Frage zur Burgen-Architektur
Einträge 1 bis 43 (von insgesamt 43 Einträgen)
Eintrag #1 vom 24. Sep. 2004 09:57 Uhr
Hannes Birnbacher
Bitte einloggen, um Hannes Birnbacher eine Nachricht zu schreiben.
Hallo,
ich kenne Eure tolle Website von Freunden, die vor längerem weg gezogen sind. Selber bin ich in der Szene nicht aktiv.
Habe mich an Euch erinnert, weil ich in einem Mailwechsel mit Leuten, die die Wartburg besichtigt haben, einfach keine Lösung auf
folgende Frage finde:
"Ich frage mich bei solchen Bauten immer wieder, warum man so unpraktisch gedacht und die Küche weit entfernt vom Speisesaal (in diesem Fall in einem anderen Gebäude) untergebracht hat."
Meine diversen Vermutungen hat mein Gegenüber wirkungsvoll entkräftet:
> Weil es keine geschlossenen Herde gab, sondern nur qualmende Abzüge über offenen Feuerstellen? Weil man das Gesinde auch mal ausser Hörweite plazieren wollte?
"Die Mauern und Türen waren damals doch so massiv, daß man wohl kaum viel mitbekommen hat, wenn man nicht gerade mit im Raum war. Und Gesinde wird sowieso meist irgendwo in der Nähe gewesen sein."
> Weil es den Burgherren, ihren Gästen, aber auch dem Gesinde scheißegal sein konnte, ob da 20 Leute bedienten, die für jeden Gang 20 mtr. laufen mussten, oder 50 Leute Arbeit fanden, die jedesmal 50 mtr. um die Ecken zurücklegten?;-)
"Da ging’s wohl eher um einige 100 m. Wenn die damals nicht schon Geschirr hatten, das die Mahlzeiten längere Zeit warm halten konnte,
war das Essen kalt, bis es endlich auf dem Tisch stand. ;-)"
So, und jetzt stehe ich da. Es muss einfach einen Grund geben. Ich weigere mich zu glauben, dass irgend eine auch vorzeitliche Kultur, von einer kurzen Verzögerung in der Anpassung an sich wechselnde Umweltverhältnisse, Bevölkerungsdichte o.ä. mal abgesehen, eine mindere als die beste (am besten angepasste) Lösung für irgendwas hat. Wer mit Holz heizt, tut das z.B. wahrscheinlich, weil er im Wald wohnt, und nicht, weil er zu inkompetent ist, einen ßlofen zu erfinden.
Aber einen vernünftigen Grund für lange Wege zwischen Küchen und Speisesälen kann wohl nur jemand finden, der sich in Rollenspielen und Theorie mit dem Alltagsleben beschäftigt hat. Lasst mich bitte nicht dumm sterben!
Bewertung:
Eintrag #2 vom 24. Sep. 2004 10:09 Uhr
Martin
(Nachname für Gäste nicht sichtbar)
Bitte einloggen, um Martin eine Nachricht zu schreiben.
Hallo,
nun ein recht einfacher Grund dafür das die Küchen oft in seperaten Gebäuden waren, ist die Brandgefahr, denn die Feuergefahr war damals relativ hoch, und durch Räumlichetrennung sprich seperater Bau, ist nur das Küchengebäude wirklich gefährdet, das heißt aber nicht das alle Burgen nach diesem Schema gingen.
Schmierfink
Bewertung:
Eintrag #3 vom 24. Sep. 2004 14:26 Uhr
Joachim Dittrich
Bitte einloggen, um Joachim Dittrich eine Nachricht zu schreiben.
Da hat Martin mir vorgegriffen..
Ja, Hauptgrund war die Brmadgefahr.. Ein weiterer Grund ist, daß man in einem eigenen Küchenbau grozügigere Anlagen errichten konnte, die dem praktischen Verständnis entsprachen.
Es gibt allerdings auch genug Beispiele für Küchenräume, die in das Hauptgebäude inetgriert sind.
Festzustellen ist jedenfalls, daß die heutigen erhaltenen separat stehenden Küchenbauten dem (späteren) Spätmittelalter entstammen.
Die (ursprüngliche) Küche im Hauptbau der ronneburg z. B. stammt aus der Zeit 1327/30, als das Gebäude völlig neu in den größten Teilen neu erbaut wurde.
Die Entfernung von rein wirtschaftlich genutzten Räumen aus dem Wohnbereich läßt sich generell ziemlich parallel mit der Entstehung der Treppen"türme" und deren allmähliches Heraustreten aus der Gebäudewand zu einem eigenen, echten Treppenturm festhalten.
Die Masse der Küchen sind im Hochmittelalter und frühen Spätmittelalter nicht in eigens dafür geschaffenen Bauten zu finden.
Inwieweit die Entstehung, Verbreitung und Verbesserung der Kachelöfen damit zu tun hat, kann ich noch nicht sagen. Fakt ist, daß die Küche in kälteren jahreszeiten gerne als Aufenthaltsraum genutzt wurde oder die nebenan liegenden Räume wegen der Wärmeabstrahlung recht beliebt waren.
Beste Grüße,
Achim
Bewertung:
Eintrag #4 vom 24. Sep. 2004 14:29 Uhr
Hannes Birnbacher
Bitte einloggen, um Hannes Birnbacher eine Nachricht zu schreiben.
@Martin: Danke schonmal für die Antwort. Ist ja plausibel. Sicher gibt es noch weitere Gründe. (Oder nicht? An Feuergefahr hab’ ich gar nicht gedacht. Lag die Pulverkammer in der eigentlichen Burg? Muss wohl, denn was nützen einem Feuerwaffen oder Kartätschen (gab’s die schon im Mittelalter?), wenn man so richtig in der Klemme steckt und man sich für den Nachschub erst durchkämpfen muss?) Ich werd’ zwar lange nicht irgendwas besuchen oder mitmachen können (hab’ mir bei einem Unfall diverse Gräten lädiert), aber bei Euch still mitlesen und mir die vergangenen Beiträge erarbeiten:-).
Bewertung:
Eintrag #5 vom 24. Sep. 2004 15:07 Uhr
Timo Krisch
Bitte einloggen, um Timo Krisch eine Nachricht zu schreiben.
Hallo,
mal ganz unabhängig vom angesprochenen Küchenraum: die Brandgefahr bzw. das Vermeiden der Feuerausbreitung im schlimmsten Fall sind das A und O der (hoch-)mittelalterlichen Burgenarchitektur.
Dies erkennt man u.a. auch daran, daß gerade ab der Kreuzzugszeit (also im 12. und 13.Jh.) verstärkt Steintreppen anstatt Holztreppen im Innern angelegt wurden.
Und als Beispiel, wie man sich dies umgekehrt zunutze machte: der untere Treppenteil des Bergfried/Burgfried/Wohnturm/Donjon besteht wiederum aus Holz, da dieser Gebäudeteil im Notfall der letzte Rückzugspunkt war. Man zog sich nach dorthin zurück und brannte den unteren Teil der Treppe ab, so daß der Feind nicht oder nur unter massiven Schwierigkeiten auch noch hier eindringen konnte.
Schönes Wochenende
Timo aka Timotheus von Falkenbach
Bewertung:
Eintrag #6 vom 24. Sep. 2004 16:30 Uhr
Michael Hammes
Bitte einloggen, um Michael Hammes eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Timo Krisch,
ich hoffe mal der letzte Beitrag war ein Witz!!
Ich hocke mich in den Bergfried, brenne die Treppe ab und warte … oder was?
Grüsse
Michael
Michael Hammes
Bewertung:
Eintrag #7 vom 24. Sep. 2004 16:32 Uhr
Bitte einloggen, um eine Nachricht zu schreiben.
Damit hat er vollkommen recht.
Kennst nu eine Alternative, wenn draußen eine ßbermacht grade die letzte Verteidigung erledigt hast ?
Gruß, Ivain
Bewertung:
Eintrag #8 vom 24. Sep. 2004 16:51 Uhr
Claus Winhard
Ein großer Teil der hochmittelalterlichen Burgen hatte gar keine Treppe zum Donjon bzw. Bergfried, obwohl der Eingang zu selbigem im ersten Stock lag. Im Verteidigungsfalle stieg man dann mit Leitern in den Turm, zog die Leitern ein und schon hatte der Angreifer ein Problem.
Liebe Grüße,
Claus Winhard
Bewertung:
Eintrag #9 vom 24. Sep. 2004 17:08 Uhr
Joachim Dittrich
Bitte einloggen, um Joachim Dittrich eine Nachricht zu schreiben.
Also, bevor das alte Klischee wieder auflebt, daß der "hohe Turm" (neuzeitlich: Bergfried)nur rein aus berteidigungstechnischen Gründen errichtet wurde: Die Funktion als ebensoclehr ist historisch nicht hinreichend geklärt. er hatte vielfältige Funktionen, wie anders sollte das praktisch denkende Mittelalter sonst solche Klötze in die Landschaft gebatscht.
@Hannes, ich empfehle Dir, die Threads mit entsprechenden Themen zu Burgen und ihrem Umfeld hier durchzulesen, dort gibt es auch massig Literaturhinweise (zur Vermeidung weiterer Verwirrung ;o).
Pulverkammern wurden in eigens dafür eingerichtete Räume der Burg untergebracht, wobei hier wieder die Funktion einer Burg bzw. ihrer territorialen Bedeutung unterschieden werden muß.
Es gibt Inventare einfacher Wohnburgen adeliger, wo schon mal das Pulver bei den Lebensmittelvorräten gelagert war.
Prinzipiell mußte der Pulverraum Sicherheit vor Feuchtigkeit, Explosionsgefahr und unbefugten Zufgriff bieten.
Feuerwaffen gab es bereits ab etwa 1320 - einfache "vasenförmige" Dinger auf Holzböcken.Erste Handfeuerwaffen seit etwa den 1340ern.
Achim
Bewertung:
Eintrag #10 vom 25. Sep. 2004 19:30 Uhr
Hannes Birnbacher
Bitte einloggen, um Hannes Birnbacher eine Nachricht zu schreiben.
Liebe TV’er,
ich habe jeden Beitrag mit Aufmerksamkeit gelesen und weitergeleitet und bedanke mich bei Euch für die Aufklärung. Habe auch schon Joachims "Wink mit dem Zaunpfahl" beachtet und die Suchfunktion entdeckt, um mir mehr über Burgen anzulesen.
Herzliche Grüße,
Hannes
Bewertung:
Eintrag #11 vom 29. Sep. 2004 21:42 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Auch hier nur auf die Schnelle:
"ßber die Funktionen des Bergfrieds entstand im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in der Burgenforschung eine Diskussion, die sich am ehesten auf die Kurzformel "Wehrbau oder (eher) Statussymbol" verknappen läßt. Es ist dagegen nicht davon auszugehen, dass der Bergfried im Verteidigungsfalle den letzten Rückzug darstellte, wie es in der Burgenforschung lange Zeit angenommen wurde und auch heute oft noch zu lesen und zu hören ist. Zwar scheint dafür zu sprechen, dass der Eingang nicht ebenerdig war, sondern sich meistens im ersten bis dritten Obergeschoss befand und nur durch (einholbare) Leitern zugänglich war, doch wäre der Rückzug in den Turm nach dem Fall einer Burg ein "Tod auf Raten". Allenfalls in der Erwartung eines nahegelegenen Entsatzheeres wäre dieser sinnvoll gewesen."
In: Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. Hrsg. von der Deutschen Burgenvereinigung e.V. (Stuttgart 1999), ISBN 3806213550.
auch zum aktuellen Forschungsstand zu Küchen.
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #12 vom 30. Sep. 2004 14:40 Uhr
Oliver Hauss
Bitte einloggen, um Oliver Hauss eine Nachricht zu schreiben.
Der Textabschnitt räumt aber ein triftiges Argument für den militärischen Nutzen ein, ohne eine Erklärung im Rahmen der neuen Hypothese zu liefern. Gibt es da in der Literatur Argumente, die der Artikel ausgelassen hat?
Und führt die neuere "Schule" dann die Berücksichtigung von Bergfrieden in ßbergangsarchitekturen zwischen Burgen und modernen Festungen dann lediglich auf eine allmähliche Evolution des Festungsbaus zurück? Ein Statussymbol hätte ja in einer Festung, die eher funktionell sein soll, wenig Platz.
Es ist sicher richtig, dass mit genügend Zeit auch eine letzte Zuflucht jedweder Art eingenommen wird. Aber wenn sie den Unterschied macht zwischen dem Erleben des Eintreffens eines Entsatzheeres und dem Tod ist es sicher sinnvoll, für die Eventualität gerüstet zu sein.
Insofern finde ich die Argumenation in der im Wikipedia-Artikel dargebotenen Form nicht stichhaltig genug.
Bewertung:
Eintrag #13 vom 30. Sep. 2004 16:34 Uhr
Timo Krisch
Bitte einloggen, um Timo Krisch eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Roman,
die Argumentation ist sicher nicht unrealistisch.
Mich persönlich stört an dieser neuen Interpretation aber folgendes: warum wird hier vernachlässigt, wie sich die Situation im evt. Rückzugsfall darstellt?
Die bisherige Auffassung ging nämlich NICHT davon aus, daß man nach dem Rückzug weiter kämpft, sondern beinhaltete vielmehr, daß man auf diese Weise zumindest noch verhandeln konnte, nachdem die Burg quasi in Feindeshand gefallen war. Das macht sich - rein praktisch gesehen - so sicherlich etwas einfacher, als wenn man im Innenhof steht und von einer bewaffneten ßbermacht umringt ist.
Daher denke ich nicht, daß in diesem Disput bereits das letzte Wort gesprochen ist.
BTW: Für die bisherige Auffassung zur Funktion des Bergfriedes sprechen übrigens auch die Mauern, die dort am stärksten sind. Aber das nur am Rand…
In diesem Sinne
Timo aka Timotheus von Falkenbach
Bewertung:
Eintrag #14 vom 30. Sep. 2004 18:29 Uhr
Michael Hammes
Bitte einloggen, um Michael Hammes eine Nachricht zu schreiben.
Tolle Diskussion (kein Witz)!
Das Problem gibt´s schon lange, Roman hat den neusten Ansatz der Burgenforschung geschildert.
Sicher ist der Bergfried als letzter Rückzugsort zu gebrauchen und entsprechend baulich gestaltet, aber in den seltensten Fällen wurde er auch so genutzt. ßberhaupt gibt es wenig Burgen die man gewaltsam erobert hat.
Am 18.-20.03.2005 findet in Oberfell an der Mosel eine Tagung statt, die sich mit dem Thema Belagerungsburgen befasst (Titel: Bleidenberg und Burg Thurant - Belagerungsburgen an der Mosel, in Rheinland-Pfalz und in Europa/Organisatoren: Olaf Wagener und Heiko Laß). Jeden den es interessiert, kann ich das Exposé zur Tagung zuschicken.
