Flügellanze contra Knebelspie
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Eintrag #1 vom 13. Nov. 2000 11:41 Uhr
Marc Baumeister
Hallo, wer kann mir Unterschiede zwischen einer Flügellanze (11.Jhd. fränkisch) und einem Knebelspieß (ca. 14. Jhd. Deutschland) aufzeigen. Klar ist mir der begriffliche Unterschied Lanze (Reiterei) und Spieß (Fußvolk) bekannt, doch kann das alles sein? In meiner mir zugänglichen Literatur ist sowohl die Form als auch die Dimensionierung des Klingenblattes nicht großartig differierend. Liegt es vielleicht an der Gesamtlänge und ist der Knebelspieß nur eine Neuauflage der zwischenzeitlich in der Versenkung verschwundenen Flügellanze? Soweit ich weiß ist im "Zwischenzeitraum" (11.-14.Jhd.) nur noch der Sauspieß mit Flügeln versehen, welcher das zu tiefe Eindringen des Blattes verhindern soll. Ich wär euch für Literaturtips oder ein paar erläuternder Worte dankbar. Gruß an Ragnarök
von Scharfenstein
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Eintrag #2 vom 13. Nov. 2000 13:58 Uhr
Thorsten
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Moin Marc, die Flügellanze, wie sie seit dem Frümittelalter bis etwa 1200 verwendet wurde, war eine Kriegswaffe, der Knebelspieß müßte eher der Saufeder entsprechen und war eine Jagdwaffe zur Eber- und Bärenjagd. Ganz weg war der Typ der Flügellanze nie - ich meine einige Fußsoldaten haben z.B. auch in der M-Bibel Spieße/Lnazen mit Flügeln getragen. Es gibt noch die Partisane - vielleicht meinst Du das mit Knebelspieß - die sich aber erst richtig im 15. Jhdt. durchgesetzt hat und noch bis ins 17. als Trabantenwaffe eingesetzt wurde. Die Partisane gehört aber von der Länge her eher in eine Reihe mit den Helmbarden, während die eigentlichen Spieße des 14. Jhdts. Längen zwischen 3,5 und 4 m hatten. Die Begrifflichkeiten Spieß und Lanze sind nicht eindeutig, können teilweise ausgetauscht werden. Weiterhin war die Flügellanze nciht zwingend eine Reiterwaffe, sondern wurde auch vom Fußvolk eingesetzt. Wenn man sich z.B. an die Theorien von Westphal hält, konnte die Flügellanze in ihrer ursprüglichen Form sogar besser zu Fuß eingesetzt werden, da mit ihr auh Hiebe ausgeführt und pariert werden konnte. Ich habe selebr ein Replik einer Lanze aus dem 8. Jhdt. und da funktioniert das hervorragend. Das erst mal für den Anfang, vielleicht kann ich Dir da noch weiterhelfen. Bis dann Thorsten
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Eintrag #3 vom 13. Nov. 2000 19:34 Uhr
Patrick Düntzer
Sind nicht bei einer Flügellanze die Unterseiten der "Flügel" scharf geschliffen um auch beim zurückziehen ,wenn die Lanze nicht steckt,Verwundungen zuzufügen?
