf die Füße zu bekommen. Die irischen und schottischen Kleinadeligen, die den Staufern gegen die Normannen helfen, sind Legion.
Gruß
Ivo
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Eintrag #86 vom 19. Dez. 2004 16:16 Uhr
Hallo zusammen,
habe Eure Einträge gelesen und frage mich nun, wie ich mich definieren darf.
Natürlich bin auch ich dem Geltungswahn ein wenig verfallen, aber die vorherrschenden Händler haben es uns zu einfach gemacht. Tschechische Klingen und Holzbecher… Samtkleidchen und Wulstringe… und Hunderte, die mit diesem Zeug auf dem Markt rumrennen. Als ich 1997 mit MA anfing war die Kaufborte aus den kleine Polies noch unangefochtener Meister, heute wird auf die Leute gespuckt, die ihre noch nicht in Wild-West-Manier heruntergerissen haben…
Zugegeben, die Händler scheinen den Handeln mit Repliken für sich entdeckt zu haben- wo wart ihr damals, als ich wendegenähte Schuhe gebraucht habe???
(Um einen Punkt gleich klarzustellen: nicht jeder der MA betreibt ist auf allen Ebenen begabt, oder willig diesen Bereich zu lernen…das sollte man akzeptieren)
Die Szene wandelt sich ganz langsam, mit der Nachfrage nach Wendegenähten Schuhen verschwinden die Römerlatschen; mit der Nachfrage nach Aquamanilen verschwinden die hochglanzlasierten Bauern-Katen-Kannen…
Und dennoch liebe ich den Tinnef, den ich mir mal zugelegt habe.
Bestes Beispiel ist Herzberg dieses Jahr: da stehe ich mit meinem neuen Past-Tent (1. Aufbau!!) gegenüber der Super-A-Fraktion und kriege das heulende Elend. Weil mein Zelt falsch ist, der Krug falsch ist, mein Kleid und dessen Stoff falsch ist, meine… falsch ist…usw.
Mir verging fast die Lust an einem Markt.
Und in mir beginnt ein Kampf um den rechten Weg… wohin soll ich denn nun rennen, links- rechts- oben- unten.. Die, die Reenactment machen schreien "Hier geht´s lang- und nur hier!" Die anderen lächeln nur müde und ich stehe da und weiss nicht weiter…
Ich für meinen Teil habe mir eine Unterteilung in Hobby und Reenactment geleistet.
Ich bezeichne mich als "gehobenes GroMi, Hobby- Mittelalter" und stehe dazu. Ich werde über die Zeit meine Dinge ändern.
Doch zurück zum Thema:
Geld entscheidet den Weg und die tatsächliche Stellung in der Gesellschaft. Schmuck und Tand sind auch in dieser Szene ein Zeichen: "Seht her- ich bin wer! Ich kann mir dieses Schwert, dies Schapel mit Edelsteinen, dieses Seidenkleid leisten. Das Hobby MA ist ein Ausgleich zur harten Realität, wo habe ich die Chance mit anderem Namen, Titel, Herkunft ein neues leben zu beginnen? Wo wird es mir aufgrund der Händler so leicht gemacht den angestrebten Status zu erreichen?
Ich kann mich heute Gräfin Elizabeth nennen und niemand würde aus der Hobby-Szene daran zweifeln… im realen Leben bin ich ein Nichts- hier kann ich mit wenigen hundert Eure zur Gräfin mutieren.
Bei den Reenactern habe ich da schon weniger Chancen. Doch wie der Larper einst zum Hobby kam, so geht er heute als Reeanacter über den Platz. Bietet uns die Repliken an, tragt sie, so oft ihr könnt an uns vorbei.. und ihr werdet sehen, jeder wird Euch folgen… der Eine früher, der andere später…
Sorry, bin schon wieder abgeschweift…grins
Liebe Grüsse
Engel-chen
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Eintrag #87 vom 19. Dez. 2004 18:03 Uhr
Ivo Malz (IMMS)
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…mach´s mir noch einfacher.Ich finde diese ganzen Kategorisierungsspielchen hochgradig kindisch und verweigere mich einfach.
