Kleidung der Frau um 1475 in Bayern
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Eintrag #1 vom 08. Jan. 2009 10:54 Uhr
Marion Lösch
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Hallo zusammen,
Was das große "A" angeht muss ich gestehen bin ich alles andere als ein Profi…
Ich hab zwar noch nie einen Carbone-Rock getragen, aber meine (immerhin selbstgenähte) Gewandung beruhte doch sehr auf Bildern und "so könnten die das gemacht haben…"
Ich habe zwar auch Bücher geschmökert aber, wie ich später rausgefunden habe, leider die falschen (z.B. Dragon-Sys…)
Das einzige was schon recht ordentlich funktioniert sind Lederarbeiten. Meine Schuhe und Taschen sind zwar noch nichts für die "Oberen 10.000" aber sie sehen gut aus, sind nach Funden gebaut und sind bequem bzw. praktisch. Aber natürlich erst ein Anfang. Ich möchte gerne Sachen fertigen können, wo mir so schnell keiner glaubt, dass sie selbstgemacht sind… Die Grundlagen der Technik an sich hab ich zum Glück schon raus; gepichtes Hanfgarn, Randstreifen, Verstärkungen etc.
Da geht es mir jetzt aber noch um die Feinheiten. Was war der Unterschied zwischen normalen und schönen Schuhen? Welche Form wurde als edel betrachtet und welche als rustikal? Inwiefern wurden die Schuhe verziert (z.B. punziert)? Wer benutze welche Lederarten? Wurde das Leder eingefärbt? Wurde nur Glatt- oder auch Rauh-Leder verwendet? Wir sahen die Trippen damals aus?
Bisher war ich in meiner Darstellung eine Taschnerin um ca. 1410 in Süd-Bayern.
Mich interessiert aber seit längerem die Lebensweise und Kleidung der Menschen an der Schwelle vom Mittelalter zur Renaissance (ca. 1475 )
Die aufwendigen Schnitte, die weitfallenden Gewänder und besonders das Umdenken und die (langsam) sinkende Naivität gegenüber der Obrigkeit… Es war meine Meinung nach einfach eine besondere Zeit….
Mir geht es jetzt um Folgendes:
Bisher habe ich noch keine Literatur speziell über die Kleidung am Ende des 15.Jh in Bayern gefunden.
Allgemein wird ja immer gesagt, dass Süddeutschland modetechnisch etwas "hinterher" war… Wäre es daher möglich die Kleidung wie sie in Herjolfsnes gefunden wurde auch noch für Ende der 15.Jh. zu übernehmen? Oder weiß jemand etwas von Funden speziell aus dieser Zeit und Gegend?
Ich Freue mich schon auf Eure Tips.
Danke schon mal.
mfG
Marion
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Eintrag #2 vom 08. Jan. 2009 11:31 Uhr
Jens
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Moin,
Das sind sehr viele Fragen aus syehr unterschiedlichen Themenkomplexen (Kleidung, Schuhe etc.), für die es teils auch schon Threads mit entsprechenden Literaturhinweisen gibt.
Zunächst einmal möchte ich ein zwei Dinge aufklären, bevor Du dich verrennst:
"die (langsam) sinkende Naivität gegenüber der Obrigkeit"
Ich glaube, da hast Du eine völlig falsche Vorstellung. Weder waren die Menschen damals pauschal "naiv" noch dummblöd gegenüber "der Obrigkeit" (und welche sollte das jetzt genau sein? Die Stadtverwaltung? Die Kirche?)
"Allgemein wird ja immer gesagt, dass Süddeutschland modetechnisch etwas "hinterher" war."
Wird es das? ;) Das wäre mir neu. Die Mode in Süddeutschland entwickelte im Verlaufe des 15ten Jahrhunderts einen etwas eigenen Stil, mit Einflüßen aus Italien eher denn aus Frankreich.
"Wäre es daher möglich die Kleidung wie sie in Herjolfsnes gefunden wurde auch noch für Ende der 15.Jh. zu übernehmen"
Betrachtung der Funde aus Herjolfnes ist sicher sehr sinnvoll für das Verständnis der Schnitte und weiterer Techniken, direkt übernehmen lassen sich diese jedoch nicht- schließlich stammen sie von grönländischen Bauern, und sind recht unterschiedlich datiert.
Hier hilft nur ein Kreuzvergleich von Bild und Textquellen sowie Befunden.
Profane Bekleidung aus Süddeutschland im Befund ist mir keine bekannt.
