Eintrag #6 vom 18. Jan. 2001 21:35 Uhr
Patrick Seehaber
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Hallo Leute. Das Zitat "Der Scharfrichter oder Henker ist der unehrlichste unter den unehrlichen Leuten" ist sicherlich für das SMA, aber nicht für das ganze Mittelalter wahr. Eine Henkerstätigkeit ist ursprünglich, christlich gesehen, eine sakrale Tätigkeit, bei deren Ausführung Henker und Opfer in einer Verbindung zu Gott stehen. Im Sachsenspiegel ist noch vom ehrenvollen Scharfrichter die Rede: "Der Büttel mag die Leut ohne sünd wol peinigen und tödten. Ja er thut daran ein Gottes werck […] Sihe nun wol zu, du fronbot oder Scharfrichter, das du den namen mit der that habest, und sey gerecht, dann wirst du heilig genannt." Büttel ( die auch Henkersfunktion hatten ) konnten bei Massenhinrichtungen sogar jedem 10. Mann das Leben schenken (gegen Loskauf oder Hinnahme einer Verstümmelung versteht sich :0) ). Sicherlich war der Henker schon immer eine diabolische, gefürchtete Person, aber die "Verunehrung" begann erst mit dem SMA und dem allmählichen ßbergangs zum berufsmäßigen Vollzug sog. "peinlicher Strafen". Seit dem 14. Jahrhundert verstärkte sich die Tabuisierung des Henkers - er war gebraucht, aber man wollte nichts mit ihm zu tun haben. Die Isolation des Henkers und seiner Gehilfen wurde nicht nur sozial, sondern auch topographisch (Henkerwohnungen) durchgesetzt. Es ging sogar so weit, dass man den Namen des Henkers verschwieg und ihn mit falschen, diffamierenden Namen , wie Meister Hans oder Meister Fix bedachte. Mitte des 13. Jahrhunderts soll der Begriff Henker zuerst aufgetaucht sein - in Köln fällt die Berufsbezeichnung Scharfrichter offiziell zum ersten Mal ca. 1370. 1435 befassten sich Rat und Schöffen Kölns näher mit dem Scharfrichtertum. Sein Eid,seine Rechte und Pflichten wurden schriftlich festgehalten; unter anderem auch,interessanter Weise, seine Bezahlung: (Der Kölner Scharfrichter übte sein Amt auch in umliegenden Städten und Dörfern aus, so diese keinen eigenen Henker hatten) - in Kassel und Brauweiler einen alten Schild - in Deutz einen Gulden - in Brühl fünf Mark - in Neuss bekam er kein Geld, sondern er erhielt ein Haus und die Erträge von zwei Morgen Land. Umgerechnet in heutige Kaufkraft sollen das 700-1000 DM gewesen sein. ßberließ der Henker jemand anderem die Hinrichtung, dann bekam er trotzdem das Geld dafür. Die Kleider seiner Opfer fallen ihm auch zu, nur Geld, falls er welches findet, muss er dem Greven abtreten. In vielen grossen Städten bekommt er eine Wohnung mietfrei zur Verfügung gestellt ( in Köln am Hühnermarkt) und ist vom städtischen Wachdienst befreit. Man schätzt, dass der Kölner Scharfrichter seine Haupteinnahmen von den Dirnen bezog, solange sie sich von ihm beschützen liessen. Der Henker hatte aber auch folgende Ausgaben: Er musste zehn Mark jährlich an den Greven zahlen. Darüber hinaus hatte er weitere nicht unbeachtliche Abgaben in Lebensmittelform zu erbringen und musste all sein Arbeitsgerät selber erwerben. Festgehalten wurde noch, dass er bei Verbrennungen Heu, Pfosten und Seile beisteuern und beim Sieden ein Drittel des Kesselkaufpreises berappen musste. Zum Zeitpunkt dieser Regularien (1435) stand der Scharfrichter noch in engem Kontakt zum Greven, der ein sehr angesehender Mann war - Daran lässt sich erkennen, dass die Tabuisierung noch nicht allzu weit fortgeschritten war. Der Henker übernahm dazu vielerorts ( oft in kleineren Ortschaften ) noch den Beruf des Abdeckers, was seinen sozialen Niedergang förderte. ßber die Kleidung des Henkers kann ich nicht viel sagen. Auf Abbildungen des SMA kann man ganz "normale" Kleidung erkennen, ohne besondere Kennzeichen. Allerdings sind die mir gerade vorliegenden Bilder schwarz/weiß und nicht allzu zahlreich… Ich glaube die schwarze Henkerskapuze ist erst im 16. Jahrhundert üblich geworden, um den Henker vor dem Bösen Blick zu schützen. Weiß da jemand etwas drüber? Das Richtschwert wurde erst im 18. Jahrhundert gänzlich durch das Beil verdrängt. Grüße, Patrick. __________ Quelle: Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker - Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt (spez. Köln 1300-1600), Franz Irsigler und Arnold Lassotta, 1989
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Eintrag #18 vom 07. Jun. 2006 22:05 Uhr
Stefan Eck
Das Amt des Henkers dürfte erst im 13.Jhdt. entstanden sein, in früheren Zeiten (und in einzelnen Regionen auch noch viel später…) wurde die Todesstrafe durch andere vollstreckt:
-den Büttel/Fronboten/Boedel o.ä, der ein Freier und Ehrlicher Mann war
- durch den Richter selbst oder einen der Richter
-durch den Ankläger oder einem von diesem bestimmten.
