Bier - Braukunst im Mittelalter
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Eintrag #1 vom 05. Feb. 2002 19:06 Uhr
Michael Holzschuh
Hallo Leute!
Ich habe da ein paar Fragen zum guten, alten Bier und dessen Herstellung (vor allem im HMA).
Aber zuerst mal einige Fakten:
Das Bier - oder bessergesagt vergorenes Getreide ;-) - ist schon sehr alt und war schon vor ca. 6000 Jahren (bei den Sumerern!?) bekannt.
Im Laufe der Jahrtausende hat sich natürlich einiges am Bier und dessen Herstellung geändert.
Heutzutage wird das Bier in den Brauhäusern immer exakt nach dem gleichen Rezept und unter den gleichen Bedingungen gebraut, damit es immer gleich schmeckt.
Bierherstellung heute:
Zuerst wird eingemaischt, d.h. Gerstenmalz und Wasser werden zusammengemischt.
Dann wird das ganze auf bestimmten Temperaturen bestimmte Zeit stehen gelassen, und dann Abgemaischt (Malz und Wasser wieder getrennt).
Zum Abmaischen kommt das Malz-Wasser-Gemisch in den sog. Läuterbottich. Hier läuft das Wasser ab, und das Malz bleibt zurück. Jetzt noch mit frischem Wasser nachspülen, um die "Würze" aus dem Malz auszuspülen.
Anschließend wird das (jetzt schon nach Bier riechende) Gebräu noch mal mit Hopfen aufgekocht und dann über Nacht bei 7°C stehen gelassen.
Am nächsten Tag kommt dann die Hefe hinzu. (Der Hefestamm ist hauptverantwortlich für den Geschmack des Bieres.)
Bei 6 - 8 °C gährt das Bier nun gut eine Woche vor sich hin, bis etwa 80% vergoren ist.
Nun werden die Gährbehälter luftdicht verschlossen. Dadurch kann sich Druck aufbauen, was dazu führt, dass das Bier Kohlensäurehaltig wird.
Nach weiteren 1-3 Wochen hat man ein Trinkfertiges Bier.
Das heute - nach dem Deutschen Reinheitsgebot - nur noch Gerste, Hopfen, Wasser und Hefe im Bier erlaubt sind, dürfte wohl jedem Biertrinker bekannt sein.
Das Reinheitsgebot wurde auf grund der Tatsache erlassen, dass man früher, um das Bier haltbarer zu machen, alle möglichen und unmöglichen Substanzen dem Bier zugesetzt hat.
Und die waren wohl nicht immer der Gesundheit zuträglich ;-)
Es hat sehr lange gedauert, bis man eine Möglichkeit gefunden hatte, das Bier länger haltbar zu machen (Hopfen). Dadurch wurde es dann möglich, das Bier zu lagern (Daher auch der Name Lager-Bier. Hat mit dem heutigen Lager-Bier nur überhaupt nichts mehr zu tun…)
Nun konnte man das Bier auch über größere Entfernungen transportieren. Das hatte zur Folge, dass nicht mehr jeder Haushalt sein eigenes Bier braute, wie bisher üblich, sondern es entwickelten sich langsam die Brauereien.
Heutzutage wird wieder immer öfters gegen das Reinheitsgebot "verstoßen" (glücklicherweise)
Denn Biere wie Corona, Desperados, Kirsch- bzw. Bananenweizen, ja selbst normales Hefeweizen (ein Teil des Gerstenmalzes wird durch Weizenmalz ersetzt) entsprechen nicht dem Reinheitsgebot.
Nun zu meinen Fragen:
Wie hat die Bauersfrau im Mittelalter ihr Bier gebraut?
Klar, Reinzuchthefen gab es noch nicht, es wurde genommen, was halt grad in der Luft lag ;-)
Aber worin wurde das Bier vergoren?
1) Gab es schon Holzfässer? Wenn ja, wie wurden sie gebaut? Wurden damals schon Metallringe (Küverringe oder so ähnlich heißen die ) verwendet, um das Faß zusammenzuhalten?
2) War es damals schon möglich Fässer annähernd Druckdicht zu bekommen (vielleicht mit Harzen?), oder besaß das Bier damals wirklich keine Kohlensäure?
3) Wie stellte man damals die Temperatur beim Brauen ein? Thermometer gab’s ja schließlich noch nicht, und wenn man das Bier nicht bei ca. 60°C rasten lässt, dann bekommt man bestenfalls Kinderbier, aber bestimmt keinen Alkohol.
4) Wie haben sie damals im Sommer das Bier gebraut? Lagern konnte man es ja schließlich nicht, aber Bier wurde trotzdem das ganze Jahr über getrunken. Hatten die einfachen Bauernhäuser damals schon Keller, in denen es im Sommer kühl genug war? Denn bei Temperaturen von mehr als 10 - 15 °C bekommt man bestenfalls Essig, aber kein Bier.
Wann kam man auf die Idee, im Winter Eis zu bunkern, um im Sommer brauen zu können?
Bitte überhäuft diesen Threat nicht mit Vermutungen (ich glaube, es könnte doch sein, etc.) sondern helft mir bitte mit fundierten Informationen (möglichst mit Quellenangabe).
Danke für Eure Hilfe
Micha;-)
das Rudel, e.V.
PS: Quellenangabe:
Meine Informationen habe ich hauptsächlich aus Breuers "Ritter, Mönch und Bauersleut" und von einem Frankfurter Diplom-Braumeister
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Eintrag #2 vom 06. Feb. 2002 10:24 Uhr
Stefan Breu
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Hallo Michael,
Tolles Thema! Met wird sowieso völlig überbewertet. Klingt halt exotischer als Bier.
Gegen eine weite (in Zeit und Raum) Verbreitung von Kinder- Schwach- und Dünnbier spricht erstmal gar nichts. War immerhin Alltagsgetränk von morgens früh bis abends spät.
Und hier noch ein super Link zu Deinem Thema, wenn auch auf England bezogen:
Es grüßt
Stefan
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Eintrag #3 vom 06. Feb. 2002 11:34 Uhr
Andreas
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Hallo Michael,
prima Thema :-)!
Also - zum Bierbrauen im MA kann ich leider nix beitragen, aber zu den Rahmenbedingungen vielleicht.
In GB (und besonders in Schottland) gibt es das sog. "real-ale", ein Bier, welches quasi keine Kohlensäure enthält, da es nicht unter Luftabschluß vergärt. Es schmeckt besser und ist stärker als so manches andere Bier und ist leider in Deutschland nur selten zu kriegen.
Ein Vergären unter Luftabschluß ist also für die Braukunst im MA m.E. nicht notwendig, da ja auch die Lagerung unter Luftabschluß (Korken auf Flaschen???) nicht unproblematisch ist.
Hopfen zur Haltbarmachung und Würze ist zumindest denkbar (für Bayern ab dem 9. Jhdt. belegt - Quelle siehe unten!), da Hopfen schon sehr früh als Kulturpflanze erwähnt ist (Augsburger Zollunterlagen aus dem frühen 11. Jhdt. zit. in "Die Bajuwaren" Ausstellungskatalog 1988 S.186).
Gruß,
Indy (Tassilos Rache)
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Eintrag #4 vom 08. Feb. 2002 14:11 Uhr
Karen Thöle
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Wie das mit dem Bier war, hätte ich auch gern mal gewußt. Wir hatten hier an der Uni in einer Vorlesung auch mal etwas über Bier im Mittelalter. Schon ein bißchen her, deshalb die reichlich schwammigen Angaben.
Woran ich mich noch erinnere, war das viele Zeugs, was dem Bier zugesetzt wurde, um es haltbarer zu machen (soweit ich weiß, Harz!), und um den Geschmack zu verbessern (irgendwelche Gewürze). Bevor der Hopfen als "Würze" eingesetzt wurde, nahm man etwas, das Grut hieß. Das so entstehende Grutbier war dann aber nicht so haltbar wie später mit dem Hopfen. Ich weiß aber nicht mehr genau, was für eine Pflanze das Grut war.
Weiß das hier jemand? Hat das vielleicht sogar schonmal jemand ausprobiert? Würd ich ja zu gern mal probieren!
Bis denn
Karen
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Eintrag #5 vom 08. Feb. 2002 14:30 Uhr
Claudia
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Grut ist nicht EINE Pflanze, sondern ein Gemisch aus verschiedenen Pflanzen. Dazu wurden alle moeglichen Bitterkraeuter genommen.
Vorigen Sommer haben wir das mal im Sommerlager von Astrid und Burkhart Schaffrath ausprobiert. Astrid hat fuer die Grut ihren Kraeutergarten gepluendert, aber ganz genau weiss ich nicht mehr, was drin war. Ich kann ja nochmal nachfragen.
Das Bier ist jedenfalls recht gut geworden.
Wir haben uns allerdings ein neuzeitliches Thermometer zu Temperaturbestimmung gegoennt. Im MA wurde das wohl alles ueber Erfahrung erledigt. Aber wenn man Pech hatte und den Kram zu heiss gemacht hat, gab’s bloss Gerstenbrei und kein Bier…
Den verbleibenden Treber haben wir z.T. fuer Treberbrot genutzt - lecker!
Genaue Literaturtips kann ich aber leider nicht geben, weil nicht ich die vorbereitende Recherche gemacht hatte.
Gruss, Claudia
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Eintrag #6 vom 15. Mrz. 2002 00:05 Uhr
Uli Gasper
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Nicht, das ich Dir das nicht auch im Training sagen könnte, aber wenn ichs hier poste, haben alle was davon.
Interessant zum Thema bier ist Thread 559, Getränke im Ma, zudem gibt es noch denn sehr interessanten Link auf wwwbier.de, gibts Infos.
Gruss, Uli / das Rudel e.V.
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Eintrag #7 vom 12. Aug. 2002 02:52 Uhr
mico biggio
Wir würden gerne Bier ohne hefe oder hopfen brauen und sind darum auf der suche nach rezepten und tips wie man gute grut zubereitet (wir haben überhaupt keine Ahnung davon darum sind alle tips hilfreich).
1000 dank im vorraus!
den gruß mico
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Eintrag #8 vom 14. Aug. 2002 16:26 Uhr
Dr. Frank Dierkes
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Tach auch.