Ich mach mein Ding, und wer mich auf dem Wegf dahin als was für einen -mi auch immer einsortieren will, kann das ruhig tun, mir ist das wurscht.
Ich mach das Hobby für mich und meinen Spaß, aber nicht, um irgendwen zu beeindrucken oder für irgendjemandes Anerkennung. Ich will mit mir und meinem Basteln zufrieden sein können, darauf kommt es mir an und auf nichts anderes.
Mein Hobby ist definitiv nicht, anderer Leute Erwartungen zu erfüllen.
Gruß
Ivo
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Eintrag #88 vom 20. Dez. 2004 10:38 Uhr
Stefan Eck
Ich geb,s auf…
SAGT MAL, WIE GROß MUß MAN "IRONIE" SCHREIBEN, DAMIT IHR SIE SEHT?
Ich hab keine Lust auf ausufernde Definitionsspielchen, sowas stammt meist von Leuten, die sonst nichts darstellen.
Wer wirklich etwas darstellt, hat meist mehr Gelassenheit.
im übrigen:
Wer sich einen Schuh anzieht, dem passt er auch.
Und wenn man einen Stein in ein Rudel Hunde schmeisst, dann jault nur derjenige, den es auch getroffen hat…
In diesem Sinne
einer der hofft, das noch viel mehr den Griff zur eigenen Nase lernen…
Stefan, Fronbote und Bader …demnächst auch Söldner
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Eintrag #89 vom 20. Dez. 2004 11:13 Uhr
Peter
(Nachname für Gäste nicht sichtbar)
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Geht es in dieser Runde um das Problem, daß zu reiche Sachen für eine arme Darstellung getragen werden oder das zu viele einen Reichen darstellen?
Im ersten Fall sollten sich die betreffenden Person überlegen, ob sie mit ihrer mittlerweile reichen (und guten) Ausstattung lieber nicht mehr den Knacht, sondern einfach den Herren des Hauses darstellen sollte, in dem sie bis vor Kurzem noch Knecht war.
Sollte das Problem die unverhältnismäßig hohe Zahl an reichen (und auch so verkörperten) Darstellungen sein, so sind wir bei einem Uraltproblem, was schon unter den ersten 10 Themen war, die es je bei Tempus-Vivit gab: "Häuptlinge und Indianer".
Gibts das Thema noch?
Grüße
Peter
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Eintrag #90 vom 20. Dez. 2004 12:37 Uhr
Sylvia Crumbach
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Es ist nicht zu begreifen!!!
Ich bin Techn./kaufm. Angestellte und ich bin weiblich und komme langsam in das sog. "beste Alter". Ich bin eine passable Köchin und mache gelegentlich meine Mann glücklich.
Ich bin weder Schildmaid noch Burgfräulein.
Ich kann definitiv soviele Kleider haben wie ich mir nähen will. Welches ich Anziehe hängt doch nicht von einem Rollengespiele ab! (oder bin ich hier in einem Larp–Forum …??:::)
Gehe ich Holzhacken, bleibt die Seide in der Truhe - Ist das Wetter nett und der Boden trocken, dürfen die bestickten Schuhe ´raus.
So einfach kann das sein!
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Eintrag #91 vom 20. Dez. 2004 15:20 Uhr
Stefan Erdenkäufer
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Hallo Sylvia.
Also, wenn ich was gelernt habe in meiner bisherigen Zeit in diesem Hobby, dann eines:
Deine Herangehensweise ist so bestechend logisch und pragmatisch, sie fußt auf einem Gedankengang, den alle Menschen in allen Zeiten sehr wohl hätten nachvollziehen können, sie ist von geradezu erschreckender Einfachheit und Nachvollziehbarkeit - sie kann einfach nicht "A" sein ;-)
(Sorry, Leute, ich konnt’s mir mal wieder nicht verkneifen…)
Gruß,
Stephan fonne Varenbach
Bewertung:
Eintrag #92 vom 21. Dez. 2004 13:27 Uhr
Sylvia Crumbach
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Stefan, ich habe befürchtet, daß Du sowas sagen würdest ….
