Eintrag #7 vom 25. Nov. 2002 12:17 Uhr
Larissa Fröhlich
Hier ein Ausschnitt aus dem Lexikon des Mittelalters zu den Beg(h)inen:
Allgemein: Beg(h)inen, zu Beginn des 13. Jh. erstmalig gebrauchte, seit den vierziger Jahren geläufige Bezeichnung für fromme Frauen, meist Jungfrauen und Witwen, die ohne dauerndes Gelübde und approbierte Regel allein, meist aber in klosterartigen Gemeinschaften, in den Niederlanden häufig in mit Wall und Graben umgebenen Beg(h)inenhöfen unter der Leitung einer Magistra oder Martha ein geistl. Leben führen, das kirchenrechtl. zw. dem Status der Ordensleute und dem der Laien einzuordnen ist. Die B. verbinden Selbstheiligung in Gebet, Kontemplation und Askese mit oft außerhalb ihrer Häuser ausgeübter karitativer Tätigkeit, verschaffen sich ihren Unterhalt, soweit er nicht durch Stiftungsgut, Renten und Schenkungen gesichert ist, durch Handarbeit oder gelegentl. Bettel und suchen, ohne sich aus dem Pfarrverband zu lösen, geistl. Betreuung bei Welt- und Ordensklerus, seit der Mitte des 13. Jh. vornehmlich bei den Bettelorden, um deren Kirchen sich ihre Häuser häufig konzentrieren.
Mulieres devotae oder religiosae, wie die B. in den Quellen meist genannt werden, traten an der Wende zum 13. Jh. nördl. der Alpen vornehml. im Hzm. Brabant und im Bm. Lüttich auf, wo sich u.a. in Oignies-sur-Sambre und Nivelles um Maria v. Oignies (- 1216) und Ida v. Nivelles (- 1237) fromme Frauen versammelten und bei Jakob v. Vitry (- 1254) bzw. Johann v. Nivelles (- 1216) Unterstützung und Schutz fanden. Seit dem 2. Viertel des 13. Jh. sind sie, nachdem ihnen Honorius III. 1216 auf Bitten Jakobs v. Vitry mündlich gestattet hatte, zusammenzuleben und sich gegenseitig geistl. zu fördern, in Nord-Frankreich und in den Städten entlang des Rheins sowie in der norddt. Tiefebene von den Niederlanden bis nach Livland, Mitteldeutschland, Schlesien, Polen und Böhmen, aber auch im dt. Süden und Südosten nachweisbar. In der 2. Hälfte des 15. Jh. beläuft sich die Zahl der Beginenhäuser in Köln, von dem es heißt »quot in mari sunt guttae et in Colonia sanctae Beguttae« auf 106, in Straßburg, Mainz und Basel auf 85, 28 bzw. 22. Bis ins 14. Jh. rekrutierten sich die B. vorwiegend aus dem Patriziat und den städt. Mittelschichten sowie dem ländl. Adel. Erst dann begann der Anteil der aus unteren Schichten stammenden Frauen zu überwiegen. Infolge der im 14. Jh. wiederholt vom Episkopat ausgesprochenen Verbote, unter dem Druck der städt. und staatl. Obrigkeit (Karl IV., 1369) und angesichts zunehmender Diskriminierung ging die Zahl der Neugründungen zurück, während die der »Beginensamenungen« anstieg, die sich den Dritten Orden der Mendikanten anschlossen oder mit der ßbernahme einer approbierten Regel, meist der Augustinerregel, den Status regulierter Gemeinschaften annahmen. Die Devotio moderna und später die Gegenreformation brachten eine Neubelebung: Im 17. Jh. zählt der Beginenhof in Brüssel ca. 1000 Bewohnerinnen. Von den im 19. Jh. noch bestehenden zwölfbelg.-ndl. Beginengemeinschaften setzen heute nur noch die Hälfte, unter ihnen die Beginenhöfe von Gent und Brügge (am Minnewater), die B.-Tradition fort.
Die Entstehung des Beginentums läßt sich weder mit einem Ort noch einer Person, etwa Lüttich und Lambert le Bègue (- ca. 1177), in Verbindung bringen. Sie ist auch nicht allein aus ökonom. und demograph. Gegebenheiten wie z. B. der Intensivierung des städt. Lebens oder einem zu dieser Zeit angebl. bes. hohen Frauenüberschuß (Frauenfrage) zu erklären. Sie steht vielmehr in engem Zusammenhang mit der auf viele Ursachen zurückzuführenden religiösen Bewegung des 12. und 13. Jh., die allenthalben in Europa Laien beiderlei Geschlechts außerhalb von Klerus und Ordensstand nach einem am Evangelium ausgerichteten Leben streben ließ, was bedeutet, daß das von NW-Europa ausgehende Beginentum gemeinsam mit den bes. in Italien stark vertretenen orthodoxen Laiengemeinschaften (Humiliaten), Bußbrüderschaften und Drittorden, aber auch mit antiklerikalen Ketzergruppen wie den Waldensern als Institutionalisierung einer einzigen Bewegung anzusehen ist, wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß die Tradition der via media, des Status zw. Ordens- und Laienstand, bis in die chr. Frühzeit zurückgeht.