Ich habe mich näher mit dem Bier brauen befasst, da ich einmal gerne Bier trinke und mir dachte, als Mönchsdarsteller sollte ich diese Tätigkeit auch beherrschen:
Zuerst mal zu den Temperaturen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir ein obergäriges oder untergäriges Bier brauen wollen. Unterschied ist, das sich beim obergärigen Bier die Hefe im Braubottich an der OBERfläche absetzt (da diese Hefe Ketten bildet), bei der untergärigen Brauart aber UNTEN im Bottich dümpelt (da sie keine schwebfähigen Ketten bildet). Weiter benötigt die untergärige Hefe (Saccharomyces carlsbergensis) kühlere Temperaturen (nicht über 15°C), die prinzipiell nur im Winter oder mit Kühlung zu erreichen sind - dieses Bier fällt also bei der HMA-Brauerei weitgehend weg.
Die obergärige Saccharomyces cerevisae erträgt höhere Außentemperaturen während des Vergärungsvorganges und ist auch sauerstoffverträglicher als die andere Hefe, die zu schnell umkippt und Essig produziert.
Von daher gibt es auch keine Notwendigkeit, eine gesunde obergärige Hefe mittels aufwendiger Vorrichtungen vor Sauerstoff zu schützen - mir hat bislang immer ein sterilisiertes Leinentuch ausgereicht, das ich über den Braubottich gespannt habe. Obergärige Biere entstehen und reifen auch schneller, als untergärige, so dass man schneller in den Genuss kommt.
Hopfen ist eine Zugabe, die ich mir persönlich gerne klemme. Zum einen ist es nicht hochmittelalterlich, ausschließlich Hopfen zur besseren Lagerfähigkeit zuzugeben (und nichts anderes sollte der Hopfen ursprünglich bewirken), zum anderen enthält er östrogenartige Substanzen, die man als Mann auch nicht in Mengen zu sich nehmen sollte. Ich habe gute Erfahrungen mit Bieren ohne Hopfenzugabe, die halten zwar nur 1-2 Monate, dann sind die 20l die ich pro Brauvorgang herstelle auch meist aufgetrunken.
Statt Hopfen kann man entweder die besagte Grut nehmen (ich teste gerade an einem Rezept aus Fichtennadeln und Kirschen herum), oder Gagel, den man in der Würze mitkocht (ich persönlich fülle diese Zugaben in sterilisierte Leinenbeutel und hänge sie in den Brautopf => man spart sich das Abseihen). Gagel produziert ein herrlich erfrischendes, leicht säuerliches Bier, das ideal für den Sommer ist.
Noch einige Adressen und Literaturtipps:
=> liefert Ideen, Tipps und Material
2. Zilliken et al. (2000): "Alles hausgemacht". Weltbild-Verlag
=> enthält nicht nur Brauanleitungen, sondern auch Tipps zum Räuchern, Einlegen, Einmachen etc.
Viel Spaß beim Brauen.
+Pax! Fr. Hermann ab Monastre. Cellerar minor zu Werden
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Eintrag #9 vom 14. Aug. 2002 16:42 Uhr
Dr. Frank Dierkes
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Da vergisst man doch das wichtigste:
Den Menschen im HMA war offensichtlich nicht bewusst, dass Hefen essentiell für die Brauerei waren. Im Reinheitsgebot steht nämlich nichts von irgendwelchen "kleinen Helfern", sondern nur eine Auflistung der Zutaten.
Woher also Hefen nehmen?
Die Mär vom in den Braubottich geworfenem Brot kann abgelehnt werden. Zum einem erzeugt Backhefe einen widerlichen Fusel, der nicht nur nicht schmeckt, sondern auch Kopfschmerzen macht. Zum anderen war der Pilz Hefe im HMA auch den Bäckern nicht persönlich bekannt, ein Transfer auf die Brauer ist daher kaum denkbar.
Zwei Dinge sind daher anzunehmen:
Die mangelnde Sterilisierungstechnik im HMA sorgte dafür, dass sich in den Braubehältern bereits Hefen befanden, die sich irgendwann als "wilde Hefen" eingeschlichen und dort festgesetzt hatten. Durch Selektionsvorgänge wurden dann die Hefen begünstigt, die mit dem ständig zur Verfügung gestellten Material (nämlich aufgeschlossenes Getreide) am besten zurechtkamen.
Brauen war daher aber immer ein Risikospiel, wenn diese Hefen fehlten. Man konnte sehr schnell vor einigen Hektolitern Fusel stehen, den man wegkippen sollte. Ich habe hier eine ganze Liste von Rezepturen vorliegen, mit denen Brauer aber versucht haben, umgekipptes Bier noch trinkfähig zu schönen - wohl sehr zum ßrger derer, die es getrunken haben…
Wie nun neu errichtete Brauereien im HMA - ohne es zu wissen - an ihre Bierhefen kamen, kann ich nur vermuten. Da sich Hefe sehr schnell ausbreitet, wenn sie die Gelegenheit hat, dürfte prinzipiell schon ein Abstrich aus einem gut eingefahrenen Braubottich gereicht haben, einen neuen Bottich zu impfen. Möglicherweise wurde das auch gemacht, ohne das man genau wusste, warum.
Nochmals Grüße und Prost
Frank
+Pax! Fr. Hermann ab Monastre. Cellerar minor zu Werden
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Eintrag #10 vom 25. Aug. 2002 21:15 Uhr
Thomas Butters
Hallo allen Bierpanschern!
Erst vor Kurzem kam auf Bayern 3 eine sehr aufschlußreiche Reportage zum Thema Bier. Dort wurden viele sehr interessante Informationen genannt. U.a.:
* Wein = Alltagsgetränk bis ins 17.Jh.
- guter nur Import aus dem Süden, ausschließlich für Patres
- einheimischer Wein = schlechter, für Fratres, daher KULTIVIERUNG des Barbarengetränkes Bier
* Klosterbier:
- Patres - aus Gerste = ?????
- Fratres - Gerste +Hafer = zervisa
- Bettler + Pilger - ????? = konventus
* da flüssig, verstieß es nicht gegen die Fastenregeln
* im MA nur obergäriges Bier (= Weißbier aus Weizen), konnte sauer werden
* untergäriges Bier erst aus Pilsen (nur im Winter)
* Bier hatte unangenehm süßen Geschmack, daher verschiedene Zusatzstoffe (siehe Hildegard von Bingen) mit u.a. aphrodisierenden Substanzen, Mönche gaben daher Hopfen als ANTIstimulans zu, daher bitterer Geschmack, Schaum, längere Haltbarkeit (ZUFßLLIGER Nebeneffekt)
* 5…10 Zumessungen (daher das Wort Maß für 1l-Bierkrüge) täglich für einen Mönch (d.h. ca. 5…10 l)
Wenn man sich mit dem Sender in Verbindung setzt, kann man eine Kopie des Manuskriptes anfordern.
mfG - Thomas
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Eintrag #11 vom 26. Aug. 2002 23:34 Uhr
Dr. Frank Dierkes
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Zum Maße des Getränkes sagt die Regel des Hl. Benedikts klar aus, das - wenn sich der Mönch schon nicht überzeugen lässt, überhaupt nicht zu trinken - wenigstens die Menge beschränkt zu sein hat. So sind dem Mönch pro Tag eine Hemine Wein oder 2 Heminen guten Bieres erlaubt. Zu Zeiten der Erstellung der Ordensregel umfasste eine Hemine ca. 0,25l, also nicht DIE Menge. Die Maßeinheit Hemine muss daher in der Folgezeit relativiert worden sein, um höhere Mengen zu ermöglichen. Denkbar ist auch, dass sich - ähnlich wie bei dem Maß der Speisen - ein "krankgeschriebener" Mönch mehr zur Gemüte führen konnte, als ein gesunder Bruder.
Das mit dem Hopfen als Antistimulanz ist mir nicht ganz ersichtlich. Zum einen kann ich mir kaum denken, dass Hildegard von Bingen (auch Nonne) aphrodisierende Stimulanzien in Bier empfohlen oder im Kloster erlaubt hat, zum anderen wäre als Antistimulanz Baldrian weitaus besser gewesen (Wirkung war bekannt).
Stattdessen wurden in Klöstern auch Biere ohne Hopfen gebraut, dafür mit Gagel als Würze und zum haltbar machen.
Gruß
Frank
+Pax. Frater Hermann ab Monastre. Cellerar minor zu Werden
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Eintrag #12 vom 27. Aug. 2002 13:51 Uhr
Claudia
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Soweit ich weiss, macht Hopfen in hoeheren Dosen impotent. War frueher auch bekannt als "Hopfenpflueckerkrankheit", weshalb dann meist nur noch Frauen fuer die Hopfenernte eingesetzt wurden.
Wie’s genau physiologisch funktioniert, muesste man mal einen Mediziner fragen.
Gruss, Claudia
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Eintrag #13 vom 27. Aug. 2002 15:53 Uhr
Andrea
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Moin,
die angesprochene "Hopfenpflückerkrankheit" (wobei ich mir nicht sicher bin, ob unter dieser Krankheit nicht eher eine Allergie verstanden wird) wird durch das im Hopfen enthaltene ßstrogen ausgelöst. ßstrogene haben eine antiandrogene Wirkung. Und da die Androgene beim Mann u.a. für die Befruchtungsfähigkeit zuständig sind, kann es bei höheren ßstrogenkonzentration im männl. Körper zur Impotenz kommen.
Auch die Pflückerinnen blieben nicht verschont, da diese unter dem Einfluß des Hormons an Menstruationsunregelmäßigkeiten zu leiden hatten.
Andrea
P.S.:
Beim reinen Biertrinken ohne Pflücken braucht keiner Angst zu haben, denn eine Studie hat bewiesen, dass im Bier nicht mehr genug von den Hormonen drin ist. Man müßte danach mind. 1000 Liter Bier täglich zu sich nehmen;-)
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Eintrag #14 vom 30. Sep. 2002 05:48 Uhr
Alexander Seyrer
Gott zum Gruss,
ein Freund ist Brauer den habe ich über das Thema auch schon ausgequetscht, er hat mir gesagt das die Hefe die sogenannte Flughefe sei die natürlich in der Luft vorkommt, gibt da nenn Brauerspruch den ich jetzt nicht zusammenkriege aber aus dem hervorgeht das wenn der Wind nicht will es auch kein Bier gibt.
Er hat auch ein kleines Büchlein mit alten Rezepten, ich frag ihn mal ob ers mir leiht, kann ja dann ein paar raustippen, wenn dies gewünscht wird. Kann mich grade dran erinnern das da auch von Tollkirsche die Rede war bin mir aber nicht sicher.