Chevalier Godefroy de Marcaux
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Eintrag #4 vom 14. Nov. 2000 00:24 Uhr
Tomasz
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Nee, die Flügel sind stumpf, es wurde (und kann, siehe Thorstens Text) die ankommenden Schläge / Stiche anderer Lanzen etc. pariert (hab´s auch mal probiert, klappt an sich ganz gut, nur braucht man ßbung, die mir etwas fehlt :-)) ). Was Du vielleicht meinst, sind die "Flügel" bei der Partisane des 15./16. Jhdt.s, die leicht nach vorne geneigt waren und anscheinend auch recht scharf und spitz (zumindest sieht es auf einigen Bildern, die ich hier habe so aus). Bis denn, Tomasz
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Eintrag #5 vom 14. Nov. 2000 09:56 Uhr
Marc Baumeister
Erstmal vielen Dank für die Antworten: Die Quelle für meine ßberlegungen ist das Buch "europäische Hieb- und Stichwaffen". zu Thorsten:Nein, ich mein keine Partisane. Ich kenne eine Partisane nur als Spieß/Lanze mit 3 Spitzen, wobei die seitlichen Spitzen im ungefähren Winkel von 45° von der Haupspitze abstehen. Den Zusammenhang Partisane zu Helmbarte mußt du mir allerdings noch genau erläutern, da nach meinem Kenntnisstand die Helmbarte sich ursprünglich aus dem Kriegshammer entwickelt hat (siehe den immer vorhandenen Pickel zum Einschlagen von Helmen). Der Knebelspieß sieht tatsächlich auf grafischen Darstellungen wie eine Flügellanze aus. Jedoch erscheint mir das Klingenblatt etwas "gedrungener". Kann es sein, daß ähnlich wie bei leichten Saufedern nur ein Knebel und nicht ein massiver Querbalken angebracht worden ist? Läßt sich aus meinem Holzschnitt nicht erkennen. zu Patrick und Thomasz: So weit mir bekannt, sind die Flügel einer Flügellanze / eines Knebelspießes werder spitz noch scharf. Sie dienem lediglich dem Parieren, dem Reissen (begrifflich an Jakob Sutor und Talhoffer angelehnt, beschreibt es jedoch das Vorgehen hervorragend) und der Verhinderung eines zu tiefen Eindringens.
von Scharfenstein
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Eintrag #6 vom 14. Nov. 2000 13:34 Uhr
Thorsten
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Moin Marc, im Augenblick kann ich mir unter dem von Dir postulierten Knebelspieß jetzt nichts vorstellen. Gibt´s irgendwo eine Abbildung, damit man mal verglichen kann? Da´s ein Holzschnitt ist vermute ich eher 15. Jhdt. als 14. Helmbarten habe ich jetzt auch nur wegen der Länge der Stange im Vergleich zu Partisanen aufgeführt, kam wohl nicht so richtig rüber. Was den Ursprung der Dinger angeht, so würde ich eher auf umgearbeitete Pflugscharen setzen. Schau Dir mal die frühen Formen des 14. Jhdts. an, die sehen noch fast 1:1 so aus. Der "Pickel" kam erst später dazu und diente als Reißeisen. Was die Partisanen angeht so sind wir wohl d´accord. Ansonsten sind die Funde von Flügellanzen,die ich kenne (habe mich da eher auf 7.-10. Jhdt. eingeschossen) alle stumpf. Bis denn Thorsten
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Eintrag #7 vom 14. Nov. 2000 23:32 Uhr
Marcus Berns
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Der Sinn der Flügellanze war so ziemlich gesichert der, daß ein Reiter, der jemanden mit solchem Gerät traktierte, seine Lanze nicht bis zum Anschlag an der Hand im vollen Galopp in seinen Gegner versenkte. Man wollte ja noch ein zweites Mal… . Knebelspieße hatten denselben Zweck, waren aber wohl eher zur Jagd gedacht(loser Knebel, meist ein Stück Hirschhorn), damit der Keiler Dich nicht trotz der tollen Waffe noch niederstreckte… . Scharf waren die Flügel sicher nicht, denn dann ginge ja die Stoppwirkung verloren. Lieben Gruß, Marc
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Eintrag #8 vom 15. Nov. 2000 11:28 Uhr
Thorsten