Grüsse
Michael Hammes
Bewertung:
Eintrag #15 vom 30. Sep. 2004 19:23 Uhr
Michael Knapp
Bitte einloggen, um Michael Knapp eine Nachricht zu schreiben.
Man muß auch bedenken, das der Bergfried meist den ältesten Teil einer Burg darstellt (Wohnturm, Turmhaus) und am Anfang da stand. Dann kam meist eine Umfassungsmauer dazu, die dann noch weitere Gebäude umfaßt.
MfG, Michael
Bewertung:
Eintrag #16 vom 30. Sep. 2004 21:15 Uhr
Timo Krisch
Bitte einloggen, um Timo Krisch eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Michael,
bezugnehmend auf Dein Zitat (gekürzt): "…ist der Bergfried als letzter Rückzugsort zu gebrauchen und entsprechend baulich gestaltet, aber in den seltensten Fällen wurde er auch so genutzt. ßberhaupt gibt es wenig Burgen die man gewaltsam erobert hat…"
Es hat auch niemand behauptet, daß viele Burgen gewaltsam erobert worden seien.
Ansonsten lasse ich mich vom Fortgang der Diskussion mal "überraschen" ;)
Gruß
Timo aka Timotheus von Falkenbach
Bewertung:
Eintrag #17 vom 30. Sep. 2004 23:16 Uhr
Oliver Hauss
Bitte einloggen, um Oliver Hauss eine Nachricht zu schreiben.
@Michael Hammes
>Das Problem gibt´s schon lange, Roman hat den neusten Ansatz der Burgenforschung geschildert.
So, wie es im Wikipedia-Artikel geschildert ist, ist es kein wirklicher Ansatz, denn er erklärt die Beobachtung der speziellen Eingangskonstruktion nicht -und gibt das unumwunden zu. Deswegen ja meine Frage, ob es noch mehr Argumente gibt, die vielleicht besser noch in den Artikel einfliessen sollten.
>Jeden den es interessiert, kann ich das Exposé zur Tagung zuschicken.
Gerne.
@Michael Knapp
>Man muß auch bedenken, das der Bergfried meist den ältesten Teil einer Burg darstellt (Wohnturm, Turmhaus) und am Anfang da stand. Dann kam meist eine Umfassungsmauer dazu, die dann noch weitere Gebäude umfaßt.
Das mag in vielen Fällen so gewesen sein, aber es gibt auch Burg-Festungen, die "auf dem Reissbrett" mit Bergfried entworfen wurden, mithin muss entweder diesem Gebäude eine spezifische Rolle zugekommen sein, die es in dieser Form am besten erfüllt hat, oder man postuliert, dass das Gebäude mehr oder weniger aus Nostalgie so eingebaut wurde.
Gruß,
Oliver
Bewertung:
Eintrag #18 vom 01. Okt. 2004 13:26 Uhr
Hannes Birnbacher
Bitte einloggen, um Hannes Birnbacher eine Nachricht zu schreiben.
Komisch, mir als naivem Laien ist die Funktion des Bergfriedes aber viel eingängiger als die Frage, warum Küchen so weit entfernt vom Wohntrakt gebaut sein könnten.
Man hat einen Turm (unentbehrlich zur Aufklärung und zwecks Signalisierens), der muss wegen Standfestigkeit stark gebaut sein; er ist vielleicht rund, um Material zu sparen (3.14159 zu 4.00000). Was spricht dagegen, da mit ein paar Zwischenböden und hochziehbaren Leitern auch noch den letzten Zufluchtsort vorzusehen (wegen der dicken Mauern und ggf. der Rundform besonders gefeit gegen Geschosse aus Kanonen und Ballistas)? Besser, nach Verbrauch der letzten Vorräte (Wasser gibt’s übrigens in unseren Breiten kostenlos von oben) seinen Feinden noch ein paar Steine auf die Birne schmeissen und ßxte schmettern zu können, als sich zitternd auf dem Burghof totschlagen zu lassen. Und ein Turm bietet bis zuletzt die Möglichkeit, zu signalisieren oder wenigstens Entsatz am Horizont zu sehen.
Bewertung:
Eintrag #19 vom 01. Okt. 2004 15:27 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Ach ja, Burgen, Burgenkunde, Burgenforschung -. Wo fängt man an? Vielleicht so:
Von Cohausen, Schuchhardt, Piper und Ebhardt waren wichtige Pioniere der Burgenforschung und ihre Arbeiten haben noch heute zweifellos ihren Wert. Auch deshalb werden sie ja immer wieder neu aufgelegt, doch muß man hierzu auch manchmal sagen: leider.
Keine ßrztin würde heute noch nach einem Lehrbuch von 1900 heilen, kein Automechaniker mit dem Blick in die Bauanleitung für den ersten Mercedes an der neuen S-Klasse schrauben. In der Burgenkunde und bei der Beschäftigung mit Burgen allgemein aber werden die sogenannten Standardwerke fast wie Bibeln vor sich hergetragen. In welcher Zeit und mit welchen Paradigmen diese Werke entstanden, wird gern vergessen und verdrängt. Ebenso, daß neue Wissenschaftsdisziplinen wie Mittelalterarchäologie und Bauforschung nicht nur neue Fragen stellen, sondern auch Antworten geben können, daß neue Datierungsmethoden wie Dendrochronologie die jahrgenaue Datierung von Bauten ermöglichen, daß die historische und kunstgeschichtliche/stilgeschichtliche in den vergangenen hundert Jahren auch einige Fortschritte machte -.. .
Mittlerweile fast 30 Jahre alte Erkenntnisse sind in der Burgenkunde, d.h. bei von der wissenschaftlichen Burgenforschung weitgehend abgekoppelten Beschäftigung mit Burgen auf der Grundlage des überlieferten und im Großen und Ganzen schon um 1900 entwickelten Wissenstands, immer noch die neuen Thesen der jungen Wilden, die sich erst mal bewähren müssen. Die Grundthese von der Burg als Bedeutungsträger wurde bereits Werner Meyer, Die Burg als repräsentatives Statutssymbol. Ein Beitrag zum Verständnis der mittelalterlichen Adelsburg. Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kulturgeschichte 33, 1976 (sic!), 173-181, publiziert. In manchem vielleicht zu scharf formuliert, aber durchaus mit Gewinn zu lesen: Zeune, Burgen. Symbole der Macht (Regensburg 1996).
Ein große Bitte an alle an Burgen Interessierten: Zum nächsten Weihnachten mal nicht den neuen (alten) Ebhardt mit Goldschnitt kaufen, das xte Grundrißlexikon von Krahe oder die bunten Bücher von Werner Meyer (München). Besser mal zu wissenschaftlichen Arbeiten von Werner Meyer (Basel) greifen, zu den nett zu lesenden Büchern und Artikeln von Zeune, zu dem schönen ßberblick zu "Burg und Schloß" von Biller und Großmann oder dem nagelneuen Burgenlexikon von H.-W. Böhme und anderen bzw. dem Burgen-Handbuch der Burgenvereinigung. Alle mit ISBN hier genannt:
de.wikipedia.org/wiki/Burg
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #20 vom 01. Okt. 2004 15:36 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Noch kurz zu dem eigentlichen Thema, den Burgküchen, wobei ich hierfür lediglich die Ausführungen in den bereits mehrfach genannten neuen ßbersichtsarbeiten über den Scanner gezogen habe:
St. Uhl, Wirtschafts- und Wohnbauten. In: Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. Bd. 1. Bauformen und Entwicklung (Stuttgart 1999) 307-310, hier 308 f.
Küche
Den wichtigsten wohnbezogenen Wirtschaftsraum jeglichen Haushaltes stellt die Küche dar, die zumeist im betreffenden Wohngebäude selber, häufig jedoch auch in einem eigenständigen Küchenbau zumeist ebenerdig untergebracht war. Zur Versorgung einer kleineren Burgbesatzung wurden an die Küche im Normalgebrauch keine größeren Ansprüche gestellt als an Küchen bürgerlicher oder großbäuerlicher, also regelmäßig ebenfalls vielköpfiger Haushalte. Entsprechend bescheiden blieb deshalb auch ein Großteil der Burgküchen ausgebildet. Lediglich die Notwendigkeit der Verpflegung sehr großer Personenzahlen oder deren prunkvoller Bewirtung machte aufwendigere, großräumigere Ausformungen notwendig. In der Regel bestand die Küche aus einem größeren Einzelraum mit einer offenen Feuerstelle in Form eines Wandkamines oder einer Herdstelle mit darübergelegenem Rauchfang. Hinzu gesellte sich häufig ein Backofen, der jedoch auch in eine getrennte Backstube ausgesondert oder eigenständig außerhalb des Hauptgebäudes hegen konnte. Schüttsteine und -rinnen in Fensternischen und Außen wänden dienten der Entsorgung des in der Küche anfallenden Brauchwassers, ansonsten gehörten zur Ausstattung mobile Tische und Regale. Die vor allem im Spätmittelalter häufigere Einwölbung größerer Küchenräume geht neben praktischen Gesichtspunkten (Feuersicherheit, Geruchsverschluß) auch auf gestalterische ßberlegungen zurück und verdeutlicht die wichtige Stellung der Küche im Gesamtorganismus einer Burganlage.
Biller/Großmann, Burg und Schloß (Regensburg 2002):
Wohnkomfort und Innenausstattung
Traditionell werden Burgen eher als "Wehrbauten", d. h. als Mittel im Kampf verstanden, aber der wirkliche Kern ihrer Existenz lag vielmehr darin, Aufenthalt und damit Ort der Selbstdarstellung einer Adelsfamilie oder eines Fürstenhofes zu sein. Dass die Innenräume dementsprechend von Anfang an überlegt angeordnet und - bezogen auf ihre Epoche - reich ausgestattet waren, kann vorausgesetzt werden, aber wie dies effektiv aussah, wissen wir vor dem 15./16. Jahrhundert nur selten. Erst aus dieser Epoche, als die meisten Burgen aufwendig umgestaltet wurden, sind Teile des Innenausbaues erhalten, erst jetzt geben schriftliche Inventare einen Eindruck der beweglichen Ausstattung besonders fürstlicher Burgen. -
Dass ßfen schon frühzeitig auftraten, belegt die Archäologie - im klimatisch rauen Gebirgsland der Alpen und des Jura sind sie seit dem 11. Jahrhundert belegt, bis ins 14./15. Jahrhundert waren sie so weit vorgedrungen, dass sie als normaler Aspekt des Wohnens auch in Burgen gelten können. Erst für die Spätgotik gibt es inzwischen Erkenntnisse auch über schärfer definierte Raumformen und -funktionen, nicht weil diese erst damals neu entstanden, sondern weil Früheres unerforscht ist. So wurde im 15. Jahrhundert im Rheinland und in Hessen der Saal neu gestaltet, u. a. mit Kreuzstockfenstern und dem Eingang von der Schmalseite. Damals bildet sich auch die "Hofstube" heraus, ein gewölbter Ess- und Empfangsraum im Erdgeschoss, der dem Burgherrn und dem "Personal" noch gemeinsam diente, was sich später zugunsten der Trennung nach Status verliert. Ohnehin nahm mit dem spätgotischen Zeitgeist der Schmuck zu, etwa in Form reicher Gewölbe und Wandtäfelungen, der Ausgestaltung der Kamine und ßfen u. a. Erst seit dem 15./16. Jahrhundert sind auch Küchen häufiger belegbar, oft mit Mänteln und Rauchabzügen monumentaler Größe - was zu der Frage führt, ob Küchen letztlich erst damals ihre Funktionen vom Kamin des Saales übernommen haben.
Am ausführlichsten zu "Küchen, Backstuben und Brauhäuser(n)" bei Zeune, Burgen. Symbole der Macht (Regensburg 1996) 197-199:
"Küchen, Backstuben und Brauhäuser
Bis heute haben sich zahlreiche Burgküchen erhalten und werden häufig mit ihren Ausstattungen museal präsentiert, wobei es sich selten um ein originales Einrichtungsinventar handelt (Burg Eltz; Schloß Burg an der Wupper). Diese Küchenbauten selbst stammen allerdings fast ausnahmslos aus dem Spätmittelalter und vor allem dem 16./17. Jahrhundert, denn solche aus dem Hochmittelalter sind kaum mehr in aussagekräftigem Zustand erhalten.
In der Küche wurde nicht nur gekocht, sondern auch gebraten und geröstet. Man benötigte daher eine große Feuerstelle, die man entweder in einem Wandkamin oder auf einem aufgemauerten, offenen Herd unterbrachte. Zu einem offenen Herd gehört ein weiter, trichterförmiger Rauchmantel mit Schlot, der auf eigenen Säulen steht. Gekocht wurde auf der Herdstelle, wobei die Töpfe oder Pfannen direkt ins Feuer oder auf einen Rost gestellt wurden. Eiserne Gestelle ermöglichten zudem das Aufhängen von Töpfen und Kesseln über dem Feuer oder das Drehen des Bratspießes. Hier kannte man sogar schon schwenkbare und verkürzbare Eisengalgen.
Je umfangreicher der zu verpflegende Haushalt war, desto geräumiger fiel die Küche aus. Herde oder Kamine konnten mitunter Dimensionen von mehreren Metern erreichen. Der Küchenkamin der Nürburg in Rheinland-Pfalz hat eine stolze Breite von 3,5 m und zählt zu den größten seiner Art (Bornheim 1983, 5.14). Die Herdstelle im sog. »Ochsenschlot« der Cadolzburg in Mittelfranken erreichte ebenfalls eine beeindruckende Größe von 2,3 x 3,2 m. Zum Hof hin öffneten sich Servierfenster, so daß die Küche auch die anderen Hofbauten versorgen konnte.
Zur Reduzierung der Brandgefahr brachte man die Küchen später gerne in gewölbten Räumen unter. Bisweilen kochte man auch im Hallenkamin. -
(Kurz zur Küchenausstattung.)
Wie Kapelle oder Bad kennt auch die Küche eine Vielfalt baulicher Formen. Um ein Abkühlen der Speisen während eines zu langen Transportweges zu verhindern, verlegte man die Küche möglichst nahe an die herrschaftlichen Räume. Wir kennen auch Burgen, die zusätzlich eine Küche für die Gefolgschaft besaßen. Auf der Burg Aggstein steht die gegen 1429 erbaute Küche unterhalb der Kernburg randlich im Burghof. Ihr mehreckiger pyramidenförmiger Kaminschlot - den wir in ähnlicher Form schon zuvor an der Cadolzburg angetroffen haben - weist sie schon äußerlich als Küche aus (Abb. 96). Hier beansprucht die Herdstelle mit dem riesigen Rauchfang die gesamte vordere Hälfte des Raumes und ist voll begehbar. In der hinteren Raumhälfte befindet sich der Ausgußstein. Von der Herdstelle aus öffnet sich ein Servierfenster zum Burghof, während eine Serviertür in die angrenzende Dürnitz - die Halle der Gefolgsleute - führt. Ob dieses Servierfenster nur an schönen Sommertagen genutzt wurde, oder ob diese Küche auch die schwer zugängliche Kernburg versorgte, bleibt dahingestellt. Zweckmäßiger gewesen wäre natürlich eine eigene kleine Küche in der Kernburg.
