Quelle für Beweglichkeit in Rüstung
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Eintrag #1 vom 03. Dez. 2007 20:38 Uhr
Leonhard Dorn
Ein Bekannter war der Meinung das Ritter in Rüstung total unbeweglich waren. Er vertritt unter anderem die Meinung das der Begriff "Ins Gras beissen " daher komme, dass ein Ritter der vom Pferd fällt nicht mehr aufstehen kann,weil der in der Rüstung zu unbeweglich ist und die Kiniegelenke zu steif sind.
Und zum besteigen des Pferdes braucht der Ritter einen Hocker und mindestens einen Knappen um aufs Pferd zu kommen.
Sehr anschaulich sieht man das in dem Film "Ritter aus Leidenschaft" in dem ein Ritter verzweifelt versucht auf sein Pferd zu kommen,und der Held,aufgrund seiner mega-super Rüstung mit einem Satz aufs Perd hüpft.
Ich hab mal davon gehört das es in einer Plattenrüstung möglich ist einen Salto zu machen. Gibts dafür ne Quelle oder hab ich da nur was falsch im Gedächtnis? Ich hab mich als ich den "Beleg" für die Unbeweglichkeit in der Plattenrüstung gehört hab vor Lachen nicht mehr eingekriegt. ;)
Leo
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Eintrag #2 vom 03. Dez. 2007 21:46 Uhr
Christoph Reinberger
Servus Leonhard,
einen "Salto" halte ich mal für etwas zu gewagt. Ein Handstand ist da schon eher drinnen. Es muss Bilder geben, wo Herren in Rüstung ein Rad schlagen, leider hab ich diese nicht parat.
Mit dieser Frage bin ich auch schon oft konfrontiert worden. Generell muss man erst einmal erklären dass die vollständige Plattenrüstung erst im Spätmittelalter aufkam. Und das Märchen der unbeweglichen "Dose" wahrscheinlich von den teils eigens für das Turnier hergestellte Rüstungen z.B. das Gestech im 15. Anfang 16 Jh. kommt. Diese Harnische waren in der Tat unbeweglich, aber sie sollten ja auch keinem anderen Zweck als dem des reinen Lanzenkampfes zu Pferde dienen. Der deutsche Feldharnisch Ende des 15 Jh. war dagegen leichter und beweglicher konzipiert und durchaus für den Fusskampf geeignet. In vielen Fechtbüchern sieht man geharnischte in einem Zweikampf zu Fuss antreten. Dabei wurden auch Ringer- und Hebeltechniken eingesetzt. Dass das Aufstehen mit Rüstung schwieriger als ohne ist, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber eine unbewegliche Schildkröte ist man mit einem guten Replik einer damaligen deutschen Rüstung Ende des 15 Jh. bestimmt nicht. Dass ein Ritter "ins Gras" beisst, wenn er vom Pferd fällt, ist zumindest insofern nicht weit hergeholt, als dass er sich dabei eher etwas brechen konnte. Schlimmstenfalls das Genick. Hier ein Link zu einem deutschen Fechtbuch mit zwei Herren im Fusskampf:
siehe hierzu auch
und
Das tragische für den einzelnen heutzutage ist nicht das Wissen, sondern die Menge dessen
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Eintrag #3 vom 03. Dez. 2007 22:41 Uhr
Kristian Koop
Im Buch "Söldnerleben im Mittelalter" sieht man ein Bild wie jemand in Platte ein Rad schlägt.
Sind Bilder von er Companie of st George (meine ich), also keine direkte Quelle, aber da die Herrschaften ja den "A"nspruch erheben, denke ich, das da vertrauenswürdig recherchiert wurde ;)
Grüße
Kristian
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Eintrag #4 vom 04. Dez. 2007 07:34 Uhr
Laura
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Kristian,
nix gegen die Company, aber die Bilder sind schon alt. Die Annahme, alles was eine Gruppe mit hohem "A-nspruch" besitzt, trägt oder macht sei vertrauenswürdig recherchiert ist SEHR gefährlich! Das führt zu vielen schlechten Kopien von einer Kopie… womöglich von einer Sache die schon zu Begin sehr fragwürdig oder falsch ist!
Das hat jetzt garnix mit dem Thema zu tun, sondern allgemein mit der Einstellung, dass das, was bei anderen (guten) Gruppen zu sehen ist, schon stimmen werde…
Gruß, Laura
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Eintrag #5 vom 04. Dez. 2007 10:41 Uhr
Thorsten
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Wie schon gesagt wurde, kommt die Legende, dass die Ritter unbeweglich waren von den "Sportrüstungen" für die meisten Gestecharten des späten 15. bis Anfang 17. Jhdts., die durchaus Gewichte von über 50 kg haben konnten und die aus Sicherheitsgründen auch über eine eingeschränkte Beweglichkeit verfügten.