Gruß Alexander
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Eintrag #15 vom 02. Okt. 2002 00:02 Uhr
Daniel Stolz
Seid Gerüsst Freunde des Bieres.
Da ich auf Mittelaltermärkte einen Mönch aus dem 13 Jahrd. darstelle und selber Brauer und Mälzer bin, setze ich mich schon seid längerem mit dem Thema "Brauen im Mittelalter" auseinander und habe dazu schon einen eignen "Feld"Versuch dazu gestartet.
Wenn jemmand spezzielle fragen zu gerätschaften oder Rohstoffe hat, da eine aussführung zu komplex über mehrere Jahunderte geht, soll sich bitte bei mir speziell melden.
(Eine komplette Ausführung ist allerdings schon in arbeit)
Nu zum Thema Biersorten damals:
Fenchelbier
Ochsenzungenbier
Nelkenbier
Eichelbier
Kirschenbier
Kräuterbiere
In diesen Bieren wuden jedliche art von Kräutern Rinden und Wurzeln verarbeitet z.b. Angelica, Rosmarin, Kletterwurzeln…
Nur eins dazu..das Bier wurde damals für vele wehwehchen hergenommen und jedes Bier mit bestimmten Kräuter sollte eine bestimmte Heilwirkung zeigen.
In diesem Sinne, gruß Daniel
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Eintrag #16 vom 03. Okt. 2002 21:16 Uhr
Dr. Frank Dierkes
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Lange gesucht - endlich was gefunden: Eines der Gruit- (oder Grut-)-Rezepte:
Ingwer, Gewürznelken, Galgant, Zimt, Muskat, Paradieskörner, Koriander, Süßholz, Fenchel, Pfefferminze, Wacholder, Rosmarin und Gagel.
ßber die Mischung wird leider mal wieder nichts ausgesagt. Einige der Grutbestandteile lassen mich ahnen, dass es sich bei diesem Rezept um kein Bier für das arme Volk gehandelt haben kann. Bis auf den schwer aufzutreibenden Gagel sind alle Gewürze leicht zu bekommen, vom Aldi bis zum Fachhandel.
Viel Spaß beim Panschen.
Frank
+Pax. Frater Hermann ab Monastre (OSB), Cellerar minor zu Werden
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Eintrag #17 vom 04. Okt. 2002 14:48 Uhr
Daniel Stolz
Ich hab hier ein paar interessante Bücher, die ihr euch mal ansehen müsst. Sie handeln all von der Gschichte des Bieres bzw eines war ein Lehrbuch für Brauer 1785.
Im Bier Lexikon wird zb. erwähnt, das die Grut eine Bezeichnung war für die Bierwürze, die sich der Schankwirt erkaufen musste, wenn er Bier verkaufen wollte, da ein seber brauen mit zu hohen Steuern belastet war.
Was damals allerdings schon als Würze bennat wurde, steht nicht drin. Heute wird ja das fertig gewürzte Bier als "Würze" bezeichnet, so vermute ich das dies damals wohl auch der Fall war.
Allgemein konnte ich über Gruit oder Grut nur herrausfinden, das es von Stadt zu Stadt bzw von Brauerei zu Brauerei verschiedene, mit allerlei Kräuter, Wurzeln, Baumrinden und ander kuriose dinge wie Ochsengalle, Kienruß oder Schlangenkraute versetzte "Würze" war.
Aber nun zu den Titeln:
- Bier Lexikon Scripta-Verlagsgesellschaft ( warum auch immer leider ohne ISBN) Sehr interessantes Buch über die Gschichte des Bieres von der Hersttelung und Rezepten von den Sumerern bis heute, allerdings in mancher hinsicht fragwürdig
-"Heute Back ich, morgen Brau ich.." von Irene Krauss ISBN 3-926186-05-4 Eine Ausgabe vom Brot MUseum ULM über die Geschichte der Brauer und Bäcker. Von der Herstellung bis zur BIerwerbung und Trinkgefäse
-Der Volkommene Bierbrauer ISBN 3-8262-0201-5
Achtung: Kenntisse in altdeutscher Schrift erforderlich, da es sich hier um ein reprint aus dem Jahre 1785 handelt. Enthält Rezepte für Kräuter Biere und zur Met herstellung.
-Bierbrauen leicht gemacht ISBN 3-932131-85-1
Für alle die es mal selber probiern wollen, sehr leicht und sachlich erklärt mit gute vorschläge für den Ersatz von teuren Sud und Lagergefäse
-Technologie Brauer und Mälzer VLB-Berlin von Kunze ISBN 3-921 690-31-5
Achtung, dies ist ein FACHBUCH, und ein muß für jeden Brauer und Mälzer, lohnt sich allerdings nur wenn mann sich viel mehr in die Materie einlesen möchte
So, ich hoffe ich konnte euch ein bisschen mit diesen Lektüren weiterhelfen.
Wer spezille fragen zur herstellung, bzw. Tips zum selbermachen braucht, z.B. wie läuter ich ab oder was wäre als Maischgefäss geeignet…einfach anmailen.
Hier noch 2 interresante Internetseiten:
Nun viel Spass beim lesen oder selber brauen.
Aber denkt daran:
"Ohn Gottes Gunst, is all braun umsunst.."
In diesem Sinne,
Daniel
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Eintrag #18 vom 28. Apr. 2003 11:23 Uhr
Steffen
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Ich sitzt gerade bei mir im Zimmer und höhre meinem Met beim Gären zu.
Da kamm mir doch die Frage wie wohl im Mittelalter gebraut wurde.
Da ich mal davon überzeugt seien darf das es da noch keine Plastikgährbehälter mit Plastikventilen gab. Wie wurde das mit dem Gährventill fürher sagen wir mal 9- 13. Jahrhundert gemacht?
Sind euch da Links oder ähnliches bekannt.
Ein Schelm der böses dabei denkt
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Eintrag #19 vom 28. Apr. 2003 14:59 Uhr
Claudia
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Steffen, die einfache Antwort ist, dass es keine Gaerverschluesse gab, jedenfalls fuer Bier ist mir nichts bekannt und es geht auch ohne.
Bier liess man auch nicht voellig durchgaeren, sondern hat es etwas vorher von der Hefe abgezogen und in Faesser gefuellt. Im Fass gaert es noch etwas nach (ein bisschen Hefe ist ja noch drin) und erzeugt so die notwendige Kohlensaeure.
Bier wird bis heute in kleinen Brauereien noch in offenen Behaeltern vergoren. Manche kann man besichtigen, da bekommt man das auch gezeigt.
Gruss, Claudia
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Eintrag #20 vom 28. Apr. 2003 15:29 Uhr
Ulrich Busse
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Der Gärverschluss verhindert nur, dass von außen etwas (Bakterien, wilde Sporen) in das Gärgut eindringt. Der Gärprozess (ob Wein, ob Bier) ist davon nicht abhängig. Allerdings ist das Risiko, dass etwas schief geht/verdirbt, ohne Gärverschluss größer. Ein reines Tuch über den Gärbehälter und saubere Umgebung dürften aber meistens reichen.
Ulli
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Eintrag #21 vom 11. Apr. 2004 20:35 Uhr
Mike Schaudi
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Hallo,
ich bin Braumeister.
Und jetzt soll ich für eine neuaufgelegte Zeitschrift einen Artikel übers Bierbrauen zu historischen Zeiten machen.
Hab allerdings keine Ahnung wie die das damals gemacht haben.
Könnt Ihr mir weiterhelfen oder Quellen nennen wo ich Infos finde?
Danke euch
Mike
Mike
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Eintrag #22 vom 09. Jul. 2005 15:47 Uhr
Lutz Moschke
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Hallo, liebe Brauer/innen,
hier war ein Beitrag zum Thema Brauen, der sich mit den während des Brauvorgangs zu messenden Größen (Temperatur, Zeit, Extraktgehalt etc.) beschäftigt. Auch ich habe bei MA- Märkten und anderen MA- Veranstaltungen immer wieder festgestellt, dass es da große Probleme gibt mit der Messerei. Fest steht, dass es bis ins HMA KEINE Möglichkeiten gab, Temperaturen im interessanten Bereich von ca. 40°C (Einmaischtemperatur) bis 78°C (Abmaischtemperatur) hinreichend genau zu messen. Das machte das Brauen zumindest für Unerfahrene zu einem gewissen Risiko, daher war es ja auch üblich, dass die Mutter der Tochter des Hauses oder der Schwiegertochter am Ende ihres Lebens den Braulöffel (Braupaddel wurden erst gegen Ende 18. Jh. üblich) übergab - sie gab im wahrsten Sinne des Wortes den Löffel ab. Verbunden damit waren auch die ßbermittlung von Rezepten und technologischen Tricks. Aus einer Monographie, die ich leider nur für kurze Zeit geliehen bekam, sind mir nun einige Dinge über MA- Brautechnologie bekannt, die ich hier den Interessierten mal zugänglich machen will (ein längerer Beitrag, ich teile ihn auf).
