Ital. alla tedesca mit Achsel?
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Eintrag #1 vom 13. Mai. 2007 22:30 Uhr
Christian Wiedner
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Hat jemand Belege für die Zusammenstellung eines ital. Quattrocento im deutschen Stil, bei dem das Armzeug ital. ist, der aber statt der grossen Schultern bzw. nur Kette, Achsen zum Schutz der Schulter hat?
Des weiteren ein Frage bzgl. des Rückens. Wenn ich die 2-teilige Brust nach deutscher Art niete, gibt es dann Rücken nach ital. Art dazu, oder wurde, wenn, dann alles in deutscher Weise gearbeitet? Da gibt es zwar so eine Mischform von einem Rücken in Ingolstadt, die sieht aber starr vernietet aus. Ich hätte aber gerne die Beweglichkeit der Ital.
Chris
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Eintrag #2 vom 15. Mai. 2007 09:51 Uhr
Christoph Reinberger
Servus Chris,
um dir evtl. helfen zu können muß ich noch ein paar Dinge genauer klären, die mir bezüglich deiner Fragestellung noch nicht ganz klar sind.
Es geht dir um die ital. Exportrüstungen im deutschen Stil um ca. 1470.
Es sollen die großen Schulterstücke fehlen, aber die Achseln durch Schwebescheiben und/oder Ringelpanzergeflecht geschützt sein?!
(Hört sich nach Infos aus dem Lehnart, Spätmittelalter III an)
Du meinst also das "leichte Armzeug", das es so sicher gegeben hat.
Ich habe ein Bild eines in Mailand und Brescia für den Export produzierten zusammengestellten Harnisches ohne "große Schultern", dass mir als Vorlage für meine Rüstung dient:
Ein deutsches Armzeug dazu wurde aber genauso passen. Hat es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so gegeben.
Was ich jedoch nicht verstehe, warum einen Harnisch alla tedesca, wenn du die Brust vernietest und auch nur leichtes Armzeug haben möchtest. Die Beweglichkeit des ital. Harnisches, bei dem die zweigeteilte Brust mittels Lederriemen und Schnalle verbunden sind, ist höher als die festvernietete bzw. mit gleitnieten verbundene deutsche Brust.
Und diese Lösung wurde auch bei den alla tedesca Harnischen verwendet.
Dazu gab es höchstwahrscheinlich einen Rücken mit aufschlächtigem Geschübe, das wie das deutsche beweglich gewesen sein dürfte.
Ich habe ein Bild gefunden, das den Rücken in alla tedesca Manier zeigt, aber eben eine Verbindung mittels Lederriemen.
Die Brust ist dabei ebenfalls vernietet, würde aber o.g. Gründen eine mittels Lederstreifen verbundene wählen.
Ich schicke sie dir mal per Email rüber.
Mit mehr Infos kann ich leider auch nicht dienen, da ich selbst noch auf der Suche nach guter Literatur bin.
Habe die Ehre,
Christoph
Das tragische für den einzelnen heutzutage ist nicht das Wissen, sondern die Menge dessen
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Eintrag #3 vom 15. Mai. 2007 23:41 Uhr
Christian Wiedner
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Hi Christoph, danke für die schnelle Antwort und auch für die E-mail. Die Bilder hatte ich zwar schon, habe aber nicht mehr an sie gedacht. Hier passt deine Signatur ganz gut. Auf jeden Fall ist das genau das, was ich für die Rückenfrage gesucht habe. Die Brust mache ich mit einem Gleitniet aus zweierlei Gründen. 1) Derjenige für den es ist, möchte es so. 2) Der Lederriemen auf der Brust ist im Kampf doch relativ empfindlich, wenn ihn keine Kragenplatte überdeckt.
Zum zweiten Teil. Erstmal möchte ich mich entschuldigen, falls ich mich ungenau ausdrücke. Mir sind die Fachausdrücke nicht unbedingt geläufig , da ich mich in Textform noch nicht mit dem Thema Rüstung auseinandergesetzt habe.