Eigenständige Küchenbauten mit enorm großen pyramidenförmigen Essen wie jener des Aggstein scheinen nicht nur auf Niederösterreich beschränkt. Eine riesige intakte Pyramidenesse von etwa 5 x 5 m Grundfläche und 17 m Höhe, der sog. Ochsenschlot, mit großer Herdplatte und Backofen, ist Hauptbestandteil jenes gedrungenen Küchengebäudes, das ans Südende des »Alten Schlosses« der Cadolzburg in Mittelfranken angebaut worden war.
Küchen errichtete man analog zum Palas gerne gegen die Innenseite der Ringmauer und in dessen direkter Nachbarschaft, wie das offenbar auf der Burg Münzenberg in Hessen der Fall war. Hier gelang der Nachweis des rechteckigen Küchenbaues mit archäologischen Mitteln, wobei dem gemauerten Herd noch die Reste einer verkohlten Mahlzeit auflagen (Einsingbach / Kropat, S. 54). Ansonsten befindet sich die Küche des öfteren im Erdgeschoß unter dem Saal, mit dem sie durch eine nahegelegene Treppe verbunden war. Dieses Arrangement erhielt sich im 1415 erbauten Wohnturm des »Schleglerschlosses« in Heimsheim/Baden-Württemberg (Uhl 1992b, S.377).
Zur Ausstattung großer Küchen gehört auch des öfteren der Backofen. Backhäuser waren offenbar seltener. In der Oberburg der ausgedehnten Schmidtburg im Hunsrück-Nahe-Raum legte man in den 1980er Jahren ein Backhaus frei, das sich gegen den Bergfried lehnte (Zerfaß / Hermann / Wöllner).
Befand sich die Küche in einem eigenen Wirtschaftstrakt, wie in der fürstbischöflichen Hofhaltung in Bamberg (15./16. Jahrhundert), so beherbergen die Nachbarräume oft eine eigene Backstube und - seltener - sogar eine eigene Braustube. Für diese, aber auch die Küche selbst, ist eine gute Wasserversorgung und -entsorgung unerläßlich. In Bamberg durchlief alle Wirtschaftsräume eine steinerne Abwasserrinne, während der Küchenraum einen eigenen Brunnen enthielt (Burandt).
Die Vorratsräume waren im Spätmittelalter oft in gewölbten Kellern (= Erdgeschoßräumen) direkt neben der Küche untergebracht. Natürlich gab es auch eingetiefte Lagerkeller mit steilen Schachtfenstern oder auch schlichte Erdkeller, wie im Bamberger Wirtschaftstrakt (Burandt)."
Ich hoffe, diese Beispiele können überzeugen, daß sich die moderne Burgenforschung Problemen widmet und Fragen beantwortet, die in der älteren Burgenforschung bei Ebhardt und Piper und in der Burgenkunde kaum eine Rolle spielten. Und so schließt sich der Kreis mit der erneuten Empfehlung, sich das eine oder andere der genannten und zitierten Bücher zu kaufen oder in der nächsten Bibliothek oder bei Freunden zu leihen. Gerade Zeune ist für Leute, die Lebendige Archäologie des Mittelalters mit einem gewissen Anspruch betreiben, auch über das eigentliche Thema Burg hinaus von großem Interesse.
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #21 vom 01. Okt. 2004 15:46 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Zu den Belagerungsburgen und der Tagung in Oberfell bitte hier weiterdiskutieren:
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #22 vom 01. Okt. 2004 16:39 Uhr
Timo Krisch
Bitte einloggen, um Timo Krisch eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Roman,
ich gebe Dir ja recht, wenn Du sagst (gekürztes Zitat): "… ein Bergfried war nicht für eine aktive Verteidigung im Nahbereich geeignet. Es fehlen fast immer die dafür nötigen Maueröffnungen für einen Beschuß, die anderen Schlitze sind zumeist keine Schiessscharten, sondern Lichtöffnungen, die zum Einsatz von Waffen wie Armbrüsten oder Bögen gänzlich ungeeignet sind, da der Platz zum Hantieren fehlt. Von der hochgelegenen, zuweilen mit Zinnen bewehrten Plattform konnte eine aktive Verteidigung mit Fernwaffen betrieben und ein weites Vorfeld der Burg geschützt werden. Deswegen steht der Bergfried fast immer an der Hauptangriffseite und daher sind in seinem Umfeld auch die stärksten Befestigungen. War die Hauptbefestigung erst einmal gefallen, sah es schlecht aus.
Gegen einen direkt am Turmfuß feuerlegenden oder türauf- oder mauerbrechenden Gegner kann ich reichlich wenig tun, vielleicht runterspucken, Restmobiliar oder eben meine Kinder runterwerfen. Zinnen bieten nur Deckung, wenn ich mich daher verberge. Wenn ich zwischen zwei Zinnen den Kopf nach vorn strecke, um nach unten zu schießen oder zu werfen, werde ich abgeschossen wie ein Vogel vom Baum. Auskragende Turmkronen oder Erker sind sehr selten. Eventuelle schnelle Ausfallangriffe machen der hochgelegene Eingang und die angeblich selbst eingezogene Leiter unmöglich. Wobei natürlich wieder die Hühnerleiter auch sehr unwahrscheinlich ist und es sich eher um massive hölzerne Vorbauten, Treppen oder ßbergänge gehandelt hat. Hierzu gibt es inzwischen sogar einige Grabungs- bzw. Baubefunde mit massiven Pfostenstellungen bzw. Balkenlöchern und Ansätze einer Bedachung. Insgesamt behindern Enge und Anordnung der Räume eine aktive Verteidigung…"
Aber hier gibt es wohl ein kleines Mißverständnis, und ich weise nochmals auf mein Posting vom 30.09. um 16:34 hin.
In diesem Sinne ein schönes Wochenende Euch allen
Timo aka Timotheus von Falkenbach
Bewertung:
Eintrag #23 vom 01. Okt. 2004 17:12 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Timo,
dort schriebst Du:
> Mich persönlich stört an dieser neuen
Interpretation aber folgendes: warum wird hier
> vernachlässigt, wie sich die Situation im evt. Rückzugsfall darstellt?
> Die bisherige Auffassung ging nämlich NICHT davon aus, daß man nach dem Rückzug weiter
> kämpft, sondern beinhaltete vielmehr, daß man auf diese Weise zumindest noch verhandeln konnte,
> nachdem die Burg quasi in Feindeshand gefallen war. Das macht sich - rein praktisch gesehen - so > sicherlich etwas einfacher, als wenn man im Innenhof steht und von einer bewaffneten ßbermacht umringt ist.
> Daher denke ich nicht, daß in diesem Disput bereits das letzte Wort gesprochen ist.
> BTW: Für die bisherige Auffassung zur Funktion des Bergfriedes sprechen übrigens auch die
> Mauern, die dort am stärksten sind. Aber das nur am Rand…
Warum die Mauern zum Teil stärker sind um den Bergfried herum habe ich mit seiner häufigen Positionierung an der Hauptangriffsseite versucht zu erklären. Einen letzten Rückzugsort, so er denn überhaupt Sinn hätte, würde ich eher im letzten Winkel errichtet und nicht inmitten des potentiellen Hauptkampfplatzes.
Warum soll ein Angreifer noch mit dem im Bergfried sitzenden Burgchef verhandeln? Die Würfel sind bereits gefallen. Verhandlungen sind solange sinnvoll, solange beide Seiten noch etwas in der Hinterhand haben oder beide nichts mehr. Aber der Angreifer hat in dem Falle schon gewonnen und braucht nur noch abwarten. Der Verteidiger hat dagegen nichts nicht mehr, um ein Verhandlungsangebot zu machen.
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #24 vom 01. Okt. 2004 19:27 Uhr
Oliver Hauss
Bitte einloggen, um Oliver Hauss eine Nachricht zu schreiben.
@Roman
>Warum die Mauern zum Teil stärker sind um den Bergfried herum habe ich mit seiner häufigen Positionierung an der Hauptangriffsseite versucht zu erklären. Einen letzten Rückzugsort, so er denn überhaupt Sinn hätte, würde ich eher im letzten Winkel errichtet und nicht inmitten des potentiellen Hauptkampfplatzes.
Was du würdest, Roman, ist unerheblich. Was getan wurde, ist relevant. Dein Hinweis auf die Hauptangriffsseite würde bedeuten, das Mauerwerk wäre nur auf einer Seite stärker. Kannst du das belegen?
Tatsache ist, dass schon deine Behauptung mit der Hauptangriffszone nicht haltbar ist. Siehe dazu die Links weiter unten.
>Warum soll ein Angreifer noch mit dem im Bergfried sitzenden Burgchef verhandeln? Die Würfel sind bereits gefallen. Verhandlungen sind solange sinnvoll, solange beide Seiten noch etwas in der Hinterhand haben oder beide nichts mehr. Aber der Angreifer hat in dem Falle schon gewonnen und braucht nur noch abwarten. Der Verteidiger hat dagegen nichts nicht mehr, um ein Verhandlungsangebot zu machen.
Auch hier argumentierst du pur auf Ideenbasis. Tatsache ist, dass es in der Burg mehrere Verteidigungslinien gab. Von dir selbst verlinkt wurde ein Artikel, der Clausewitz zitiert. Dieser beschreibt Sinn und Zweck einer Befestigungsanlage unter anderem damit, den Insassen Zeit zu verschaffen. Wenn du diesen Sinn für den Bergfried in Zweifel ziehst, musst du das auch für die Burg als solches tun.
Du wurdest hier schon mehrfach nach konkreten Argumenten zu konkreten Punkten gefragt. Du bist sie bisher schuldig geblieben. Stattdessen hast du geglaubt, durch lächerlich machen der Gegenposition punkten zu können.
Wie sie bisher verlaufen ist, ist die Diskussion von deiner Seite absolut unwissenschaftlich und hat mit "Forschung" in keiner Weise etwas zu tun.
Ich werde deine Argumente einmal systematisch durchgehen:
>Keine ßrztin würde heute noch nach einem Lehrbuch von 1900 heilen, kein Automechaniker mit dem Blick in die Bauanleitung für den ersten Mercedes an der neuen S-Klasse schrauben. In der Burgenkunde und bei der Beschäftigung mit Burgen allgemein aber werden die sogenannten Standardwerke fast wie Bibeln vor sich hergetragen. In welcher Zeit und mit welchen Paradigmen diese Werke entstanden, wird gern vergessen und verdrängt. Ebenso, daß neue Wissenschaftsdisziplinen wie Mittelalterarchäologie und Bauforschung nicht nur neue Fragen stellen, sondern auch Antworten geben können, daß neue Datierungsmethoden wie Dendrochronologie die jahrgenaue Datierung von Bauten ermöglichen, daß die historische und kunstgeschichtliche/stilgeschichtliche in den vergangenen hundert Jahren auch einige Fortschritte machte -.. .
Absolut haltlos. Es gibt konkrete Kriterien dafür, wann alte Theorien durch neue abgelöst werden. Wenn sie die Beobachtungen nicht erklären können sind sie nette Ideen, nicht mehr.
Entweder du kannst KONKRETE Argumente bringen -die bist du bisher ausser zum Punkt der Bausequenz schuldig geblieben- oder du hast keine haltbare Position. Hier pauschalisierend auf alte Theorien einzudreschen ist unwissenschaftlich und suggeriert, Newton wäre ein Idiot gewesen.
>Nun ins Detail: Der Bergfried als letzter Rückzugsort des Burgherrn. Es gibt wenige Fehlurteile, die sich so im allgemeinen Bewußtsein festgefressen haben wie dieser Mythos. Kaum ein Burgführer, ob lebend oder auf Papier, kommt ohne die Geschichte aus. Und was jeder "weiß" und jeder sagt, kann eigentlich nicht falsch sein, oder?
Das musst du am besten Wissen, denn du bist es, der hier pur auf der Basis dessen argumentiert, was jeder "weiß", der sich mit der Materie auskenne, ohne konkrete Argumente zu liefern.
>Nicht der Angreifer hatte ein Problem, sondern ich als "Burgherr". Fast alle meiner Leute sind gefallen, mit dem Rest, vielleicht nicht mal einer Handvoll, außerdem meiner Frau, Kind und Kegel stürze ich in den Bergfried, ziehe die einzige Leiter ein, die es gibt - und dann? Die Angreifer plündern draußen meine vielen Schätze, vergnügen sich mit den Burgfräulein, saufen meinen prallgefüllten Weinkeller leer und grillen ein Viech nach dem anderen. Während dessen sitze ich im Bergfried, kaue meine Schuhsohlen, trinke faules Wasser oder warte auf den Regen, der die Tonne wieder füllt. Der böse Angreifer braucht nicht mal eine zweite Leiter zu holen und einfach die Türe zum Hocheingang aufzumachen oder mich im wahrsten Sinne ausräuchern, er sitzt im Rest der Burg, läßt sich es gutgehen und wartet, bis ich entweder anfange, meine Kinder zu fressen oder mich vor Hunger und Durst vom Bergfried stürze.
Kurze Frage: Wozu hast du die Burg überhaupt gebaut, wenn es nicht dein Ziel ist, dem Gegner solange wie möglich Widerstand zu leisten?
"Einfach die Türe zum Hocheingang aufmachen"
Du hast bisher immer noch nicht erklärt, warum da überhaupt ein Hocheingang ist. Solange du das nicht kannst, hast du keine Theorie, sondern tatsächlich nicht mehr als eine haltlose Hypothese, die sich nicht bewährt hat. Im übrigen finde ich interessant, wie einfach du es erachtest, von einer LEITER aus eine schwere Tür aufzumachen.
>Ein Bergfried war nicht für eine aktive Verteidigung im Nahbereich geeignet. Es fehlen fast immer die dafür nötigen Maueröffnungen für einen Beschuß, die anderen Schlitze sind zumeist keine Schiessscharten, sondern Lichtöffnungen, die zum Einsatz von Waffen wie Armbrüsten oder Bögen gänzlich ungeeignet sind, da der Platz zum Hantieren fehlt. Von der hochgelegenen, zuweilen mit Zinnen bewehrten Plattform konnte eine aktive Verteidigung mit Fernwaffen betrieben und ein weites Vorfeld der Burg geschützt werden. Deswegen steht der Bergfried fast immer an der Hauptangriffseite und daher sind in seinem Umfeld auch die stärksten Befestigungen. War die Hauptbefestigung erst einmal gefallen, sah es schlecht aus.