Am besten, Du legst Doch regional etwas genauer fest, und besorgst Dir etwas allgemeine Literatur zum späten Mittelalter, besuchst einige Museen und Kirchen, betrachtest Dir genau deren Altarbilder und Gemälde, versuchst einen hiesigen Fundkomplex für Schuhe zu finden (da gibt es, im Gegensatz zur Kleidung, nämlich einige), und bildest Dir langsam ein genaueres Bild.
Vlt. hilft Dir in dem Zusammenhang ja auch die Literaturliste sowie die Realienartikel auf unserer Homepage weiter, im Teil fürs späte 15te:
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Eintrag #3 vom 08. Jan. 2009 12:32 Uhr
Thorsten
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Moinmoin,
Vielleicht können Dir da auch Tomasz und Konsorten helfen, die sitzen in Regensburg und speziell Tomasz legt Wert auf die süddeutsche Mode anstelle der in der 15. Jhdt. Szene recht verbreiteten burgundischen.
Bis denn
Thorsten
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Eintrag #4 vom 08. Jan. 2009 12:46 Uhr
Marion Lösch
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Danke Thorsten, werd mir die Seite mal anschaun.
@Jens:
"Die Mode in Süddeutschland entwickelte im Verlaufe des 15ten Jahrhunderts einen etwas eigenen Stil, mit Einflüßen aus Italien eher denn aus Frankreich."
Das wusste ich nicht. Ich hab in mehreren Büchern gelesen, dass z.b. die Renaissance in Bayern später anzusetzten ist als im Rest Deutschlands… Wo kann ich was über den besonderen Stil finden?
Allgemeine Literatur zum Spätmittelalter hab ich ja gelesen, da wird aber fast nur über die Kleidung der Adligen und Kleriker berichtet. Das gleiche ists mit Gemäälden etc. Nur in seltenen Fällen sind "kleine Leute" oder Handwerker genau dargestellt. ich kenn jedenfalls nicht viele Beispiele…
mit "Naivität gegenüber der Obrigkeit" meinte ich Folgendes: Die landläufige Meinung über die Menschen im Mittelalter besagt ja, dass alle doof waren und der Priestern und Stadträten brav nachgedackelt sind. Ich habe aber schon öfters gelesen, dass dies (wenn überhaupt) selten der Fall war, z.B. in ländlichen Gegenden (wie heute auch"|) Besonders ab dem 15.Jh. bildeten sich anscheinend immer mehr (reiche) Leute und waren daher nicht mehr so anfällige für Manipulation. Hoff mal, es kommt rüber, was ich versuch zu sagen"|
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Eintrag #5 vom 08. Jan. 2009 14:18 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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"Ich hab in mehreren Büchern gelesen, dass z.b. die Renaissance in Bayern später anzusetzten ist als im Rest Deutschlands… Wo kann ich was über den besonderen Stil finden?"
Da haben wir schon wieder den leider weitverbreiteten Irrtum das der Beginn der Ranaissance darüber Aufschluß gäbe wie rückständig eine Gegend sei. Das der Stil der Renaissance hierzulande später ubernommen wurde lag weniger an der Dummheit der Leute als viel mehr daran das ein eigener spätgotischer Stil vorhanden war, der Italien z.B. so nicht hatte. Natürlich wird in der Kunstgeschichte gerne von der Renaissance als einem Fortschritt gesprochen, rein von der Mode her ist aber eine parallele Entwicklung zu beobachten, die mit einer schließlich in einer eigenen Renaissancemode mündet. Die italienische Mode des späten 15. Jahrhunderts hat wenig gemein mit der deutschen des frühen 16. obgleich beides als Renaissancemode angesprochen wird.
Leider wird die ganze deutsche Mode des späten 15. Jahrhundert in den einschlägigen Publikationen der Kostümkunde recht stiefmütterlich behandelt und gerne als Einfluß irgendwelcher anderer Moden bezeichnet. Dafür gibt es reichlich Bildquelle, wie Jens schon schrieb und man kann sich hervorragend ein eigenes Bild machen.
Schöne Grüße
Andrej
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Eintrag #6 vom 08. Jan. 2009 17:54 Uhr
Jens
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Hallo Marion,
Es gibt auf Gemälden schon jede Menge "kleiner" Leute, vom Bettler angefangen, zu sehen. Desweiteren gibt es eine ganze Latte an Textquellen, die die Zusammensetzung der spätgotischen Mode in dem Zeitrahemn und der Region behandeln. Schau einfach mal bei uns in die Literaturliste, und die Quelllisten zu den einzelnen Kleidungsstücken, da sind ein paar als Ansatzpunkt (nicht alle) behandelt.