Meines Wissens sind Achseln die Art der Schulterrüstung, die den Arm und das Schultergelenk direkt und eng umschliessen und keinerlei ßberdeckungen zum Rumpfpanzer aufweisen. Sie werden überwiegend mit Knechtsharnischen getragen. Die Rüstung auf deinem Bild hat kleine Schultern, da sie nach hinten hin Flügel ausbilden, die den Spalt zum Rücken überdecken.
Beim Armzeug meine ich mit nach deutscher Art, so wie es auf deinem Bild zu sehen ist, mit separatem Ellenbogen. Beim ital. Armzeug ist der Ellenbogen über Geschübe fest mit dem Rest der Platten verbunden.
Was mich auf meiner Suche jetzt irritiert hat ist, es gibt Harnische alla tedesca mit deutschem und ital. Armzeug und grossen Schultern. Desweiteren Harnische mit Achseln, welche aber durchweg deutsches Armzeug aufweisen. Und zuletzt eben noch Harnische, die diesesmal ital. Arme, aber gar keine Plattenschultern haben, sondern zum Schutz der Schultern eben nur das kurzämlige Kettenhemd, dass die italiener ja wohl noch unter der Rüstung getragen haben.
Hmm, ich hoffe jetzt habe ich alle Klarheiten beseitigt…
Bei der Frage ging es auch nur darum ob Abbildungen existieren, ich dachte nämlich, dass ich so was schon mal gesehen hätte und da hat es mich stuzig gemacht, als ich meinen Krempel durchwühlt habe und nichts dergleichen fand.
Viele Grüsse,
Chris
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Eintrag #4 vom 18. Mai. 2007 11:03 Uhr
Andreas Wenzel
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Isch weiss was Du meinst. Die Anglo-Franzosen nennen diese Oberarmpanzerung "Spaulder/Spauldron" im Gegensatz zu Pauldron (kleine/grosse Schulter).
Meines Verstaendnisses nach ist das die typische deutsche Armpanzerung der ersten Haelfte des 15. Jahrhunderts, bis sich ab etwa 1460 erste deutsche Ruestschmiede der italienischen Schulterpanzerung zuorientieren. Es ist auch mein Verstaendniss dass ‘Spauldrons’ im knechtischen Harnisch weiter Verwendung finden - nicht zuletzt vermutlich weil sie geringfuegig groessere Bewegungsfreiheit erlauben.
Ich persoenlich kenne alla tedesca Harnische jetzt aber hauptsaechlich fuer den ritterlichen Gebrauch, und faende Spauldrons an so einer Ruestung etwas seltsam - nicht zuletzt da die italienische Schulter wohl einer der Hauptargumente fuer den italienischen Harnsich war (in einer mittelalterlichen Kaufentscheidung mein ich)?
Deine Anmerkungen bezueglich wechselndem Armzeug machen auf mich den Eindruck das Du dich an wirklichen ueberlebenden Ruestungen orientierst. Davon ist denke ich abzuraten, da die ueberwiegende Mehrzahl ueberlebender Harnische aus verschiedenen Ruestungen zusammengestellt wurden. Selbst wenn sowas im Museum als vollstaendig steht sind da meiner Meinung nach immer noch Zweifel angebracht. Das Beinzeug der A21 in der Wallace Collection ist ein gutes Beispiel (Faelschungs- und Kommpositdebatte). Da Statuen meist ritterliche Ruestungen zeigen, sind denke ich Bildquellen der Weg vorwaerts.
Ich persoenlich kenne jetzt aber keine Quelle die italienischen Export mit "Achseln" zeigt.
Bezueglich der Schiftung - ich faende es sehr seltsam an einem Harnisch die Brust genietet und den Ruecken mit Riehmen versehen zu sehen. Ich kenne kein einziges Beispiel in dem beide Varianten gemischt worden waeren. Macht technisch gar nicht wirklich Sinn, da der italienische Kuerass typischerweise zweiteilig ist (scharnierte Brust und scharnierter Placquart) und der deutsche wegen der Nietung einteilig (Brust und Ruecken durch Gurt verbunden). Vorteile in der Bewegungsfreiheit im Ruecken (wenn das technisch sinnvoll realisiert werden koennte) kann meiner Erfahrung nach durch den meschlichen Koerper ueberhaupt nicht genutzt werden. Der ganze Vorteil des Riemenverschlusses dreht sich doch um frontale Bewegung (Vorbeugen). Und so dramatisch ist dieser Vorteil meiner Erfahrung nach auch nicht, wenn beide Harnischformen anstaendig angepasst wurden.
