Köcher im 15. Jahrhundert
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Eintrag #1 vom 24. Sep. 1999 16:50 Uhr
Michael Störmer
Schon seit längerer Zeit suche ich nach Tips und Quellenmaterial zu Pfeilköchern des 15. Jahrhunderts, die zu einem Kompositbogen passen würden. Mir sind die Textilvarianten und die Sitte, die Pfeile einfach durch den Leibriemen zu stecken, die u.a. Embleton im "English Archer 1330-1515" vorschlägt, bekannt, doch scheinen diese Methoden auf den klassischen Langbogen beschränkt zu sein. Desweiteren zeigt Vittore Carpaccio in seinem "Ursula- Zyklus" (um 1490) einen italienischen Bogenschützen mit Reflex- Kompositbogen, der einen Hüftköcher trägt. Dieser Köcher ähnelt türkischen Vorbildern, unterscheidet sich von diesen aber in Dekor und Proportion. Im Moment stellt dieses Vorbild meine erste Wahl dar und ich versuche gerade, ein ähnliches Modell für meine Pfeile nachzubauen, aber ich wäre für weitere Vorschläge dankbar, da vielleicht eine Variante eines Köchertypus existiert, der für den nordalpinen Raum typischer wäre und der mir bisher entgangen ist. Vielen Dank im Voraus. Michael Störmer
Michael Störmer
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Eintrag #2 vom 27. Sep. 1999 18:47 Uhr
Hartmut Writh
Michael, wenn Du Dir die Illustrationen von Meister E.S. zum Thema hlg. Sebastian anschaust, findest Du, soweit ich erinnere, noch ein ähnliches Modell. Aber Achtung: die Künstler zeigen in diesen Illustrationen meistens "böse Krieger" die irgendwelche heiligen quälen/umbringen! Und diese "Bösen" waren meistens Heiden/Muselmanen/Türken. Daher diese Köcherdarstellungen. Köcher war bei uns eigentlich nur bei Armbrustschützen in Gebrauch. Bogen war insges. als Kriegswaffe nördlich der Alpen eher nicht üblich!! Es sei denn, als Franz. oder Engl. Söldner (auch äußerst rar!). Mit herzlichem Gruß, Hartmut ("Veteran des hlg.Ebleton")
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Eintrag #3 vom 27. Sep. 1999 20:14 Uhr
Michael Störmer
Vielen Dank für den Hinweis auf Meister E.S.! Ich bin inzwischen noch bei einem Franzosen, dem Meister von der legende des Königs René fündig geworden und bei Pollaiuolo ("Der Kampf der nackten Männer"), obwohl bei diesem der Köcher so schlicht gehalten ist, daß einen ein jeder 15.Jh.- Reenactor für absolut una… erklären würde! Was die Kriegswaffe angeht, denke ich, daß du da, besonders für den deutschen Raum, ganz richtig liegst. Wir bewegen uns hier ganz sicher auf "Armbrust- und Langbogenterrain", aber ich habe beim ersten Blättern in meiner Bibliothek doch ein paar Hinweise auf Reflexbögen gefundenim nordalpinen Raum gefunden: 1. Johann Koerbecke, Kalvarienberg, Mitte 15. Jh, Westfälisches Landesmuseum Münster kleiner Teufel (rechts im Bild), Scherge bei Christus (unten links) 2. Meister des Königs René, Legende des Königs René (Der Liebesgott raubt das Herz von René), 1465, ßsterreichische Nationalbibliothek Wien Reflexbogen in Bogenköcher (!) (siehe oben) 3. Thomas von Klausenburg, Das Wunder des heiligen ßgidius, Altarflügel aus Hronsky Svaty Benadik, 1427, Esztergom Michael P.S.: Haben wir uns zufällig dieses oder letztes Jahr zu Pfingsten auf der Burg Schönrain kennengelernt, als Dietrich mit einer Abordnung von "1476" dort war?
