Eintrag #1 vom 23. Dez. 2005 11:37 Uhr
Stefan
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Hi,
auf meinen letzten Recherchen bin ich gedanklich irgendwie ein wenig durcheinander gekommen und hab ein paar grundlegende Fragen die ich mir nicht selbst beantworten konnte.
Es geht hierbei um die Laenge der verschiedenen Gewandungsteile um 1250 in England (falls dies von Relevanz ist).
Fuer welchen Fall waren zB Cotte & Surcot fast knoechellang?
War in diesem Fall die Cotte ein Stueck laenger als die Surcot wie zB in der Kreuzfahrerbibel teilweise zu sehen?
Und in Falle eines Abendgewandes waren dann die Reitschlitze nicht mehr vorhanden?
In welchem Fall war die Cotte - und wird sie dann in diesem Fall Tunika genannt? - nur etwa oberschenkellang?
Ich hoffe ihr koennt mir helfen.
Stefan
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Eintrag #2 vom 23. Dez. 2005 12:28 Uhr
Johannes Kulick
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Die Kleiderlänge war im 13. Hauptsächlich standesabhängig. Ja reicher und höhergestelter ein Mensch war, um so länger war seine Kleidung (mal ganz pauschal gesagt). Vor allem Arbeitskleidung war eher etwas kürzer (schonmal versucht mit einer bodenlangen Cotte Feldarbeit zu verrichten?). Je weniger solcher Arbeiten man ausführen musste, um so länger konnte die Kleidung werden, wobei sie bei Männern eigentlich nie den Boden berührte, also höchstens knöchellang war. Bei Frauen fing es da ja erst an und wurde dann noch länger, so dass sich das Kleid auf dem Boden staucht oder aber in den Gürtel gerafft wird.
"Reitschlize" sieht man zum Beispiel in der Mannesse oder der Mac (beispielsweise Nr. 58, hab leider keine Folio Numemrn) auch sehr oft bei Leuten, die ihre "Abendgarderobe" tragen, ist also vermutlich auch als Gehschlitz gedacht und nicht ausschließlich zum Reiten (allerdings mit vielmehr Stofffülle durch extra Geren und nicht so doll aufklaffend, wie man das in der "Szene" häufig sieht, aber dazu gibt’s andere Themen). Einen Zusammenhang zwischen Länge und Reitschlitz kann ich nicht erkennen, den gab’s scheinbar bei allen Kleidungslängen, freilach nicht bei Frauen.
In der Mac scheint es tatsächlich so zu sein, dass das Surcot meist eine Handbreit kürzer ist als die Cotte, in der Manesse ist das schon nicht mehr so. Ich würde das also nicht als ausschließliche Form, aber vielleicht als häufige Form betiteln.
tunica ist eigentlich ein lateinischer Begriff und heißt übersetzt[1]): 1. Tunika [ein ärmelloses, um den Leib gegürtetes Hemd, das röm. Untergewand] […] 2. Leibrock, Wams
Die Form ist dabei also eher weniger entscheident, als das es sich bei der Tunika ursprünglich um ein Untergewand gehandelt hat. Die mittelhochdeutschen Begriffe unterscheiden so weit ich weiß nicht zwischen verschiedenen Längen und betitelt alles als wat, cleit, gewant etc. [2]
[1] Stowasser, Lateinisch - deutsches Schulwörterbuch; München 1998
[2] Brüggen, Elke; Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts; Heidelberg 1989
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Eintrag #3 vom 23. Dez. 2005 13:47 Uhr
Stefan
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Das hat mir ja schon um einiges weitergeholfen.
Ist jetzt fuer mich nur noch nicht geklaert wie das aussah fuer das arbeitende Volk.
In deren Fall wird ja dann nur eine Cotte entsprechend der Laenge getragen, richtig?
Stefan
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Eintrag #4 vom 23. Dez. 2005 13:59 Uhr
Alexandra Krug
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Kannst ja auch nochmal bei Edward the confessor reinschauen:
wwwlib.cam.ac.uk/cgi-bin/Ee.3.59/browse - die Bibel ist ja um 1260 in England entstanden.
An dieser Stelle vielleicht ein Hinweis für Ruth und alle, die sich mit Schlupfärmeln beschäftigen: Auf einer Seite sieht man zwei Männern mit Schlupf- oder Scheinärmeln. - Das nur so am Rande -
Generell ist mir aufgefallen, daß die englische Mode - bei höher gestellten Personen - immer mal mit mehr Ornamentik dargestellt wird, als in anderen Handschriften aus Deutschland oder Frankreich. Die Saumlängen waren jedoch ähnlich wie in der Mac-Bibel auch zu sehen ist.
Für die Darstellung eines einfacherern Mannes ist das ja sowiso egal - da scheinen die Tuniken ja generell bis zum Knie gegangen zu sein.
Viele Grüsse, Alexandra
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Eintrag #5 vom 24. Dez. 2005 16:28 Uhr
Johannes Kulick
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Die Länge des Surcot ist durchaus interessanter als ich zuerst dachte. In der Mac-Bibel und auch in der Manesse sind sie fast durchgehend Knöchellang dargestellt. Leute mit knielanger Kleidung tragen dort einfach gar kein Surcot. Die kürzeste Surcot die ich in der Mac gefunden habe. ist kurz vor der Szene wo David Goliath tötet. Dort trägt einer der Hirten (?) eine weiße Surcot mit Schein-/Schlupfärmeln. Sie reicht grade bis zu den Knien, die Cotte darunter hat die Mac-typische Handbreit mehr.
Ganz anders stellt sich die Länge im Falkenbuch Friedrichs II. dar. Dort reichen die Surcots (übrigens fast alle mit Scheinärmeln) durchgehend nur bis knapp übers Knie, die darunterliegende Cotte sieht man so gut wie nie (außer natürlich bei ausgezogenen Scheinärmeln an den Armen.) Die Cotten sind dort also deutlich kürzer als in zeitlich vergleichbaren Malereien. Auch bei den höher gestellten Falknern. Das ist vermutlich auf die Arbeit, die sie ausführen müssen zurückzuführen, wo die lange Form vermutlich hinderlich wäre. Also auch bei der Arbeiten Oberschicht eher kürzere Cotten.
Frohe Weihnachten
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Eintrag #6 vom 24. Dez. 2005 21:25 Uhr
Stefan
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Dann haben mich meine Augen beim betrachten der Bilder wirklich nicht im Stich gelassen.
Laesst sich daraus also schließen dass je hoeher gestellt innerhalb der "Gesellschaft" als auch je weniger handwerkliche Arbeit sich die Kleidung verlaengert?
Stefan
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