Ehrverletzung im Hochmittelalter
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Eintrag #1 vom 24. Mai. 2002 13:45 Uhr
Joachim Dittrich
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Ehrverletzung und ritterliches Selbstbewußtsein
Hallo zusammen,
Was sah das mittelalterliche Recht genau vor, wenn die Ehre und die Person eines Adeligen angetastet wurde?
Konkret: Was geschah, wenn ein Rangnierderer (z. B. ein einfacher Ritter) einem Standeshöheren (z. B. ein Herzog) vor der ßffentlichkeit an den Haaren riß oder ihn ungefragt und unerlaubt berührte?
Was wiederfuhr einer Magd, die einen Ritter auf´s gröbste beleidigte?
Oder, etwas "Alltagsorientierter": Was w ü r d e einem Tourie (als "Volksvertreter")geschehen, der wieder einmal einen Adeligen - egal welcher Schicht - einen "Ritter kunibert" oder eine Edeldame - egal welcher Schicht - berühren oder "Burgfräulein" schimpfen, vorausgesetzt wir w ä r e n im Mittelalter.
Klar, Ehrverletzungen wurden mit Waffen "bereinigt" oder es wurde seitens des Verursachers Genugtuung geleistet. Das adelige Selbstbewußtsein reagierte empfindlich auf jedwede Form der Ehrverletzung, was schon mal zur Fehde führen konnte.
Wie aber sah die Praxis anhand von zeitgenössischen Berichten aus? Orientierte sich die Praxis an der Theorie? War die Straflage variabel, etwa durch Verwandtschafts- und Lehensverhältnisse?
Eine Rangminderung und somit Ehrverleztzung erfolgte, wenn ein Rang- oder Standesniederer einen Rang- oder Standeshöheren beleidigte, durch Wort oder Tat… tja, und wie weiter?
Ich wühle gerade in meinen Büchern, doch andere wissen gewiß auch etwas, darum frage ich mal rundherum.
Sollte es schon was zu diesem Thema geben, auch vereinzelt in threads, so wurde ich noch nicht fündig.
Beste Grüße
Achim v. Hohenberg gen. de Clavis
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Eintrag #2 vom 24. Mai. 2002 14:31 Uhr
Karen Thöle
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Du mußt Dir natürlich erstmal klar machen, wem der Rangniedere gehörte bzw. unter wessen Schutz er steht. Wenn es Dein eigener zinspflichtiger Bauer oder Dein Vasall ist, hast Du bestimmte Sanktionsmöglichkeiten (welche, weiß ich so aus dem Stegreif natürlich auch nicht). Wenn es der Bauer oder Vasall von einem anderen Adligen oder ein freier Bürger einer Stadt, ein Geistlicher oder ein Student ist, müßtest Du Dich an den entsprechenden Herrn, die entsprechende Stadt, Kirchenoberhäupter oder Universität wenden. Ich glaube nicht, daß der Graf Kunibert sehr begeistert wäre, wenn Du seinem Hintersassen Schaden zufügst, nur weil er Dich beleidigt hat. Du könntest das allerdings zum Anlass nehmen, in eine Fehde gegen ihn einzutreten (das hast Du ja auch schon gesagt).
Beleidigungen unter Gleichen waren durchaus ein Fall für die Gerichte. Z.B. die Landgerichtsakten der Landgrafschaft Katzenelnbogen des 15. Jahrhunderts sind voll mit Punkten "sie het ihn geziegen, er sei ein Dieb und ein Lügener". Die städtischen Akten haben ßhnliches. Wie es mit den Adligen aussah, weiß ich jetzt nicht. Aber auch auf der Ebene gab es Gerichte, oder es griff die Diplomatie.
Wenn Dich also demnächst ein Tourie beleidigt: Sei vorsichtig. Bestraf ihn nicht selbst. Er gehört Dir nicht. Klär das vor Gericht oder erkläre der Bundesrepublik Deutschland (als des Touries Grundherr) eine Fehde ;o)
Das wars von mir im Groben.
Bis denn
Karen
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Eintrag #3 vom 24. Mai. 2002 14:33 Uhr
Angelina Von Borcke
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Du suchst einen Grund, den nächsten Touri, der Deine Ehre verletzt, vom Fleck weg erschlagen zu dürfen?
;)))
Grüße, Angelina.
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Eintrag #4 vom 24. Mai. 2002 21:06 Uhr
Uli Gasper
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Der Joachim sucht nur Rechtsbeistand weil ihm die Kartoffelfehde über den Kopf wächst:-)
gruß, uli
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Eintrag #5 vom 24. Mai. 2002 21:31 Uhr
Joachim Dittrich
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Ach Ihr,
nein, daß ist eine ganz ernste ´Frage. Denn die Frage der Here war damals ein äußerst wichtiger bestandteil im umgang miteinander. Ich erinnere nur an die Frage der richtigen Platzverteilung an der Tafel. So albern es für uns heute klingen mag, aber damals konnte es eine ernsthafte krise auslösen, jemanden durch einen falschen Sitzplatz zu brüskieren.