Hier also der erste Teil - die Technologie:
Gebraut wurde entweder in Gemeinschaft (heute noch in einigen Kommunen üblich, besonders in Franken und in der Oberpfalz, wo es einige Kommunbrauereien gibt, z.B. die in Windischeschenbach (Zoigl- Bier)…), vergoren wurde der Sud dann zu Hause. Wurde privat gebraut, ging das meist völlig ohne Temperaturmessung oder mit brutalen Methoden (Tierschützer/innen bitte weghören) - z.B. wurde die Temperatur dadruch "gemessen", dass ein Frosch in den Sud geworfen wurde (auch aus Gründen des Aberglaubens, das Ungeziefer möge den T. davon abhalten, das Bier zu verderben) und beobachtet wurde, wie lange der noch zappelt - brrr… Aber ernsthaft - man/frau hat nicht gemessen, statt dessen ein Verfahren verwendet, das heute unter dem Stichwort Dekoktionsverfahren bekannt ist. Eingemaischt wurde meist bei ca. 40°C, eine Temperatur, die noch gut mit der Hand fühlbar ist. Dann folgte eine ca. 15minütige Rast, bei der die Eiweißstoffe und erste Gummistoffe in Lösung gehen. Zeitmessung mit Sanduhr oder Wasseruhr! Dann wurde eine bestimmte Menge Maische homogen (gut rühren) abgezogen und in einer anderen Braupfanne erhitz, bis es anfing, auf der Oberfläche "guten weissen Schaum" zu zeigen". Das entspricht etwa der Temperatur der zweiten Verzuckerungsrast (Dextroserast). Die Rastzeiten waren unterschiedlich - zwischen 20 und 40 min. Dabei bilden sich höherwertige Zucker, ein großer Teil sind Doppelzucker - was dem Getränk einen süßen Geschmack verleiht (heutige Bezeichnung "Vollmundigkeit", aus der Sitte abgeleitet, den Kindern von diesem Sud Getränke zu bereiten, ihnen einen vollen Mund zu machen (immerhin ist neben den Zuckerstoffen auch noch viel Stärke und andere wertvolle Stoffe drin). Nach der Rast wurde die abgenommene Maische weiter erhitzt bis zum Kochen, das nun braucht keinerlei Messung, kennt jede/r *g*. Nun kommt der "Trick": Wenn diese gekochte Maische dem bei 40°C gehaltenen Sud wieder zugegegebn wird ("zubrühen"), erhitzt sich dieser sofort auf die Temperatur der ersten Verzuckerungsrast (Maltoserast). Dann einfach weitere 20-30 min bei dieser Temperatur rasten, das klappt am besten, wenn die Ausschlagmenge genügend hoch ist, dann kühlt der Sud höchstens um 1-2 Grad ab. Dann wird der Vorgang wiederholt, also wieder eine Menge abnehmen (diesmal mehr), auf die Schäumtemperatur bringen, rasten lassen (kürzere Rastzeit, ca. 5-10 min), dann bis zur Kochtemperatur bringen, zubrühen - und schon ist die Temperatur der Dextroserast erreicht. Für etwas herbere Biere kann die allerdings auch weggelassen werden, das Bier wird dann etwas schlanker, mehr Pils- ähnlich (ähnlich deshalb, weil Pils untergärig ist, und diese Hefen gibt es erst seit seit dem ausgehenden 18. Jh.). Danach wieder ein Menge abnehmen, ohne Rast bis zum Kochen bringen, zubrühen und nach einer Rast von ca. 20 min abmaischen. Geläutert wurde mit grobem Tuche, ein bis 2 Nachgüsse waren schon üblich, um weiteren Extrakt auszulösen, es wurde allerdings nicht bis zum Blankwasser geläutert. Die Treber wurden teils verbacken (2 Hände voll auf 3 Pfund), der größte Teil dann verfüttert. Nun also den Sud bis zum Kochen bringen, hernach die Grut dabeimengen und das Ganze je nach Zusammensetzung der Grut (die wurde übrigens im HMA im Gruthaus von Gruterinnen zentral erzeugt und an die Brauer/innen geliefert - ist jedenfalls aus Dortmund überliefert - damit nicht allerley Zeugs ins Bier kam - daher der Name "krudes zeug" für schlechtes Bier, aber auch für Schwachsinn, schlechtes Bier bewirkt ja auch Schwachsinnigkeit, wenn z.B. wie bisweilen auch Bilsenkraut in die Grut kam (GIFTIG!!!, NICHT NACHMACHEN!!!) ca. 1 - 1 1/2 Stunden kochen. Der Effekt ist ja nicht nur die Herauslösung der Inhaltsstoffe der Kräuter aus der Grut, sondern auch die Sterilisation des Sudes… Ab hier SAUBER ARBEITEN! Die Flüssigkeit wird wieder durch ein diesmal feines Tuch geseiht, und fertig ist die Würze.
Zur Vergärungstechnologie nächster Beitrag von mir - bis bald auf dieser Seite.
ßbrigens - ich habe mit diesem Verfahren ein ganz leckeres dunkles Kräuterbier erzeugt, der Stammwürzegehalt liegt bei ca. 14% (eigentlich 14°), der Alkoholgehalt bei ca. 4%, bedingt durch den Einsatz von Blütenhefen, die nicht so effektiv arbeiten wie heutige Brauhefen, aber immerhin…
Viele Grüße und gut Sud
mosu
Bewertung:
Eintrag #23 vom 13. Jul. 2005 20:18 Uhr
Lutz Moschke
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Hallo, liebe Brauer/innen,
hier also wie versprochen, der zweite Teil: Die Gärung und Lagerung
Gärung in unserem Sinne ist die Umwandlung von Zucker in Alkohol und Kohlensäure, alkoholische Gärung. Dabei gibt es dank der in der Neuzeit zur Verfügung stehenden Hefen keine großen Probleme. Anders im MA: Bis zum ausgehenden 18 Jh. war die Wirkung der eigentlich "guten" Hefen (cereviseae) weitgehend unbekannt. Dass es trotzdem funktionierte, lag daran, dass zu bestimmte Jahreszeiten (Frühjahr, Sommer, Frühherbst) genügend "wilde Hefen" in der Luft herumfliegen, um zumindest einen Teil der Zucker aus der Bierwürze in Alk. und CO2 umzuwandeln.
In erster Linie sind das Blütenhefen aus den Pollen blühender Pflanzen, aber auch Fruchthefen. Einige MA- Brauer/innen hatten das wohl erkannt und gaben absichtlich Blütenpollen oder direkt bestimmte Blütenmischungen oder Früchte zum Sud, um die Vergärung in Gang zu setzen (siehe auch Grut, darin waren auch jede Menge wilde Hefen enthalten).
Fast alle wilden Hefen arbeiten obergärig, die Gärung ließ sich also gut beobachten. Eine andere Art, die Gärung in Gang zu setzen, war, in den Sud zu spucken - die Enzyme können Gärungsprozesse auslösen. Das Verfahren wird übrigens bei einigen afrikanischen Naturvölkern heute noch benutzt, denn Ptyalin aus dem Speichel kann auch Stärke in Zucker umwandeln - ein Prozess, der beim Maischen ja auch stattfindet.
Allen diesen Möglichkeiten ist gemeinsam, dass sie zwar Alk. und CO2 erzeugen, aber im Vergleich zu neuzeitlichen Bieren recht wenig - vom heutigen Standpunkt aus waren das eher Leichtbiere mit einem Alk.- Gehalt von 2-3%, seltener mehr. Es bleiben also eine ganze Menge Zucker unvergoren, was das Getränk süß bleiben läßt - daher dann auch der Zusatz von Bitterstoffen.
Längere Lagerung verbessert zwar das Ergebnis - in der Nachgärung wird ja auch noch Alk. und CO2 erzeugt - aber wer konnte schon garantieren, dass sich keine anderen Mikroorganismen am Bier zu schaffen machten, zumal die ja noch gar nicht enteckt waren? Im Fall des "umgekippten" Sudes, der dann ungenießbar wurde (Schimmelbildung, Milchsäure- oder Essigsäurebildung) musste also der Teufel oder eben eine Hexe dafür verantwortlich sein - mit den bekannten Folgen.
Bei der Hausbrauerei (und es wurde fast in jedem Haushalt gebraut) ging es nicht in erster Linie um die berauschende Wirkung des Getränks, es wurde ja schließlich auch als Kindernahrung verwendet - hier kann eher von einer Konservierungsmethode gesprochen werden: Bierwürze ist steril, denn sie wird mehr als eine Stunde gekocht. Die Gärung erzeugt Alkohol, auch der wirkt konservierend, und letztlich der Hopfen - von Hildegard von Bingen eingeführt - auch der hat antiseptische Wirkung. HvB gibt ja auch deswegen für eine Vielzahl von Krankheiten als Therapie an "Cervesium bibat" - man trinke Bier…
In der Frühzeit bis zum Früh-MA konnte Bier also kaum gelagert werden, es musste schnell verbraucht werden - das geschah dann in den entsprechenden Gelagen, von denen schon Tacitus berichtet "Tag und Nacht durchzutrinken, war für keinen Germanen eine Schande…"
Lagerung beginnt also bei der Einführung des Hopfens im 12. Jh., gelagert wurde dann mitunter über Monate hinweg. Lagergefäße sind Tonkrüge und -flaschen, die Fasslagerung beginnt etwa im 13. Jh, als die Brauerei "ins Kloster ging" - die Mönche hatten Muße genug, um Aufzeichnungen anzufertigen und so die Qualität des Gebräus immer weiter zu verbessern. Die Trinkmengen waren zwar beachtlich, allerdings die Stärke des Bieres nicht (s.o.). So nimmt es nicht wunder, dass ein Mönch etwa 5 l Bier am Tage trinken konnte. Außerdem fingen die Mönche an, die Hefen, die zum Brauen verwendet wurden, zu qualifizieren - sie nutzten die natürliche Vermehrung der Hefen während der Gärung aus, um mehr Hefe zu ernten als sie bei der ersten Vergärung hineintaten. Durch weitere Auslese kam dann die Züchtung der Hefen zustande. Im SMA, ca. 1650, gab es schon viele Brauereien, darunter auch kommunale, die mit eigenen Hefen brauten. Richtig dichte Fässer, die mit Pech ausgekelidet wurden und zur Bierlagerung geeignet waren, gab es seit dem 14. Jh.; einer der Verdientesten um die Dichtheit von Fässer war Otto von Guericke (Bürger- und Braumeister der freien Reichsstadt Magdeburg und Ingenieur, Physiker und Diplomat im 17. Jh.)
Tips zum Selbstbrauen: Vergoren wird, wenn’s original sein soll, mit wilden Hefen. Bewährt haben sich die Blütenhefen von Schafgarbe, Tagetes, wildem Majoran und einigen Gräsern. Auch reife Beeren sind gut geeignet und geben dem Bier noch eine fruchtige Note - werden noch heute in Belgien für Framboise- Beer, Kriek etc. verwendet.
Bevor die Hefeträger in den Sud gegeben werden, ist dieser ordentlich zu belüften - umso mehr, wenn Frucht- oder Blütenhefen verwendet werden, diese sind sehr alkoholempfindlich und brauchen erstmal viel Luft zum leben und sich-vermehren. Ein Stunde gründlichst rühren reicht gerade aus. Vergoren wird "offen" (danke Claudia), d.h. das Gärgefäß wird nur mit einem Tuch oder Teller abgedeckt, damit kein Geziefer oder Ungeziefer an den Sud geht. Geduld ist angesagt, die spontane Gärung setzt oft erst nach 4-5 Tagen oder einer Woche ein. Nach der MA- Tradition wird der Sud offen ausgegoren, eine Stammwürzemessung findet nicht statt- wer schummeln möchte, kann den vergorenen Sud bei einer Rest- Stammwürze von 3-4° abfüllen. Das abgefüllte Jungbier sollte nach 2-3 Tagen "belüftet" werden, was meint, den sich bei der Nachgärung im Fass oder der Flasche bildenden CO2- Druck abzulassen, sonst gibt es Explosionsgefahr. Vorsichtig arbeiten, die Gefäße nur senkrecht halten, damit der CO2- Teppich über der Flüssigkeit nicht zerstört wird - der schützt vor Infektionen.