Bestimmend für die Ausbildung des Henkeramtes- und die Unehrlichkeit dieses Amtes- war wahrscheinlich die zunehmende ßbernahme des römischen Rechts im 11.-12 Jhdt.
Die vermutl. Ersterwähnung eines "Henkers" im HRR bezeichnete ihn ja als "Carnifex", so jedenfalls im Augsburger Stadtrecht von 1284. Diese Bezeichnung entspricht der Bezeichnung des antiken Rom, auch wenn sich die Tätigkeiten unterscheiden.
Stefan, Fronbote und Bader …demnächst auch Söldner
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Eintrag #20 vom 27. Mai. 2013 19:28 Uhr
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Hallo zusamme ,
zu diesem Thema hab ich vor einer Weile mal etwas zusammengefasst, was in diesem Thema evtl. etwas weiterhelfen könnte:
Nach uralter Sitte war es die Sache des Geschädigten, sein Recht und seine Pflicht, einen Missetäter, der ihm oder seine Famile Unrechtes tat, zu richten. Das Gericht stellte ihm dazu sogar das nötige Werkzeug zur Verfügung und war, wenn gewünscht, bei der Hinrichtung zu gegen und stand dem Geschädigten mit Rat & Tat zur Seite.
Auf welche Weise der siegreiche Kläger den Missetäter vom leben zum Tode bringen wollte, war dem Geschädigten überlassen.
Ein erhaltener Vertrag aus Bremen (noch von 1220) zeigt ganz klar auf, dass der Räuber das Todesurtail aus den Händen des Beraubten erleiden
soll. Eine schlaue Lektüre gab es auch. Das "Rechtsbuch der Distinktionen". Indem fand man alles was man zum Beispiel wissen musste, wenn man jemanden mit dem Rad zum Tode beförden wollte. Quasi eine Bedienungsanleitung.
Da aber meistens "Laien" die Tötung vollzogen, waren Hinrichtungsarten bevorzugt, die relativ "leicht" zum "Erfolg führten. In dieser Zeit wurde sogut wie gar nicht mit dem Schwert gerichtet. Das Beil, der Strang und die "Barte & Schlägel"- Methode und die "Diele" (oder auch Dille) waren häufig anzutreffen und machten allzu blutigen Dilettantismus unmöglich.
Im Villinger Stadtrecht heist es noch im Jahre 1371, das "man" die Strafe vollziehen soll.
Sogar aus dem 15. Jhd ist im Schleswiger Stadtrecht noch ganz klar belegt:
"Wer seinen Dieb ergreift, der bringe ihn mit den Händen auf dem Rücken gebunden zu dem Gericht und hänge ihn."
Das zeigt uns auch, dass es in dieser Zeit bei weitem nicht in jeder Region einen Scharfrichter gab.
Die Jagsberger Ordnung enthält, trotz angestelltem Scharfrichter, noch den Zusatz, dass "wenn der Kläger wolle, er die Macht hätte, es selbst zutun!"
Aus dem 15. Jhd gibt es noch zahlreiche weitere Fälle in dem die Geschädigten/Angehörigen das Todesurteil vollstrechen durften/mussten.
Aber drehen wir die Uhr nochmal in die Zeit zurück, bevor es angestellte Scharfrichter gab. Wie wir gerade erfahren haben, musste also der Geschädigte oder Familienangehörige das Urteil vollstrecken.
Nun folgte in großen Landesteilen eine Zeit, in der einzelnen Person "die Last töten zu müssen" abgenommen wurde. Es wurde die "Hinrichtung mit gesamter Hand" eingeführt!