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Moin Marcus, ich habe zuhause ein Replik einer Flügellanze aus dem 8. Jhdt. Die Klingenklänge vor den Flügeln beträgt knapp 40 cm und bei den meisten anderen Flügellanzen sieht´s ähnlich aus. D.h. die Lanze müßte 40 cm eindringen, und dann steckt sie nicht fest? Stich mal mit so ´nem Ding in einen Strohsack und Du wirst feststellen, daß sie genauso gut festststecken kann. Weiterhin wurde zur Hochzeit der Flügellanze noch nicht der Angriff mit der untergeklemmten Lanze praktiziert, so daß der Faktor eigentlich unbeachtet bleiben kann. Auch bei den eigentlichen Reiterlanzen in späterer Zeit hatte man sich um das Feststecken im gegner keine Sorgen gemacht. Nach der ersten Attacke ist man sowieso ins Melee ohne Lanze gegangen und bei nachfolgenden Attacken hatte man noch ein paar in Reserve. Wenn Du mal mit einer Flügellanze praktiziert hast und sie gegen andere Speere einsetzt, wirst Du feststellen, daß die Flügel hervorragend zum Parieren und Ablenken verwendet werden können. Dabei kann man die Flügellanze übrigens nicht nur wie eine klassischen Speer als reine Stichwaffe einsetzen, sondern durch die Lange und durchgeschärfte Klinge auf für schneidend/schlagende Angriffe vor allem gegen leichtgerüstete Gegner. Nach den neuesten Erkenntnissen, ich beziehe mich jetzt auf die Untersuchungen von Westphal von 1998, würden meine Erfahrungen unterstützt werden. Bis denn Thorsten
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Eintrag #9 vom 15. Nov. 2000 11:30 Uhr
Thorsten
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P.S.: Marc meinte auch mit dem Knebelspieß explizit nicht die Saufeder, da liegt ja auch sein Problem. Thorsten
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Eintrag #10 vom 15. Nov. 2000 13:11 Uhr
Marc Baumeister
Habe mal ein wenig "nachgeforscht": Quelle: Europäische Hieb- und Stichwaffen Von Heinrich Müller / Hartmund Kolling ISBN 3-327-00041-7 Seite 40: Der Knebelspiez des 14. Bis 16Jhd. ßhnelt weitgehend der karolingischen Flügellanze. Frühe Exemplare, wie sie beispielsweise in der Darstellung von schlafenden Wächtern am Heiligen Grag im Münster zu Freiburg im Breisgau deutlich erkennbar sind, hatten schwere, rautenförmige Klingen mit zwei kleinen Flügeln an der Tülle…….Die Waffen fand als Waffe des Fußkämpfers und für die Jagd Verwendung Hier einige Abmessungen aus der gleichen Quelle 1) Flügellanze 9./10. Jhd. Linsenförmiger Querschnitt, vierkantiger Hals. GL=460mm, Klingenbreite=43mm, Flügel=85mm, Tüllenmund=27mm, G=560g 2) Flügellanze 8./9. Jhd. GL=498mm; Klingenbreite=42mm, Flügel???, Tüllenmund 28-302mm, G=520g 3) Knebelspießeisen, deutsch 1.Hälfte 15. Jhd. Klinge mit Mittelgrad, stark eingezogener seitlich abgeflachter Hals, Knebel aus flachem Eisen, Tülle auf einer Seite aufgebrochen. GL=420, Knebel 160mm, Tüllenmund 37mm, G=920g Wenn ich mir die Maße mal so anschaue, so erscheint mir der Hauptunterschied in der Dicke der Klinge zu liegen. Ich habe leider keine Vergleichszahlen von anderen Knebelspießen. Ist es hier nur Zufall, oder kann man tatsächlich ableiten, daß Knebelspieße "robuster" sind und für einen Einsatz zu Pferd aufgrund ihrer hohen Kopflastigkeit nicht mehr / nur schlecht geeignet ist. Ich möchte nochmal ausdrücklich auf das Zitat hinweisen….Waffe des Fußkämpfers und bei der Jagd. Ach ja, von den Maßen her würde ich einen solch breiten Spieß nicht mehr als Saufeder, sondern als kräftigeren Bärenspieß ansehen (für einen (sehr wendigen) Keiler ist eine leichtere Spitze der Flügellanze ausreichend). Hat einer von euch evt. weitere Maße von Knebelspießen. Gruß Marc
von Scharfenstein
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Eintrag #11 vom 15. Nov. 2000 13:41 Uhr
Thorsten