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Eintrag #7 vom 09. Jan. 2009 16:57 Uhr
Rüdiger (Artur)
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Au, ich glaub mein erster post? Egal.
Kann ich Jens zustimmen. Es gibt viel an gemeinem Volk auf 15Jh Bildnissen zu betrachten. Das sind einfache Beobachtungen, die erstmals nicht zu interpretiert werden brauchen.
Schon die ganzen weiblichen Heiligen, da ist einiges an auch gut bürgerlicher Mode zu erkennen, denn etwas festlich-höfisches solls ja sicher auch nicht sein.
Ich glaube allerdings ja nicht, dass jemand einen Vagabunden, Obdachlosen oder völlig Asozialen darstellen möchte. Dennoch Gesindel (nicht Gesinde ;)) sieht man auch auf Abbildungen.
Gerade bei Frauen in dieser Zeit ists ja meistens die Qualität des Stoffes, die jemandem als etwas besseres auszeichnet, weniger der Schnitt. Zumindest wenn ich Skulpturen und Abbildungen betrachte. Und klar Accessoires, Schmuck. Aber deshalb schauen die zeitgleich gestalteten weiblichen Heiligen auch immer grundsätzlich ähnlich gekleidet aus, ob Maria, Magdalena, Barbara usw. Ausser manche haben nur schlichte, (ein)farbige Kleidung und andere mit Brokat oder kostbaren Pelzbesätzen, kommt eben auf die Heilige an. Auch wenn man sich den weiten Mantel wegdenkt, ist der Schnitt des eigentlichen Kleides auf einmal ähnlich wie das Kleid der Magd. Und logisch die Heiligen haben ihre speziellen Attribute.
Da ja praktisch das meiste biblische Darstellungen sind, ausser manchmal Skizzen (wie bei Schongauer) findet man dort Hirten, Bauern, Schergen, Bauern, Mägde, edlere Leute, Bürger, alles an verschiedenen Ständen mit gemalten oder bildhauerischen interessanten Details, die ja wohl zeitgenössisch sind, nicht historisch oder historisierend.
Interessant sind klar auch Stifterfiguren mit detaillierter Physiognomie, die können ja wirklich zugeordnete Portaits sein.
Und wenn ich fränkisch/bayerisches an Bildniskunst mit oberrheinischem oder vom Bodenseegebiet vergleiche sind gerade bei der Männerbekleidung doch Unterschiede zu erkennen.
Am Oberrhein ab Mitte 15Jh geschlitzes, hab ich so in der Art weder bei Italienischem oder anderem Deutschen so früh gesehen. SW Deutsch eben eher schräger.
Nun hoffen wir mal dass die Datierungen nicht in den Jahrzehnten irren :)
Bei Museumsrüstungen manchmal ja offensichtlich falsch.
Auf alle Fälle wie schon erwähnt wurde, warum viele als Burgunder rumrennen wollen, ist mir schleierhaft, denn diese Vorbilder stammen auch fast ausschließlich von damaligen Künstlern der heutigen Be-Ne-Lux Staaten, da braucht man nicht so gross recherchieren, die Verdächtigen sind bekannt; es gibt regional genug spezielles. Und warum wie ein Belgier in Bayern rumlaufen? Wer es nicht will kann locker ausweichen. Möglich ists. Dennoch es darf ja jeder wie er will, manchmal wird man allerdings dann wüst beschimpft, damit sollte man halt rechnen und leben.
Dennoch, ohne Interpretation gehts nicht, ganz klar. Gibt keine Schnittmuster und Originalmuster, zumindest nicht in dem Bereich und Maße wie mans bräuchte um zu kopieren.
Ich glaube viele machen auf Burgunder Mode weil eben schon von manchen bekannten Leuten diese massig interpretiert wurde und man diese Interpretation nun kopiert und gut kopieren kann, sie ist vorhanden. Ist ja ok, aber das muss ja schließlich nicht sein.
Ich will ja nicht den Jens loben, aber ich denke für den heutigen südöstlichen Teil Deutschlands ist es gut dass er sich hier zu diesem Thema meldet.