Hierbei wurde z.B. beim Erhängen des Missetäters von jedem Bewohner einer Ortschaft der Strang berührt, mit dem er vom Leben zum Tode befördert werden sollte. So "verteilte" sich die Schuld auf alle und die Last des einzelnen war so schwindend gering, dass sie nicht groß ins Gewicht viel.
Es ist belegt, dass zu einer Hinrichtung (bei Androhung hoher Strafen) selbst die Handwerker die im Umland zu arbeiten hatten, anreisen
mussten. Demjenigen der nicht erscheinen konnte, wurde ein Nagel aufgehoben, den er dann noc einschlagen musste, wenn er wieder zugegen war.
Wenn mehrere Dörfer miteinander die Blutgerichtsbarkeit bewahrt hatten, hatte jede Ortschaft ihren festgelegten Beitrag zur Hinrichtung zu leisten. Die einen Bewohner stellten den Galgen, die anderen begleiteten den Delinquenten zum Richtplatz, wieder andere mussten Eisenbeschläge und Werkzeug stellen.
(Bis weit in die Neuzeit hinein wurden zum Bau und der Reparatur eine Richtstätte in vielen gegenden ALLE Zimmerleute an den Richtplatz bestellt. ALLE mussten "Hand anlegen". So wurde die Schuld und die später aufkommene Unehrlickeit auf alle verteilt und keiner wurde aus der Gesellschaft ausgeschlossen.)
Auf die Dauer war der Starfvollzug den Kläger und zu gesamter Hand zu "unvollkommen" gewesen.Das heilige Recht auf persönlich Rache ist dem friedlichen Geschlecht nicht mehr zeitgemäß. Ohne öffentlichen Hinrichtungsbeamten konnte man nicht mehr bestehen.
Aber wie sollte das gehen? Es war fast unmöglich jemanden bürgerlichen zu finden, der "freiwillig" ein Todesurteil vollstreckte. Zudem gab es zu dieser Zeit in den Städten noch keine "unfreien" die man hätte "zwingen" können…
In den Städten wurde nicht "zu gesamter Hand" gerichtet. Das wäre bei der großen Anzahl an Bewohnern auch kaum möglich gewesen. Hier tratt ein Kollegium von Schöffen aus dem Gericht zusammen. An einem dieser Schöffen musste die unangenehme Aufgabe nun hängen bleiben.
Für die Stadt Reutlingen ist belegt, dass der jüngste Schöffe die Hinrichtung zu vollstrecken hatte. Er war als letzes in den Rat aufgenommen worden und musste in den sauren Apfel beissen.
Auch in kleineren Ortschaften verfuhr man so. So hatte z.B. in fränkischen Gefilden der jüngste Ehemann die Pflicht ein Todesurteil zu vollstrecken. Dies blieb in manchen Landstrichen bis zum Ende des 14. Jhd so.
In dieser Zeit gab es bei Massenverurteilungen auch die Möglichkeit für einen der Übeltäter seine Hals zu retten, wenn er dafür die anderen hinrichtet.
In einer Kapitulare Karls des Großen heist es, dass "sich die Veruteilten selbst durchpeitschen und sich die Nasen abschneiden sollen".
Friedrich Barbarossa hat einmal elf Adlige, die wegen Landfriedensbruch gehängt werden sollten, durch den zwölften Hinrichten lassen, dem dadurch das Leben geschenkt wurde.
Nun setzte sich durch, das im Namen des Gerichts ein "freier" mehr oder weniger Berufsmässig die Hinrichtung zu vollstrecken hatte. Der sogenannte "Fronbote" war erfunden. Er war ein freier Mann (dem keine Unehrlichkeit anhaftete!) mit hohem Ansehen. Im Sachsenspiegel findet man über diese Figur die genaueste Auskunft.
Nach dem Sachsenspiegel wird der Fronbote aus dem Stand der freien gewählt. Und das offenbar auf Lebenszeit! Wie wichtig das Fronbotenamt genommen wird, zeigt auch die Betallung! Er ist quasi in direkten Dienst des Kögigs getreten. Diesem leistet er auch einen Amtseid und dafür wird er "unantastbar"! Rechtlosigkeit und Ehrlosgikeit bringt nicht die Berührung durch seine Hand (wie später beim Scharfrichter), sondern das Verbrechen des Täters selbst, brachte Rechtlosigkeit über ihn. Auch wenn dieser sich oft mit Geldzahlungen vonder Strafe loskaufen konnte.