Nach ca. 3-6 Wochen ist das Bier dann genussfertig. Und jetzt schenke ich mir ein Kräuterbier mit Zitronenmelisse, Brombeerblättern und ein wenig Kalmus ein - Prost - Euer Lutz
3. Teil folgt - Gerätschaft und Rezepte
mosu
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Eintrag #24 vom 11. Aug. 2005 16:10 Uhr
Lutz Moschke
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Bier - Braukunst im Mittelalter - dritter Teil - Gerätschaften
Hallo liebe Brauerinnen und Brauer,
hier also der dritte Teil zum Thema MA- Bierbrauen - Die Gerätschaft.
Eigentlich ist es ziemlich egal, welche Gefäße als Braupfanne dienen - der Ausdruck Pfanne weist darauf hin, dass es sich hier um Gefäße handelt, die erhitzt werden. Es kommt also nur darauf an, dass die Gefäße wärmebeständig sind. Eiserne oder kupferne Gefäße mit weiter ßffnung, die mit einem Deckel verschließbar sind, sind gut geeignet. Wenn im Freien gebraut werden soll, ist eine Kiste, gefüllt mit Stroh, recht hilfreich, um den Sud bei den Rasten auf Temperatur zu halten (siehe Teil 2). Dazu wird das Stroh recht wohl geflochten und verdichtet, die ßffnung als Kuhle in der Größe der Braupfanne ausgebildet und nach außen mit Filz oder Hadern (Lappen) ausgefüllt. Bei den Ausschlagmengen in der häuslichen Brauerei reicht ein Fassungsvermögen von ca. 25 l für die Braupfanne aus. Sofern kupferne oder eiserne Pfannen benützt werden, kann der Sud auch hierin gekühlt werden, um nach dem Kochen wieder schnell die Anstelltemperatur zur Vergärung zu erreichen. Weil mehrfach umgegossen werden muss, um die festen Bestandteile von der flüssigen Würze zu trennen (läutern und ausschlagen der Würze), wird ein zweites Gefäß gebraucht, ebenfalls wärmebeständig.
Zum Rühren der Würze genügt ein Holzlöffel oder Braupaddel, das man/frau sich durchaus mit einigem Geschick anfertigen kann - gibt es aber auch meist fertig auf dem Markte.
Für die Entnahme von Proben brauchen wir noch eine Kelle, auch sie soll hölzern sein.
Zum Läutern dient uns ein grobes Tuch. Das kann im einfachsten Falle eine Windel sein - natürlich unbenutzt ;-)) - die Weberei kann uns dabei helfen. Das Tuch kann auch Strickware sein, die Maschenweite soll so klein sein, dass die Treber nicht hindurchpassen, wohl aber ein schneller Ablauf der Würze gewahrt ist - ein Kompromiss liegt bei einer Maschenweite von (nach neuzeitlichem Maß) 1,5-2 mm. Sind die Maschen zu eng, läuft die Würze zu langsam ab. Sind sie zu weit, bleibt zu viel Trub in der Würze. ßbrigens ist das Läutern immer der zeitaufwendigste Teil der Brauerei. Je besser geläutert werden kann, umso klarer wir auch das fertige Bier. Die Spelzen des Schrotes bilden den natürlichen Filter, durch den die Würze beim Läutern geklärt wird - beim Läutern sollte man/frau sich viel Ziet nehmen, der Vorgang kann bei guter Sorgfalt durchaus Stunden dauern!
Nach dem Kochen - ob mit Hopfen oder mit der Grut - muss noch einmal gefiltert werden (ausschlagen der Würze). Dazu brauchen wir ein Haarsieb oder feineres Tuch. Ich selbst arbeite hierbei meist mit doppelt gelegten Baumwolltüchern (zugegeben nicht ganz stilecht, aber immerhin besser als Nylon). Wer die Geduld und Muße dazu hat, flechte sich ein Haarsieb aus Werg oder Rosshahr…
Nach dem Ausschlagen der Würze muss diese möglichst rasch auf Anstelltemperatur heruntergekühlt werden, das geschieht am besten in der inzwischen gesäuberten und mit kochendem Wasser mindestens 10 min sterilisierten Braupfanne, die mit der heißen Würze gefüllt und in eine Wanne mit frischem kalten Wasser gestellt wird - Deckel drauf lassen oder nur durch ein Loch im Deckel mit einem sterilisierten Löffel rühren, um die Würze schneller zu kühlen. Je rascher die Würze gekühlt wird, umso stabiler ist die Gärung und umso geringer die Gefahr von Infektionen- umso besser also die Haltbarkeit des fertigen Bieres.
Gärgefäße können aus beliebigem Material sein, ich nehme seit einiger Zeit schon mit gutem Erfolg irdene Töpfe, sie werden einfach nur mit Tuch abgedeckt. Gärspunde wurden nicht verwendet, es wird "offen vergoren" (siehe Beitrag von Claudia). Das funktioniert, weil sich durch die Gärung über der Flüssigkeit ein Kohlensäurepolster ausbildet, das die gärende Flüssigkeit vor Lufteintritt schützt. Das Tuch schützt vor Ungeziefer. Es soll auf den Gärtopf aufgespannt werden und ringsum gut abschließen. Bei der Kontrolle der Gärung darauf achten, dass das Kohlensäurepolster über der Flüssigkeit nicht zerstört wird - also nicht ‘reinhusten oder -niesen, und auch nicht drin ‘rumrühren!
Als Lagerfäße dienen Tonflaschen oder dicht geschlossene Krüge, gute Verschlussmöglichkeiten sind Holzscheiben, die mit pech- oder bienenwachsgetränktem Werg eingedichtet werden - auch hölzerne Stopfen, mit Bienenwachs eingedichtet, sind üblich.
Das Bier wurde lange Zeit ausgegoren, es enthielt also kaum noch Kohlensäure - vom heutigen Standpunkt aus eigentlich nicht das, was unter Bier verstanden wird. Erst die im Spät- MA eingeführte Fasslagerung in ausgepechten Fässern brachte ja die Möglichkeit des Druckaufbaus im Fass mit sich… Damit das Bier auch vom heutigen Standpunkt aus wirklich Bier ist, also beim Einschenken Schaum entwickelt und moussiert, müssen die Lagergefäße dicht verschlossen werden, damit der Kohlensäuredruck, der bei der Nachgärung entsteht, nicht entweichen kann. Der Verschluss sieht dann ähnlich wie bei einer Sektflasche aus, er wird also mit einem Korb aus Geflecht gesichert.
Zu den "Chemikalien": Sterilisiert wird nur mit kochendem Wasser, und zwar alle Gerätschaften, die mit der ausgeschlagenen Würze in Berührung kommen (Gär- und Lagergefäße, Verschlüsse, Tücher und Werkzeuge). Die Ausschwefelung von Fässern war im MA nicht üblich und hinterlässt auch einen scheußlichen Geschmack.
So, das war’s erstmal zu diesem Thema. Wer mehr wissen will, kann mich ja anmailen…
Gut Sud - Euer Lutz
mosu
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Eintrag #25 vom 28. Aug. 2009 20:29 Uhr
Martin
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Hallo!
Ich habe mal eine ganz andere Frage zum Thema Bier. Welches heute erhältliche Bier ist mit dem mittelalterlichen zumindest vergleichbar bzw. gibt es überhaupt ein Bier das man mit dem damaligen vergleichen kann???
Also meine Überlegungen gingen bis jetzt richtung Hefeweißbier bzw Zwickelbier (da ich nicht davon Ausgegehe das das Bier im MA gefiltert wurde) oder Mediumbier (da damals eher Dünnbier gebräuchlich war).
Bleibt allerdings immer noch das problem mit der Obergärigen Hefe (außer beim Weißbier), und das mit der (damals nicht vorhandenen) Kohlensäure.
Muss ich mir wirklich (wie in einem anderen Thread erwähnt) Ale aus Schottland importieren oder ist das auch nicht mehr a.
Am besten wäre ein Erfahrungsbericht von jemanden, der schon einmal wie im MA gebraut hat und den Geschmack beschreiben bzw vergleichen kann.
p.s.: Die Brauerei Hirt bietet ein Bier mit dem Namen "1270" an (Gründungsjahr der Brauerei), das ist doch sicher A?! *gggg* :-)
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Eintrag #26 vom 29. Aug. 2009 11:33 Uhr
Andreas
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In einem Teil der Grut- oder Grudebiere wurde als Hopfenersatz Gagel verwendet, der in Norddeutschland bei einigen Hausbrauern noch heut zugesetzt wird. Gagel ist leider giftig, kann Halluzinationen, Blindheit, Übelkeit und im Extremfall den Tod verursachen, weswegen er im 18. Jahrhundert in Norddeutschland durch herzöglichen Erlass verboten wurde. Anlass war eine Folge von schweren Vergiftungsfällen. Da Bier in Mittelalter und früher Neuzeit jedoch als Grundnahrungsmittel galt, wurde davon am Tag mehr getrunken als heute, d.h. wenn man es mit dem Gagelbier nicht übertreibt, kann man eventuell hin und wieder eins oder zwei trinken (hat irgendjemand Ahnung/Erfahrungen, ab welcher Dosis die beschriebenen Schäden aufterten können?). Das Bier war, mit Ausnahme von einigen Fest- und Bockbieren, jedoch sehr viel weniger alkoholreich als heute (ca. 1-2 Volumen%). Bei Herrmann, Bernd [Hrsg.]: Mensch und Umwelt im Mittelalter. Stuttgart 1986. dürfte was dazu drin stehen. Auch im allseits bekannten LexMA müßte es ein Lemma zu Bier geben und in einigen kulturgeschichtlichen Büchern wie Paczensky, Gert von/ Dünnebier, Anna: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. München 1994. könnte auch was stehen.
Vor dem Brauen von Gagelbier am besten jemanden fragen, der sich damit auskennt, damit es keine bösen Überraschungen gibt.