>Gegen einen direkt am Turmfuß feuerlegenden oder türauf- oder mauerbrechenden Gegner kann ich reichlich wenig tun, vielleicht runterspucken, Restmobiliar oder eben meine Kinder runterwerfen. Zinnen bieten nur Deckung, wenn ich mich daher verberge. Wenn ich zwischen zwei Zinnen den Kopf nach vorn strecke, um nach unten zu schießen oder zu werfen, werde ich abgeschossen wie ein Vogel vom Baum. Auskragende Turmkronen oder Erker sind sehr selten
Das wird widersprochen zum einen durch die verbreitete Konstruktion von mehreren Verteidigungslinien innerhalb der Burg, zum anderen durch das Vorhandensein von Schiessscharten (nicht Lichtöffnungen) im Bergfried etlicher Burgen. Auch zur Verteidigung des Turmfusses gibt es Lösungen. Für die letzteren beiden Punkte, siehe auch
wwwcastlelalatte.com/fsystdef.htm
Das ist allgemeines Zeug, geht aber in keiner Weise auf meine Frage ein.
Warum hat eine Grenzfestung, die um die Jahrhundertwende vom 15-16. Jhd gebaut wurde, nach einem Entwurf eines Artilleriekommandeurs, und als Truppengarnison dient, einen Bergfried?
Zusammenfassend:
Dir wurden zu mehreren Punkten konkrete Fragen gestellt. Du hast sie bisher nicht beantwortet. Du hast auch die Beobachtung, dass Bergfriede Hocheingänge hatten bisher noch nicht einmal versucht zu erklären.
Solange dies so ist, kannst du keine wissenschaftlich haltbare Position für dich in Anspruch nehmen. Und du hast erst recht keinen Grund, dich über die Argumente anderer lustig zu machen. Wenn es Argumente bezüglich der genannten Fragen in der Literatur gibt, dann zitiere sie.
Sorry, wenn ich hier auch etwas harsch geworden bin, aber sich derart über Positionen anderer lustig zu machen, während man selbst argumentativ so gut wie nichts zu bieten hat, ist ein Unding.
Gruß,
Oliver
Bewertung:
Eintrag #25 vom 01. Okt. 2004 20:34 Uhr
Hilmar Becker
Bitte einloggen, um Hilmar Becker eine Nachricht zu schreiben.
Also Leute, bevor das hier unsachlich wird…
Bitte…
… zitiert so, daß man klar unterscheiden kann, was Zitat ist und was nicht.
… versucht mit etwas weiniger zitieren auszukommen.
(diese beiden Punkte sollen der ßbersichlichkeit und Lesbarkeit der Beiträge dienen)
… werft euch nicht gegenseitig Unsachlichkeit und Inkompetenz vor.
… macht andere nicht lächerlich, und erhebt euch nicht über andere.
… glaubt nicht, daß die Länge der Postings sich darauf auswirkt, für wie kompetent man euch hält.
Sollte dies hier in gegenseitigen Anfeindungen weitergehen werden wir diesen eigentlich interessanten Thread schließen müssen.
Gruß
Hilmar
Tempus vivit Team
Bewertung:
Eintrag #26 vom 01. Okt. 2004 21:34 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Oliver, ich habe meine Position, die sich wohl im Wesentlichen mit der der modernen Burgenforschung deckt, vorgestellt und auf entsprechende neuere Literatur verwiesen.
Damit möchte ich es zunächst im Großen und Ganzen bewenden lassen. Ich ziehe mich also in meinen Bergfried zurück und warte auf Entsatz. Vorher werfe ich aber nur noch bisschen Steinchen und ßxte.
> Was du würdest, Roman, ist unerheblich. Was getan wurde, ist relevant. Dein Hinweis auf die Hauptangriffsseite würde bedeuten, das Mauerwerk wäre nur auf einer Seite stärker. Kannst du das belegen?
Es geht im wesentlichen um die Position des Turmes im Verhältnis zu den übrigen Befestigungsanlagen und Wohnbauten sowie zur Lage im Gelände. Dafür hilft ein bereits Blick auf Grundrisse, wobei es in dem Falle sogar fast das Lexikon von Krahe tun würde.
Der Clausewitz-Artikel ist nicht von mir, bei jedem Wikipedia-Artikel tragen viele bei. Ich halte ihn für unrelevant, wollte ihn aber auch nicht löschen, um nicht zu viel ßrger heraufzubeschwören. Die Ansichten von Clausewitz halte ich für überholt, ebenso die Ansichten diverser Militärstrategen der frühen Burgenforschung des 19. Jh.
> Befestigungsanlage unter anderem damit, den Insassen Zeit zu verschaffen. Wenn du diesen Sinn
> für den Bergfried in Zweifel ziehst, musst du das auch für die Burg als solches tun.
Nein, muß ich nicht, denn die Burg bzw. die Haupt- oder Kernburg ist als Gesamtkomplex verteidigungsfähig und der Bergfried allein nicht mehr. Insofern geht es bei der Verteidigung einer Burg nicht um Zeit, sondern um Halten oder Verlust, Sieg oder Niederlage.
> Du wurdest hier schon mehrfach nach konkreten Argumenten zu konkreten Punkten gefragt. Du bist
> sie bisher schuldig geblieben. Stattdessen hast du geglaubt, durch lächerlich machen der Gegenposition punkten zu können.
Kannst Du die bitte noch einmal ausführlich formulieren, vielleicht habe ich die konkreten Fragen ja übersehen.
> Absolut haltlos. Es gibt konkrete Kriterien dafür, wann alte Theorien durch neue abgelöst
> werden. Wenn sie die Beobachtungen nicht erklären können sind sie nette Ideen, nicht mehr.
Habe ich was verpaßt? Ich schrieb von Befunden, die auf relativ solide Aufgängen hindeuten, zu fehlenden Innenausstattungen, zum Fehlen einer Möglichkeit zur aktiven Verteidigung, zu neuen Datierungen. Alle diese passen nicht zur Erklärung vom Bergfried als letzter Rückzugsort. Da es für diese selbst ebenfalls keinen Beleg gibt, sondern nur Gegenbelege, bin ich nicht mehr in der Pflicht, sondern Du, mir zu zeigen, daß die Rückzugspunkt-Hypothese stimmt.
> Entweder du kannst KONKRETE Argumente bringen -die bist du bisher ausser zum Punkt der Bausequenz schuldig geblieben- oder du hast keine > haltbare Position. Hier pauschalisierend auf alte Theorien einzudreschen ist unwissenschaftlich und suggeriert, Newton wäre ein Idiot gewesen.
Was hat das jetzt mit Newton zu tun? Ich sagte ausdrücklich, daß die alten Theorien nicht unwichtig für den Gang der Forschung waren, aber natürlich auch in die Zeit ihrer Entstehung passten und der Kontext betrachtet werden sollte. Nun gibt es seit über 30 Jahren neue Forschungen, die leider kaum rezipiert werden.
> Kurze Frage: Wozu hast du die Burg überhaupt gebaut, wenn es nicht dein Ziel ist, dem Gegner solange wie möglich Widerstand zu leisten?
Die Burg wurde als befestigter Wohnsitz eines Adligen gebaut. Der konnte im Bedarfsfall verteidigt werden, wobei es durchaus auch möglich war, daß der Belagerer erfolglos abziehen mußte. (Glück für mich!). Die Burg wird bis zum letzten Mauerring verteidigt, d.h. die Vorburg kann zur Not fallen und ich kann trotzdem noch innerhalb der Haupt- bzw. Kernburgsiegreich bleiben. Wenn der letzte Mauerring gesprengt ist und der Feind die Kernburg genommen hat, in der fast immer auch der Bergfried steht, ist es vorbei. Ich kann Dir jedoch auch mehrere Beispiele nennen, in denen Burgbesatzungen schon angesichts des Belagerungsheers oder nach den ersten Blidenschüssen aufgaben und sich ergaben.
> Du hast bisher immer noch nicht erklärt, warum da überhaupt ein Hocheingang ist. Solange du das
> nicht kannst, hast du keine Theorie, sondern tatsächlich nicht mehr als eine haltlose Hypothese, die sich nicht bewährt hat. Im übrigen > finde ich interessant, wie einfach du es erachtest, von einer LEITER aus eine schwere Tür aufzumachen.
Erstens gibt es auch Bergfriede und Türme mit ebenerdigen Eingängen, was ist mit denen? Zweitens gibt es Hocheingänge auch an anderen Gebäuden, die eindeutig nicht verteidigungsfähig waren wie Kirchtürmen. Drittens muß ich die Tür nicht aufmachen, denn der dahinter kommt irgendwann von allein, wenn ich nur bisschen warte. Oder liegt irgendwann verdurstet hinter der Türe. Viertens muß ich es nicht von einer Leiter versuchen, sondern kann mir auch stabile Kontruktionen bauen. Zeit habe ich ja und Baumaterial auch.
> Das wird widersprochen zum einen durch die verbreitete Konstruktion von mehreren
> Verteidigungslinien innerhalb der Burg, zum anderen durch das Vorhandensein von
> Schiessscharten (nicht Lichtöffnungen) im Bergfried etlicher Burgen. Auch zur Verteidigung > des Turmfusses gibt es Lösungen. Für die letzteren beiden Punkte, siehe auch
wwwcastlelalatte.com/fsystdef.htm
> Vielleicht solltest du dir deine Generalisierungen nochmal überlegen?
Ich habe nicht generalisiert, sondern lediglich bemerkt, daß Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Bergfriede in den meisten Fällen nahe der Hauptbefestigung einer (Kern)-Burg stehen und dort wahrscheinlich wesentliche Funktionen bei der Verteidung übernamen. Burgen sind in ihren Grundrissen derartig vielfältig, daß sich Generalisierungen von vornherein verbieten und man immer auch einige Beispiele finden wird, die aus dem Rahmen des ßblichen fallen.
> Wenn der Verbündete Wochen vorher gehört hat, dass ein Heer im Anmarsch ist, und sich bemüht hat, zu Hilfe zu kommen, kann es durchaus sein, dass er erst nachdem die Hauptmauer gefallen ist, am Ort des Geschehens eintrifft.
Du wirfst mir haltlose Spekulationen vor und argumentierst dann so?
>Wir sollten vielleicht zunächst insgesamt über mittelalterliche Kriegsführung, Heeresstärken, Häufigkeit von Belagerungen etc. diskutieren.
Wir reden hier von der Blütezeit des Bergfrieds, d.h. dem späten 12. und 13. Jahrhundert. Auf die stehenden Heere im HRR und in dieser Zeit bin ich gespannt.
> Davon, dass der Verbündete weiss, das Streit ins Haus steht, ist er noch lange nicht vor Ort. Auch kann er anderweitige Verpflichtungen haben, die seine Kräfte binden (z.B. dem Lehnsherren helfen, irgendwo einen Aufstand niederzuschlagen)
Es gibt unendlich viel Gründe, warum Verstärkung erst mit Verzögerung eintreffen kann. Dein allgemeines Verwerfen des Entsatzheerarguments entbehrt in seiner jetzigen Form jeder Grundlage
Deshalb räume ich ja ein, daß es irgenwann und irgendwo vielleicht doch mal geklappt hat. Aber das wird doch wohl kaum die Regel gewesen sein, daß die Leute permanent patzen und zu spät kamen und man sich sozusagen als letzte Versicherung mit einem riesigen Aufwand vorsorglich einen Bergfried baute.
> "Ganz wie es sich gehört" ist das Stichwort. Es wäre bodenlos naiv zu glauben, das da etwas
> anderes als der Heldentod inmitten der Feinde berichtet wird.
Nun gibt es immer die Version der Sieger und der heldenhaften Verlierer. Aber auch die häufigeren Siegergeschichten erwähnen keinen feigen Memmen, die sich im Bergfried verkrochen und langsam verhungerten.
> Genausowenig wie du dir Gedanken gemacht zu haben scheinst, wie in moderner Wissenschaftstheorie ein "Beleg" aussieht, oder
> wie man eine Theorie widerlegt. Die Tatsache, dass du selbst die gleichen Fehler begehst wie die von dir geschmähten Forscher des 19. Jhds. sollte dir zu denken geben.
Bitte nenne mir einen positiven Beleg für den Bergfried als den letzten Rückzugsort ausser dem gesunden Menschenverstand! Bitte erkläre mir, warum die allermeisten Bergfriede nicht aktiv zu verteidigen sind. Bitte sage mir, wielange ich mich mit mehreren Leuten in einem verrammelten Bergfried zurückziehen kann.
> Und wenn die Burg kein Wohnsitz des Adels war, sondern Festung von Berufssoldaten im
> Spätmittelalter? Durften die sich was drauf einbilden, dass sie jetzt auch einen Bergfried hatten?
Nochmal, wir reden hier von Bergfrieden des späten 12., 13. und 14. Jahrhundert. Die späteren bergfriedähnlichen Türme sind häufig kleiner und noch weniger befestigt.
> Das ist allgemeines Zeug, geht aber in keiner Weise auf meine Frage ein.
Doch, tut es. Ich stelle die Frage, warum Bergfriede und deren Reste in Renaissance-Anlagen und Barockschlössern deutlich sichtbar erhalten wurden, als sie militärisch schon völlig unbrauchbar waren und sich spätestens in der zeit niemand mehr hierher zurückgezogen hätte. Ich biete die Erlärung an, daß Bergfriede von Beginn an auch und zu dieser Zeit nur noch Symbole waren.
> Warum hat eine Grenzfestung, die um die Jahrhundertwende vom 15-16. Jhd gebaut wurde,
> nach einem Entwurf eines Artilleriekommandeurs, und als Truppengarnison dient, einen Bergfried?
Meine Erklärung: Weil der Bergfried immer noch zu einer "richtigen Burg" im Verständnis der Zeit gehört, weil er als Herrschaftszeichen notwendig ist.
Erkläre Du mir nun bitte, warum es Burgen des späten 12. und 13. Jahrhunderts gibt, die keinen Bergfried besitzen. Wohin zogen sich hier die letzten Burgmannen zurück, um auf Entsatz zu warten?
> Solange dies so ist, kannst du keine wissenschaftlich haltbare Position für dich in
> Anspruch nehmen. Und du hast erst recht keinen Grund, dich über die Argumente anderer lustig zu > machen. Wenn es Argumente bezüglich der genannten Fragen in der Literatur gibt, dann zitiere sie.