Und das durchzog eben den ganzen Alltag. Ich frage, weil viele, die als gewandete auf Märkten unterwegs sehen, diese hintergründe gar nicht oder nur ungenügend wissen und zwangsläufig und unbedarft in Fettnäpfchen oder offene Messer laufen. Zudem sollte es doch wichtig sein, uns und dem Tourie klar zu machen, daß es damals andere Prioritäten gab, als wir sie heute haben. Das MA war in dieser hinsicht in unseren Augen exotisch, und darauf kommt es doch an, daß wir weitergeben, wie es einmal war.
Grüße
Achim v. Hohenberg gen. de Clavis
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Eintrag #6 vom 25. Mai. 2002 12:58 Uhr
Joachim Dittrich
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Hallo Karen,
stimmt, da Nichtadelige nicht Rechts- oder Fehdefähig waren, mußten sich ihre Herren für sie einsetzen. Ein Würzburger Landgerichtsprotokoll von 1378 besagt z. B., daß ein bauer des Ritters Heinrich Köttners einen Bauern des Dietrich VII. v. Hohenberg bedroht und dessen felder verwüstet habe. Nun stehen beide Adeligen stellvertretend für ihre Bauern vor Gericht. Köttner verliert und muß anstelle seines Hörigen zahlen. Ob der Hohenberger Bauer das Geld je sah, ist unbekannt.
Vor 1340 sind solche Landgerichtsfälle im Würzburger Raum nicht schriftlich festgelegt.
Auch Zweikämpfe zwischen Rittern sind gelegentlich belegt, wenn der Tatbestand der Verleumdnung, der Körperverletzung oder gar Tötung vorliegt.
Auf Märkten unterliegt man zwangsläufig als einfacher Mensch und niederer Adel dem Marktgericht. Der Hochadel kann sich dem entziehen. Wie aber sah es nun im 12./13. Jh. aus? Die Institution des Landgerichts war zu dieser Zeit meines Wissens noch nicht so populär, als daß jeder Fall dorthin gebracht wurde.
Und was für Strafmaßnahmen sah man bei Ehrverletzungen vor?
Beste Grüße
Achim v. Hohenberg gen. de Clavis
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Eintrag #7 vom 26. Mai. 2002 14:50 Uhr
Karen Thöle
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Um Ehre und Ehrverletzung "auf höchstem Niveau" geht es in folgendem Buch:
Knut Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas: Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert. Darmstadt 2001
ISBN und so hab ich nicht. Das Exemplar, das unsere Uni-Bibliothek hat, ist von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.
Bis denn
Karen Thöle
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Eintrag #8 vom 26. Mai. 2002 18:42 Uhr
Christoph Bitter
ob wirklich der adelige Herr erst mal zum Herren des Bauern laufen würde zum jammern, nachdem dieser Bauer ihn in aller ßffentlichkeit, mitten auf dem Marktplatz, in den Hintern getreten hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Adlige dann jammernd zu dem anderen Adligen läuft um den Bauern anzuzeigen. Er wäre doch vor allen anderen die das sahen zur Witzfigur abgestempelt worden.
Mal davon abgesehen, daß ein MA-Bauer sich soetwas niemals gewagt hätte, er wäre tot gewesen. Auch bei Beleidigungen. Denn: Einen Hörigen kann man bei dessen Herrn abbezahlen, für einen Bürger geht man vor`s Gericht, na und? Man ist ja von Adel! Hohe Strafe kann also nicht folgen. Unter gleichen: Zweikampf oder Fehde.
Fremder Ritter beleidigt Graf: DAS wird dann komplizierter. Zumindest würde dieser Ritter erstmal eingesperrt werden. Dann würde es diplomatisch weitergehen.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #9 vom 28. Mai. 2002 16:13 Uhr
Manuel Fink
Hideho!!
Ist vielleicht nicht 100%ig zum thema passend, aber die richtung duerfte wohl stimmen:
Ich hab jetzt shcon ein paar mal das Schlagwort "Büßergewand" in verschiedenen texten gelesen, aber noch nirgendwo was genaues darueber erfahren koennen. Ihr scheint euch ja ziemlich gut im bereich ehrenstrafen & co auszukennen, also hoffe ich das ihr mir helfen koennt. Wie sah sowas aus? Wann musste man sowas tragen, wo und wann kam dieser brauch auf?
Waere klasse wenn ihr mir da etwas weiterhelfen koenntet.
Bye
Manuel
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Eintrag #10 vom 28. Mai. 2002 19:41 Uhr
Christoph Bitter
Hi Manuel!
Das "Büßergewand" hat nichts mit gerichtlicher Strafe zu tun, sondern mit kirchl. Zeremonien wie z. B. dem Ritterschlag, wobei der baldige Ritter eine Nacht lang im Büßergewand (grobleinernes langes Leinenhemd) in einer Kapelle verbringen muß.
Das war jetzt ein Beispiel, es gibt aber noch mehr Anlässe, wo ein Büßergewand getragen wurde.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #11 vom 28. Mai. 2002 19:53 Uhr
Joachim Dittrich
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nämlich im Bereich der Genugtuung. Hier gab es vielfältige Möglichkeiten, die Ritualen gleich vollzogen wurden. Mannigfaltige beispeiel bieten störrische Städte, die ihren geistlichen oder weltlichen herren den gehorsam verweigern.