Es ist im Sachsenspiegel genau geregelt, welche Straftat durch ihn wie zu bestrafen ist (führe ich jetzt nicht näher aus, sprengt den Rahmen). Im Schwabenspiegel findet sich auch ein Eintrag, dass dem Fronboten jeder Zehnte Delinquent "zur freien Verfügung" steht. Er konnte mit ihm/ihr machen was er wollte. Es lag einzig und alleine in seiner Hand.
Der Frohnbote begleitet also ein ein ehrvolles Amt… Ein Ehrenamt = Das bedeutet, er erhielt für die Tötungsleistung ansich keine Geld! ;) (das machte einen entscheidenden Unterschied!)
Nun war es allerdings so, dass der "ehrliche", ja fast schon "heilige" Fronbote nur selten richten musste. Es war sicherlich auch die unangenehmste Arbeit in seinem Amt. Es entsprach sicher aus seinen Wünschen, dass das Amt des Scharfrichters von dem des Gerichtsboten getrennt werden sollte.
Die Städte wurden größer, der Reichtum wuchs rapide durch Handel, Gewerbe etc. und die Verbrechen stiegen auf ein Maß an, dass für die Vollstreckung der auferlegten Strafen kein "ehrenamtlicher" mehr herangezogen werden konnte. Es war nicht mehr zumutbar. Sowenig wie man ab der Zeit ohne einen Berufrichter auskommen konnte, so wenig konnte man nun eine Person entbehren, die "Beruflich" (also gegen Bezahlung) für die Vollstreckung der Urteile zuständig war.
Zum ersten mal belegt ist das blutige Amt des Scharfrichters im 13 Jhdt. Genauer gesagt 1276 in Augsburg und kurzer Zeit daruf in Lübeck. (Wir wissen nun aber, dass es im 15. Jhd. immer noch nicht überall einen gab.)
Der Scharfrichter, der nicht nur wegen der gerechten Sache willen, sondern für Geld sein Schwert führte, war fast vom Anfang an seiner Entstehung "ehrlos"! Er tat dies quasi "Gewerbsmässig" und das rückte ihn in eine schlechtes, unheimliches, ja "ehrloses" Licht. Wer soetwas "gegen Bezahlung" macht, kann kein Ehrenmann sein… So dachte die Bevölkerung…
Der "heilige" Fronbote (der für seine Dienst allerlei Gebühren einstrich ;), aber für die Tötungsghandlung selbst kein Geld nahm) war hingegen in der Meinung des Volkes ein Ehrenmann. Naja.. so ist das halt gewesen. :D
Erst im Jahre 1731 erklärte die Reichsgesetzgebung mit der "Comitem paladinum" alle alle Ehrlosen und Ausgeschlossenen (bis auf Schinder) wieder für "Ehrlich", also Zunftfähig. Aber nur, wenn sie ihrem Beruf entsagten. Vorher gab es auch schon einzelne Fälle, in dem die Bürgerliche Ehre wieder hergestellt wurde. Dies geschah aber eher selten.
Man Liest sich! Gruss, Thomas
Quellen dieser Zusammenfassung:
- Henker/Blutvogt/Carnifex, von Albrecht Keller. (S.35-62 und 90-91)
- Götterspruch und Henkershand, von Ludwig Barring. (S.195 ff)
- Justiz in alter Zeit, vom Mittelalterlichen Kriminalmuseum R.o.T. (S.279-287)
- Der Scharfrichter, von Dr. Helmut Schumann. (S.161-169)
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Eintrag #23 vom 27. Mai. 2013 19:45 Uhr
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Wie hier bereits mehrfach erwähnt, hatte die Kleidung je nach Zeit und Gegend unterschiedliche Formen und Farben.
Meist war die Kleidung Auffällig, da der Scharfrichter von der Bevölkerung zügig erkannt werden musste. Nur so war es den Menschen möglich, ihm rechtzeitig aus dem Weg zu gehen und eine "Berührung" mit dem Henker zu vermeiden.
War die Kleidung unauffällig gehalten und der "Unherliche" nicht optisch sofort zu erkennen, musste sich der Scharfrichter z.B. akustsich bemerbar machen. Ein Bändchen mit kleinen Glöckchen am Bein, oder Arm befestigt, sorgte dafür, dass man ihn rechtzeitig hörte und Platz machen konnte…
Im Jahr 1489 waren z.B. in Zürich die Scharfrichter komplett in Gelb gekleidet (siehe untere Bilder). In der nächsten Stadt konnte das bereits wieder ganz anders sein…
Anbei eine Bildquelle aus der Bilderchronik des Luzerners Diepholz Schilling (Folio 148r)für Zürich:
Und meine Interpreation (noch in der Entstehung, hier noch ohne Schamlatz):
Gruss, Thomas
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