Ich vermisse immer noch die Argumente jenseits des "es kann so gewesen sein, also war es so". Ich vermisse positive Hinweise auf die Funktionen als letzter Rückzugsort. Ich habe Beobachtungen angeführt, die mich zweifeln lassen, wie z.B. Errichtung eines Bergfrieds im Abstand mehrerer Jahre zur restlichen Burg, Burgen ohne Bergfried, zumeist fehlende aktive Verteidigungsmöglichkeiten für den Nahbereich, stabile Treppenanlagen zu den Eingängen, ebenerdige Eingänge bei Bergfrieden usw. Das mag alles nicht viel sein, aber was hast Du denn für den Beleg der alten Theorien "zu bieten"
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #27 vom 02. Okt. 2004 11:57 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Ein intensiver Ausfallversuch aus meinem Bergfried mit geborgten Waffen ;-)):
Definitionen aus Biller/Großmann, Burg und Schloß, S. 248 f.:
Bergfried. Der unbewohnbare Hauptturm einer Burg im deutschen Raum. Der Bergfried, der verschiedene Grundrissformen haben konnte (quadratisch, rund, fünfeckig, achteckig u. a.), war relativ schlank, dickwandig und hoch, besaß also wenige und mühsam erreichbare Innenräume. Der Einstieg lag 4-10 m hoch und ließ eine Nutzung als letzter Rückzugsort zu; gelegentliche Kamine und Abort dienten solchen Situationen oder der Turmwache. Die meisten Burgen des 12.-14. Jahrhunderts besaßen einen Bergfried, manchmal auch mehrere, die oft an der Angriffsseite oder in der Mitte der Kernburg standen. Erste Fälle solch unbewohnbarer Türme sind schon im 11. Jahrhundert nachgewiesen.
Donjon. Das Wort "Donjon" (frz., abgeleitet von lat. dominatio = Herrschaft) meint in Frankreich fast jeden mittelalterlichen Turm, der keine sakrale Bedeutung besaß. Darunter fallen auch zahlreiche voluminöse und gut ausgestattete Wohntürme des 10.-15. Jahrhunderts auf Burgen. In Deutschland bezeichnet man nur jene seltenen Wohntürme auf Burgen als "Donjon", die eindeutig französisch beeinflusste Merkmale haben, etwa in der Ausstattung mit Tourellen oder der inneren Aufteilung.
Im selben Buch S. 74 f.
Der Bergfried
Der Bergfried, wie er in tausenden von Exemplaren erhalten blieb, ist ein schlanker Turm mit recht starken Mauern. Seitenlänge oder Durchmesser liegen meist zwischen 7m und 11 m, die Höhe bei 20-30m, die Mauerdicke bei 2-3m, wobei in Einzelfällen ßberschreitungen in allen Richtungen auftreten. Ein solcher Turm enthält nur kleine und ungünstig übereinander "gestapelte" Räume, die zudem nur mühsam über einen Hocheinstieg erreichbar waren. Er war also praktisch unbewohnbar, und in der Tat enthielt er nur in Ausnahmefällen einen Kamin oder Abort, wohl meist in einer Wächterstube. In dieser Form war der Bergfried vor allem ein starkes Bollwerk, das oft an die Angriffsseite der Burg gerückt wurde; er deckte sie durch seine pure Mauermasse, und die Verteidiger auf seiner hohen Plattform beherrschten das Vorgelände. Zugleich aber übernahm er von den schon früher verbreiteten Wohntürmen die Rolle des adeligen Symbols schlechthin, das als auffälligster Teil der Burg die Landschaft weithin beherrschte; der Verzicht auf die Wohnräume erlaubte eine schlankere Proportion, die zusammen mit dem in dieser Zeit üblichen Großquaderwerk die architektonische Wirkung des Turmea steigerte. Dazu trug auch bei, dass die klassische Adelsburg in der Regel auf weitere Türme verzichtete, vor allem auf Tortürme, die kurz zuvor noch üblich waren.
Allerdings wurden auch in dieser Blütezeit der Adelsburg weder der Bergfried noch die Burg insgesamt zu "reinen" Symbolen. Kern dieser Existenzberechtigung blieben immer ihre Wehrhaftigkeit und die Funktion als vornehmer, herrschaftlicher Wohnsitz - die symbohafte Wirkung ergänzte und "überhöhte" diese traditionellen Hauptfunktionen lediglich.
[ Ehrlich gesagt überrascht mich die erste Definition, die den letzten Rückzugsort ja ausdrücklich erwähnt, sehr, weil sich Prof. Großmann in persönlichen Gesprächen auf Exkursionen immer gegen diese Annahme ausgesprochen hat.]
Ingesamt kritisch zu dem Buch:
Heiko Laß: Rezension von: Thomas Biller / G. Ulrich Großmann: Burg und Schloss. Der Adelssitz im deutschsprachigen Raum, Passau: Schnell & Steiner 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 4 [15.04.2003], URL: < wwwsehepunkte.historicum.net/2003/04/3795413257.html>
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #28 vom 02. Okt. 2004 11:59 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
G. U. Großmann, Burg Ranis. Burgen, Schlösser und Wehrbauten in Mitteleuropa (Regensburg 2002) 23.:
wwwamazon.de/exec/obidos/ASIN/3795413907/tempusvivit-21
Burg Ranis hat einen runden Bergfried, der den Zugang zur Kernburg deckt. Bergfried ist die moderne Bezeichnung für einen Wehrturm, der im Gegensatz zum Wohnturm unbewohnbar und höchstens mit einer Wächterstube ausgerüstet war. Immer weist er einen hochgelegenen Eingang auf. Seine Funktionen und damit die Gründe, warum er im 12. und 13. Jh. unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Burg wird, sind vielfältig. Sicherlich werden Bergfriede als Beobachtungstürme für die Burgwächter gedient haben, auch Nutzungen als Schutzbauten oder Kerker sind zu belegen. Im Grunde war er jedoch auch ein wichtiges Statussymbol, ein Mittel zur weithin sichtbaren Machtdemonstration.
[Auch diese Definition ist eigenartig, weil natürlich auch Großmann sowohl weiß, daß es Bergfriede mit originalem ebenerdigen Eingang gibt, als auch, daß nicht jede Burg des 12./13. Jh. einen Bergfried besaß.]
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #29 vom 02. Okt. 2004 12:05 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Zeune, Burgen. Symbole der Macht, S. 42-44:
Symbole der Macht: Bergfried, Turm- und Torbauten
- Waren die Angreifer in den Burghof eingedrungen, so sollen sich die Verteidiger in den Bergfried als »letzten Zufluchtsort« zurückgezogen und von dort den Kampf weitergeführt haben; hierin bestand nach Ansicht der traditionellen Burgenforscher die Hauptfunktion des Bergfriedes. Doch daß dieser tatsächlich dem Flüchtenden eher wie ein aufrecht stehender steinerner Sarg erschienen haben muß, wenn weit und breit nicht mit Entsatz zu rechnen war- das wurde völlig außer acht gelassen. Aktiv in die Verteidigung eingreifen konnten die wenigsten Bergfriede, denn ihre Wehreinrichtungen sind passiver Natur: kaum durchbrochene Wände, ein Hocheingang mit Holzstiege oder Leiter, vielleicht ein Gußerker über diesem, vielleicht eine vorgekragte Turmkrone mit Guß- und Wurföffnungen sowie Zinnen.
Schießscharten sind eine echte Rarität an Bergfrieden, die vielzitierten »Kampfplattformen mit abwerfbarem Dach« eher eine Wunschvorstellung früher Burgenforscher. Trotzdem dürfte die Turmkrone noch das wehrhafteste Element dieser Türme gewesen sein, denn sie erlaubte eine starke ßberhöhung der weiteren Umgebung. Gleichzeitig jedoch dürfte es ein schwieriges Unterfangen gewesen sein, die angrenzenden Bauten oder den Turmfuß wegen des extrem steilen Schußwinkels effizient zu schützen oder ohne auskragenden hölzernen Wehrgang - einer sog. Hurde - Gegenstände auf Gegner direkt am Turmfuß zu werfen.
Problematisch ist die Deutung der hochgelegenen und schwer zugänglichen Turmeingänge als reine Schutzelemente. Zweifelsohne sind sie auf ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis zurückzuführen, zudem ihre Türen oft durch Riegelbalken verschlossen werden konnten. Bisweilen sprang zwar oberhalb des Einganges, meist von der Turmkrone, ein Gußerker zur weiteren Sicherung des Zuganges vor, doch ist dies keinesfalls die Regel. Die hohe Position des Einganges erschwerte allerdings nicht nur alle Angriffsbemühungen, sondern auch einen plötzlichen Ausfall und raschen Rückzug der Verteidiger. Hieraus folgern wir, daß sich Hocheingänge offenbar als obligatorisches Attribut eines »richtigen« Bergfriedes oder Turmes verselbständigten.
Instruktiv ist in diesem Zusammenhang die berühmte Belagerung des englischen Chateau Gaillard durch den französischen König Philipp II. - Philipp Il. begann seine Belagerung im Februar 1204 (Abb. 13). Unter großen Strapazen wurde die äußere Vorburg genommen; die innere dagegen fiel rasch, da eine Handvoll Soldaten durch eine niedrigliegende Abtrittschachtöffnung heimlich in den Kapellenbau einsteigen konnte. Durch Unterminieren eroberte man am 6. März 1204 auch die Kernburg trotz heftiger Gegenwehr. Interessanterweise zogen sich die Verteidiger hier nicht in den mächtigen Donjon zurück, sondern fochten vom Hof aus ihren Kampf zu Ende (Violett-le-Duc 1990, S.90ff.; Gravett, S. 59). Offensichtlich war für sie der Hauptturm also von so geringem fortifikatorischem Wert, daß sie ihn erst gar nicht nutzten.
Was für einen tatsächlichen Sinn hat nun der »Bergfried«? Ganz zweifelsohne ermöglichte er einen weiten Blick ins Land, diente er als Beobachtungsort. Er bot Schutz - weshalb man in ihm mitunter auch wertvolle Gegenstände unterbrachte. In ihm wurden gelegentlich, wenn auch viel seltener, als man uns glauben macht, Gefangene eingekerkert. Doch besonders wehrhaft war er nicht. Manche Burgen auf steil abfallenden Felskegeln benötigen ihn nicht und haben ihn trotzdem. »Auch wenn er gelegentlich gar keinen besonderen Nutzen bot, so scheint der Turm häufig dennoch errichtet worden zu sein, weil er eben zum gängigen Bild einer Burg gehörte« (Uhl 1991, S.44).
Wenn wir die zeitgenössischen Burgenschilderungen hinzuziehen, dann fällt auf, daß es stets die Türme sind, die bei besonders prächtigen Burgen zuerst genannt werden. Auch auf Wappen und Siegeln findet sich der Turm »immer wieder als Abbreviatur einer Burgoder Stadtdarstellung« (ebd.). Der Turm, oder zumindest ein turmartiges Gebäude, gehörte offenbar zum Idealbild einer mittelalterlichen Burg, er war ein architektonischer Blickfang, ein ganz wesentliches Element der Macht, des Herrschaftsanspruches. »Nichts repräsentierte die ßberlegenheit, die Macht, die Unantastbarkeit des Burgherren so wie der hochaufragende, unangreifbare Turm. Sein Besitz war gleichsam ein Statussymbol adligen Ranges« (Maurer 1972, S.127). Je höher und größer ein Turm war, je qualitätvoller sein Mauerwerk, desto hochrangiger war er als Statussymbol (Abb. 14). Mitunter ist er der einzige Bau auf einer Burg, der komplett oder zumindest an seinen Sichtseiten aus Buckelquadern erstellt wurde: Dies ist z. B. auf der Salzburg in Unterfranken der Fall, wo der Burgherr, der Bischof von Würzburg, seinen persönlichen Baubeitrag - den bergfriedartigen Torturm - als höchsten Bau der turmreichen Burg ausführte und ihn zugleich als einzigen Baukörper der Burg mit einer geschlossenen Frontfassade aus Buckelquadern ausstattete. Damit verdeutlichte er nicht nur nach außen seine Vorrangstellung, sondern auch nach innen gegenüber den zahlreichen anderen Burgbewohnern.
Wir dürfen dem Bergfried keinesfalls seine Wehrhaftigkeit gänzlich nehmen, wir müssen sie nur anders - reduzierter - definieren. Was wir zuvor für den Bergfried konstatiert haben, gilt in ähnlicher Form auch für den Wohnturm, der vor allem im 14. Jahrhundert seine Blütezeit erlebt: Auch er ist ein Statussymbol hohen Wertes, mit beschränkter Verteidigungsfähigkeit. Dies haben neue Forschungen bestätigen können (Ch. Herrmann).
Zu Dr. Joachim Zeune, Büro für Burgenforschung: wwwburgenforschung-zeune.de
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #30 vom 02. Okt. 2004 12:13 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Uhl, Stefan/Joachim Zeune, Der Bergfried. In: Horst Wolfgang Böhme/Busso von der Dollen/Dieter Kerber/Cord Meckseper/Barbara Schock-Werner/Joachim Zeune (Hrsg.), Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. Bd. 1. Bauformen und Entwicklung (Stuttgart 1999) 237-245
- Die Funktionen eines Bergfrieds waren trotz der optischen Betonung der Wehrfunktion vielfältig. Die Wehrfunktion bzw. der tatsächliche Grad an Wehrhaftigkeit muß bei den meisten Bergfrieden allerdings kritisch hinterfragt werden, da nur wenige Bergfriede effiziente Wehreinrichtungen wie Wurferker, Schießscharten oder ausgekragte Turmkronen mit Maschikulierung aufwiesen. Besonders die wirkungsvolle Verteidigung des Turmfußes mußte aufgrund des bei steigender Höhe ungünstigen Fallwinkels ein echtes Problem dargestellt haben, sobald keine vorkragende hölzerne oder steinerne Kampfplattform vorhanden war. Auch der schützende Hocheingang erschwerte eine aktive, aggressive Kriegsführung, denn die Belagerten konnten ihrerseits keine schnellen Ausfälle unternehmen. Mitunter behinderte die extreme Enge innerhalb des Turmes die zu einer sinnvollen Verteidigung erforderliche Mobilität erheblich.
Historisch keinesfalls hinreichend belegt und wohl erst im 19. Jh. ersonnen ist die angebliche Hauptfunktion des Bergfrieds als letzter Zufluchsort.
Die Wehrfunktion gliederte sich in verschiedene Teilbereiche. Zum einen konnte der Bergfried aufgrund seiner Mauermasse als Schutzschild für hinter ihm liegende, weniger stark bewehrte Burggebäude dienen. Auf seiner Plattform, falls vorhanden, konnten sich Verteidiger postieren und mit Schuß- und Wurfwaffen einem Angriff entgegenwirken. Seine enorme Höhe prädestinierte ihr auch zur Aussichtswarte für Vorfeld und Umland. Vielen Bergfrieden wird man Wohnfunktionen nicht gänzlich absprechen können. Wenngleich zahlreiche Bergfriede keinerlei Hinweise auf auch nur die einfachste Wohnnutzung enthalten, existiert doch eine Vielzahl von Türmen, deren Innenausstattung - größere Fensteröffnungen, Kamine, Abortnischen, Schüttsteine - zumindest eine zeitweilige oder längere Bewohnung durch eine Turmbesatzung oder einen Wächter bzw. Türmer ermöglichte. Die Abgrenzung eines gut bewohnbaren Bergfried zum Wohnturm fällt schwer, so daß eindeutige begriffliche Abgrenzungen im Einzelfall immer wieder Probleme bereiten.
