Das rote Kleid bei Frauen
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Eintrag #1 vom 04. Jul. 2002 20:36 Uhr
Christoph Bitter
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Was man alles als richtig ansieht und dann.....
Hallo Leute!
Sehr oft hörte ich, daß ein rotes Kleid für eine Edel-Hübschnerin nur galt und das Bauern ständig nur leinerne, erdbraune Gewänder trugen.
Gerade letztes schein plausiebel, wird im Sachsenspiegel auch so genannt.
Jedoch, was muß ich entdecken?
Da wird in den "Très Riches Heures" des Duc de Berry (Anfang 15. Jhd.) ein Bauer in knallroter Tracht dargestellt, der das Feld beackert!
Noch grasser gehts allerdings beim Jungfrauenspiegel (Ende 12. Jhd.) ab, denn da sind gleich mehrere rot und gelb geklreidete Bauersfrauen dabei, die Heuernte einzufahren!
Also alles falsch, was da so geglaubt, gedacht und als absolut A empfunden wird!?
Und wie war das noch? Es gab keine roten Beinlinge? Und sieh dann mal, was in der Heidelberger Liederhandschrift nettes Abgebildet ist!
Ich glaube, ettliche Leute können sich von ihren Vorstellungen verabschieden, wie dieser und jener Stand rumgelaufen ist.
A? Will wissen, was man noch so alles findet. Dann wird aus A wohl Oh.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #2 vom 05. Jul. 2002 08:35 Uhr
Joachim Meinicke
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Ohne jetzt auf das spezielle Thema "rot" näher einzugehen, da dies nicht meine Baustelle ist, solltest Du im Umgang mit Primärquellen vorsichtig sein. Gerade was Farben betrifft. Denk immer an die Intention des Malers, um ein Beispiel zu nennen. Zum Umgang mit Primärquellen haben wir aber in der Taverne schon einen netten thread, wo viele Gefahren, die da so auf einen lauern, erwähnt werden. Lese da bitte mal nach: thread 724 !!!!!!!!!!!!!.
Gruß
Joachim
PS
Vielleicht könnte man auch dahin verschieben?!
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Eintrag #3 vom 05. Jul. 2002 12:59 Uhr
Claudia Kohl
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Zum Thema rot kann ich Dir leider auch nichts näheres sagen, aber generell zum Thema typische "Hübschlerinnenfarben". Zwar waren sie als praktisch überall dazu verpflichtet sich zu kennzeichnen, aber die Art/Farbe dieses "Abzeichens"/Kleidung war regional unterschiedlich.
"So mußten Prostituierte in Wien ein gelbes Tüchlein an der Achsel tragen, in Frankfurt a. M. eine gelbe Verbrämung und in Zürich und Bern verdeutlichte ein rotes Käppeli ihre niedrige Standeszugehörigkeit."
Gruß, Merengardis
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Eintrag #4 vom 05. Jul. 2002 13:02 Uhr
Claudia Kohl
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Sorry, hier kommt sie nachgereicht:
A.Lömker-Schlögell,"Formen der Prostitution im Mittelalter" in `Randgruppen der spätmittelalterlichen Geselschaft, hg. von B.-U. Hergermöller, Warendorf 1994, S.57
Gruß, Merengardis
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Eintrag #5 vom 05. Jul. 2002 13:09 Uhr
Jürgen Trautmann
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so ein sündteures Buch leiste, dann sollen da doch bitteschön keine verdreckten Bauern vorkommen. :-)
Meine Lieblingsfigur stammt aus dieser Kategorie: Simplicitas persönlich mit geschnürtem Leib, langer Schleppe und überlangen Hängeärmeln. Oder glaubt jemand, daß wie im Sachsenspiegel fast alle in Mi-Parti rumgerannt sind?
Beste Quellen dürften Kleidungsvorschriften sein. Man sollte dabei aber nicht vergessen, daß es auch ßbertretungen gegeben haben muß, sonst wären sie nicht da. Und manche davon weisen ein "sagenhaftes" Alter auf, um besser anerkannt zu werden.