Wie auch immer, bitte um Verzeihung fuer Quellenmangel, spreche hauptsaechlich aus Erfahrung. Bezueglich Entwicklung Spauldron–>Pauldron in deutschen Ruestungen orientiere ich mich hauptsaechlich an mir bekannten Primaerquellen (Statuen, Bildern, Ruestungen) sowie am Gamber-Artikel (Harnischstudien VI) und am Lehnart 1420-1480, so umstritten der letztere sein mag.
Primaerquellen fuer Spaulders ab 1460 faende ich persoenlich uebrigens auch sehr interessant, wenn jemand welche hat! Weiss das es die gibt, aber weiss nicht wo :)
Quanti Adversarii. Tantus Honor.
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Eintrag #5 vom 18. Mai. 2007 16:49 Uhr
Christian Wiedner
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Nein, das mit dem wechselnden Armzeug hast Du dann wohl falsch gedeutet. Ich habe eigentlich überwiegend in Bildquellen gesucht. Die Idee mit dem Lederriemen nur hinten ist wohl wirklich Blödsinn, und als Versuch etwas so hinzudrehen, wie man es haben will, abzutun. Aber ein Missverständnis möchte ich noch ausräumen, die Brust ist durch einen Gleitniet verbunden und damit auch beweglich. Sonst würde es wirklich überhaupt keinen Sinn machen.
Zum Italiener kann ich aus Erfahrung sagen, dass der Lederriemen auch eine gewisse Beweglichkeit seitwärts zulässt, die diese Rüstung sehr angenehm zu tragen macht. Siehe auch die Ausschnitte an den Seiten des Placquart.
Desweiteren weiss ich auch, dass die deutschen Rüstungen oft Langlöcher in Brust und Rücken aufweisen, wozu, wenn nicht um die Beweglichkeit zu erhöhen?
Wenngleich ich gestehen muss, dass sie bei meiner deutschen Rüstung im Verbund von Brust und Rücken nicht mehr funktionieren und es eigentlich auch ohne geht, wie auch Brust und Rücken aus einem Stück, was es ja auch gibt, zeigen.
Zum Schulterschutz: ich versuche es mal andersherum. Wie sah ein ital. Knechtsharnisch aus, oder eine Rüstung einem deutschen Knechtsharnisch entsprechend, wenn es bei den Italienern nicht so hiess? Das gemeine, gerüstete Fussvolk wird keine grossen Schultern getragen haben?
Und zuletzt, es ist tatsächlich erstaunlich, wie wenige Achseln es doch gibt. Ich hätte spontan gesagt, dass ich relativ viele Bilder davon habe, aber nach 1450 und bei genauerem hinsehen fällt doch das Meiste weg. Und dass die Herrschaften auch immer einen Mantel um die Schulter haben müssen. Bei meiner Suche nach den Achseln habe ich übrigens vereinzelte Personen gefunden, bei denen man Achsel und ital. Armzeug hineininterpretieren könnte…
Gruss
Chris
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Eintrag #6 vom 18. Mai. 2007 20:46 Uhr
Christoph Reinberger
Servus Chris,
ahhhh, ich spreche hier mit einem Plattner. Da hätte ich mir meine Ausführungen sparen können. ;-)
Ich finde das wieder mal faszinierend. Während du dich von der praktischen Seite näherst gehe ich den umgekehrten Weg über die Theorie. Alle Wege führen zur Dose ;-)
Zugegebenermaßen bin ich noch relativ "frisch" in der Materie, da ich momentan eher der Sarwürknerei denn der Platternerei fröne.
Anscheinend ist aber die Beschaffung von Infos das gleiche aufwändige Prozedere, welches ich momentanen bei der Rekonstruktion einer Ringelpanzerung habe.
Viele, viele kleine Mosaiksteinchen an Informationen-und 20000000 Meinungen.
Du hast jedenfalls schon verdammt schöne Arbeiten gemacht.
ßber einen Austausch an Infos und Bilder würde ich mich da sehr freuen.