Ich kann nur generell als Restaurator der auch schon Riemenschneider und Hans von Kulmbach restauriert hat (und noch weniger bekanntes) das offensichtlich Erkennbare hier schreiben. Wie mans dann interpretiert als brauchbare Kleidung und Ausrüstung ist was anderes.
Dennoch ich finds schön wenn sich jemand mal fragt, wie siehts jetzt speziell bürgerlich in Bayern aus, wie in der Schweiz, Burgund (wo genau da, Dijon oder Brüssel?)oder auch Oberrhein, da bin ich nun sesshaft.
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Eintrag #8 vom 09. Jan. 2009 20:00 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Bei der Darstellung von Heiligen läuft man natürlich leicht Gefahr einer typisierten Darstellung auf den Leim zu gehen. Grad Kreuzigungsszenen sind oft so überzogen und oriantalisiert dargestellt das die gezeigten Kleider kaum als Quellen dienen können.
Weniger detailliert, dafür aber näher an der reelen Mode scheinen Handschriften zu sein, wie das sogenannte Wolfenegger Hausbuch, das nach aktuellem Stand um Mainz herum entstanden sein könnte, die Handschriften aus der Werkstatt Hennflin aus Stuttgart oder auch die Holzschnitte aus der Kölner Bibel um 1478 um nur einige im Netz leicht zugängliche zu nennen.
Koberger Bibel (die Holzschnitte wurden aus der Kölner Bibel übernommen und sind bis auf die koloration identisch): digital.fides.org.pl/dlibra/docmetadata?[
]
Interessant aber nicht im Netz wären noch entsprechend zeitgenössische Ausgaben der Riechentalchronik, das Tübinger Hausbuch oder auch die Dirmstein-Handschriften in Frankfurt.
Aus diesen Quellen ergibt sich meiner Ansicht nach schon eine recht klare Mode die sich zwar in etlichen Details regional noch unterscheidet, aber doch deutlich von italienischer Mode oder gar burgundischer Hofmode abweicht.
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Eintrag #9 vom 10. Jan. 2009 11:19 Uhr
Rüdiger (Artur)
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Andrej,weibliche Heilige zwischen 1450-1500 in orientalischer Tracht aus deutscher Hand gestaltet? Klsr muss man schauen, ob ein Orientale dargestellt werden will oder nciht, aber das ist dann auch am Inkarnat feststellbar, allerdings weibliche Orientalinnen als Heilige im 15 Jh? Ich geb zu, fällt mir grad nichts ein, aber wenn, dann wärs auch für mich interessant.
Ich selbst kenne nur weibliche Heilige in dieser Zeit die in typischer Tracht gestaltet sind, eben mal mit Pressbrokat (dann an an Skulpturen), mal Teile vergoldet, versilbert, klar oft überfasst, dann muss man genauer untersuchen, wenn erwünscht, auch oft leider schwarzoxidiertes Silber oder eben einfacher in der Farbgebung, wenns denn keine ‘Maria’ sein soll. Das einzige das oft orientalisch wirkt sind die weiten Gewänder, Mäntel, aber das wirkt auch nur so auf den ersten Blick so. Wenn was um 1500 willst als Frau, geh einfach ins Mainfränkische Museum schaue die die weiblichen Heiligen an, klar oft bisschen nach 1500 und Du siehst Gebrauchskleidung, wenn da was anderes erkennst dann weiss ich auch nciht. Und dass die Proportionen in der Spätgotik oft nicht stimmen, Köpfe oft grösser sind und nach unten hin schmaler hat auch was mit dem Umstand zu tun, dass man fast immer eine Untersicht der Figuren an Originalen Standorten hat (im Museum eben anders). Fällt halt bei Skulpturen häufig auf, aber Accessoires oder Applikationen sind wenn im Original vorhanden eindeutig als für damals gebräuchlich festzustellen. Oft hat man später im Barock oder 19Jh (das kann man ja auch untersuchen) Attribute ausgetauscht, und dem geschmack angepasst, sowie eben auch fassungen. Ab Ende 19Jh. dann viele Figuren von fassungen befreit, auch von Originalen, aberd as ändert doch nichts an der objektibven Tatsache dass die Figuren an sich nicht fanatastischer aussehen, als zB in hausbüchern usw. Da kenn ich einfach zu viel an Original um den Unterschied nciht zu erkennen. Typisierung läuft über Attribute, nur eben der soziale Stand der Figuren wird typisiert, klar.