Was die Beweglichkeit in Feldharnischen angeht, so habe ich selber auf Vorführungen, um das zu demonstrieren (und als ich noch besser im Training war) mit meiner Kompositrüstung vom Ende des 14. Jhdts. (Gewicht ca. 28 kg) Butterfly-Kicks in Kopfhöhe gemacht. Nicht unbedingt eine mittelalterliche Kampfweise aber gut, um die Beweglichkeit zu zeigen.
Bis denn
Thorsten
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Eintrag #6 vom 04. Dez. 2007 12:42 Uhr
Wolfgang Ritter
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Hallo Leonhard,
ich kenne jetzt keine expliziten historischen Bilder, auf denen derartige Turnübungen beschrieben sind, wie hier meine Vorredner anführten oder Du in Deinem Ausgangsbeitrag geschrieben hast - die aber einen guten Praxistest für die Tauglichkeit einer Rüstung darstellen und damit durchaus Rückschlüsse ermöglichen.
Allerdings gibt es hinreichend Darstellungen von Fusskämpfen in Rüstungen und zwar gerade auch in Fechtbüchern aus dem 15. Jhdt. (Stichworte: Gladiatoria, Codex Wallerstein, Talhoffer, Fiore dei Liberi, Filippo Vadi etc.).
Diese enthalten neben Anleitungen zum Schwert-, Dolch-, Stangenkampf etc. auch diverse Ringtechniken.
Ringen setzt aber eine gute Beweglichkeit voraus. Tatsächlich sind dann auch Abbildungen ersichtlich, anhand derer die Mär von den unbeweglichen Keksdosen sich als Mythos entpuppt.
Das einzig ßrgerliche ist, dass diese Mär immer wieder auch von sich selbst so betitelnden Mittelalterdarstellern, Burgführern etc. kolportiert wird.
Das ist ähnlich sinnvoll, wie die Referenz eines Hollywood-Film - der als Unterhaltungsfilm funktionieren soll und dies auch tut, aber eben nichts mit "dem Mittelalter" zu tun hat
Grüße
Wolfgang Ritter
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Eintrag #7 vom 04. Dez. 2007 12:55 Uhr
Thomas Arp
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Es gibt eine Dokumentation der BBC wo professionelle Reiter in "massgeschneiderten" Rüstungen gegeneinander tojsten. Die Rüstungen waren Repliken und die Reiter konnten darin "Purzelbäume" schlagen, allerdings ohne Gestechhelm. Wie die Doku hieß habe ich allerdings vergessen.
TomTom
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Eintrag #8 vom 05. Dez. 2007 15:45 Uhr
Stefan Hackenberg
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Hallo,
es gibt in dem englischen Buch British Battles ein schönes Foto eines Kämpfers in der Replik einer 15jh. Rüstung der ein Rad schlägt.
Richtige Quellen ?
Aber fast alle Schlachten der Rosenkriege wurden ausschließlich zu Fuss gefochten, dazu finden sich in den Büchern von Andrew Boardman und anderen auch Erörterungen zu Bewegungsfreiheit.
Grüsse
Stefan
Stefan
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Eintrag #9 vom 05. Dez. 2007 20:23 Uhr
Pierre Brockmann
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N’Abend!
Ich glaube, ich kann da aushelfen, Tomtom:
Die Doku hieß "Kampf der Ritter" und lief auf arte im Rahmen eines Themenabends "Leben im Mittelalter".
Gruß
Pierre
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Eintrag #10 vom 05. Dez. 2007 22:11 Uhr
Leonhard Dorn
Danke für die vielen Antworten. Nicht nur die Aushilfsbrgführer fördern das Bild, auch auf der Seite des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz steht Quatsch.
Daher hatte mein Bekannte auch diese Infos.
Leo
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Eintrag #11 vom 05. Dez. 2007 22:19 Uhr
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Da ist ja fast alles falsch.
Krass.
Gruß, Ivain
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Eintrag #12 vom 06. Dez. 2007 22:03 Uhr
Andreas Ahammer
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Nur um das zu klären:
Das ist nicht die Seite des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz, sondern eine im Zuge eines von dort aus geführten Projektes entstandene Seite. Zitat: ein "Netzwerk aus historischen Institutionen, Vereinen und geschichtsbegeisterten Menschen getragen."
Da kann wie in wikipedia jeder online publizieren und das anscheinend ohne redigierende Tätigkeit Seitens des Institutes.