Womit geklärt sein dürfte, daß in Zukunft alle Bauern auf Mittelaltermärkten in quietschbunt kommen, da sie Ausnahmen darstellen :-)
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Eintrag #6 vom 05. Jul. 2002 13:39 Uhr
Jürgen Trautmann
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- rotes Kleid für Hübschlerin
Komisch, ich dachte immer gelb wäre die verpönte Farbe auf Märkten. Aber wie schon Claudia bemerkt ist es meist nicht die Kleiderfarbe sondern ein kleineres Kennzeichen (Verbrämung, Tuch, Mütze, Aufnäher,… und erstaunlicherweise wurde diese Vorschrift auch einmal benutzt, um Frauen ihre Putzsucht zu vereiteln, indem die gerade modischen Kopfbedeckungen als Kennzeichen vorgeschrieben wurden.)
- leinerne, erdbraune Gewänder
erdbraun kommt eher in den Bereich eines ungefärbten Wollstoffs, der daher auch billig ist. Obwohl da auch GEstaltung möglich ist wie z.B. Kette braune Wolle, Schuß weiße.
Noch ein Grund gegen Farbe: Es wird weiße Wolle benötigt, die dann (je früher, desto mehr) in Wollbündeln gefärbt wird. Fürs Färben ganzer Stoffteile werden groooooße Behälter benötigt, die meist nur Färbern zur Verfügung standen. (Und meist auch nur für Wollbündel verwendet werden). Mit anderen Worten: Machts ein anderer, ists teuer, machts die Bäuerin mit ihrem kleinen Grapen aus Metall, brauchts Zeit. (Der Bauer kriegt danach übrigens auch gefärbten Getreidebrei.)
- Vorschrift im Sachsenspiegel
Hätten sich alle dran gehalten, wär selbige ja wohl unnötig :-)
- Tres Riches Heures
SMA. Bessere Handelswege. Färbergilden.
Immerhin zeigt das Buch zerrissene Kleidung bei niedrigen Ständen.
Ist der knallrote Bauer der mit dem Hifthorn?
- Jugfrauenspiegel
Meinst du das Bild mit den drei Ebenen, in denen Jungfrauen, Witwen und Ehefrauen ihre symbolische Ernte einfahren?
- Große Heidelberger Liederhandschrift
Zuerstmal danke. Endlich einer, der Heidelberger sagt statt Manesse.
Die Gegenfrage bleibt allerdings, wieviel schwarze Beinlinge auf wieviel rote Beinlinge kommen. Und welcher Maler das war.
Für bunte Beinlinge empfehle ich die Maciejowski-Bibel ( home-4.tiscali.nl/~t401243/mac) mit Beinlingen auch in grau, weiß und grün.
Alsdenn
Jürgen
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Eintrag #7 vom 06. Jul. 2002 17:14 Uhr
Christoph Bitter
Jürgen:
Bei den "Très Heurs" schrieb ich die Jahreszahl dazu. Dein Verweis auf das SMA und den besseren Möglichkeiten dieser Zeit war daher unnötig.
Ja, genau dieses Bild aus der Jungfrauenbibel.
Klar überwiegen in der Heidelberger die schwarzen Beinlinge. Aber auch auf anderen Bildern tragen Leute grüne oder rote.
Claudia:
Ich empfehle Dir:
J. Rossiaud "Dame Venus", ISBN 3-406-37434-4
Darin werden die von Dir genannten Tatsachen ebenfalls erwähnt.
Ich schrieb: "Hörte ich oft…"
Das heißt nicht, daß ich das selber glaube.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #8 vom 06. Jul. 2002 17:23 Uhr
Christoph Bitter
Du meinst, daß man diese Primärquellen vorsichtig beurteilen sollte, da sie falsch sein könnten. (Kein Zitat jetzt, aber ich glaub das war so vom Inhalt her richtig)
Jedoch: Wer sagt, daß Deine Quelle, die dies behauptet, nicht ebenfalls vorsichtig beurteilt werden und falsch sein könnte?