Ich gebe eben jedem den Tip, schaut was es bei euch slebst in der Umgebung an Gotik noch gibt und lernt das anschauen, als irgendwelche Bücher die hunderte km weit weh entstanden sind wiederum als Vorlage zu nehmen. dann haben wir wieder das Burgunder Problem.
Also gerade in der Spätgotik sehe ich bei den heiligen weniger Problem, ok wenn einen ‘Mohr’ siehst der offensichtlich anderes anhat, dann setze ioch mal voraus dass wenigstens ein wenig Gespür vorhanden ist. Aber fargen kann man immer.
Dennoch nochmals ich sehe mehr probleme in Hausbüchern die eine ganz andere region berücksichtigen als die, die man selbst eigentlich darstellen möchte. Der Ursprungsort wo das Werk entstanden ist ist natürlich genausowichtig wie der Standort der Kundschaft.
Das Hausbuch Schloss Wolfegg ist ja sehr nach Meister E.S. enstanden da sieht man deutlich Bodenseeeinflüsse im Stil.
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Eintrag #10 vom 10. Jan. 2009 12:38 Uhr
Jens
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Moin,
Nichtprofane Figuren, insbesondere Heilige, sind als Vorlage für Kleidungsstudium in der darstellenden Kunst immer die allerschlechteste Wahl. Das fängt mit betont altmodisch-züchtiger Kleidung an, geht über typisch klerikale Verzierungsdetails, ßberhöhung durch extremen Prunk in Punkto Verzierung bis zu klassischen Attributsdingen, wie lateinischen Spruchbändern.
Und wirklich deutliche regionale Merkmale vor 1490 im Sinne von "typisch ostmittellinksrechtsrehinischdeutsch" oder "Bodenseeregion" konnte ich bislang selbst nach Studium einiger hundert Bildquellen nicht feststellen. Schlitze hats z.B. auch in allen möglichen anderen Darstellungen schon deutlich pre-1470.
Es ist ja auch noch so, dass die in der Region verbliebenen Kunstwerke oft nicht aus dieser stammen, und die allermeisten Künstler sind weit gereist gewesen, ob das dann also wirklich hiesiger Kleidungsstil ist, lässt sich kaum sagen.
Das beste, was man tun kann, ist sich nach möglichst lokalen Quellen richten, übereegionale ausgiebig mitbetrachten, und dann daraus eine Gesamtinterpretation ableiten.
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Eintrag #11 vom 10. Jan. 2009 13:24 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Zumindest sind weibliche Heilige anders gekleidet als andere Frauen. Immer gerne in weite Mäntel und wie schon gesagt eher ansonsten in altmodischer Kleidung. Ganz selten das man mal aufwändige Schnürungen oder vergleichbares sieht. Wie Jens schon schrieb immer etwas überholt und züchtig. Die weiblichen Nebebfiguren (beliebtes Beispiel sei Marias Magd auf Abbildungen der Bescheidung Christi) sind dann auch gerne in Sachen gekleidet von denen ich eben nicht weiß ob es nicht doch, wie bei vielen männlichen Figuren orientalisierend sein soll. Insgesamt eben anders als beispielsweise in profanen Handschriften zu sehen.
Wirklich zielführend ist wohl am ehesten ein Vergleich verschiedener Bildquellen und ein Abgleich mit Textquellen wie z.B. Kleidungsvorschriften. Alles zusammen mag dann ein klares Bild ergeben. Wobei der Begriff Mode hier vielleicht zu groß gewählt ist, wie Jens schrieb sind die Moden der Zeit nicht so klar abzugrenzen wie das gerne postuliert wird und in der flämischen Malerei sieht man oft Sachen die eigentlich typisch für die süddeutsche Mode sind und umgekehrt. Es sind eher einzelne Dinge die das Bild prägen. Der breite Gürtel der burgundischen oder auch der Faltenwurf auf einem Kleid der süddeutschen Mode. Ein Ausschließlichkeitsanspruch besteht da aber selten.
Was den Hausbuchmeister angeht, so wäre mir ein Bodensee-Einfluß neu. Mittlerweile wird ja davon ausgegangen das er zumindest vom Niederrhein oder aber auf dem Flämischen stammt, das Hausbuch aber im Mainzer Raum entstanden sei und Handschriften aus dem südhessischen Raum zeigen sehr ähnliche Kleidung. Wobei die Höfischen Szenen schwierig einzuordnen sind, da sie wohl das direkte Umfeld Friedrichs III. darstellen.