Darüber hinaus bot sich ein Bergfried aufgrund seines Schutzcharakters auch als gesicherter Aufbewahrungsort an, etwa als "Tresor" für Wertgegenstände, oder aber gelegentlich zum Verschluß von Gefangenen, die man sowohl im Turmuntergeschoß, dem sogenannten "Verlies", als auch in Einbauten in den oberen Turmgeschossen unterbringen konnte.
Auch der gelegentliche Einbau von Kapellen zeigt, daß man den Bergfried für einen baulich besonders gesicherten Ort hielt. Inwieweit ein derartiger Turmbau darüber hinaus auch mit eigenständigen sakralen Bedeutungen - etwa als Mariensymbol - behaftet war, entzieht sich einer eindeutigen Belegung durch mittelalterliche Quellentexte und bietet deshalb immer wieder Anlaß zur Diskussion.
Aufgrund seiner Eigenschaft als mächtiger, in die Höhe strebender, alles überragender Baukörper konnte der Bergfried zudem im Laufe der Zeit bevorzugt zum Symbol für die Burg schlechthin werden und damit zu einem Status- und Machtsymbol, dessen Vorhandensein auf einer Burg unabhängig von einer eventuellen funktionalen Notwendigkeit gewünscht war.
Bezeichnenderweise entstanden auch noch im Spätmittelalter immer wieder bergfriedartige Türme ohne die entsprechenden Funktionen (Alt-Ehrenfels BW; Hohenfreyberg BY; Mespelbrunn BY; Ratzenried BW; Unterriexingen BW) - gelegentlich als "Pseudobergfriede" bezeichnet - oder mit minimierten Abmessungen (Reußenstein BW, Neidenstein BW) - vereinzelt mit dem Begriff "reduzierter Bergfried" belegt. Und auch im Schloßbau der Renaissance konnten sich derartige Türme aufgrund ihres Charakters als Herrschaftszeichen noch immer einer gelegentlichen Beachtung erfreuen, während sie im Wehrbau als hochaufragende Bauteile nach der Einführung und Verbesserung der Feuerwaffen ihren militärischen Wert sehr schnell verloren hatten. Der Bergfried als traditionelles Status- und Machtsymbol wurde zum wesentlichen Element des historisierenden Burg- und Schloßbaues.
Letztlich standen Burg und Burgturm auch für das befriedete Land; der weithin sichtbare Burgturm sagte dem mittelalterlichen Menschen, wo -juristisch gesehen - die Gerichtsbarkeit saß. Der Bergfried wurde dadurch zum Turm, der nicht im realen, sondern im übertragenen Sinne - "den Frieden in sich barg".
-
Zugänglich war der Bergfried meist nur über einen hochgelegenen Eingang. Das unter dem zugehörigen Eingangsgeschoß gelegene Untergeschoß besaß infolgedessen einen häufig nur schachtartigen Innenraum, der zumeist als "Verlies" bezeichnet wird, als solches allerdings tatsächlich selten diente.
Da beim Bergfried der weitgehend ungeschützte Turmsockel der Gefahr des gewaltsamen Eindringens besonders ausgesetzt war, verlegte man das erste Geschoß aus Sicherheitsgründen in eine von unten unerreichbare Höhe und überwölbte es zusätzlich öfter als zusätzlichen Schutz vor interner Brandlegung. Die Definition des Sockelgeschosses nicht als Verlies, sondern als Sicherheitszone für den Oberbau, hat sich in der britischen und französischen Burgenforschung schon seit längerem durchgesetzt. Natürlich konnte es sowohl als Lagerraum als auch zur Aufbewahrung von Gefangenen benutzt werden, wobei sich der Name "Verlies" im Laufe der Zeit auch auf an anderen Orten gelegene Gefängnisräume übertragen hat. Viele Bergfriede dienten erst im 16. und 17. Jh. als "Verlies".
Zumeist war das Sockelgeschoß allenfalls durch Lichtschlitze erhellt bzw. belüftet. Zugänglich war es fast immer über eine kleine Luke vom Eingangsgeschoßinneren aus, dem sogenannten "Angstloch", das wohl eher als Schutz vor in den Turmfuß eingedrungenen Feinden zu interpretieren ist.
Nur ganz wenige Bergfriede zumeist später Zeitstellung hatten einen ebenerdigen Zugang. Das Untergeschoß blieb dann jedoch zumeist ohne Verbindung zu den darüberliegenden Turmräumen, die weiterhin nur über eine hochgelegene Außenöffnung zugänglich waren (Sindringen BW). Die Hocheingänge lagen zumeist in 3-8 m Höhe (Schönburg ST; Wildenburg BY, Westturm; Wimpfen BW, Roter Turm), selten über 10m (Grenzau RP; Steinheim HE; Steinsberg BW, s. Abb.134; Miltenberg BY; Westerburg ST; Wineck im Elsaß F), und ganz ausnahmsweise unter 3 m (Liebeneck BW).
Der meist feindabgewandt gelegenen Eingangspforte war dabei in der Regel ein hölzernes oder steinernen Kragsteinen aufgesetztes, häufig überdachtes Podest vorgelegt (Neipperg BW; Querfurt ST, "Dicker Heinrich", Schilteck BW; Wertheim BW), zugänglich entweder direkt vom Hof aus über Leitern oder hölzerne Treppenanlagen (s. Abb. 81), ggf. auch von benachbarten Wohngebäuden oder Wehrgängen aus über hölzerne Stege. Durch das Entfernen dieser Leitern und Stege ließ sich der Zugang im Krisenfall leicht sichern. Im Einzelfall dienten zusätzliche Aufzugswinden dem Lasten- und teilweise wohl auch dem Personentransport.
ßber dem Eingangsgeschoß befand sich dann zumeist noch ein weiteres Obergeschoß innerhalb des Turmschaftes, bisweilen konnten es auch mehrere Obergeschosse sein. Sie wurden nur durch kleine, schmale Schlitze belüftet und belichtet. Vereinzelt zeigten sie jedoch wie auch das Eingangsgeschoß eine etwas aufwendigere Ausstattung, die von einer wehrhaften Instrumentierung mit Schießkammern (Bussen BW) bis hin zu einer einfachen Wohnausstattung reichte (Besigheim BW, Oberer und Unterer Turm, s. Abb. 54: Miltenberg BW; Neipperg BW, s. Abb. 168). Wandnischen (Wimpfen BW, Roter Turm), Kamine (Flossenbürg BY, Außenturm; Katzenstein BW; Neipperg BW; Neuenburg ST. "Dicker Wilhelm"; Rothenfels BY), Abortanlagen - als Wandnischen oder als außen vorkragende Erker - (Bernstein im Elsaß F; Harburg BY; Schönburg ST; Sponheim KP), teilweise auch größere Fenster (Krautheim BW: Salzburg BY, Voitscher Ansitz; Sponheim RI’: Wildenberg BY) oder Schüttsteine (Hohenklingen BW) gehörten hier zur zwar nicht regelmäßigen, aber doch häufigeren Ausstattung. Durch große Bogenöffnungen erhielten die Räume einiger Südtiroler Bergfried, (Boymont, Neuhaus, Payrsberg, alle I) im Sommer einen fast laubenartigen Charakter, standen dafür im Winter aber wohl leer. -
Da der Bergfried im Gegensatz zum Wohnturm keiner dauerhaften Wohnnutzung diente, sondern auch Schutzfunktionen übernahm, war er innerhalb des Burggrundrisses in aller Regel nicht an die bestgeschützte Stelle der Anlage gerückt, sondern stand zumeist entweder wie bei vielen Gipfelburgen (Lindenfels HE; Marksburg RP) und Flachlandburgen (Büdingen HE; Lahr BW) in deren Zentrum oder wie bei vielen Sporn- und Abschnittsburgen gegen die Angriffsseite hin vorgeschoben.
Häufig deckte der Bergfried überdies auch Burgweg und Tor. Bei einer der Angriffsseite zugewandten Stellung stand der Bergfried entweder in geringem Abstand frei hinter Ring- oder Schildmauer (-) oder war sogar in diese eingebunden (-). Ausnahmsweise sprang er aggressiv aus der Außenflucht vor (-) oder erhob sich offensiv freistehend außerhalb des Beringes (-). Unter bestimmten topographischen Verhältnissen konnte er auch die gesamte Breite der Angriffsfront abschirmen (-). - Vereinzelt führte man Bergfriede auch als eher unbedeutende Anhängsel an Schildmauern aus (-). Andere Bergfriede wiederum flankierten sogar die Schildmauer (-). So wie der Bergfried baulich mit der Schild- oder Ringmauer kombiniert sein konnte, schlossen öfters an ihn rückwärts oder seitlich auch weitere Bauten an. Obgleich man zweifelsohne den freistehenden Bergfried wenn nicht als Regel, so doch als Ideal empfand, kam es doch immer wieder zur baulichen Verbindung mit Wohnbauten (-).
Vor allem größere Burgen besaßen bisweilen auch zwei oder vereinzelt gar mehrere Bergfriede, die dann entweder nebeneinander einer kürzeren (-) oder längeren (-) Angriffsfront entgegengestellt sind, oder aber an gegenüberliegenden Punkten der Burgfläche postiert sein können und die Kernanlage (-) beidseitig einfassen. -
Zum Buch
Beschreibung, Inhaltsverzeichnis, Pressestimmen:
wwwtheiss.de/ktv/detail.php?titelnr=10
******
So, war der Ausbruchsversuch erfolgreich oder muß ich wieder in den Turm zurück und auf Entsatz warten? Mein und fremdes Pulver habe ich jetzt erst mal verschossen. Gibt es eventuell neutrale Beobachter unseres Kampfes um den Bergfried, die als Schiedsrichter fungieren könnten?
Schönes Wochenende!
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #31 vom 04. Okt. 2004 08:14 Uhr
Joachim Meinicke
Bitte einloggen, um Joachim Meinicke eine Nachricht zu schreiben.
Ein Beispiel aus der Mark:
An der Nordseite der Burg Gerswalde kann man deutlich erkennen, welche wichtige Funktion der Bergfried zur Sicherung des Tores und der Nordseite hatte. (Auch) hier in der Mark war auch jedes Stadttor durch einen entsprechenden Turm gesichert. Auch bei diesen Türmen lag der Eingang oft nicht ebenerdig. Da nun keiner auf die Idee kommen wird, so ein Turm an der Stadtmauer sollte als letzte Zufluchtsstätte dienen, gehe ich davon aus, dass der erhöhte Eingang vor plötzlichen ßberraschungsangriffen schützen sollte. Nicht selten wurden ja - heute würde man sagen - Kommandoeinheiten voraus geschickt, die in einem Handstreich strategisch wichtige Teile der Befestigung einnahmen und solange hielten, bis die restlichen Truppen nachsetzen konnten.
Ich weiß anhand des Beispieles Wehrkirchen in der Mark, dass tatsächlich viele alte, überholte und einfach auch falsche Meinungen immer noch ungeprüft verbreitet werden. Dagegen endlich mal vorzugehen, ist lobenswert. Von daher verstehe ich die Aufregung über Romans Einträge nicht. Wir regen uns ja auch über die einschlägigen Fehler in MA-Spielfilmen auf-
Hier in der Mark stellten sich im SMA viele Ministerialen oder auch Adlige einen Wohnturm hin. In denen ließ es sich wirklich wohnen mit Kachelofen usw. Sie waren sicher auch bedingt zu verteidigen, aber man kann davon ausgehen, dass es hauptsächlich um Repräsentation ging. Oder denken wir an die unzähligen Türme mitten in italienischen Städten. Das gotische Weltbild, Ideal strebte nach oben in die Höhe, denn Höhe hieß Gott, hieß aber auch Sicherheit und Macht. Von daher halte ich den Verweis auf den repräsentativen Charakter eines Burgfriedes nicht für so abwegig.
Grüße aus der Mark
Joachim
Bewertung:
Eintrag #32 vom 04. Okt. 2004 11:40 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Einige kurze Nachträge zum Hocheingang bei Bergfrieden und der vermuteten Rückzugsfunktion bei Türmen im Allgemeinen, wozu ich jedoch etwas weiter ausholen muß. Danke, Joachim, für den Hinweis auf die Wehrkirchen. Ganz unabhängig von Deinem Hinweis habe ich mir am Wochenende für unsere Diskussion noch mal die sehr lohnens- und empfehlenswerte Studie von
Höhne, Dirk, Bemerkungen zur sogenannten Wehrhaftigkeit mittelalterlicher Landkirchen. Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 12, 2003, 119-149.
Entsprechend taucht auch hier in der Literatur immer wieder die Ansicht auf, der bergfriedartige Turm hätte als "notfalls letzte, wehrhafte Zuflucht im festgebauten, heiligen Bezirk" gedient [so z.B. D. Wohlfahrt, Thüringer Dorfkirchen (Berlin 1961) 11].
Einleitend stellt Dirk Höhne fest, daß zur Entstehung des Mythos der Wehrkirche im allgemeinen und im speziellen in seinem Untersuchungsraum um Halle das erstarkende Nationalbewußtsein im 19. Jh. wesentlich beigetragen hat. Damit einher ging eine romantische Verklärung des mittelalterlichen Lebensbildes. Insbesondere für den Untersuchungsraum wurde eine Jahrhunderte andauernde, blutige Auseinandersetzung zwischen slawischen und germanisch/deutschen Bevölkerungsteilen suggeriert. In dieser Situation sollen letztere "Neusiedler", die im Zuge der sogenannten deutschen Ostsiedlung zugewandert waren, zu ihrem Schutz wehrhafte Kirchen errichtet haben. Dieses Bild von den Kirchtürmen als "Bollwerk gegen die Slawen" ist mehr oder weniger überall im Gebiet der Germania Slavica anzutreffen und tief im Gedankengut der örtlichen Bevölkerung verwurzelt, aber auch häufig noch in (populär)-wissenschaftlichen Schriften zu finden.
Anschließend werden die dabei angeführten Beobachtungen wie starke Mauern, hohe, kleine Rundbogenfenster, Portalverschlüsse in Form von Riegelbalken, massiv überwölbte Erdgeschoßräume in den Türmen, hochliegende Zugänge in denselben sowie "Schießscharten" und "schießschartenartige" Schlitzfenster diskutiert, was hier natürlich nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden kann. Abschließend schreibt er:
"Zwei wesentliche Ergebnisse der Untersuchungen an den romanischen Dorfkirchen des Gebietes um Halle sind festzuhalten:
1. Es konnten an keiner Kirche bauliche Elemente gefunden werden, die für eine echte wehrtechnische Befestigung bzw. eine aktive Verteidigungsfähigkeit sprechen.
2. Es konnten die Elemente, die mit fortifikatorischen Aufgaben in Verbindung gebracht werden, als nicht zum originalen Baubestand gehörig oder als dafür unbrauchbar erkannt werden.