Gaben sich die Städter geschlagen, so machten sie einen "Umzug" zum Sieger, vornweg die Stadtoberen in wollenem Büßergewand, wahlweise mit einem Strick um den hals oder einer Rute in der Hand, was symbolisch für ihre Strafe steht.
Viele Fehden wurden durch die Genugtuung, d. h. im weiteren Sinne die gütliche Einigung der Parteien und Entschuldigung des Provokateurs schon im Vorfeld unterbunden. Je nach Stand der Streitteilnehmer und Schwere des Vorfalls spielte das Büßergewand eine mehr oder minder wichtige Rolle.
Grüße
Achim v. Hohenberg gen. de Clavis
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Eintrag #12 vom 04. Jun. 2002 14:34 Uhr
Martin H
Salvete,
eine Frage, die noch nicht behandelt wurde: Wie schauts bei Ordensmitgliedern aus?
Eigentlich wird doch durch die Beleidigung des Einzelnen der ganze Orden beleidigt. Welche Sanktionen treten in einer solchen Situation ein?
Was passiert, wenn ein Ordensbruder einen weltlichen Herrn beleidigt?
Wie wird die Diskrepanz zwischen weltlicher und geistlicher Rechtsprechung im Allgemeinen überwunden?
In diesem Sinne….
Semper laetus sanusque! Wolf von Miroldes
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Eintrag #13 vom 04. Jun. 2002 19:01 Uhr
Christoph Bitter
trat in Jerusalem ein.
Ein paar Templer hatten eine Gesandtschaft von Sarazenen überfallen und getötet. Diese hatten natürlich unter dem Schutz des Königs gestanden.
Der König entschuldigte sich bei dem sarazenischen Herrscher dafür und forderte vom Großmeister die herausgabe der Täter fürs königliche Gericht. Der Großmeister weigerte sich und es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen königlichen und Templern. Eine Herausgabe hat dies trotzdem nicht gebracht. Der Haupttäter wurde von den Templern selbst verurteilt. Weis die Strafe nicht mehr.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #14 vom 05. Jun. 2002 08:22 Uhr
Joachim Meinicke
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Bei den Johannitern war alles sehr genau geregelt und niedergeschrieben, z.B. welche Strafen es für Beleidigungen gab. Solche Regeln sind auch immer ein guter Spiegel für das, was da damals so abging, denn diese Regeln entstanden aus zwingenden Notwendigkeiten. Schön ist z.B., daß man die dienenden Brüder nicht mit den Mahlzeiten bewerfen darf, wenn sie einem nicht schmecken… Die Strafe für Beleidigungen konnte schon mal längeren Kerkeraufenthalt bedeuten! Es gibt aber auch eine Quelle, die Weltlichen eindeutig verbietet, Johanniter vom Pferd zu werfen, fällt mir gerade ein.
Es gibt etliche Beschwerden, wo Ordensfremde mit Beschwerden über diesen oder jenen Johanniter an seine örtlichen Ordensvorgesetzten herangetreten sind, bei angeblichen Verfehlungen einer ganzen Kommende ging man auch manchmal gleich an die Ordensführung. In der Regel versuchte man das dann intern zu regeln. Strafversetzungen waren z.B. beliebt.
Mir ist aber ein Fall bekannt, wo ein Johanniter in Europa an einer Verschwörung beteiligt war und vom dortigen Landesherren kurzerhand (eigenmächtig ?) hingerichtet wurde.
In früheren Zeiten war der Besitz der Johanniter unantastbar. Deswegen setzte man sie gerne zur Grenzsicherung ein, denn verletzte man ihr Territorium, konnte das einen Kirchenbann einbringen. Im SMA sah man das schon nicht mehr so eng, mehrere ßbergriffe auf Kommenden sind belegt, um dieses oder jenes durchzusetzen. Rhodos war fern…
Grüße
Joachim
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Eintrag #15 vom 05. Jun. 2002 19:35 Uhr
Christoph Bitter
Hi Joachim!
Warum wurde dieser Johanniter, der in Frankreich einer Kommende überstand, eigendlich nicht irgendwie verurteilt, nachdem er diese zu seinem pers. Hab und Gut erklärt hatte?
Ich weis den Fall jetzt nich mehr genau, werde aber nachlesen und dir genauere infos darüber geben. Ich glaube aber, der gute Mann wurde nachher noch Balli. Verurteilung scheint das dann nicht zu sein.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #16 vom 05. Jun. 2002 21:22 Uhr
Joachim Dittrich
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Hallo,
den Templern war es geboten, erst nach dreimaliger Provokation durch Christen zu kontern.
dieses Gebot wurde aufgestellt, um das ritterliche Selbstbewußtsein des Einzelnen in geregelte bahnen zu lenken, unnötiges Blutvergießen und Streit (gegen Christen zuvermeiden.
Wobei die Triade mehr eine Metapher ist, ein "öfter, als gewöhnlich" sozusagen.
Grüße
Achim v. Hohenberg gen. de Clavis
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