Michael Störmer
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Eintrag #4 vom 27. Sep. 1999 20:15 Uhr
Michael Störmer
Nach dem Schreibe, vor dem Posten, Lesen!!!
Michael Störmer
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Eintrag #5 vom 28. Sep. 1999 11:22 Uhr
Dietrich
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Moin Michael. Ich habe in den vergangenen Tagen mal gesucht (das heißt: Ungefähr 15 DICKE Bildbände mit mittelalterlicher Malerei durchforstet) und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Bogenschützen sind im Vergleich zu Armbrustschützen eher selten vertreten. Das Verhältnis Armbrust-Bogen-Handbüchse ist etwa 60:30:10. Das Verhältnis Lang/Recurvebogen-Langbogen-Kurzbogen ist etwa 50:30:20. ßberwiegend findet man Schützen bei Darstellungen des Martyriums des Hl. Sebastians, der Hl. Ursula und als Wache bei der Wiederauferstehung Christi. Insgesamt fand ich: 11 Bogenschützen, bei denen entweder gar nicht zu erkennen war, wie sie die Pfeile transportierten, oder die Ersatzpfeile in der Hand trugen. 2 Bogenschützen, die ihre Pfeile hinten durch den Gürtel geschoben hatten. 1 Bogenschütze, der VIELLEIChT einen Köcher trägt; jedenfalls schaut ein Bündel Pfeile hinter einer Mauer hervor (Michael Wolgemut, Hofer Altar, 1465) 1 Bogenschütze mit umgehängtem Hüftköcher. Roman über den Trojanischen Krieg, Italien, 2. Hälfte 14. Jhd. Kann man aber nicht verwerten, weil es sich bei dem Herrn um einen Zentauren handelt. Und besagtes Bild vom Martyrium des Hl. Sebastian, Meister ES, Straßburg, um 1460. Das Interessante an diesem Köcher ist, daß er genau wie ein Köcher für Armbrustbolzen aussieht, komplett mit Federn unten/Spitzen oben getragen, nur eben länger. Zu guter Letzt noch der Weisskunig. Ein dicker Wälzer über die Taten Kaiser Maximilians, erschienen 1524. In diesem Buch sind Unmengen von Holzschnitten von Soldaten und Schlachten, und es gibt mindestens vier Bilder von Schlachten, an denen Bogenschützen teilnehmen. Und auf einem dieser Bilder sind an zwei Schützen Hüftköcher erkennbar; beide haben die Form einer ordinären Walze, wie eine Toilettenpapierrolle. Material leider nicht erkennbar.
Dietrich
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Eintrag #6 vom 28. Sep. 1999 11:57 Uhr
Thorsten
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Moin Hartmuth, zu den englischen Langbogenschützen hier im Norden kann ich noch einenzugeben. Dortmund hatte während der "Märkischen Fehde" - ich mene rund um 1390 20 englische Langbogenschützen als Söldner gehabt. Aber das kann auch an der engen Verbundenheit Dortmunds zu England liegen (Dortmunder Stahlhof in London) - oder daran, daß wir dreimal im 14. Jhdt. die englsiche Krone als Pfand hatten ;-) Bis dann Thorsten
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Eintrag #7 vom 28. Sep. 1999 21:22 Uhr
Michael Störmer
Hi Dietrich, Meister ES scheint sich zum heißen Tip zu entwickeln! Vielen Dank noch mal an alle… Die Werke aus dem Umkreis um Maximilian I. scheinen mir aber für das späte 15. Jahrhundert zeitlich und stilistisch doch zu weit entfernt. Besieht man sich andere Druckerzeugnisse aus diesem Umkreis wie beispielsweise den "Theuerdank" oder auch die Zyklen, die von Burgkmair geschaffen wurden (oder auch anderen Meistern der ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts wie den Petrarcameister, Graf, etc. pp), tut sich doch eine Welt mit einem gewandelten Stilgefühl auf. Jetzt heißt´s nur noch auf in die UB und Meister ES ausgegraben : )
Michael Störmer
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Eintrag #8 vom 29. Sep. 1999 08:03 Uhr
Dietrich
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Hallo Michael, klar, der Weisskunig ist für unsere Zeit nicht wirklich relevant, deswegen habe ich ihn auch nur als ergänzende Literatur angehängt. Trotzdem ein wirklich schönes Buch, leider nur schwer zu bekommen.