Hier noch was zum Brauen in der Neuzeit (ältere Rezepte gibt es kaum):
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Eintrag #27 vom 29. Aug. 2009 12:03 Uhr
Andreas
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Hallo Martin,
ich würde stark bezweifeln, dass das 1270-Bier "A" ist. Aus dem Mittelalter sind kaum Bierrezepte überliefert. Am ehesten dürfte ein fränkisches Rauchbier ala "Schlenkerla" Brauerei Heller, Bamberg oder Rauchbier der Brauerei Fischer, Greuth (untergärige = mittelalterliches "Winterbier") oder "Rambo" = weißer Rauchmärzenbock Brauerei Meusel, Dreuschendorf (obergärig = mittelalterliches Sommerbier). einige andere fränkische Brauereien brauen noch oder wieder Rauchbiere allerdings mit sehr unterschiedlichen Anteilen an Rauchmalz (Spezialbräu, Bamberg verwendet weniger als Brauerei Heller).
Rauchbiere deswegen, da Siemens erst in den 1880er das Gasflämmverfahren zur Malzherstellung erfand. Vorher waren alle Biere Rauchbier, als Brennstoff wurden z.B. verwendet: verschiedene Holzarten, Holzkohle, Stein- und Braunkohle (ja, auch im Mittelalter! heute eher beim Irischen Whiskey verwendet), Torf (beim Schottischen Whiskey sehr geschätzt). Je nach Brennstoff und Anteil des Rauchmalzes verändert sich natürlich der Geschmack des Bieres (Schlenkerla dürfte am ehesten ans Mittelalter ran kommen, da da am meisten Rauchmalz drin ist).
Untergärige Biere konnten in großem Umfang erst nach Einführen des Lind-Kühlverfahrens im 19. Jahrhundert das ganze Jahr über gebraut werden, vorher waren es ausgesprochene Winterbiere. Obergäriges Bier brauch dagegen eine etwas höhere Temperatur, daher gerne im Sommer gebraut. Manche fränkische Brauereien mit "veralteter" Brautechnik machen ihre Weiß- und Weizenbiere auch heute noch oft nur im Sommer bis etwa November.
Linde und Siemens haben leider eine ganze Brautradition fast völlig aussterben lassen. Von den Norddeutschen Rot- und Schwarzbieren, die es in unüberschaubarer Fülle gab ist leider kaum was übrig geblieben. Und wenn, dann wird kein Rauchmalz mehr verwendet.
Um die passende "Stärke" zu erreichen empfehle ich Verdünnen mit Wasser.
Lammsbräu braut seit kurzem auch ein "Schankbier" mit ca. 2vol.% Alkohol, verwendet aber auch kein Rauchmalz.
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Eintrag #28 vom 29. Aug. 2009 14:24 Uhr
Andreas Pilz
Interessehalber: Wo hast du das mit der toxischen Wirkung von Gagel her? ich hab nur Aussagen finden können, daß eine psychoaktive Wirkung vermutet wird, es aber keinen gesicherten Nachweis über eine toxische bzw. berauschende Wirkung gäbe.
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Eintrag #29 vom 29. Aug. 2009 16:03 Uhr
Andreas
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Habe ich in den letzten 8 Jahren mehrfach in ernst zunehmenden ernährungshistorischen Büchern gelesen.
Auf die Schnelle konnte ich im eigenen Bücherregal nur das finden:
Behre, Karl-Ernst: Ernährung im Mittelalter. In: Herrmann, Bernd: Mensch und Umwelt im Mittelalter. S. 86 (Hier besonders: Verbot des Gagelbiers 1723 durch den Kurfürsten von Hannover. Trotz des teils sehr gerafften Überblickcharakters hat sich das Buch als sehr zuverlässig und wissenschaftlich gut fundiert erwiesen)
Landschaftsverband Rheinland [Hrsg.]: Pflanzenspuren. Archäobotanik im Rheinland: Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeit. S.113 (Hier besonders, dass Gagel giftig sei und deshalb schon im Spätmittelalter im Rheinland verboten wurde)
Paczensky, Gert von/ Dünnebeier, Anna: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. S. 175 (Hier ist nur die Rede von starken Rauschzuständen und Kopfschmerzen. Das Buch ist aber eher populärwissenschaftlich ausgerichtet, auch wenn es zu den besseren der Spezies zählt.)
Wie gesagt, nur mal das, was bei mir zu dem Thema rumsteht, bei umfassender Recherche ließe sich noch mehr mit gleichem oder ähnlichem Tenor finden.
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Eintrag #30 vom 29. Aug. 2009 17:48 Uhr
Andreas Pilz
Danke für die Info, ich hatte bei meiner Schnellrecherche eben nichts entsprechendes gefunden, ausser das halt mittlerweile wohl wieder Gagelbiere gebraut werden.
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Eintrag #31 vom 29. Aug. 2009 18:08 Uhr
Andreas
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Ich kenne mich zwar mit Gagel nicht so direkt aus, vermute aber, dass es eher eine Frage der Dosierung ist - wie so oft. Auch wenn Gagel nicht giftig oder nur schwach giftig sein sollte, war das die ursprüngliche Begründung für das Verbot im 18. Jahrhundert.
@ Martin
wo hast du das mit dem schottischen Ale denn her? Britisches (nicht nur schottisches) Ale war an sich zwar eigentlich schon eine Art "Urbier", meist ohne haltbarkeitsverlängernde Zusätze wie Hopfen oder Gagel, aber die meisten Ales werden heute auch mit Hopfen gebraut, weswegen die dann auch wieder nicht "A" wären (für die britischen Inseln zumindest). Zudem wird auch bei den Briten außer für Wiskey eigentlich meines Wissens nach kein Rauchmalz mehr verwendet, weswegen wieder ein "A-Sternchen" abzuziehen wäre. Außerdem sind die mir bekannten Britischen Biere und Ales wieder viel zu stark (kann man aber durch Wasser abhelfen).
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Eintrag #32 vom 30. Aug. 2009 01:19 Uhr
Andreas Pilz
Wobei das nicht viel heißen muss. Man nehme da z.B. de Verbot des Absinths. Wie sich durch die Analyse historischer Absinthe und Nachbrau historischer Rezepte festgestellt wurde, liegt der damalige Thujongehalt weit unter dem der heutigen in der EU erhältlichen Absinthe. Anscheinend sind die "toxischen" Absinthwirkungen eher dem hohen Alkoholgehalt (bis zu 90%) und der zum Tei schlechten Alkoholqualität.
Möglicherweise wurde der Gagel ebenso "unrecht" getan.
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Eintrag #33 vom 30. Aug. 2009 09:30 Uhr
Andreas
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Gut möglich,
zu bedenken ist noch, welche Vorteile der Kurfürst von einem Verbot von Hopfen oder Gagel haben könnte. Es ist bekannt, dass in Norddeutschland Gagel eher von Hausbrauern genutzt wurde. Berufsbrauer und Klöster griffen oft lieber auf Hopfen zurücke. es ist daher denkbar, dass das Verbot von Gagel die fürstliche oder klösterliche Wirtschaft stützen sollte, vor allem da sich die Nachbarn anschickten Hopfenbiere zu importieren (= unliebsame Konkurrenz). Es gab im betreffenden Raum eine mehr oder wenige erbitterte Konkurrenz zwischen den nicht steuerpflichtigen Klöstern und den steuerpflichtigen Berufsbrauern einerseits sowie Berufsbrauern (inklusive Klöster) mit den Hausbrauern andererseits. Eventuell wollte der Kurfürst den Streit zu Gunsten der Klöster und Berufsbrauer entscheiden mit pekuniär positiven Folgen für ihn. Es gibt sogar ein reiches Schrifttum aus dem 17. und 18. Jahrhundert, in dem gelehrte Ärzte im Auftrag der unterschiedlichen Konfliktparteien die gesundheitsfördernde Wirkung des jeweiligen Gebräus und die schädigenden des gegnerischen Gebräus breit treten. Wobei einige der Argumentationen aus heutiger Sicht in der Luft hängen.
Aber Berichte über Vergiftungen gibt es nicht nur aus dem Hannoveraner Raum. Bei Inhaltsstoffen, die potentiell toxisch sind wäre ich immer vorsichtig, selbst wenn sich die Botaniker selbst nicht einig sind. Und wie gesagt, oft ist es eher eine Frage der Dosierung. In Bamberg schenkt z. B eine Brauerei einmal im Jahr ein Stechapfelbier aus (Stechapfel = giftig vereinfacht gesagt). Das Bier selbst wird nicht mit Stechapfel gebraut, sondern die Brauerei hat das Recht ihre Fässer mit Stechapfel auszureiben.
In England gibt es im Spämi das umgekehrte Phänomen. Dort verbot der König die Einfuhr von Hopfen- und Grudebieren zu Gunsten des einheimischen Ales ohne geschmacks- und haltbarkeits Verbesserer.
(Bin mir nicht sicher, meine Thesen könnten aus "Schubert: Essen und Trinken im Mittelalter" stammen, kann ich aber gerade nicht überprüfen)
Was den Absinth anbelangt, würde ich eher die nebenbei konsumierten anderen Psychoaktiven Drogen für die fantasiesteigernde Wirkung und die Nebenwirkungen verantwortlich machen. Der Großteil der Künstler, die auf die Grüne Fee schworen konsumierten meist noch eine Vielzahl weiterer Drogen.
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Eintrag #34 vom 30. Aug. 2009 15:22 Uhr
Andreas Pilz
btw. wollt ich dir noch mitteilen, daß ich deine Infos zum Bierbrauen sehr interessant finde. Da krieg ich fast mal Lust, mein Bierbraubuch in die Hand zu nehmen und los zu probieren ;)
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Eintrag #35 vom 31. Aug. 2009 16:12 Uhr
Kilian
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sonst wird aus dem Birbraubuch ein Bierbauch,… (OT aus)
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Eintrag #36 vom 20. Jan. 2010 20:44 Uhr
Alexander Mühlbauer
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kennt jemand nette braurezepte die etwas aus der reihe fallen und nicht unbedingt deutsches reinheitsgebotlastig sind
gruesse alex
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Eintrag #37 vom 23. Jan. 2010 14:15 Uhr
Burkhart
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Hi!
Da gibt’s im Netz doch reichlich Informationen.
Allerdings größtenteils in Englisch.
Für’s historische Brauen ist die Homepage von Cindy Renfrow ( wwwthousandeggs.com) ein guter Anfang.
Ebenfalls eine umfangreiche Link- und Quellensammlung findet sich unter wwwpbm.com/~lindahl/histbrew.html
Damit sollte man einen guten Einstieg bekommen.
