Gallorömischer Brettchenwebstuhl
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Eintrag #1 vom 28. Sep. 2006 17:08 Uhr
Andrea Cristina Rüegsegger
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Hallo zusammen!
Ich hoffe, es gibt unter euch auch Leute, die sich für die Gallorömer/romanisierte Kelten im 1. und 2. Jh. n. Chr. im Gebiet Raetien/Germania Superior interessieren.
Ich bin seit ca. einem Jahr Mitglied in einer Darstellungsgruppe und würde mir für die Veranstaltungen gerne einen Brettchenwebstuhl bauen, der sich an Funden und Bilder aus jener Zeit orientiert. Die Variante vom Gürtel wohin spannen gefällt mir irgendwie nicht mehr so gut, weil ich nebenbei auch Spinnworkshops gebe und deshalb das "vom Brettchenweben Aufstehen und wieder Hinsitzen" nicht so aufwendig sein sollte.
Leider habe ich bezüglich dem Webstuhl schon sämtliche Bücher, die bei mir herumstehen, durchwühlt und auch im Web nichts brauchbares für diese Zeit gefunden. Deshalb konkret meine Frage: Hatte jemand von euch das selbe Problem? Wenn ja, wie habt ihr es gelöst? Wo findet man gegebenenfalls Angaben dazu? Habt ihr konkret ein Bild oder eine Textstelle, in der etwas dazu deutlich wird?
Das Fehlen jeglicher Informationen zum Thema habe ich auch schon so interpretiert, dass die Gallorömerinnen ein solches Gerät vielleicht gar nicht kannten, sondern entweder die Gürteltechnik anwandten oder die Borten einfach am Gewichtswebstuhl aufspannten.
Bei anderen Reenactorinnen (aus anderen Zeiten) habe ich schon die Variante Dreickswebstuhl (ich hoffe der heisst so(leider nicht so gutes Bild vom eigentlichen Webstuhl) wwwzum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/[
]/brettchenwe[
] ) gesehen, allerdings weiss ich nicht, worauf sich der belegt und aus welcher Zeit er stammt.
Weiter ist mir der Fund vom Oseberg Schiff bekannt, der ist aber leider einige Jahrhunderte zu jung für mich;-).
All die modernen Geräte möchte ich eben so gut wie möglich vermeiden. Es ist einfach schade, wenn in einem römerzeitlichen Lager ein Staudigel oder ähnliches herumsteht.
Ich freue mich auf eure Vorschläge!
Messalina
PS: Eine weitere Frage, wenn wir schon beim Thema Brettchenweben sind. Kennt jemand Belege für Brettchenborten an den Säumen gallorömischer Kleidung? Ich habe im Römerhaus in Augst gesehen, dass die einen Gewichtswebstuhl aufgespannt haben, an dessen Gewebe die Borte gleich angewoben wird. Allerdings habe ich noch nie etwas derartiges in Funden gesehen. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass Grabsteine etc. einfach nicht so detailgetreu sind? Meines Wissens gad es die Borten an der Tracht der Keltinnen und es ist somit möglich, dass die Gallorömerinnen, diese einheimische Mode übernahmen.
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Eintrag #2 vom 28. Sep. 2006 18:30 Uhr
Baerbel Hammes
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Hi Messalina,
das Thema gab’s schon öfter in div. Foren und der bisherige Konsens ist, meines Wissens nach, dass man aus dieser Zeit keine Hinweise auf "Brettchenwebstühle" hat.
Ich denke, Du machst nichts verkehrt, wenn Du die Kette zwischen zwei Pfosten spannst. Alternativ kannst Du den Gewichtswebstuhl verwenden oder einfach nur einen waagerechten Balken und ein Webgewicht.
Die Variante "Gewichtswebstuhl" bzw. "Balken mit Webgewicht" (als Light-Version wenn Du nur ne Borte weben willst und eben kein ganzes Tuch) ist, meines Wissens, im Schlabow vorgeschlagen. Klingt für mich ziemlich plausibel. Webgewichte gibt’s immer wieder im Fundgut und wer sagt, dass sie nur zum Weben von Stoffen benutzt wurden.
Aber warum willst Du gallorömische Frauenkleidung überhaupt mit Borten verzieren? Ich wäre da vorsichtig. Speziell im gallorömischen Bereich fallen mir jetzt keine Belege ein - weder Funde noch kann man die mir bekannten Darstellungen entsprechend interpretieren. Auf den Grabdenkmälern der Gallorömerinnende des 1. Jh. n. Chr. aus der Mittelrheinregion, die noch ihre keltische Kleidung tragen, ist jedenfalls nichts zu sehen, was irgendwie nach Bortenbesatz aussieht.
Ich wäre auch mit der Aussage, dass Keltinnen ihre Tracht mit Borten verziert hätten, ein wenig vorsichtig. Das ist zu pauschal. Vorsicht, dass Du da die üblichen Rekos der üblichen Keltendarstellern nicht als Vorbild nimmst.
Ja, es gibt Brettchengewebe in keltischer Zeit - es gibt einige Funde von Borten aber auch von brettchengewebten Anfangskanten. - Nur die sind sehr rar. Es gibt auch im Norden aus der entsprechenden Zeit etwas mehr Funde. Aber, schaue Dir immer auch die Zeit und Region an.