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Eintrag #93 vom 21. Dez. 2004 17:16 Uhr
Noch mal so quergedacht…
Hallo zusammen,
Das mit der arbeitstypischen Kleidung mach ich auch oft so- so lassen sich die Nähsünden der Vergangeheit beruhigt auftragen-…
Und wer wie ich ein "Ein-Frau-Lager" betreibt, der muss sich halt auch mal selbst Zofe und Magd sein.
Was zum Eintrag Nr.1 nur mal so zu bemerken bleibt… wie gesagt, es geht hier vielen auch um die Profilierung… ´natürlich nie bei mir!!!´ …ömpf
Wenn die Nachbarin sich die dritte Bernsteingondel vor die Hütte hängen kann… dann kann ich das schon lange!
Und wenn ich als Netzerin plötzlich ein perlenbesticktes Schapel bei der Arbeit trage…
Vorleben heisst die Devise. Punkt.
Jeder macht das Hobby sicherlich nur für sich, aber warum kaufen sich dann erwachsene Männer immer neue Schwerter und prahlen damit vor der gesamten anwesenden Ritterschaft?
Ich habe mir vorgenommen mich nach dem Erlebten und den von Euch vorgetragenen Gründen, als meine eigene Hoffrau zu bekleiden. So kann ich die schönen Kleider ruhig noch mal mit einpacken und kann mich in meinen neuen, einfacheren Kleidern präsentieren. So werde ich weiterhin von den Tagesgästen um meine schönen Kleider beneidet und kann auch den Reenactern ein bisschen gerader in die Augen schauen. Denn, so doof wie das auch ist, die Reflektion der anderen ist mir persönlich wichtig.
Engel-chen
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Eintrag #94 vom 21. Dez. 2004 18:38 Uhr
Carina Schmid
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Hallo,
entschuldigt das ist jetzt völlig off topic: Aber was ist eine Bernsteingondel? Das hört sich mal interessant an.
Liebe Grüsse, Carina
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Eintrag #95 vom 21. Dez. 2004 18:50 Uhr
Baerbel Hammes
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Hallo alle Zusammen,
…uff, mir schwirrt der Kopf von den ganzen Beiträgen …
Aber trotzdem möchte ich als (noch) nicht "Darstellerin" und daher Nichtbetroffene mal moderierend eingreifen und auch einen Vorschlag machen.
Erst mal einige Schlüsse, die ich jetzt gezogen habe:
1. Ich persönlich sehe es vor dem historischen Hintergrund auch als Problem an, dass es auf Veranstaltung zu viele "Adlige" und zu viele "overdressedte" "einfache Leute" gibt. - Das scheint auch andere hier zu stören.
2. Ich kann jeden gut verstehen, der sich gerne schmückt und das "Maximale" aus seiner Darstellung herausholen will.
3. In meinen Augen ist eines der Grundprobleme, dass es viele kleine Grüppchen gibt, die mit 5, 6 Leuten ein "adliges Päärchen" mit "Gefolge darstellen.
4. Ein weiteres Problem könnte darin bestehen, dass diejenigen, die am meisten "behangen" sind, auch die meiste Aufmerksamkeit erregen. (Das Marketing-Argument und die Chance evt. für andere Veranstaltungen gebucht zu werden.)
5. Sylvia hat deutlich gemacht, dass zumindest sie verschiedene "Ausstattungen" in der Truhe hat und daher eine breite Spanne von Personen "darstellen" kann. Ich gehe mal davon aus, dass das auch auf viele andere aus der Szene zutrifft.
Jetzt mein Vorschlag:
- Getrennt marschieren - gemeinsam schlagen!
Will heißen:
Wenn alle bisher getrennt voneinander sich eine oder mehrere Ausrüstungen zugelegt haben und verschiedene "Stände" darstellen können - wieso nicht untereinander kooperieren und die Darstellung für die Veranstaltungen absprechen?