Du siehst, das ganze wird zu einem wahren Teufelskreis. Und das Bedeutet: Alles kann falsch sein. Sogar die Sachen, wo Du heute noch meinst, sie wären fürs MA völlig korrekt. Denn irgendwo könnte eine andere Primärquelle liegen, die etwas anderes zeigt. Allein an diesen zwei Dingen sieht man doch, daß diese A-Meinung auf höchst wackeligen Füßen steht; sie jederzeit gekippt werden kann. Um diesen Eindruch zu verhindern, schreibt man natürlich, daß man die Primärquellen so nicht sehen soll. Und da wären wir´dann wieder beim Teufelskreis.
Gruß
v. Arlen
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Eintrag #9 vom 08. Jul. 2002 08:45 Uhr
Joachim Meinicke
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Hi, Christoph, genau, ich stimme Dir zu, so ist das Spiel. Finde ich morgen den Beweis, das Teil x meiner Ausrüstung daneben ist, muß man es nach besten Wissen und Gewissen austauschen oder verbessern. Das macht doch gerade den Reiz aus. Klamotten, die ich noch vor keinen 12 Monaten prima fand, möchte ich jetzt schon gar nicht mehr anziehen. Das geht immer weiter so, endet nie wirklich. Und das macht auch Spaß, sich weiterzuentwickeln, dazuzulernen.
Primärquellen zu benutzen ist nicht falsch, nur man muß damit umgehen können. Deswegen auch mein Verweis auf den entsprechenden thread. Und man muß eine Quelle möglichst immer mit anderen vergleichen, z.B. den hier erwähnten Kleiderordnungen. So kann man sich der Wirklichkeit annähern, so gut es geht. Gerade im MA aber auch in anderen Epochen ist es immer sehr wichtig, sich die Intention desjenigen klarzumachen, der z.B. zeichnete oder aufschrieb. Denk z.B. mal an die Zahlen bei Schlachten, wie die je nach Seite stark schwanken konten, man übertrieb gerne in der Anzahl der Gegner und untertrieb gern in der eigenen Anzahl der Gefallenen.
Noch ein Beispiel. Neulich schrieb mir jemand, das Brandenburger Wappen in der Manesse (von mir aus auch Großen Heidelberger :-) ) zeige ja einen roten Adler auf schwarzen Grund. Was war passiert, die Farbe war oxidiert und wirkte nun schwarz.
Nur ein winziges Beispiel.
Also Vorsicht. Eine Primärquelle macht noch keinen Frühling, wie ein altes Sprichwort sagt. :-)
Gruß
Joachim
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Eintrag #10 vom 08. Jul. 2002 13:59 Uhr
Claudia Kohl
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Hi,
danke für den Tip, hört sich interessant an. Ich werd mich im Bekanntenkreis mal umsehen, vieleicht hat das Buch ja jemand, ansonsten steht es auf meiner nächsten Anschaffungsliste :-)
Ich wollte Dir auch in keiner Weise unterstellen, daß Du das Klischee "jede Bevölkerungsgruppe hatte überall die gleiche typische Farbe" einfach so hinnimmst und glaubst- wenn dem so wäre hättest Du ja gar nicht erst so Klischeekritisch hier gepostet :-)
Gruß, Merengardis
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Eintrag #11 vom 08. Jul. 2002 14:48 Uhr
Karen Thöle
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Im Wesentlichen gab es zwei Möglichkeiten, einen Stoff rot zu färben: Krapp (engl. Madder) und Kermis (wird aus Schildläusen hergestellt). In der Reihe "Medieval finds from excavations in London", die ich irgendwie dauernd zitiere, sind in dem Band "Textiles and clothing" auch die Stoffe auf Färbemittel untersucht worden.
