Eintrag #1 vom 12. Nov. 2007 14:35 Uhr
Annabelle Grothe
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Ich habe am Wochenende eine kleine Nähgruppe bei mir, die ich leite. Nun fällt mir siedendheiß ein, dass man ja auch bei den Farbgebungen aufpassen muss. So ungefähr weiß ich, welche Farbe welcher Stand bedeutet, bin mir aber nicht hundertprozentig sicher. Habt ihr nähere/genaue Infos über Farbgebung bei der Gewandung im Mittelalter so um 1200?
Annab
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Eintrag #2 vom 13. Nov. 2007 16:04 Uhr
Karen Thöle
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Ausrüstung / Bekleidung: Farbgebungen
"welche Farbe welcher Stand bedeutete…" - nun, so eindeutig würde ich das niemals sehen. Ich würde es eher am Preis und Aufwand für bestimmte Farbstoffe/Färbemethoden festmachen.
Erstmal die drei wichtigsten Färbestoffe:
- Rot: Krappfärbung, zumindest in London sehr verbreitet. Ca. 50 % der getesteten Textilreste aus dieser Stadt hatten noch Spuren von Krapp an sich. Der Farbton variiert je nach Konzentration und Temperatur beim Färben und kann intensiv knallig rot, aber auch fast ein bißchen orange bis hin zu etwas fast schon weinrot gehen.
- Gelb: Wau (Reseda), läßt sich eigentlich ganz gut färben, bleicht aber leichter aus als manch anderer Farbstoff. Auch hier gibt es wieder Varianten; am meisten hat mich ein Reseda-gefärbter Stoff beeindruckt, der fast schon Neongelb war.
- Blau: Waid. Der Färbeprozess ist etwas komplizierter als bei den erstgenannten Farben, dürfte aber damals für einen professionellen Färber kein wirkliches Problem gewesen sein. Die mit Waid gefärbten Stoffe, die ich bisher gesehen habe, sind alle eher himmelblau als dunkelblau gewesen. Das liegt daran, daß Waid nicht so ergiebig ist wie das vom Farbstoff sonst eigentlich entsprechende Indigo.
Teurere Färbungen:
- natürlich Purpur, im Mittelalter aber nicht mehr wirklich von praktischer Bedeutung.
- Kermes-Farbstoff: aus Schildläusen gewonnener Farbstoff, färbt rot. In London hat man Stoffreste gefunden, die nach mehr als 600 Jahren im Boden immer noch leuchtend rot waren, und das waren mit Kermes gefärbte Stoffe. Eine genaue Nachfärbung eines solchen Stoffes habe ich noch nicht gesehen. Es gibt zwar auch heute noch Schildlaus-Farbstoffe, aber die stammen von einer anderen Schildlausart, und ich nehme an, daß es da auch Unterschiede im Farbton geben muß.
- Grün als Mehrfachfärbung: Sicher nicht so teuer wie Kermes, aber eben sicher auch teurer als einfach gefärbter Stoff in einer der drei oben genannten Grundfarben.
Sonstige Färbungen:
Es gibt eine Menge Pflanzen, die nicht unbedingt als Färberpflanzen bekannt geworden sind, aber die auch schöne oder interessante Farbtöne ermöglichen, meist im Braun-, Grün- oder Gelb-Bereich, z.B. Walnuß-Schalen, Birkenblätter oder Zwiebelschalen. Soweit ich das verfolgt habe, scheint hier der Konsens zu sein, daß sich Leute, die sich auch Krapp-, Wau- oder Waid-gefärbte Stoffe nicht leisten konnten, auf solche Färbemittel ausgewichen sind oder aber ganz ungefärbte Stoffe, also Weiß, Grau, Beige oder Schwarz getragen haben.
Insgesamt gab es also eine große Bandbreite an Farbtönen, zumal nicht nur die einzelne Farbe je nach Konzentration und Temperatur unterschiedlich ausfallen konnte, sondern die Farbe auch durch die absichtliche oder unabsichtliche Beigabe von Metallverbindungen variiert werden konnte, und natürlich auch anders herauskommt, wenn sie auf einen Stoff aus grauer Wolle gefärbt wurde, als auf weißer Wolle.
Schau doch mal bei
wwwfamilia-ministerialis.de unter "Wissenswertes" => "Farben und Färben" oder auch
wwwleben-und-handwerk.de unter "Handwerk-Shop" => "Pflanzengefärbte Stoffe", da gibt es Abbildunge solcher Stoffe. Wenn Ihr nicht nur Stoffe haben wollt, die "aussehen als ob", dann könnt Ihr Euch bei beiden auch Stoffe färben lassen. Aber wenn Euer Nähtreff schon am Wochenende ist, dürfte das wohl knapp werden.
Es gibt hier übrigens auch schon mehrere Threads, die sich mit dem Thema Färbungen befassen; gib doch einfach mal "färbung" oder "färben" bei der Suche ein.
Ich hoffe, ich konnte Euch helfen!
Bis denn
Karen Thöle
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