Ich will es Dir nicht verleiden, aber ich würde mir das an Deiner Stelle wirklich genau überlegen.
Nix für ungut
Gruß
Bärbel
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Eintrag #3 vom 28. Sep. 2006 20:00 Uhr
Andrea Cristina Rüegsegger
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Hallo Baerbel!
Bezüglich Webstuhl, vielen Dank für den Hinweis, das war auch die Variante, die mir am naheliegensten erschien.
Was die Borten angeht, so war meine Aussage etwas zu bestimmt. Ich vertrete in dieser Hinsicht eben auch die kritische Seite, weil ich noch nie etwas gesehen habe, dass Borten belegen würde. Allerdings fällt mir da spontan eben der Webstuhl von Augst, wie auch der hier ein: civis.tempus-vivit.net/brettchenweben/[
]/gwebst.j[
]
Das sind beides Aussagen die für die Borten sprechen. ßbrigens habe ich mal gehört, dass zu keltischer Zeit in Mooren Reste von angewobenen Brettchenborten gefunden wurden. Ich weiss aber die genaue Zeit und den Ort nicht mehr, müsste ich nachfragen.
Es scheint wirklich ein kritisches Thema zu sein, allerdings traue ich einem Museum schon zu, solche Dinge vorher abzuklären, ich werde vielleicht dort mal nachfragen.
Grüsse
Messalina
PS: Keine Angst, du verleidest mir nichts, ich tendiere sowieso auch zu "keine Borten", es nahm mich aber doch Wunder, ob es da Belege gibt.
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Eintrag #4 vom 28. Sep. 2006 22:47 Uhr
Patrick
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Hallo Andrea!
Borten wurden auch in dem Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf gefunden, wo sie als Abschluss für Tücher verwendet wurden. (Johanna Banck, Die Textilfunde aus dem Hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf, Gemeinde Eberdingen (Kreis Ludwigsburg). in: Archäologische Textilfunde - Archaeological textiles. Neumünster 1994.
Ist halt frühkeltisch, gallorömische Beispiele kenne ich keine.
Patrick
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Eintrag #5 vom 29. Sep. 2006 16:47 Uhr
Baerbel Hammes
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Hi Messalina,
der Webstuhl von Augst scheint mir sehr am Rekovorschlag von Schlabow orientiert. Dieser Vorschlag geht - meines Wissens - auf die Textilfunde der Eisenzeit aus den Mooren Norddeutschlands und Skandinaviens zurück, z. B. auf die "Prunkmäntel" mit angewebten Brettchenborten, die sich so tatsächlich gut herstellen lassen.
Dieses Bild scheint insgesamt in der "Szene" (egal ob Archäologie, Museum oder Darstellung) akzeptiert zu sein. (Scheint mir i. d. R. auch sehr sinnvoll.)
Nur, ob man deshalb wirklich für provinzialrömische Verhältnisse brettchengewebte Kanten rekonstruieren sollte, halte ich für fragwürdig.
Da würde ich in Augst mal kritisch nachfragen. Egal ob Museum und angenommene (nicht erwiesene)ernsthafte Beschäftigung mit der Thematik - ich wäre da eher vorsichtig. Auch Museumsleute können Dinge unkritisch übernehmen.
Grüße
Bärbel
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Eintrag #6 vom 30. Sep. 2006 17:42 Uhr
Andrea Cristina Rüegsegger
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Hallo Baerbel!
Ja, ich denke auch, dass der Webstuhl in Augst vielleicht eine freie Interpretation ist. Allerdings hast du recht, auch Museen sind manchmal nicht allzu kritisch.
Ich habe weiter gehört, dass Karl Schlabow in Textilfunde der Eisenzeit auch Muster vorstellt, die galloröm. sein könnten. Sind das Schnurbindung, Double-Face oder noch was anderes? Ich wollte mir das Buch mal anschaffen, es lohnt sich für mich aber nicht wirklich, da ich nur diesen kleinen Teil über die röm. Zeit brauchen könnte. Weiss jemand von euch, was das für Muster sind, die Schlabow das vorstellt? (Diagonalen/Rauten/etc.)
Das wäre super, vielen Dank schon im voraus!
Messalina
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Eintrag #7 vom 02. Okt. 2006 09:24 Uhr
Sylvia Crumbach
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Das Buch sollte über die Fernleihe zu beschaffen sein.
Eine Ausarbeitung zu einem der Bänder findest Du unter wwwflinkhand.de
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Eintrag #8 vom 09. Okt. 2006 16:44 Uhr
Claudia
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Soweit ich das in Erinnerung habe, sind im Schlabow keinerlei gallorömische Funde drin.
Das einzige, was eine Verbindung zu gallorömischen Stücken darstellen könnte, ist wohl der Reepsholtkittel. Der hat ganz schmale einfarbige Borten (nur 3 Brettchen), die in einer besonderen Weise gewebt sind, so daß auf der Unterseite Schlingen zum Aufnähen entstehen. Keinerlei Muster auf der Oberseite.
Der Kittel ist aber trotzdem ein Fund aus Norddeutschland und wahrscheinlich eine einheimische Arbeit.
Schlabow ist aber auf jeden Fall interessant zu lesen, man lernt eine Menge.
Gruss, Claudia
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