Schöne Grüße
Andrej
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Eintrag #12 vom 10. Jan. 2009 14:11 Uhr
Rüdiger (Artur)
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Zuallererst, ich spreche nur meine persönliche ‘Wahrheit’, die allerdings auch nicht alleine dasteht, und möchte vor allem differnzierte Blickwinkel und niemals einseitige Doktrinen vermitteln. Gerade Leute mit anderen Anschauungen und Resultaten sind meistens die interessanten Leute, wenn das ganze dennoch in wirklich farbenfrohen Diskussionen endet (buntes ist nicht schön ;))
Jens, da sprichst du schon wichtiges an, aber man sollte die Heiligendarstellungen nicht ignorieren, und das wird sträflicherweise sehr gemacht, man verschanzt sich inzwischen in wenigem das einem modischen bürgerlichen modernen Idealbild entspricht, das in zehn fünfzehn Jahren vom dann gängigen eingeholt sein wird, anstatt vielschichtig zu denken; ich stelle immer wieder fest, was ‘ich nicht möcht ist einfach nicht richtig, wenn ich noch paar gleichgesinnte treff wird daraus dann die Wahrheit’ und da befindest du dich nicht nur auf einem guten Weg, doch die Rechtfertigung die man im Hobby betreibt beruht auf 90% in vielen Bereichen auf reinste Interpretation, denn auch Deine Sachen sind Interpretationen die mir persönlich allerdings ausgezeichnet gefallen und man kann sehr wohl regionale Unterschiede feststellen, bei Frauenmode allerdings weniger als bei der Herrenmode. Jedenfalls tu ich mich bei den Frauen schwieriger. Mit regional meine ich jetzt nicht Italien Frankreich oder Deutsches, sondern tatsächlich südwestdeutsch, südtirol und zB franken, und ich bin sicher da siehst auch du Unterschiede, die klar auch mal verschwimmen aber sie sind vorhanden. Was kommt vermehrt wo vor? Die Frage kann niemadem einem beantworten wenn man dann keine Vergleiche anstellen kann, deshalb man muss einfach selbst forschen, hilft nix und natürlich reflektieren. Nun hier im thread ist doch die Frage nach bayerischem und ich sehs einfach als nicht richtig an (ist ja auch nichts schlimmes), weils so schön bequem ist einfach irgendein Buch hervorzuzaubern das mit der Region nunmal und das solltest du doch erkennen nichts zu tun hat und mit dem Thema eben nichts.
Und männliche Heilige sind was ganz anderes als weibliche, was Darstellung zum Teil anbelangt. Du findest schonmal keine weiblichen Bischöffe,
und ‘Ritter’ auch nicht. Ausserdem wird reenactment im 15JH nur voranschreiten, wenn man vieles an Kleidung das man sieht versucht nachzubilden, nicht nur weniges, das man als machbar erachtet und nicht dass man sagt diese Kleidung erscheint mir logischer als andere und dann kriegen wir als Resultat nur ‘unser’ momentanes immer gleiches bild…ne zeitlang wars eben das burgundische. Wenn es niemand gibt der explizit nach bayersischem sucht und umsetzt, wird dann wieder nur an 2-3 gängigen Beispielen enden, weil er ja nichts falsch machen will, wobei er auch nichts richtig machen kann.
Ok, ich bin neu im reenactment aber alt was gotische Kunst angeht und man muss auch terminologisch benennen, erkennen, und die Terminolgie ist manchmal anders als beim reenactment, auch klar. Man muss auch Vorgehensweisen der Werkstätten kennen und wie was umgesetzt wurde damals. Ob nun manche Künstler vorlieben hatten, diese dann in der Umgebung kopiert wurden oder das regionale tatsächliche Unterschiede sind, wir könnens nicht mehr feststellen und werdens niemals feststellen. Nur wenn du sagst diese Abbildungen sind schlechter als andere, dann hast du faktisch Unrecht, das recht sprech ich jedem ab, der die Werke nicht selbst erschaffen hat, weil es nicht nachweisbar ist. Das was wir heute interpretieren, ist unser momentaner modischer Blick unserer Zeit reflektiert auf das vergangene, nicht mehr. In 20 Jahren werden Interpretationen wieder anders aussehen, das sollte klar sein, aber diese sind dann nicht besser oder schlechter, es sei denn handwerklich schlecht. Du findest eines glaubwürdiger als das andere (ich übrigends auch, so ists ja nich ;)), aber ich sehe sogar sehr wohl glasklare Parallelen in beidem. Aber es gibt kein Recht und Unrecht, es sei denn man kopiert einfach irgendeine 19Jh Interpretation und sagt das ist 15Jh, das ist dann falsch. Und ich sage dirs ganz klar, wenn du eine Skizze einer Schongauer Jungfrau nimmst und diese wohl nach realen Kleidern gezeichnet wurde und dann eine niedere Heilige auf einem Tafelgemälde nimmst oder als Skulptur, oder eine dargestellte Magd auf einem dennoch biblischen Motiv, wirst du nicht viel Unterschied feststellen ausser dass bei zB einer Skulptur die originale Fassung farbkräftiger ist als eine vergleichsbare originale Stoffärbung, zumindest anders in der Farbwirkung. Was eben auffällt hauptsächlich, Heilige tragen meistens Mäntel, aber denk dir den doch mal weg.