Gruss
Burkhart
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Eintrag #38 vom 29. Jan. 2010 10:42 Uhr
Matthias Ludwig
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Hallo !
Ohne jemanden von experimentellen Zusammenpribbeln abhalten zu wollen… A-Bier will mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand trinken. Grund: Es trifft den Geschmack der heutigen Zeit nicht. Ausserdem ist eine genaue Rekonstruktion sehr schwer machbar, da nicht nur die Zutaten entscheidend sind sondern vor allem die räumlichen und klimatischen Gegebenheiten sowie die technische Ausstattung der Brauerei. Biere die in leichten Zügen noch etwas mit dem ursprünglichen Bier im späten Mittelalter zu tun haben sind die Bamberger Rauchbiere, Leipziger bzw. Gosslarer Gose (Biertyp fast "ausgestorben") oder belgische Guezen. Alles zusammengeschüttet und eine Woche bei Raumtemperatur stehen gelassen könnte den Geschmack von A-Bier in leichten Ansätzen simulieren.
Selbst hatte ich schon das "Vergnügen" einen Meistersud der Doemens-Akademie in Gräfelfing zu verkosten. Ziel war die Rekonstruktion von "mittelalterlichem" Bier. Meiner Meinung nach ging das einfach nur schief. Das ganze war in jeder Hinsicht salbeilastig. Zudem hatte man nicht berücksichtigt, dass die indirekte Befeuerung beim Darren des Grünmalz noch unbekannt war und das Malz durch die bei direkter Befeuerung entstehenden Rauchgase und Hitze stark rauchig und dunkel gewesen sein musste. Zum Glück für die Absolventen fliessen Bewertungen von Meistersuden nicht mehr in die Benotung ein.
Die Verwendung von Zeug (Hefe) fand seit jeher statt. Wenn auch unbewusst. Trotzdem war diese Hefe nichts anderes als wilde Hefe aus der Raumluft. Man wartete einfach auf den Beginn einer Spontangärung. So wird ja in Teilen Belgiens immer noch vergoren. Das nennt man lambic. Die Biere sind deutlich sauer. Es schwirrt ja nicht nur Hefe in der Luft rum sondern auch alles mögliche was dem Bier nicht unbedingt zuträglich ist. Ab wann man dazu über ging Hefe zu ernten und zu kultivieren weiss ich nicht.
Fazit: Wenn ihr euch gern daheim als Hobbybrauer betätigen möchtet mach lieber ein gescheites Bier, das euch hinterher auch schmeckt. Oder noch besser: Kauft euch eine Kiste bei der lokalen Brauerei eures Vetrauens. Das ist günstiger, schmeckt besser und ist mit Sicherheit bekömmlicher.
Gruß, Matthias
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Eintrag #39 vom 29. Jan. 2010 12:03 Uhr
Matthias Ludwig
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Die schönen Anleitungen zum Selbstgebrauten in allen Ehren.
Wer Bier wie aus alten Zeiten machen will braucht eine Brauerei aus alten Zeiten. Denke bei dem Thema wird eine Rekonstruktion mit Hobbybrauen verwechselt.Und zum Thema Hobbybrauen gibts ja massig Bücher im Handel. Ausserdem ist das wohl nicht das richtige Forum dafür.
Selbst wenn man noch so viel Firlefanz treibt - es wird nicht "A". Sollte jemand Interesse haben ernsthaft eine historische Brauerei nachzubauen und in Betrieb zu nehmen würde ich mich über Post freuen.
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Eintrag #40 vom 29. Jan. 2010 12:59 Uhr
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Hm, also zunächst mal, wenn wir von "wollen" reden, denke ich schlicht, du unterschätzt die Bereitschaft der Leute, grade der aus der Szene, sich auf sowas einzulassen.
Es ist ja so, daß der Geschmack meinetwegen ungewohnt ist, aber nicht per se schlecht, sonst hätte sich Bier sicher nicht so lange großer Beliebtheit erfreut und weiterentwickelt.
Bleibt also die Diskrepanz zu heutigen Geschmacksgewohnheiten.
Und wenn ich mir da die Glaubenskriege zwischen allein zwischen Alt-, Kölsch-, Pils- und Weizenbiertrinkern ansehe, dann kann ich mir schwer vorstellen, daß es nicht auch für die alten Biere eine Nische gäbe.
Spätestens wenn wir von Darstellern reden, die zum Teil sowieso andere Geschmackserfahrungen gemacht haben, bis hin zu extremen, die dem Ottonormaldeutschen heute schon sehr suspekt sind (fermentierter Fisch etwa), würde ich dieses Urteil vehement verneinen.
Von der Frage, woher du weißt, wie etwas schmeckt, von dem du sicher bist, daß man es nicht rekonstruieren kann, noch nicht mal angefangen.
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Eintrag #41 vom 29. Jan. 2010 13:19 Uhr
Jens
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Hallo Matthias,
Ich bin kein Experte fürs Thema,glaube aber, da schiesst Du an ettlichen Stellen über das Ziel hinaus, und ausserdem widersprichst du dir selber.
Zunächst einmal: du sagst, eine genaue Rekonstruktion sei nicht machbar, und brauche eine "alte Brauerei" dazu. Jetzt ist es nicht so, dass man das Ergebnis gut mit Originalen vergleichen kann, aber genauso, wie für anderer Sachen keine historischen Umstände notwendig sind- man braucht für eine rekonstruierte Rüstung aus dem 14ten keine Schmiede aus dem 14ten, für ein Essen nach Rezept aus dem 14ten keine Küche aus dem 14ten - ist es auch hier nicht notwendig, wenn man sich an Rezepte, Zutaten und Einschränkungen hält. Ob man das Ergebnis dann "Rekonstruktion" nennen kann, ist die Frage, die stellt sich auch z.B. bei der Küche: der Vergleich fehlt.
Dann entwirfst Du ein Bild, auf Grund dessen man mit modernen dem Geschmack historischen nahekäme- wie denn, wenn keine Reko möglich ist, und man ergo nicht sagen kann, wie das schmeckt?
Wiederrum sagst Du dann, das Bier täte nicht den heutigen Geschmack treffen. Nun, das mag zutreffen, ist aber wieder subjektiv. "Damals" hat des den Leuten scheinbar geschmeckt. So schlimm kann es wohl also nicht gewesen sein. Vergleiche mit der Küche zeigen, dass die Geschmäcker wohl scheinbar doch nicht so arg anders waren- eine ganze Menge heutiger Speisen sind auch bereits im späten Mittelalter entstanden.
Und dann schlussendlich sind die ersten Reinheitsgebote im Mittelalter entstanden, d.h. so exotisch anders waren die Zutaten schonmal nicht immer; in anderen Regionen, z.B. Nürnberg, gab es Verordnungen, die z.B. andere Getreide vorschrieben (Gerste in dem Fall). Zu Nürnberg gibt es übrigens einen schönen Wikipediaartikel: de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Bier_(Mittelalter)
Mir ist dein Betrag etwas zu über den Kamm geschoren.
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Eintrag #42 vom 29. Jan. 2010 13:35 Uhr
Burkhart
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Hallo Matthias,
nichts für ungut, ABER….
….da muss ich Dir widersprechen.
Natürlich sind der Rekonstruktion historischer Braurezepte Grenzen gesetzt, da keine entsprechenden Rezepte detailiert überliefert sind.
Und natürlich müsste man, angefangen von der historischen Darre bis zum Sudhaus alles nach kaum belegbaren Vorgaben rekonstruieren um ein wirklich gänzlich authentisches Bier zu erhalten….und selbst dann würden einem noch die passenden Getreidesorten fehlen, denn die hochgezüchteten Braugersten der Moderne sind dafür sicherlich nicht akzeptabel…
Mit diesen Problemen ist man aber in vielen Bereichen (insbesondere Kochen & Backen) konfroniert.
Mit etwas Mühe und Aufwand kann man aber versuchen ein Bier zu brauen ‘wie es hätte sein können’. Keine authentische Rekonstruktion (im engsten Sinne).
So lässt sich die unterschiedliche Malzfärbung, die beim direkten Darren in der flachen Darre sicherlich passiert, mit einer Mischung z.B. mit Münchner Malz, Röstmalz und Farbmalz simulieren.
Brauen kann man im einfachen holzbeheizten Kupferkessel und vergären im offenen Holzbottich. Über die gezielte Verwendung von Hefen wird in den entsprechenden Kreisen viel diskutiert, dass würde hier jetzt zu weit führen.
Was die Mischung einer Gruit (zur Bitterung der Würze anstatt Hopfen) angeht muss man sicherlich schon einiges an Literatur wälzen, über einigermaßen brauchbare botanische und archäobotanische Kenntnisse verfügen und zu echten Selbstversuchen bereit sein.
Aber dann…kann man feststellen, dass es durchaus möglich gewesen sein könnte, dass man im Mittelalter ein trinkbares Bier hat.
Dieses darf man natürlich nicht mit dem Hopfenextrakt-Industrieprodukt der Fermentationsindustrie vergleichen.
Wenn ich mal wieder über die Möglichkeiten verfüge selber zu brauen, lad’ ich Dich gerne auf ein wirklich gutes Gruitbier ein.
Versprochen.
Gruss
Burkhart
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Eintrag #43 vom 29. Jan. 2010 16:38 Uhr
Matthias Ludwig
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Naja…
Also, das grade Du mit einem wikipediaartikel kommst enttäuscht mich nun aber etwas, Jens… :-) Das mit der Brauerei nach Originalvorbild ist schon wichtiger als es scheint. Da passt der Vergleich mit der Schmiede nicht so recht. Die Gerätschaften hatten Produktberührung. Aus dem bayerischen Wisch von 1516 entnehmen wir, dass ein gezieltes Anstellen mit Hefe nicht bekannt war. Sonst hätte der gute bestimmt was von Zeug in der Zutatenliste schreiben lassen. Dieses Zeug kam nun mal aus der Umgebungslauft. Dazu wäre es sogar noch notwendig die Umgebung rum um die Brauerei zu bauen und zu bevölkern. So absurd das auch klingen mag. Es ist ein Faktum der Gegenwart, dass einige Brauereien in Belgien (Nähe Brüssel)unbedingt auf die Biologie ihrer Keller angewiesen sind. Mag eklig klingen aber da wird nicht sauber gemacht, nicht renoviert und in einem Fall wo das Dach undicht war hat man es nicht repariert sondern mit einem Glaskasten umbaut. Das zeigt wie wichtig die Umgebung beim Spontanvergären ist. Würde da einfach ein neuer, moderner Keller gebaut hätten die keine Chance mehr ihr Bier so hinkriegen wie sie es halt immer machen. Ferner: Auch heute noch kochen viele Brauereien Zink in der Würze mit. Und zwar als Blech. Die Zugabe von Pulver ist verboten. Das Blech wird aber als Gerätschaft angesehen und gegen Materialabnutzung kann man halt nix machen.Am Ende nimmt man es einfach wieder raus. Ein Paradoxum von vielen die ich jetzt aber nicht alle aufführen möchte. Auch die Form und Größe der Gefässe trägt massgeblich zur Charakterausbildung von Bieren bei. Das ist fachlich allgemein belegt. Beispiele führe ich da gerne auf Anfrage auf. Man darf nicht vergessen, dass wir es mit Organismen zu tun haben.