Wenn sich mehrere Gruppen abstimmen, kann jeder mal als "Graf und Gräfin von und zu Protz" und als Gesinde auftreten - man kann ja abwechseln.
Vorteile:
- jeder kann mal seine Pretentiosen "zu Markte" tragen
- in Kooperation mit anderen Gruppen werden die "Auftritte" realistischer (größeres Gefolge, mehr Gesinde = größere Annäherung an die mittelalterlichen Gesellschaftsverhältnisse)
- die Wahrnehmung der Gesamtgruppe bei Veranstaltern und Touries wird zunehmen (ein Gefolge von 30 oder 40 Leuten fällt wohl mehr auf als eins von 5 Leuten)
- der "Druck" auf Gromis und Leute ohne entsprechendes Gefolge wird größer - d. h. deren Bedeutung nimmt ab - ergo: das eigene Ego wird gestärkt :-))))) (nicht ganz so ernst nehmen ;-)))
Ich möchte Euch nicht vorschlagen einen einzigen großen Verein zu gründen, sondern dass jeder für sich seine Ausstattung nach eigenen Bedürfnissen (und Geldbeutel) gestaltet (also "getrennt marschiert") - bei Bedarf und nach Lust aber mit anderen kooperiert und dann auch mal ein Schmuckstück weniger trägt.
Eine Art lockerer "Pool" von Leuten, die sich auch in unterschiedlicher Zusammensetzung für die verschiedenen Veranstaltungen absprechen, wäre doch in Ordnung, oder??
Das könnte sogar soweit gehen, dass man gemeinsame Handzettel oder sonst was für’s Marketing erstellt: "Darstellerpool - XY : Kooperierende Gruppen A, B, … G"
Ist nur mal so ein Vorschlag.
So jetzt halte ich mich wieder aus der Diskussion raus.
Grüße
Bärbel
- und: Vertragt Euch!!! ;-))))
Bärbel
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Eintrag #96 vom 22. Dez. 2004 09:30 Uhr
Susan Sziborra-S.
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bärbel:
gibts und gabs schon ;o)
gruß suse
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Eintrag #97 vom 22. Dez. 2004 10:13 Uhr
Sylvia Crumbach
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Hallo Bärbel,
Die Idee ist ganz prima. Es gab schon ganz lustige Scenen dazu, besonders im Sommer.
Die guten Sachen sind natürlich viel wärmer als die "Arbeitssachen" ……..
Die Keltengruppe Carnyx für eine "Geschichtsschau" vor und stellt dabei Stände etc.
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Eintrag #98 vom 22. Dez. 2004 10:37 Uhr
Moin,
Carina:
Bernsteingondeln vor der Hütte ist die etwas verunglimpfende Ausdrucksweise für den Schmuck einer Wickinger-Frau im vorderen Oberkörperbereich… grins
Mein persönlicher Gedanke zu dem Thema ist der, das viele von uns in der Vergangenheit wohl schon Millionäre gewesen sein müssen, den rechnet man die Fehlkäufe mal so zusammen… auch ich kann mich da nicht ausnehmen. Doch sich einem Understatement anzuschliessen, wo nicht Quantität sondern Qualität eine Rolle spielt… man war es doch im Leben immer gewohnt den einfachen und bequemen Weg zu gehen.
Womit soll ich mich, ohne Prunk-Protz, denn dann von der breiten Masse abheben? Was kann mich für den Rest der Welt denn interessant machen, auch ohne 20cm-Goldlurexborte?
Ich habe meine Niesche gefunden, ich netze, und kann somit auf vieles verzichten. Gruppen die sich aber nur über ihre tolle Aus- und Einrichtung definieren können… Und was bucht der einfache Veranstalter? Die, die am lautestens Aussehen….
Wenn ich still in meiner Ecke sitze und diese Handarbeit vorführe bin ich lange nicht so interessant, wie die, die sich laut Aufbauen und in einer theatralen Darstellung ihrer selbst sich profilieren.