Zum Thema kann ich jetzt nur noch zwei wahrscheinlich nicht mehr ganz passende Links beisteuern.
Beim ersten handelt es sich hierbei um ein Gemälde von Vittore Carpaccio; Ritter in Landschaft. Der Harnisch in venezianischer Manier um 1520.
Der zweite ist das Fechtbuch von Paulus Kal vor 1479, auf dessen Bildern man alle erdenkliche Mischungen an Harnischen und Armzeug sieht:
oder
wenn nicht schon bekannt.
Habe die Ehre,
Christoph
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Eintrag #7 vom 19. Mai. 2007 01:03 Uhr
Christian Wiedner
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Hey Christoph, oh man, der Paulus ist der Hammerlink. Gleich der Kerl auf dem zweiten Bild, der da ein Schwert überreicht bekommt (oder abgibt), ist eigentlich genau dass, was ich gesucht habe. Die Schultern sieht man zwar mal wieder kaum, könnten aber gut Achseln sein, auch wenn ich es nicht beschwören würde, da keine einzige Rückansicht KEINE Flügel hat. Allerdings gibt es auf einigen Bildern Schultern von vorne, die Achseln, auf jeden Fall aber kleine Schultern sein müßten. Wirklich super. Vielen Dank nochmal, auch für das Lob. Ein Austausch von Wissen und Infos ist mir immer willkommen, vor allem wenn so was bei runkommt wie gerade. Werde mich gerne revangieren, wenn ich kann.
Bis dann
Chris
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Eintrag #8 vom 24. Mai. 2007 11:28 Uhr
Christian Wiedner
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Um nochmal die Frage aus Beitrag 5 aufzunehmen:
Wie sah ein ital. Knechtsharnisch aus, oder eine Rüstung einem deutschen Knechtsharnisch entsprechend, wenn es bei den Italienern nicht so hiess?
Würde mich echt interessieren.
Ich habe ein Bild eines Kampfes, auf dem einerseits die Ritter vollgerüstet und das Fussvolk ausser Helm und Schild gar keinen Schutz tragen. Das finde ich nicht sehr wahrscheinlich. Oder die andere Alternative eines Bildes, auf dem alle voll gerüstet sind.
Zu den Achseln: Hier habe ich nur bei diesen burgundischen Gemälden welche finden können, bei denen das Oberteil der geteilten BP mit Stoff bezogen ist. Ansonsten ist da alles sehr vage, weil man nie auf den Rücken sehen kann.
Gruss
Chris
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Eintrag #9 vom 31. Mai. 2007 23:01 Uhr
Christoph Reinberger
Entschuldigung, dass ich mich erst so spät wieder melde.
Leider kann ich dir aus einem Link mal wieder gar nichts anbieten.
Und dieser Link betrifft eine ital. Gruppe um 1471.
Schau dann mal unter -Contatti- und kontaktiere -Fantini Alessandro-. Der spricht, wenn ich mich recht erinnere einigermaßen deutsch. Vielleicht kann er dir weiterhelfen. Ansonsten schauts bei uns recht mau aus mit ital. Quellen.
Habe die Ehre
Christoph
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Eintrag #10 vom 01. Jun. 2007 21:48 Uhr
Andrej Pfeiffer-Perkuhn
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Allgemein gibt es keinen italienischen knechtischen Harnisch der mit der eigenen Entwicklung in Deutschland vergleichbar wäre. Sicher wurden aber auch einzelnde Brustplatten getragen ebenso wie Brigantine und Polsterwämser. Wenn man überhaupt italienische Harnische hat die etwas weniger schwer daher kommen dann ist statt des Armet eine Barbuta dazu getragen worden und weniger Verstärkungen dran gemacht.
ßberhaupt scheint der Gesamteuropäische Kunde den Mailänder Harnisch gewählt zu ahben wenn er was schweres für aufs Pferd wollte und wenn es was leichtes sein durfte hat der gotische knechtische Harnisch diese Lücke gefüllt.
Dafür haben die italiener aber fleißig auch italienische knechtische Harnische geschlagen wie Christoph einen im zweiten Posting gezeigt hat.
Schöne Grüße
Andrej
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