Die Sache mit der Simulation war teilweise auch ehr gallig gemeint. Anhand dem was wir wissen, können wir schon ungefähr sagen in welche Richtung die sensorischen Eigenschaften von Bier damals gingen. Aber natürlich nicht 100 %. Deshalb hab ich auch "annährend" geschrieben. Da es die Leute aber so gewohnt waren kann man nicht pauschal sagen, dass es ihnen nicht geschmeckt hat. Uns würde es wohl ehr nicht schmecken.
Burkhart, gerne lasse ich mich mal auf so einen Versuch ein. Wie Du schon erwähnt hast fehlen uns heute halt einfach die Basics wie z.B. die entsprechenden Gerstensorten. Rauchmalz bekommt man ja bei Weyermann in Bamberg. Aber halt auch nicht genau das wie es halt mal war. Man müsste selbst mälzen. Am Ende hat man sich dann viel Mühe gegeben und etwas geschaffen, dass dem Original nahe kommt aber dennoch weit davon entfernt sein wird. Auch weiss z.B. niemand wie stark denn die Biere wirklich waren. Ja, sicher- es gibt da die Storys von 3 % vol. hinsichtlich des Alkohols. Ausgehend aber von den Stammwürzekonzentrationen (i.d.R. P11-12)die heute bei uns üblich sind. Sehr schwammige Sache. Mit der Grüterei halte ich mich lieber etwas zurück. Es gibt viele Überlieferungen was man da alles verwendet hat und auch warum und wofür. Das war auch schon arg regional bedingt. Und vieles von dem Zeug darf man heute nicht mehr haben oder bekommt es einfach nicht mehr. Beispiel: Schwarze Bilse. Gute Quelle für Detailinfos zu den einzelnen Pflanzen ist der "Rätsch". (Enzyklopedie der psychoaktiven Pflanzen von Christin Rätsch).
Abschliessend: Mit der Thematik haben sich schon viele Fachleute beschäftigt aber es gibt noch etliche Fragezeichen im Bezug auf wie, warum und ob überhaupt. Deshalb wird jedes Projekt zur Rekonstruktion (so nah es auch dran ist) nie "A" sein. Und wenn jemand durch die Windel abläutern möchte, statt wie wir schon wissen durch einen strohbedeckten Holzrahmen oder Weidenkörbe hat das mit einer Rekonstruktion nichts zu tun sondern gehört zu Jean Pütz in die Hobbythek.
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Eintrag #44 vom 30. Jan. 2010 14:26 Uhr
Jens
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Wieso? Wenn ein Artikel gut geschrieben ist, und Belege sowie Literaturangaben liefert, ist er nicht schlecht als ein beliebiges Buch. Hast Du ihn denn gelesen? Die zitierte Literatur? Weisst Du um die Beschaffenheit Nürnberger Biere. wie sie gemäß der Quellen im 14ten und 15ten Jahrhundert gebraut wurden?
Und ich seh den Punkt nicht, weiterhin beharrst Du darauf, dass man etwas nicht rekonstruieren kann, dessen Geschmack man nicht kennt (was an sich ja stimmt), aber gleichzeitig sagst Du, es täte einem heute nicht schmecken; woher weisst Du das denn dann, wenn man den Geschmack nicht kennt?
Und angesichts der Tatsache, dass auch oft zu Hause Bier gebraut wurde, sehe ich den Punkt mit der historischen Brauerei auch nur bedingt.
Dann argumentierst Du mit dem Alkoholgehalt. Ja sicher; würde man dediziert _ein_ Bier rekonstruieren wollen, würde es schwer, aber ich wüsste nicht, wer das hier will, oder behauptet, es zu tun.
Ebenso die Zutaten: Bildenkraut, ja schön, nur ist gerade im späten Mittelalter vielen Ortes bereits die Rezeptur des Bieres festgeschrieben, die ersten Reinheitsgebote stammen aus dem 14ten.
Ich verstehe einfach insgesamt nicht, worauf Du hinauswillst; _Du_ warst der erste, der in diesem Thread das Wort "Rekonstruktion" überhaupt benutzt hat! Hier geht es um die Methoden, Mittel, Zutaten und Rezepte, wie damals Bier gebraut wurde. Über diese- die Quellen dafür- kann man reden. Es wird darüber geredet, wie man mit rekonstruierten und modernen Mitteln ein Bier heute herstellen kann, was in ähnlicher Form damals hergestellt wurde- aber nicht von der "Rekonstruktion" eines bestimmten Bieres
.
Es laufen auch x Leute mit Kitteln in der Darstellung rum, die keine exakte Rekonstruktion eines bestimmten Kittels sind, dennoch sind sie unter Benutzung damals verfügbarer Materialien, in einem von Funden, Text-und Bildquellen abgeleiteten Schnitt unter Zuhilfenahme belegbarer Fertigungsmethoden entstanden.
Also möchtest Du jetzt etwas beitragen, oder soll das einfach nur ein "ich weiss Bescheid- was ihr macht ist alles Mist" Tenor sein?
Ich jedenfalls möchte gerne mehr über das Thema erfahren, und freue mich über Beiträge hierzu- ich kenne einige Leute, die sich damit praktisch beschäftigen, und gute Ergebnisse erzielen, die aber nicht behaupten würden, es handele sich um eine Rekonstruktion.
Würde man nach deiner Maßgabe handeln, könnte man viele Bereich des Hobbys ad acta legen, bei der es in vielen Fällen um größtmögliche Näherung geht- um nicht mehr.
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Eintrag #46 vom 04. Feb. 2010 00:53 Uhr
Alexander Mühlbauer
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nunja um A bier gings mir ja eigentlich garned
was ich fragen wollte war vor ein paar tagen eher ob (so wie auch geschrieben)jemand ein paar leckere eher unnormale bierreyepte kennt
eins von meinen beiden is ein anisbier sehr lecker aber gewoehnungsbeduerftig
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Eintrag #47 vom 03. Feb. 2014 23:45 Uhr
D. Salterberg
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Hallo,
auf der Suche nach historischen Bierbraurezepten bin ich auf diese Seite gestoßen. Leider findet man nur wenige Beiträge mit ein wenig Hintergrundwissen im Netz, deshalb klinke ich mich hier mal ein.
Aber von vorn, ich besitze eine kleine (Gasthaus)Brauerei und möchte mich ein wenig von dem deutschen Einheitsgeschmacksbier abwenden und urtümlisches, ungefiltertes Bier nach alter Braukunst herstellen. Leider lassen diverse Vorschriften und Gesetze in der Wahl der Gerätschaften wenig Spielraum. Auch das RHG legt mir einige Steine in den Weg, aber "wo ein Zaun ist, ist auch eine Möglichkeit, drüber zu klettern".
Zur Zeit braue ich ein nebenher Vorderwürzebier nach einem Rezept aus dem 18.(?) Jahrhundert, das Sonntagsbier unserer Altvorderen. Hier wird die erste ablaufende Würze seperat vergoren, die ist später als Bier stärker, von der Farbe und im Geschmack kräftiger. Der Rest der Würze wurde dann ein schwaches Bier als Durstlöscher. Bier war damals gesünder (durch das Kochen bei der Hertellung) als Wasser, das meist stark mit Krankheitserregern belastet war. Auch mit einem Brotbier (wurde früher von den Bauern gebraut, denen die großen Behälter für die Würze fehlten), geläutert durch ein Wachholderzweigbett, habe ich mich schon versucht. Übrigens ein ganz brauchbares Bier. Eigentlich möchte ich aber noch einige Schritte zurück gehen. Grutbier würde mich interessieren, ev. als Steinbier gebraut. Die Läutertechnik mit Stroh oder Wachholderzweigen funktioniert jedenfalls, habe ich mit dem Brotbier ausprobiert. Allerdings ist der 2. Brotbiersud zu Wachholderlastiug vgeworden, da muß man ein wenig aufpassen.
Vielleicht wäre es ja mögliuch, mit euch zusammen ein Rezept zu erarbeiten?
Gruß hufpfleger,
der immer noch einen Pächter sucht
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Eintrag #48 vom 01. Mrz. 2014 14:01 Uhr
Carsten Giesen
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Hallo Hufpfleger,
vor einiger Zeit lief ein Bericht, dass eine junge belgische Braumeisterin einen Weg suchte, sich in der männerdominierten Brauwelt Belgiens zu behaupten. Sie konnte die alte, leerstehende Stadtbrauerei in Gent pachten, inklusivde Zugriff auf die Rezeptarchive im Keller. Zusammen mit Lebensmitteltechnikern hat sie diese dem Bericht nach danach gesichtet und modifiziert, dass sie den heutigen Lebensmittelgesetzen entsprechen. Das Ergebins sind mehrere Sorten Grutbier.
Ich war schon dort und habe einige verkostet, mein Favorit ist das "Gruut wit", das erste der Reihe, das eher ein wenig nach Radler schmeckt. Inzwichen kann man über wwwgruut.be auch Bier dort bestellen, allerdings wurden nach meinem Geschmack die späteren dem heutigen Biergeschmack zu sehr angepasst, es gibt auch Sorten mit Hopfen.
Was aber den Zusammenhang mit einer Frage angeht: möglicherweise kann man mit dieser Brauerei zusammenarbeiten, was die Rezepte angeht, dann kann man vielleicht schon mal auf einige Erfahrung zurückgreifen - insbesondere was das Problem der Lebensmitteltauglichkeit historischer Rezepte angeht…
Hoffe, hilfreich gewesen zu sein
Carsten
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