Darauf basierend läßt sich nur der Schluß ziehen, daß für diese Kirchen Begriffe wie "wehrhaft" oder "Wehrkirche" unhaltbar und abzulehnen sind. Ohne eine Verallgemeinerung zu formulieren, sollte darüber hinaus auch für andere Regionen gelten, einer dementsprechenden und vorschnellen Interpretation immer eine sorgfältige und kritische Betrachtung dieser Aspekte voranzustellen. Wo so etwas passiert ist, wird deutlich, daß die meisten sich als wenig wehrhaft erweisen oder erst in spätmittelalterlicher Zeit mit Befestigungselementen versehen wurden, selbst wenn dabei die martialische und symbolische Wirkung im Vordergrund stand. Kirchen auf dem Lande besaßen vielfältige Funktionen. Sie sind in aller erster Linie als christliche Kultbauten errichtet worden, die zur geistigen Betreuung der Dorfbevölkerung dienten. Daneben spielten sie aber auch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle. Im Bereich von Kirche und Kirchhof fanden Versammlungen statt, die die Dorfgemeinde betrafen. Hier wurde Gericht gehalten, hier traf man sich zu freudigen und weniger erfreulichen Anlässen. Somit besaß die Kirche als Institution wie als Bauwerk eine Mittelpunktsfunktion im Lebensbild des mittelalterlichen Menschen, nicht nur in geistiger, sondern auch in sozialer Hinsicht.
Nur in diesem Sinne ist es verständlich und wohl auch in der Forschung unstrittig, der romanischen Dorfkirche insofern eine Schutzfunktion zuzubilligen, daß man sich in kritischen Sitationen in einen - und zwar den oft einzigen - Steinbau der Ortschaft zurückziehen konnte, als marodierenden Banden oder ähnlich feindlich gesinnten Personen völlig schutzlos ausgeliefert zu sein. Vordergründig wird dabei allerdings eine symbolische und rechtliche Obhut des Gotteshauses in Betracht zu ziehen sein. An eine ernsthafte, dem Angreifer aktiv entgegentretende Verteidigung, kann, wie wir gesehen haben, nicht gedacht werden."
Für unsere Frage nach dem Bergfrieden sind nun zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Erstens die Frage des Rückzugs in den Turm im Falle einer Belagerung und dessen Folgen:
"Bleiben noch einige Fragen aufzuwerten, die hier nur am Rande gestreift werden können, für die Definition und Interpretation als Wehrbau aber von Bedeutung sind: Wenn man mit längeren Belagerungen rechnete, wo befinden sich dann in den Kirchen die Anlagen zur Bevorratung, vor allem des lebensnotwendigen Wassers? Ist es denkbar, daß die Ursprünge und Vorgänger der Schießscharte, die an realen Wehrbauten im deutschen Sprachraum erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts aufkam, an ländlichen Sakralbauten des 12. Jahrhunderts zu suchen sind? Wer sollte sich eigentlich in den Kirchen und mit welchen Waffen verteidigen; etwa der Bauer mit einer Armbrust? Und warum hatte eigentlich nicht jeder Ort einen Kirchenbau zu Verteidigungszwecken? … ."
Gerade die beiden ersten Fragen wurden ja auch bei den Bergfrieden gestellt und bislang nicht beantwortet.
Zweitens die Hocheingänge, die auch bei einigen Kirchtürmen festzustellen sind:
Bei den - in den meisten Fällen erst nachträglich erfolgten - Einwölbungen von Erdgeschoßräumen in Turmbauten vermutet Höhne, daß diese mit der Schaffung von feuersicheren und verschließbaren Räumlichkeiten für Urkunden oder wertvolle Kirchengeräte in Zusammenhang stehen, nicht aber mit dem oft behaupteten Schutz vor "Ausräuchern" durch Brandstiftung.
"Der für ein überwölbtes Erdgeschoß notwendige Hocheingang zu den oberen Turmgeschossen fehlt übrigens auch bei den ungewölbten Türmen keinesfalls, sondern gehörte oftmals zum originären Baubestand. [Anm. 45: Z.B. Kirchedlau, Lkr. Bernburg - ; Reideburg -; Benkendorf/Gem. Salzmünde und Köllme (beide Lkr. Saalkreis).] Vielleicht sollte man in dieser Hinsicht auch neben der Funktion eines Einganges in das Turmobergeschoß an die Möglichkeit eines Zuganges aus dem Turm auf eine davorliegende Empore im westlichen Teil des Kirchenschiffes denken. Beispiele aus Thüringen belegen bei den dortigen, fast ausnahmslos westturmlosen Kirchen die Existenz von in den Saal gestellten Emporen auch bei den ländlichen Sakralbauten. Dabei sollte nicht an eine unbedingt steingebundene Konstruktion gedacht, sondern auch die Ausführung in m Erwägung gezogen werden. Eine derartige Bauweise könnte in Peißen vorliegen. -
Hocheingänge an Türmen, die von außerhalb des Kirchengebäudes zu begehen waren, lassen sich nur an zwei Kirchen nachweisen [Anm. 48: Domnitz, Lkr. Saalkreis -; Trebnitz, Lkr. Bernburg - mit ehemals zwei Zugängen in das zweite Turmgeschoß.], wobei ebenfalls keine Wölbungen im Erdgeschoß existieren und ein weiterer schiffsseitiger Zugang im ersten Geschoß vorhanden ist. Die Kirche von Nauendorf besitzt sogar einen originalen, direkt neben der ehemaligen Doppelarkade gelegenen, südlichen Turmzugang ins Erdgeschoß."
Eine völlig überzeugende Erklärung für die Hocheingänge gibt es bislang m. W. nicht.
Weiterführende Literatur:
Magirius, Heinrich und Hartmut Mai: Dorfkirchen in Sachsen. Berlin 1990, S. 19;
Mertens, Klaus: Romanische Saalkirchen innerhalb der mittelalterlichen Grenzen des Bistums Meißen. Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte Band 14. Leipzig 1973, S. 41-44;
Schmitt, Reinhard: Zum Westbau des Havelberger Domes: Bergfried, Wehrturm oder Kirchturm? In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 6 (1997), S. 6-40 [Mit Zugängen im ersten Obergeschoß und über hundert Jahre lang fast ausschließlich als "wehrhafte Zufluchtsstätte" gedeutet!];
Schmitt, Reinhard: "Wehrhafte Kirchen" und der "befestigte Kirchhof" von Walldorf, Kreis Schmalkalden-Meiningen. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 9 (2000), S. 127-149 [Angeblich ein zum Kirchturm umgenutzer Bergfried, wofür jedoch nichts spricht!];
Zeune, Joachim: Neue Forschungen an fränkischen Kirchenburgen. In: Burgenforschung aus Sachsen 5/6 (1995), S. 226-239 [Kritik an den Publikationen von Karl Kolb; Wehrhaftigkeit fast ausschließlich erst ab 15./16. Jh.; hier auch zu Walldorf und anderen angeblich zu Kirchtürmen umgenutzten Bergfrieden. Außerdem ein schönes Zitat: "In die Richtung der für viele Laien so typischen militärischen ßberinterpretation geht auch die Deutung eines Abtritterkers an einem Eckturm der Kirchenburg Effeltrich als "Gußerker". Dabei gehört dieser Abtritt zu einer Wächterstube und hat nichts - absolut nichts - unter sich, das er schützen könnte - einen Meter Mauerfuß ausgenommen (Abb. 4). Hier müßte sich schon ein extrem selbstmordgefährdeter Angreifer bewußt unter diesen Erker begeben, um "etwas" abzubekommen. Dies habe ich absichtlich so kraß formuliert, um die mangelnde Reflektionsbereitschaft mancher "Burgenforscher" zu veranschaulichen - denn dies Beispiel ist leider keinesfalls die amüsante Ausnahme." ];
Hopf, Udo: Die St. Crucis Kirche zu Espenfeld. Untersuchungen zur Baugeschichte und Befestigung. In: Burgen und Schlösser in Thüringen 1996, S. 85-92 ["Diese unhaltbaren Thesen wie auch der Hinweis auf den Turm als letzten Rückzugsort sollten im Falle Espenfelds endlich ad acta gelegt werden."];
Hopf, Udo: Baugeschichtliche Untersuchung der sogenannten Wehrkirche zu Schaala. In: Burgen und Schlösser in Thüringen 1997, S. 110-118;
Ober, Marek: Wehrbaukostüm und Konnotationen der Wehrhaftigkeit bei den pommerschen und neumärkischen Stadt- und Dorfkirchen. In: Echte Wehrhaftigkeit oder martialische Wirkung. Zur praktischen Funktion und zum Symbolcharakter von Wehrelementen profaner und sakraler Bauten im Deutschordensland Preußen und im Ostseeraum. Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 3, Köln 2000, S. 139-149.
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #33 vom 04. Okt. 2004 12:42 Uhr
Bitte einloggen, um eine Nachricht zu schreiben.
Ich schicke gleich vorweg, ich kenne mich mit den tieferen Details der Architektur nicht aus, daher kann ich hier nur spekulieren, will da aber auch nur am Rande drauf eingehen.
Was bei der ganzen Diskussion über den Rückzug in meinen Augen komplett vergessen wurde, auch wenn Roman schonmal kurz drauf zu sprechen kam, ist die Frage, _wer_ sich evtl vor _welcher_ Bedrohung verschanzte.
Ich finde Rolands Ausführungen sehr schlüssig und glaube auch nicht wirklich, daß man den Tod auf Raten suchte, indem man die gesamte Burbesatzung in den Turm schickte.
Definitiver Vorteil eines Turmes mit einem einzigen, erschwert nutzbaren Eingang:
Ich kann alle nicht wehrtauglichen Personen (Die Familie, Frauen, Kinder, Geistlichkeit) dort an einer Stelle sammeln, sie stehn nicht im Weg und sind weniger gefährdet.
Ich benötige niemanden mehr, der sie speziell beschützt, und kann alle Kapazitäten der Gesamtverteidigung zu Gute kommen lassen.
Zum Thema Wehrkirche:
Hier ist es wichtig, zu überlegen, vor wem man sich schützen will.
Eine Kirche als Zentrum der Verteidigung gegen ‘echte’ Feinde mag vielleicht ein Mythos sein.
Wird das Dorf aber von einer Horde Plünderer überfallen, deren primäres Bestreben nicht die Ausrottung eines Feiundes sondern das Machen von Beute ist, dann bedeutet eine massive Kirche ausreichend Schutz.
Die Beute liegt draußen, die Menschen sind drinne, welchen Anreiz hätten die Plünderer also, sich die Arbeit mit den massiven Toren zu machen.
Hier wäre eine aktive Verteidigung mit Bögen o.ä. sogar eher gefährlich, weil der Angreifer dann einen Grund hat, die Bedrohung in seinem Rücken auszuschalten.
In beiden Fällen könnte es also eher darauf hinauslaufen, eine Sicherheitszone abseits des Kampfgeschehens, als ein echtes Verteidigungsbollwerk zu schaffen.
Mal so als Denkansatz in den Raum gestellt.
Gruß, Ivain
Bewertung:
Eintrag #34 vom 04. Okt. 2004 13:58 Uhr
Wolfram Troeder
Bitte einloggen, um Wolfram Troeder eine Nachricht zu schreiben.
ßußere mich von einem ähnlichen Hintergrund wie Alexander, pflichte ihm auch bei.
Zu den Bergfrieden noch eine Bemerkung, die auch für die Wehrkirchen gilt: Ein Haus (Schuppen, Scheune), selbst aus Stein, insbesondere aber Fachwerk oder mit Bohlenwänden ist leichter "erstürmbar" aufgrund der Konstruktion und teilweise der Materialien.
Ein Haus, auch in einer Burg, dient nicht primär der Verteidigung, sondern zum Leben. D.h. die Zugänge sind vielfältig, mehr als eine Tür, (große) Fenster.
Das heißt, m.w., ist lange Zeit die Kirche das einzige "feste Haus" einer Ortschaft, mit festen Türen, hchliegenden Fenstern und einem Turm, zum sehen und gesehen werden.
Gegen eine organisierte Streitmacht sicher nicht Erfolg versprechend, gegen Streuner, Plünderer, etc schon. Siehe auch wwwrhoenline.de/burg/burg_kirchenburg_ostheim.html ) eher nicht.
Noch ein Gedanke: Nutze ich den Bergfried zur Verteidigung (Fernwirkung), dann ist er doch schon bemannt, ich brauche also nur noch den Burgherren reinbringen, im Notfall. Wehrmannen und wichtiges, Kinder, Frau, Wertsachen, Kaplan, Urkunden sind schon dort.
Abschliessend noch etwas: Ich persönlich bin der Ansicht, das bei der Burg wesentlich mehr Repräsentanz dabei war, als ihr heute gemeinhin zugestanden wird. D.h. eine Bergfried gehörte dazu, wie zu Luxusvillen ein (genauso selten benutzter) Pool gehört. Ebenso haben Schlösser mehr Wehrcharakter (wenn auch versteckt) als angenommen.
Tassilo
Bewertung:
Eintrag #35 vom 04. Okt. 2004 17:51 Uhr
Oliver Hauss
Bitte einloggen, um Oliver Hauss eine Nachricht zu schreiben.
>Auch bei diesen Türmen lag der Eingang oft nicht ebenerdig. Da nun keiner auf die Idee kommen wird, so ein Turm an der Stadtmauer sollte als letzte Zufluchtsstätte dienen, gehe ich davon aus, dass der erhöhte Eingang vor plötzlichen ßberraschungsangriffen schützen sollte. Nicht selten wurden ja - heute würde man sagen - Kommandoeinheiten voraus geschickt, die in einem Handstreich strategisch wichtige Teile der Befestigung einnahmen und solange hielten, bis die restlichen Truppen nachsetzen konnten.
Diese Türme lagen aber an der Aussenmauer. Dagegen sind durchaus Bergfriede bekannt, die isoliert im Kernhof stehen. Wenn, wie Roman behauptet, die Sache gegessen ist, sobald der Kernhof fällt, ist sowohl die dicke der Mauern, insbesondere im "Erdgeschoss", als auch höhergelegte Eingänge ein relativ verschwenderischer Aufwand mit wenig Nutzen.
>Ich weiß anhand des Beispieles Wehrkirchen in der Mark, dass tatsächlich viele alte, überholte und einfach auch falsche Meinungen immer noch ungeprüft verbreitet werden. Dagegen endlich mal vorzugehen, ist lobenswert. Von daher verstehe ich die Aufregung über Romans Einträge nicht. Wir regen uns ja auch über die einschlägigen Fehler in MA-Spielfilmen auf-
Das mag sein, aber es geht hier nicht um Spielfilme. Und "Aufregung" ist nicht unbedingt ein Markenzeichen der sachlichen Diskussion. Wer den Anspruch akademisch unterstützer Argumente erhebt, von dem kann auch akademischer Standard in der Argumentation erwartet werden. "Falsche Meinungen" sind nicht falsch, weil jemand sagt, dass es so ist, sondern weil sie falsifiziert worden sind.
Und das hat in diesem Thread noch niemand geleistet.