Dennoch, ich denke und das hast du sicher auch festgestellt, wir Männer sind bildlich auch profan eher bisschen bevorzugt, oder nicht? :)
Und wenn du wirklich weibliche Heilige (bei den Männern siehts wirklich anders aus) mit eher profanen Darstellungen vergleichst, wirst du einfach keine grossen Unterschiede erkennen, also ich hab schon so viele Skulpturen unterm Mikroskop gehabt, deren Kleidung auch mit allen möglichen Abbildungen verglichen, also vielleicht reicht meine fantasie nicht aus, aber das ist schon sehr ähnlich, ausser eben die Ausschmückung, aber das ist doch grundsätzlich klar, dass Krönchen und ‘Röstgatter’ nicht allgemeingut ist. Und eben, mit Schmuck, Spruchbändern, das ist was anderes, aber grundsätzlich kann ich zumindest Skulpturen und Gemälde vom Oberrhein, von bayerischen, Südtirolern, norddeutschen sehr wohl unterscheiden, auch was Sitzform der Kleidung angeht ich weiss nicht wo das Problem dabei liegen sollte.
Also ich kann sehr gut herauslesen was an Kleidung eine Skulptur anhat, und es sieht 1400 anders aus als 1470 und auch in Südtirol schon anders als in Würzburg. Bei Frauen nicht sonderlich entscheidend, bei Männern mehr. Ich geb zu ich habe zwei Frauen kennengelernt die enttäuscht sind von dem an Kleidung was eine Frau um 1480 zu bieten hat. Man sucht und sucht und alles ist irgendwie ähnlich bei uns.
Ok, bei Heiligenabbildungen eher mal konservativer (nicht bei der Magdalena, die ist ne Hure), das ist aber auch kein Qualitätsmerkmal. Und wie schon erwähnt den Stand erkennt man gerade bei Frauen weniger an der Allgemeinerscheinung eher an der Wahl des verarbeitenden Materials, zumindest in Deutschland in dieser Zeit. Ich würde jedenfalls niemals jemandem nach Köln schicken um die Kunst anzuschauen und deren ansässige Künstler als Vorbild nehmen damit er eine Bayerin darstellen möchte, darauf kommts doch hier an. Eher mal die Heilsbronner Madonna (obwohl auch kein Bayern), die sehr schlicht ist, allerdings um 1450, bisschen früh) aber dennoch erkennbar ein tragbares Kleid anhat. Klar ein Krönchen würde ich niemandem empfehlen. Aber da diese Madonna höchstwahrscheinlich regional enstanden ist, ist mir so eine Interpretation lieber für Heilsbronner Gebiet, als wenn jemand sagt, aus den Schweizer Bildchroniken hab ich mir was gemacht, das passt doch auch zum gesamten süsddeutschen Raum. Ok, das ist subjektiver geschmack auch, logisch. Und immer wieder, es gibt kein richtig und falsch, wenn man jedwedes Abbild so genau als möglich umsetzen möchte, nur in sich kanns falsch sein.
Ich hoffe wenigstens dass mal auch andere, sicher auch für manche schlimme Blickwinkel wieder ins Hobby einspielen, und nicht eine Interpretation als die Wahre und die andere als falsch angesehen wird, nur weil man glaubt man hätte ein Nonplusultra erreicht. Bei Bekleidung gehts nicht, bei Ausrüstung am ehesten, anorganisches ist vielviel besser möglich, dort gibts Dinge die man nahezu kopieren kann. Ich habe andere Blickwinkel, sicher aus langjähriger Erfahrung im Beruf, weniger mit reenactern, das kommt jetzt langsam und ich finds interessant und Teile die Ansichten und Erkenntnisse mit meinen direkten Restaurierungskollegen auch und sind meine Erfahrungswerte. Stilmerkmale kommen in alle restauratorischen Dokumentationen hinein, nicht nur Schadensberichte und die muss man vergleichend anstellen, auch klar. Ich sehe reenactment als Erweiterung im Genre an, aber auch nicht als etwas päpstliches. Sowas gibts nicht, nur im Katholizismus.