Dessen Homepage findet sich der Richtigkeit halber hier: wwwigl.uni-mainz.de
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Eintrag #13 vom 16. Mai. 2008 20:49 Uhr
Andreas Wenzel
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Vier Klarstellungen und zwei Anekdoten ohne Quellen
Vier Dinge moechte ich gerne aus eigener Erfahrung klarstellen. Ich habe zu meinen Spitzenzeiten etwa fuenfmal je Woche in meinem Mailaender Exportharnisch (etwa 1460) trainiert, davon dreimal die Woche zu Fuss und zweimal die Woche zu Pferde. Der Harnisch stammt von White Rose, ist meiner Meinung nach sehr authentisch, und durchaus mit den Produkten anderer Ruestschmiede gehobener Replikatsharnische zu vergleichen.
a) Ich habe im Rahmen von spaetmittelalterlichen Fusskampfturnieren mit Axt und Hammer durchaus auch gerungen und verschiedene Techniken hierzu (Beispiel Ringeck) praktisch angewandt. Kein Problem. In der Tat wurde ich einmal so gewaltsam geworfen, das ich nach einem einfachen Ueberschlag auf den Knien aufkam und direkt wieder aufspringen konnte.
b) Ich bin mehrfach im Rahmen von Gestechturnieren in voller Ruestung vom Boden aus aufgestiegen. Das ist allerdings in der Tat insbesondere bei groesseren Pferden sehr schwierig, und definitiv auf Dauer nicht gut fuer den Ruecken des Pferdes.
c) In Ruestung vom Pferd fallen ist meiner Erfahrung nach keineswegs gefaehrlicher (wie an anderer Stelle angedeutet) sondern sicherer. Es ist erstaunlich, wieviel Fallenergie der Harnisch abfaengt. Meine eigenen Erfahrungen wurden letztes Jahr mal wieder eindrucksvoll bestaetigt durch Will West, der in vollem Galopp unfreiwillig abstieg, sich kurz ueberschlug, und danach sofort wieder aufstehen konnte. Ohne Ruestung waere Will sicher im Krankenhaus gelandet. Eine wichtige Ausnahme stellen hier allerdings langschwaenzige Schallern dar - hier besteht tatsaechlich ein gewisses Genickbruchrisiko.
d) Die Annahme, zu Pferde wuerde weniger Bewegungsfreiheit benoetigt als zu Fuss ist meiner persoenlichen Meinung nach unsinnig. Insbesondere beim Beinharnisch sind die Ansprueche an Passgenauigkeit und Bewegungsfreiheit wesentlich hoeher als beim Fussharnisch. Ich habe schon viele billige Reenactment-Ruestungen aus dem Fussbetrieb beim ersten Mal auf dem Pferd bitter scheitern sehen (keine Kontrolle ueber das Tier, massive Abschuerfungen und Druckverletzungen an der Beininnenseite…). Auch die Gestechruestungen des (sehr) spaeten 15. und gesamten 16. Jahrhunderts ermoeglichen eine nahezu ungehinderte Bewegung der Beine - in der Tat bleibt das Beinzeug ja mitunter weg oder wird durch am Sattel angebrachte Beintaschen ersetzt.
Fuer den Kuerass (also Brust) und Helm tritt aber natuerlich eine Versteifung ein, gar keine Frage.
Zum Thema Quellen: Ich kenne zwei eindrucksvolle Anekdoten, zu denen mir die Quellen fehlen. Kann mir jemand aushelfen?
Anekdote 1)
Deutscher Ritter bei der Belagerung von Landshut (?) um 1470 (?) wird zwischen Mauer und Graben abgeschnitten. Um sich zu retten springt er in den Graben und schwimmt trotz seiner nagelneuen (deutschen) Ruestung zum anderen Ufer. Im Lager angekommen verfasst er einen Beschwerdebrief an seinen Ruestschmied, in dem er auf Abschuerfungen an Riemenstellen hinweist und Verbesserungsvorschlaege macht. Ich glaube, ich hab das bei Oakeshott gelesen. Kennt jemand die Originalquelle?
Anekdote 2)
Zwei englische Ritter der Rosenkriege (einer davon war glaube ich Lord Grey) tjosten auf der Tower Bridge. Nach mehreren Paessen ohne Entpferdung beschwert sich einer der beiden, der andere sei sicherlich am Sattel festgebunden. Um dies zu entkraeften springt der Beschuldigte aus dem Sattel, schlaegt ein Rad (oder sowas?) und springt zurueck in den Sattel. Wo ist das her?
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