Und ehrlch, im realen Leben kämpfe ich schon reichlich gegen die täglichen Windmühlen meines Lebens und der örtlichen Bürokratie. Da soll ich nun auf der erträumten Ebene den gleichen Kampf entfachen? Wo doch die Realität so grau und trist ist? Wo lasse ich mein Herz, das sich nach Farbe und Harmonie sehnt? Das sich nach Ehre und Anerkennung verzehrt? Mit ein paar Talern kann ich mir die Farben holen, den Reichtum, der mir vom Leben bisher verweigert wurde. Die Anerkennung der Gesellschaft, auch wenn es da draußen für mich eigentlich keinen Platz mehr zu geben scheint.
Man sollte bei all den hitzigen Reden nie vergessen warum viele MA machen- aus der Sehnsucht eines kleinen Herzens, nach den Farben, Gerüchen und Gefühlen einer heilen Welt.
So! … ;o)
Engel-chen
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Eintrag #99 vom 22. Dez. 2004 10:49 Uhr
Sylvia Crumbach
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noch mal zu meinem Betrag weiter unten.
Die Durchführung ist nicht einfach, wenn es warum ist und keiner in die warmen schönen Sachen will.
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Eintrag #100 vom 22. Dez. 2004 10:56 Uhr
Sylvia Crumbach
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Hallo Christine,
schön hast Du das gesagt!
Vielleicht kann ich meine Meingung so vertreten, weil ich gegen Werbung relativ immun bin und ansonsten eigentlich fast zufriedener als man sich wünschen kann.
Nur trifft man bei Deinen Agumenten sehr leicht auf Probleme:
Lurexborten etc. und entsprechende Kostüme haben bei verschiedenen Veranstaltungen einfach nichts zu suchen. Wenn ich da einen Edel-Fummel tragen will wird das teuer.
Vielleicht zieht hier als Stichwort "Ich habe nicht das gleiche hobby wie einige andere Leute!"
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Eintrag #101 vom 22. Dez. 2004 11:00 Uhr
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»was bucht der einfache Veranstalter? Die, die am lautestens Aussehen….«
Nun, auf solche Veranstaltungen will ich dann auch garnicht, also seh ich keinen Verlust.
Gruß, Ivain
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Eintrag #102 vom 22. Dez. 2004 12:01 Uhr
David Seidlitz
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@ Sylvia: Böse, böse! So etwas wollten wir doch nicht mehr sagen. Also das mit den verschiedenen Hobies.
Wir sind alle ein großer, "historisierender" Kuschelclub!
;o)
David
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Eintrag #103 vom 22. Dez. 2004 12:12 Uhr
Carina Schmid
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@David,
also das find ich jetzt mal süss: Kuschelclub … *grins* ;-)
Liebe Grüsse, Carina
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Eintrag #104 vom 22. Dez. 2004 13:21 Uhr
Susan Sziborra-S.
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Liebe Christiane,
ßbersehen und "missachtet" wird man meiner Erfahrung nach viel eher im Tümpel lurexbortentragender, alberne Hütchen mit kunstseideschleier- spazierentragender, flachstahldengelnder, knallbunte Zelte - bewohnender "Darsteller", wenn man ein ebensolcher ist. Seit wir nicht mehr auf "Märkte" kann ich wirklich nicht über mangelnden Zuspruch mangelnde Anerkennung oder ähnliches klagen. Mal ehrlich: die Frage ist einfach, auf wessen Urteil du Wert legst. Und ich geb viel lieber mit ner krappgefärbten Kotte ohne weitere Verziehrung an (auch wenn es durchaus Leute gibt, ob deren authentisch replizierter Pracht ich vor Neid grün werde *ggg*), als mit ner knallblauen, mit güldener Kunstseide gefütterten und schicker Pseudo-Borte. Und bei den Leuten, die mich diesbezüglich interessieren, kommt das auch viel besser an.
gruß suse
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