Eintrag #1 vom 20. Jun. 2003 11:14 Uhr
Thorsten Klahold
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Hallo,
habe gerade meine ersten wendeschuhe selber genäht und bin so bei der arbeit ins grübeln gekommen. war der schuster in HoMi (so um die berühmten 1250) eigentlich schon ein spezialist der nur auf schuhe festgelegt war oder war er mehr das multitalent und hat auch (gürtel-)Taschen zaumzeug messerscheiden (also alles was so aus leder gemacht wird) gefertigt? Wie weit verbreitet waren sie? gab es in jedem "dorf" einen schuster oder waren schuhe damals schon ein "transport"handelsgut? Wurden sie nur "mass"geschustert oder gab es schon eine produktion auf "halde" Wurden auch die Trippen von ihm gefertigt? (von wegen holzbearbeitung) War der schuster ein angesehendes mitglied der mittelalterlichen gesellschaft?
Wurden schuhe nur von schustern oder auch von den "verbrauchern" selber hergestellt? (sooo schwer ist das ja auch nicht einen einfachen schuh selber zu nähen.)oder war es üblich sie beim schuster zu kaufen/tauschen?
jede menge fragen ich weiss, aber ich finde dieses berufsbild sehr interessant und könnte mir durchaus vorstellen eine darstellung in dieser richtung einzuschlagen.
ansonsten wünsche ich ein schönes wochenende.
mit lieben grüssen
Thorsten K.
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Eintrag #2 vom 20. Jun. 2003 12:33 Uhr
Mike Wendl
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sehr zu empfehlen - gerade wenn Du gutes Schuhwerk nach Fund erstellen willst.
Grüsse aus Brandenburg
Lui
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Eintrag #3 vom 22. Jun. 2003 09:59 Uhr
Claus Winhard
Hallo Thorsten,
nachdem ich mir die Darstellung eines Schuhmachers um 1260 ausgesucht habe (*seufz*), hier ein paar Antworten:
Zunächst muß man zwischen "Schuhmacher" (engl. Cordwainer oder Shoemaker) und Schuster (engl. Cobbler)unterscheiden.
Der Schuhmacher macht tatsächlich ganze Schuhe, also von der Herstellung eines Leistens bis zum Verzieren des fertigen Schuhs. Der Schuster war der Flickschuster, der lediglich gebrauchte Schuhe reparieren, teilweise auch wiederaufarbeiten, d.h. neu zusammensetzen durfte.
Im ausgehenden Hochmittelalter waren die Zünfte bereits hoch entwickelt, so daß der Schuhmacher wirklich nur Schuhe herstellte, die Trippenmacher waren eine eigene Zunft. Bildbelege dazu gibt’s leider erst im 15. Jh (Hausbuch der Mendelschen Zwölfbruderstiftung).
Die Schuhmacherei gehört zu den ältesten Zünften (zusammen mit z.B. Bäckern, Schmieden, Gerbern und Webern) und ein Meister oder gar Zunftmeister war durchaus ein hoch angesehener Beruf. So war es im 13. Jh. nicht unüblich, daß ein Zunuftmeister (der "oberste" Meister in einer Stadt) 40 oder mehr Gesellen und Lehrlinge beschäftigte.
Daß Schuhe in "Heimarbeit" selbst hergestellt wurden ist unwahrscheinlich, da der Weg des Leders durch die Gerber vorgegeben war, "Otto Normalverbraucher" hatte keine Möglichkeit an Leder zur Schuhherstellung (vorwiegend Rind im 13. Jh.) heranzukommen, die Handelswege waren teilweise so festgelegt, daß bestimmte Schuhmacher von bestimmten Gerbern kaufen mußten.
Auch das notwendige Werkzeug war nicht in jeder häuslichen Werkzeugkiste zu finden.
Schuhmacher stellten tatsächlich nur Schuhe her, für die übrigen "Lederaccessoires", Taschen, Gürtel, Riemen etc. gab es eigene Berufe rund um die Gerber. Der "Riemenschneider" hat sich ja sogar als Nachname erhalten.
Schuhe wurden im 13. Jh. grundsätzlich nach Maß einzeln angefertigt, eine "industrielle" Produktion taucht erst sehr viel später, im 15./16. Jh. auf, als sich auch die Nähtechnik veränderte (rahmengenähter Schuh).
Die große Menge gefundener Schuhe (ca. 2.000 in London, ca. 11.000 in Schleswig) läßt darauf schließen, daß Schuhe ein alltagsübliches Kleidungsstück und nicht nur höheren Ständen vorbehalten waren, obwohl sie keineswegs preiswerte "Wegwerfartikel" darstellten, sondern i.d.R. bis zur völligen Unbrauchbarkeit aufgetragen wurden (die gefundenen Reparatursohlen belegen, daß das Oberleder sie Sohle deutlich überlebte ;-)
Das von Lui angesprochene Buch "Shoes & Pattens" ist sicherlich eines der Standardwerke, um sich mit der Schuhmacherei im Mittelalter näher auseinanderzusetzen, empfehlenswert ist auch das Buch über die Schleswig-Schuhfunde, erschienen im Wachholtz-Verlag (
wwwwachholtz.de).
So, ich hoffe, ich konnte ein paar Deiner Fragen beantworten.
LG,
Claus
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Eintrag #4 vom 22. Jun. 2003 13:14 Uhr
Thorsten Klahold
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Hallo Claus,
das hört sich doch schon mal gut an. nur sollte meine darstellung ehr einem schuhmacher auf dem Dorfe gelten. Nächstgrössere stadt ca 40 km (und damit 1. Tagesreise entfernt.) war dort auf dem land das Zunftwesen auch schon so ausgeprägt? War ein schuhmacher in einer so kleinen dörflichen gemeinschaft auch so spezialisiert oder war er dort nicht doch gezwungen verschiedenste lederarbeiten incl. Reperatur zu leisten? So eine kleine gemeinschaft wird doch sicher keine extra handwerker für taschen oder gürtel ect. gegeben haben, oder doch?
Thorsten K.
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Eintrag #7 vom 30. Jun. 2003 07:31 Uhr
Joachim Meinicke
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Also zumindest für die Mark Brandenburg des 12/13. Jh. kann ich Dir sagen, daß sich Handwerker nicht in Dörfern niederließen. Es sei den, ein Adliger hatte seinen Sitz dort. Bis in die Neuzeit hinein gab es z.B. oft nicht mal eine feste Schmiede. Meiner Meinung nach gehört der Schumacher in die Stadt.
Beste Grüße aus der Mark, in der die Städte übrigens nur max. eine Tagesreise, sprich ca. 20 km auseinanderlagen.
Joachim
von
Marca brandenburgensis AD 1260
Märkisches Leben zur Zeit der Askanier
wwwbrandenburg1260.de
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