Die Tatsache, dass evtl. über Wehrkirchen in der Mark falsche Meinungen existieren hat keinerlei Relevanz für die Stichhaltigkeit von Argumenten auf einem anderen Gebiet.
Mehr zu Romans Argumenten, wenn ich zu Hause bin.
Gruß,
Oliver
Bewertung:
Eintrag #36 vom 04. Okt. 2004 19:06 Uhr
Joachim Dittrich
Bitte einloggen, um Joachim Dittrich eine Nachricht zu schreiben.
Beispiel für die Wichtigkeit der repräsentation:
Miltenburg (Bistum Mainz) versus Freudenberg (Bistum Würzburg).
Im Spessartraum haben - neben anderen - zwei Bistümer um territorilaen Einfluß gekämpft.
Die Mainer erhoben ihren Anspruch mit dem Bau der Mildenburg Anfang des 13. Jh.
Würzburg zog alsbald nach (die Details zu dieser spannenden Geschichte wären hier zu weitläufig)
Gegen die Mainzer Burg mit ihrem hohen Turm (Höhe 26 m; 9,5 x 9,5 m) einen noch wuchtigeren Turm: 15 x 15 m), der aber nicht in diesem Umfang zu Vollendung kam und in reduzierter Form (Kriegsgefahr, finazielle Engpässe)ca. 30 m hoch gebaut wurde.
Dieser Turm sollte die Dominaz über Mainzer Gebietsansprüche zeigen.
Anderer Fall (gibt es auch häufiger):
Laudenbach bei Karlstadt. Hier steht ausserhalb der Burg ein isoliert stehender Bergfried. Jener wurde hingestellt, um die Burg gegen Angriffe von der (büberhöhten) Bergseite zu schützen. Hier sind eindeutig rein defensive Absichten für den Bau erkennbar. Das verteidigungsunfähige "Personal" der Burg wurde hier mit Sicherheit nicht untergebracht.. Der Trum ist für eine kleine Besatzung ausgelegt, die dort dauerhaft lebte. In der Kernburg selbst steht ein hoher Turm mit Richtung Main, gewissermassen auf der Angriffsseite abgewandt. Auch hier: Präsentation, weniger Verteidigung ausserhalb der Burg stehender Feinde.
Eine Pauschalisierung der Aufgaben von Bergfrieden ist nicht möglich. Man kann den Wert und die Bedeutung eines Bergfrieds für die dort Lebenden nur ermessen, wenn man um die Geschichte der Burg, ihrer Bewohner und der territoialen Gegebenheiten weiß.
Wer wurde vor wem im Turm geschützt? Das können wir nur erahnen. Dazu wäre es nötig, das Sicherheitsbedürfnis der damaligen Bewohner zu kennen. Auch hier muß man wissen, wer warum in welchem gebiet die Burg gebaut hatte bzw. bauen ließ.
Achim
Bewertung:
Eintrag #37 vom 04. Okt. 2004 23:15 Uhr
Oliver Hauss
Bitte einloggen, um Oliver Hauss eine Nachricht zu schreiben.
@Roman
Da sich ja noch einige mehr Beiträge ergeben haben, versuche ich mal meine Antwort etwas zusammenzufassen:
Die von dir zitierte Definition von Donjon ist so nicht wirklich haltbar. In französischen Burgen finden sich etliche Türme, die explizit als "Tour" (auch mit Namen: Tour de … ) oder einfach als "Barbicane" bezeichnet werden. Im Prinzip ist das aber Nebensache. Tatsache ist, dass genau wie vom Bergfried in Frankreich vom Donjon gesagt wird, er sei letzte Zuflucht gewesen. Daher ist die Frage, inwieweit ein Bergfried sich zur letzten Zuflucht eignet durchaus geeignet, durch Vergleiche mit Donjons bereichert zu werden.
Darüber hinaus unterläuft dir in deiner Argumentation ein Fehler: Deine Frage, was mit Burgen sei, die keinen Bergfried hatten, aber auch deine Frage was mit Bergfrieden ist, die ebenerdigen Eingang hatten, setzt jeweils vorraus, dass, wenn ein Bergfried als letzte Zuflucht Verwendung finden konnte, man ihn auch baute, und nach spezifischen Gesichtspunkten baute. Tatsächlich aber waren auch mittelalterliche Bauherren natürlich den Zwängen der realen Welt unterworfen. Wie du schon selbst im Hinweis auf die Bausequenz dargelegt hat, war es erst einmal nötig, die Ringmauern zu bauen. Herrschte danach Ebbe in der Kasse, so war eben kein Bergfried drin. Einige Burgen haben stattdessen die Schildmauer, die die Kernburg schützte, verstärkt. Bei anderen war auch sowas nicht drin.
Darauf zu verweisen, das bei manchen Bergfrieden kein erhöhter Eingang zu finden ist, ist äquivalent zu der Behauptung, dass weil ein Auto keinen Beifahrerairbag hat die Sicherheit vernachlässigt wurde. Die BEIFAHRERsicherheit zum TEIL ja. Das heisst aber nicht, das es nicht ein umfassendes Sicherheitskonzept gibt, und das Auto nicht so konstruiert ist, dass Schaden von den Insassen abgewendet werden soll.
Was positive Belege angeht, so weise ich nochmal auf das starke Erdgeschoss hin. Die Mauerstärke hier war kaum von repräsentativem Nutzen -nur wer in das Loch geworfen wurde hätte sie wirklich abschätzen können. Sie benötigt aber beträchtliches Material. Und bei isoliert stehenden Bergfrieden kann sie auch kaum gegen Angriffe von ausserhalb der Burg gedacht sein. Gleichfalls nicht die Teile der Mauer die bei integrierten Bergfrieden in Richtung Innenhof zeigen.
Siehe hierzu auch
wwwburg-mildenstein.de/Bergfried.php4 an, so ist in einigen Beispielen Maschikulierung oder andere auskragende Elemente zu sehen.
Ich will mir mal den Rest der Diskussion sparen und zusammenfassen: Es sagt ja niemand, dass du prinzipiell unrecht hast. ABER: Die von dir präsentierten Grundlagen sind bei weitem keine Basis dafür, andere Hypothesen als "Mythos" oder "ersponnen" zu verwerfen. Du hast bei der Bausequenz hervorragende Daten geliefert, die Fehleinschätzungen widerlegt haben. Ich denke, du siehst selbst, dass der Rest der Argumente auch nicht annähernd dieselbe Signifikanz hat. Sie sind praktisch ausnahmslos mit einer Bedeutung als zusätzliche Verteidigungslinie vereinbar, und als solches nicht dazu geeignet, diese Hypothese zu falsifizieren.
Gruß,
Oliver
Bewertung:
Eintrag #38 vom 05. Okt. 2004 07:55 Uhr
Joachim Meinicke
Bitte einloggen, um Joachim Meinicke eine Nachricht zu schreiben.
Niemand streitet ab, dass (märkische) Dorfkirchen auch als letzte Zuflucht dienten. Hierfür sprechen auch die Wehr- oder Sperrbalken, deren Aufnahmen sich in vielen Kirchen noch nachweisen lassen. Mit diesen etwa 15 cm starken waagerechten Balken konnten die Türen von innen gesichert werden. Die Türen selber bestanden oft aus zwei Lagen starker Eichenbohlen, die durch ornamentierte Eisenbänder zusammengehalten wurden. In einer dieser Kirchentüren im Berliner Raum finden sich heute noch Spuren von schwedischen Axthieben aus dem 30 jährigen Krieg. Die Bezeichnung Wehrkirche ist in fast allen Fällen aber nicht zutreffend, da bestimmte Charakteristika der Wehrkirchen fehlen. ßhnlich sehe ich das mit den Bergfrieden.
Der unten von Wolfram angesprochene Juliusturm in der Berliner Zitadelle lässt sich tatsächlich auf mittelalterliche Fundamente zurückverfolgen, als Tresorraum wurde er meines Wissens aber erst nach etlichen Umbauten und nach 1871 benutzt, als die immensen Kriegsschulden der unterlegenen Franzosen dort eingelagert wurden. Ich gehe aber davon aus, dass weniger die massiven Mauern als vielmehr der Standort mitten in einer Kaserne und Festung für potentielle Diebe abschreckend wirkte.:-) Außerdem gab es die noch heute zu sehenden Tresortüren im MA bestimmt noch nicht :-) Trotzdem ist das natürlich ein guter Hinweis.
Grüße aus der Mark
Joachim
Bewertung:
Eintrag #39 vom 05. Okt. 2004 13:14 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Liebe Freunde des Mittelalters und der Burgen,
ich erlaube mir hier mal, die Idee einer "Castellopedia" einzubringen, mit der ich in letzter Zeit schon einige Burgenforscher, Burgenliebhaber und Burgenbesitzer (Museen, Staatliche Burgen- und Schlösserverwaltungen etc.) "belästigt" habe, wobei die Reaktion oft positiv war - zumindest, wenn es eine gab ;-).
Seit einiger Zeit versuche ich gemeinsam mit vielen anderen, mein Wissen in die Wikipedia, der
freien Enzyklopädie, einfliessen zu lassen:
de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite werden.
Ich werde mich weiterhin darum bemühen, daß gelegentlich auch aktive BurgenforscherInnen dort vorbeischauen und ßnderungen vornehmen bzw. Literaturangaben machen und denke, eine "Castellopedia" könnte ein für alle sinnvolles und interessantes Projekt werden.
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #40 vom 05. Okt. 2004 13:51 Uhr
Roman Grabolle
Bitte einloggen, um Roman Grabolle eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Joachim,
Du schriebst: "Niemand streitet ab, dass (märkische) Dorfkirchen auch als letzte Zuflucht dienten. Hierfür sprechen auch die Wehr- oder Sperrbalken, deren Aufnahmen sich in vielen Kirchen noch nachweisen lassen. Mit diesen etwa 15 cm starken waagerechten Balken konnten die Türen von innen gesichert werden."
Dirk Höhne äußert in seinem Aufsatz mit sehr guten Gründen Zweifel, daß diese Sperrbalkenverschlüsse zwangsläufig in einem Zusammenhang mit Wehrbauten gebracht werden müssen, weil es sie z.B. auch an Fensterverschlüssen etc. gibt, wo gerantiert nie jemand von außen stören konnte, und an barocken Türen, wobei man einsfix durch das benachbarte Fenster gekommen wäre. Sie sind wohl in erster Linie ein weit verbreiteter, günstiger und sicherer Türverschluß. Damit will ich aber nun nicht abstreiten, daß er sich als ganz hilfreich erweisen konnte, wenn doch mal jemand ßbelwollendes an die Türe schlug.
Zu dem Rest irgendwann später
Viele Grüße Roman
Bewertung:
Eintrag #41 vom 05. Okt. 2004 15:03 Uhr
Karen Thöle
Bitte einloggen, um Karen Thöle eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Roman!
Ein herzliches "Wow!" zu Deiner Zusammenfassung der Ergebnisse der neueren Burgenforschung.
Diese Diskussion hat mich dazu gebracht, über das Phänomen der Außentreppe nachzudenken. Inspiriert wird die These von dem "letzten Zufluchtsort" ja anscheinend vor allem von den erwähnten hölzernen Außentreppen, deren Fehlen bei einigermaßen erhaltenen Ruinen ja besonders auffällt. Nun sind mir Außentreppen (in diesem Fall steinerne) im zivilen Bereich auf- bzw. eingefallen:
- Heute morgen habe ich einen Ausgrabungsbericht gelesen (verflixt, hab ich natürlich nicht dabei), in dem ein "repräsentatives Wohnhaus", erbaut zwischen 800 und 1000, vermutlich mit steinerner Außentreppe ausgegraben wurde.
- Spätmittelalterliche Rathäuser haben oft eine steinerne Außentreppe, z.B. Göttingen, Duderstadt, Basel…
- Die Kaiserpfalz in Goslar hat ebenfalls eine steinerne Außentreppe, und ich nehme nicht an, daß das auf die Fassung des 19. Jahrhunderts zurückgeht…
Die genannten Häuser haben allerdings jeweils separate Eingänge für das Erdgeschoss.
Jetzt zurück zu den genannten hölzernen Außentreppen zu den Bergfrieden: Wie stehen die dazu in Beziehung? Weist die Tatsache, daß es eine Außentreppe gab, schon darauf hin, daß der Bergfried der Repräsentation diente? Oder waren Außentreppen so normal, daß die Tatsache, daß die Außentreppe aus Holz war, ein Hinweis darauf ist, daß der Bergfried ein rein funktionales Gebäude war, auf dessen Treppe sich niemand selbst darstellen wollte? Wie verbreitet waren überhaupt Außentreppen, aus Stein oder Holz?
Bis denn
Karen Thöle
Bewertung:
Eintrag #42 vom 05. Okt. 2004 15:51 Uhr
Timo Krisch
Bitte einloggen, um Timo Krisch eine Nachricht zu schreiben.
Hallo Roman,
auch wenn wir jetzt hier nicht immer einer Meinung waren, möchte ich an der Stelle ein großes Lob an Dich aussprechen. Außerdem hat mir die Diskussion gezeigt, daß man bestimmte Dinge immer mal wieder überdenken und auffrischen sollte.
In diesem Sinne (und etwas Off Topic)
Timo aka Timotheus von Falkenbach
Bewertung:
Eintrag #43 vom 14. Dez. 2005 08:58 Uhr
Nikolaj Thon
Bitte einloggen, um Nikolaj Thon eine Nachricht zu schreiben.
nach oben / Zur Übersicht
Burgen (und Städte) der Kreuzzugszeit im Vorderen Orient
Das Europäische Burgeninstitut in Braubach am Rhein veranstaltet in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Burgenkunde vom 27. bis 29. Januar eine internationale Tagung zum zum Thema "Burgen und Städte der Kreuzzugszeit im Vorderen Orient"
Die Kreuzzugsepoche war die letzte Blütezeit einer jahrtausendealten Stadtkultur in den Mittelmeeranrainerländern des Vorderen Orients. Ebenso nahm der Burgenbau in dieser Zeit einen großen Aufschwung. Da vor allem die kleineren Städte durch ihre Befestigung burgartigen Charakter aufwiesen und große Burgen städtische Funktionen wahrnahmen, stellt sich hier in besonderer Weise die Frage nach der Unterscheidung zwischen Burg und Stadt im Mittelalter. In diesem Zusammenhang ergeben sich Fragen. Diesen Fragestellungen kann nun aufgrund der in den letzten Jahren erheblich ausgeweiteten Forschungsanstrengungen verstärkt nachgegangen werden. Da die Ergebnisse dieser Forschungen bislang nur unzureichend bekannt worden sind, soll das Symposium international tätigen Wissenschaftlern ein Forum bieten, diese vorzustellen und zu diskutieren.
Quelle: Europäisches Burgeninstitut
weitere Informationen im Internet:
Mit freundl. Gruß Nikolaj
Bewertung:
|