Dietrich
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Eintrag #9 vom 29. Sep. 1999 20:56 Uhr
Michael Störmer
Die Köcherfrage scheint ja jetzt ansatzweise gelöst zu sein, aber ich hätt da noch ´ne Frage… Wenn man sich Darstellungen von spätmittelalterlichen Pfeilen anschaut (auch hier wieder St. Embleton…) fällt die extrem lange Befiederung auf. Natürlich kann man auch die Federn aus dem modernen Zubehörbedarf (Robin Sport und Konsorten) ein wenig auf a… trimmen (Form und Wicklung), aber ich würde doch gern mal vom Experten hören, ob die lange Befiederung ev. Einfluß auf die Flugbahn hat (besonders in Hinsicht auf die doch etwas schwereren sma. Spitzen) oder ob es sich hier um ein reines Stilelement handelt.
Michael Störmer
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Eintrag #10 vom 30. Sep. 1999 09:43 Uhr
Jörg Bellinghausen
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Moin Michael! Die Befiederung für SMA-Pfeile muß tatsächlich so lang und auch so geschnitten sein, um die Pfeile zu stabilisieren, das habe ich empirisch festgestellt. Ansonsten solltest Du Dich mit der "Society of Archer Antiquaries" in Verbindung setzen, die können Dir mit Sicherheit weiterhelfen.
Jörg
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Eintrag #11 vom 30. Sep. 1999 10:59 Uhr
Thorsten
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Moin Jörg, aus heutiger Sicht gibt´s da bloß´n kleines Problem. Da wir im allgemeinen keine englischen Langbögen mit 80 lbs. und mehr benutzen geben die langen Federn zuviel Luftwiderstand und schränken die effektive Rechweite ein. Damit ich mit meinem leichten 45 lbs. Langbogen auf 50 m mit schweren Pfeilen (und die hatten noch nciht mal Warheads) auf ´ne Scheibe schießen konnte mußte ich ziemlich hoch in die Luft halten. Deshalb bevorzuge ich für einen leichten Bogen die vollkommen ausreichen 4 - 5 Zoll Federn. Alles im Selbstversuch ausprobiert :-) Bis denn Thorsten
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Eintrag #12 vom 30. Sep. 1999 13:05 Uhr
Jörg Bellinghausen
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Moin Thorsten! Hast recht, für uns Weicheier mit Bögen zwischen 40 und 60 lbs reichen die normal erhältlichen Federn dicke aus. Wenn Du in den Zuggewichtsbereich 80+ lbs kommst und wirklich Broadheads oder Bodkins verschießt, sieht die ganze Sache schon anders aus…
Jörg
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Eintrag #13 vom 12. Okt. 1999 00:19 Uhr
Andreas
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Hallo, Bei den MA Langbogen-Pfeilen ist wohl eher mit einer weiteren Schußentfernung zu rechnen (über ein ganzes Schlachtfeld), deshalb sind lange Federn wichtig. um eine gute Flugleistung mit schwächeren Bögen zu gewährleisten ist IMO eher die FedernHßHE, als die LßNGE entscheidend. Zu genaueren Untersuchungen (ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen), empfehle ich: Robert Hardy, LONGBOW A social and military history ISBN 1 85260 412 3 (20 Pfund) Hardy führt am Ende seines Buches Tabellen und Formeln an, die Flugweite und Durchschlagskraft in Relation zu Zugstärke wiedergeben. Außerdem hat dieses Buch (ist eine Neuauflage) auch einen Anhang zu den Mary Rose Funden und Rekonstruktionen der dort erhaltenen Bögen. Dort werden auch lederne "Abstandshalter" für den Pfeiltransport beschrieben.
Indy
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