Ergebnis:
Ungefähr die Hälfte der untersuchten Stoffe hatte Spuren von Krapp! Krapprot oder Farben, die sich mit Hilfe einer Kombination von Krapp und anderen Farben herstellen ließen, waren also die beliebtesten Farben in London! Krapp ergibt ein Rot von eher leuchtend rot über Ziegelrot bis hin zu Bordeaurot. Wohlgemerkt, das gilt jetzt für die Stadtbevölkerung, weist aber auf die Beliebtheit und Verfügbarkeit dieses Farbstoffes hin.
Kermis wurde hauptsächlich in Verbindung mit besonders hochwertigen Wollstoffen gefunden. Bitte korrigiert mich, wenn ich schiefliege, aber ich habe daraus geschlossen, daß Kermisrot Scharlachrot ist. Scharlach war ursprünglich ein Wollstoff von besonders hoher Qualität; der Name scheint dann auf die bei diesem Stoff besonders häufig verwendete Farbe übergegangen zu sein. Scharlach ist ein Rot von besonderer Leuchtkraft, das ganz, ganz etwas in Richtung Orange geht.
Kleiderordnungen: Wenn sie in irgendwelchen Stadtverordnungen besonders häufig wiederholt wurden, heißt das, daß immer wieder ßbertretungen vorkamen. Solche Verordnungen sind nie prophylaktisch erlassen worden, sondern immer erst, wenn sich Handlungsbedarf zeigte. Und viele dieser Erlasse haben als Zweck, den Bürger vor unverantwortlich hohen Ausgaben zu schützen. Niemand sollte sein Vermögen vergeuden, nur um den Nachbarn in Kleidung oder mit Ausgaben für ein Fest zu übertrumpfen.
Also:
Bauern, überlegt Euch, wieviel Geld Ihr habt und wieviel Geltungsbedürfnis. Und dann zieht Euch meinetwegen Krapprot, Scharlachrot oder Wollweiß an.
Bis denn
Karen Thöle
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Eintrag #12 vom 09. Jul. 2002 11:32 Uhr
Patrizia Frin
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….wurden wohl bevorzugt rote Kleider von Frauen gehobener Gesellschaftsschicht getragen, bzw. Kombinationen aus rot und weiß, da unsere Wappenfarben rot und weiß sind. Anscheinend war sowas vor allem auf Empfängen und Feierlichkeiten politischer Art, soll heißen, wenn man mit Nicht-Lübeckern zusammen kam, z.B. auf Hansetagen gerne gesehen.
Tricia von Lubeca
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Eintrag #13 vom 13. Okt. 2003 17:45 Uhr
Sabine Ringenberg
Schön, schön, mal zu lesen, daß tatsächlich Rot getragen wurde. Ich bin darstellende Färberin auf historischen Events und höre immer wieder: "Im Mittelalter hat man doch gar kein Rot tragen dürfen."
Von den städtischen Kleidungsvorschriften mal abgesehen, gab es die bäuerliche Heimfärberei zu allen Zeiten seit der jüngeren Steinzeit. Und Krapp wächst wild - gemeinsam mit seinen Verwandten aus der Familie der Labkrautgewächse - in heimischen Wäldern. Die Bäuerinnen werden wohl gewußt haben, daß die Wurzeln des Labkrautes rot färben, wenn auch die Ernte nur für kleine Stoffflächen gereicht haben wird, denn der Anteil an Farbstoff ist bei diesem Wildkraut nicht sehr ergiebig.
Wir können nicht davon ausgehen, daß das Mittelalter nur aus Klöstern, Städten und Adeligen bestanden hat, nur weil die bäuerliche Kultur nicht oder aus der Sicht des Adels dokumentiert ist.
Ich jedenfalls habe meinen Stand voller Rot hängen, in all den herrlichen Varianten von Krapp bis Cochenille. Sie sind lichtecht und haben eine schöne Leuchtkraft.
Liebe Bauern, habt Spaß am Rot.
Sabine von der Schön´Färberei
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