Ich sehe es immer noch als wichtig an, dass die Marion sich alles an Kunst anschaut, und immer auch wichtig das Regionale auch wenns auf den ersten Blick nicht in unser gutbürgerliches Grundschema passt.
Auf Hausbücher wird sie so oder so stossen, und um die inzwischen massig ‘gleichen’ Interpretationen dieser auch, das machts in meinen Augen aber auch nicht besser oder schlechter.
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Eintrag #13 vom 10. Jan. 2009 16:13 Uhr
Jens
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Tut mir leid, Rüdiger, aber bei dem Text verliessen sich mich… was willst Du uns sagen? Angesichts hoffnungslos unterrepräsentierter Satzzeichen kann ich deinen Absatz nur schwer lesen, und mir fehlt bei dem, was ich lese, die klare Linie.
Es ging und geht ums späte 15te, 1400 ist wieder ne andere Sache. Heilige sind aus erwähnten Gründen er suboptimal als Vorlage, auch wenn ich nirgends gesagt habe, man solle die garnicht betrachten.
Eine Bodenseemodeströmung kann ich um 1470 genausowenig ausmachen, wie sonstwelche wirklich arg regionalen Strömungen, sieht man mal vom Unterschied Nord-/Süd oder grundsätzlich nationalen Tendenzen ab.
Wenn jemand gegensätzliche Belege hat, bitte her damit.
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Eintrag #14 vom 10. Jan. 2009 18:31 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Ich kann mich dem nur schwer anschließen. Zum einen kann ich nicht erkennen das es zuwenig Möglichkeiten für Frauenkleider um 1480 gäbe. Selbst ind er deutschen Mode reicht die Spanne von Kleidern mit aufwändiger Schnürung über brokatene Unterröcke bis zu eher einfachen Kleidern mit sehr komplexem Faltenwurf um Brustbereich wie sie hier in der Gegend auf einigen Grabmälern zu sehen sind.
Auch das das Hausbuch schon ausgelutscht sei, kann ich so nicht erkennen. Eher im Gegenteil, ich sehe immer noch mehr Rekonstruktionen nach "Söldnerleben im Mittelalter", als nach dem Hausbuch. Wobei das halt eben nicht die Allein seligmachende Quelle ist als die es teilweise dargestellt wird, eben weil das dargestellte nicht mal eben der Alltag des Normalmenschen von damals ist.
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Eintrag #15 vom 11. Jan. 2009 17:51 Uhr
Rüdiger (Artur)
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Hallo, klar gestern war völlig durcheinander, wollte aber endlich mal etwas schreiben, nächste Wochen wieder gar keine Zeit. Sicher auch falschen Zeitpunkt gewählt fürs Forum hier. Ich glaub ich werd den Gedankenaustausch im reenactment eher mal in ner guten Runde packen als zuerst im Forum hier, oder wenn, muss mal langsamer anfangen und ruhiger durchatmen beim schreiben. Habe auch gerade gelesen was ich geschrieben hatte, eine Hudelei, sonst nix.
Letztendlich ists ja doch eher wichtig wie das Resultat ausschaut.
Ich dachte allerdings gerade bei dir Jens da Du näher an echtem Bayern bist, da könnte man doch spezifischeres rausfinden. War zuallererst bisschen verwundert.
Andrej (er)kenne ich am ehesten an seiner halben Rüstung, die kann ich dann bisschen mit meiner halben vergleichen, war ja derselbe Handwerker. :)
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Eintrag #16 vom 12. Jan. 2009 11:31 Uhr
Marion Lösch
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Hallo zusammen,
erstmal "danke" an alle ^_^
Da waren ja schon einige gute Tipps dabei.
Werd jetzt erst mal das Stadarchiv und die umliegenden Kirchen betrachten. Hab ja dieses Wochenende Zeit…
Alte Friedhöfe mit zeitgenlössischen Abbildungen gibt es hier auch zu Hauf.
Werd dann natürlich die Ergebnisse hier unter die Leute bringen ^_^
mfG Marion Lösch
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