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Moin Marc, ich habe im Katalog der Paderborner Karl d. Gr.-Ausstellung etwa 20 Flügellanzen, doch halten sie sich zumeist im Rahmen der von Dir gezeigten Größen. Details können wir ja per E-Mail machen. Kannst Du vielleicht irgendwo mal ein Bild von diesem Knebelspieß posten? Würde mich als 14.-Jhdt.-Infanteristen dann doch interessieren, da wir primär die ganz normalen Spieße verwenden. Was die Kopflastgkeit angeht, so kann ich Deinen Gedankjengängen nur zustimmen. Ich habe das jetzt letzten mal probeweise mit Lanze und Schild ausprobiert und da war die Lanze sehr schwer zu führen, wobei´s mit einem normalen Speer löppt. Einhändig würde auch die lange Klinge der Lanze nicht richtig zur Geltung kommen, da man für einen Schnitt/Schlag nicht genug Kraft aufbringen kann. Deshalb kann ich mir die klassische Flügellanze auch schlecht als Kavalleriewaffe vorstellen. Vielleicht wurde der SMA-Knebelspieß ähnlich wie die Lanze verwendet, um mit den Flügeln zu parieren, bzw. die gegnerischen Spieße abzulenken. Andererseits habe ich auch im Stuttgarter Psalter (Anfang 9. Jhdt.) Abbildungen von Reitern gesehen, die auch Speere mit Flügeln zeigen. Das kann sich natürlich um künstlerische Freiheit handeln, ich hatte speziell zu dieser Handschrift schon einige interesante Diskussionen. Bis denn Thorsten
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Eintrag #12 vom 17. Nov. 2000 08:16 Uhr
Marc Baumeister
Gott zum Gruße, nochmal zum Thema Kopflastigkeit: Die Flügellanzeneisen liegen so im Rahmen von 500-600gr.. Das Knebelspießeisen bei gut 900gr.. Habe selber zwar noch keine Erfahrungen im Kampf mit Spieß und Lanze gesammelt, kann mir aber vorstellen, daß sich eine Flügellanze, so sie denn keinen allzu langen Schaft hat, auch noch gut zu Pferd händeln läßt. Der Knebelspieß müßte - soll stell ich es mir vor - schon mit zwei Händen geführt werden (in Anlehnung an allgemeinen Abbildungen von Spießträgern des Zeitraums 14.-16.Jhd. mit Teils schwerer Rüstung, aber ohne Schild). Einsatz der Flügel im Kampf: Ich glaub, man darf sich nicht nur auf das Ablenken von gegnerischen Waffen beschränken, ich selbst würde die Flügel nach einem mißlungenen Schnitt, Stich oder Hieb (so denn der Spieß nicht nur zum Stoß eingesetzt wird) weit eher zum Reißen nutzen. Thorsten meine Mail hast du ja, ich wär dir dankbar, wenn du mir die Maße mal zukommen lassen könntest. Nochmal zu der von dir genannten Abbildung von Reitern mit "Flügellanzen": Das halte ich für durchaus realistisch, wenn das Eisen leicht genug ist (500-600gr) müßte es schon klappen. Der Vorteil wäre die hohe Durchschlagskraft der Waffe (müßte alle damaligen Rüstungen mit Leichtigkeit durchdrungen haben) und die Chance, die Waffe evt. ein zweitesmal im gleichen Kampf zu Verwenden. Sobald ich mal an einen scanner komm, kann ich euch ein Bild von einem Knebelspießeisen zumailen. Gehabt euch wohl.
von Scharfenstein
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Eintrag #13 vom 18. Nov. 2000 10:25 Uhr
Christoph Gellhaus
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Hallo auch, Schön, daßwir jetzt ne Menge über Flügellanze und Knebelspieß gelernt haben. Aber ein Frage hätte ich da noch. Wie verhält es sich mit der Länge des Schaftes? Zum Beispiel bei der Eberjagt zu Pferd. Hat da jemand nähere Informationen zu?
Christoph Gellhaus
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Eintrag #14 vom 18. Nov. 2000 10:45 Uhr
Klaus-Peter Althaus
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Hy alle zsammen :-) Ich hätte zu dem Thema auch noch eine Frage, nämlich was die Anbringung der Flügel betrifft. Wie sind die Flügel an der Tülle angeschweißt? Da ich leider noch kein Orginal eingehend betrachten konnte (speziel die Innenseite der Tülle), und ich mit der Materie ein wenig auskenne war es mir immer ein wenig schleierhaft wie diese feuerverschweißt sind. Sind sie auf das relativ dünne Material hochkant aufgeschweißt (schwierig, schwierig) oder ist die Tülle geschlitzt und der Flügel als ein Teil durchgesteckt (schwächt meiner Meinung nach zu sehr den Holzschaft)? Wer weiß darüber bescheid? Laßt mich nicht als Unissenden sterben.
Vierauge
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Eintrag #15 vom 18. Nov. 2000 10:47 Uhr
Klaus-Peter Althaus
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Sorry, es sollte eigentlich Unwissenden heißen.
Vierauge
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