Die Einbindung in die hochma. Armutsbewegung, die auch in der Bezeichnung B. und ihren it. bzw. frz. Synonymen (bizzoco, pinzochero, biset) - sie werden etymolog. sowohl mit der Farbe der für die Armutsbewegung charakterist. Kleidung aus ungefärbter Wolle (bigio, bège, beige) als auch mit der Bezeichnung für die südfrz. Katharer, Albigenses, in Zusammenhang gebracht - zum Ausdruck kommt, bedeutete ähnlich wie die nicht ganz klare Rechtsstellung - die Bildung neuer Orden und ordensähnlicher Vereinigungen wurde 1215 vom IV. Laterankonzil untersagt und 1274 auf dem II. Konzil v. Lyon im Hinblick auf die Bettelorden noch einmal verboten - eine ständige Gefährdung für die B. Sie und die Beg(h)arden wurden, obwohl sich die ihnen vorgeworfene Beschäftigung mit theol. Subtilitäten in Grenzen hielt und von einer allgemeinen Verbindung mit der im 14. Jh. weitverbreiteten freigeistigen Häresie nicht die Rede sein kann, aus Unkenntnis oder mit Absicht mit fast allen religiösen Abweichungen, kirchl. Subordinationen und sozialen Sondergruppen des späten MA in Zusammenhang gebracht oder gar identifiziert, so z. B. mit den ebenfalls als B. bezeichneten südfrz. Anhängern der Spiritualen und Fratizellen (vgl. Abschnitt II). Unter Berufung auf das Konzil v. Vienne (1311), das in der 1317 in die Clementinen aufgenommenen Const. 16 den Stand der mulieres Beguinae vulgariter nuncupatae wegen Häresie aufhob, die ihm angehörenden mulieres fideles jedoch unangetastet ließ, wurden die B. im Verlauf des 14. und zu Beginn des 15. Jh. bes. an Mittel- und Oberrhein heftig verfolgt. Neben tatsächl. Häresie und bloßem Häresieverdacht waren dabei die sich z. T. widersprechenden Interessen von Weltklerus und Bettelorden mit im Spiel. Der Weltklerus versuchte die Bindung der B. an die Mendikanten zu lösen, wobei er jedoch gelegentl. Bündnisse mit Dominikanern und Augustiner-Eremiten gegen die Franziskaner einging, die sich seit dem 13. Jh. in zunehmendem Maße der B. als Verwalter ihres eigenen rechtl. nicht unter ihrem dominium befindl. Besitzes bedienten und so den Schein der paupertas aufrechtzuerhalten suchten.
Trotz der rechtl. Unsicherheit und ungeachtet häufiger Anfeindungen bot der Stand der B. zahlreichen Frauen, denen der Eintritt in Orden und Kl. nicht möglich war, materielle Versorgung und geistl. Betreuung. Wie hoch das Niveau des geistl. Lebens der B. sein konnte, wird an ihren hervorragendsten Vertreterinnen deutlich, zu denen u.a. Mechthild v. Magdeburg (- 1282/94), die 1310 in Paris als Ketzerin verbrannte Marguerita Porete und vielleicht auch die große Mystikerin Hadewych (13. Jh.) gerechnet werden können.
In Südfrankreich und Italien verlief die Entwicklung etwas anders:
Mit dem Namen B. (beguinae) wurden in der 2. Hälfte des 13. Jh. in S-Frankreich Frauen bezeichnet, die sich einem intensiven religiösen Leben widmeten, ohne jedoch einem bes. Orden anzugehören oder Tertiarierinnen zu sein. Noch am Ende des 13. Jh. (1295) bedeutet der lat. Terminus imbeguiniri, den wir in dem Brief von Petrus Johannis Olivi an die Söhne von Karl II. v. Anjou antreffen, nichts anderes, als ein religiöses Leben voll Intensität und Vertiefung zu führen. Allerdings bezeichnete das Wort B. (beguini, beguinae) in jener Periode bereits auch diejenigen Männer und Frauen, die sich um einige Lehrer der vita spiritualis scharten und ihren Anweisungen folgten, v.a. in den beiden wichtigsten (aber nicht einzigen) Zentren Béziers und Narbonne. Dort war bes. Petrus Johannis Olivi, der den B. mehrere kleinere spirituale Schriften widmete, eine Gestalt von herausragender Bedeutung. Neben und nach Olivi wandte sich der große Arzt und zugleich Laientheologe Arnald v. Villanova, der sich mit spiritualen Fragen auseinandersetzte, ebenfalls an die Beg(h)inen. Außer durch die religiöse Praxis auch durch die gemeinsame Hoffnung auf eine Erneuerung des kirchl. Lebens, die das Ende der Ecclesia carnalis und den mehr oder weniger nahen Triumph der Ecclesia spiritualis bedeuten sollte, zusammengehalten, verbanden sich diese B. auch nach Olivis Tod (1298) weiterhin zu mehr oder weniger geheimen Gruppen, die bei dem lokalen Episkopat Beunruhigung auslösten und den Verdacht auf Häresie aufkommen ließen.
Trotz der starken Betonung der Endzeiterwartung konnte jedoch kein echter Häresieverdacht diese Gruppen treffen. Als die Kommunität die Spiritualen der Provence und ihre Gläubigen anklagte, der Bewegung der Brüder des freien Geistes anzuhängen, war es sogar möglich, die Anklage auf diejenigen zurückfallen zu lassen, von denen sie ausgegangen war. Die B. in S-Frankreich gerieten erst in eine schwere Krise, als vier Spiritualen zum Scheiterhaufen verurteilt wurden, da sie den Verhaltensvorschriften Papst Johannes XXII. und des Generalministers Michael v. Cesena, die ihrer Meinung nach dem wahren franziskan. Geist widersprachen, nicht Folge leisten wollten. Es verbreitete sich bei einem Großteil der B., die an der südfrz. Küste von Marseille bis hin zu den Pyrenäen verstreut waren, die ßberzeugung, daß die vier auf dem Scheiterhaufen verbrannten Spiritualen Heilige und Märtyrer seien, und daß damit die in gewisser Weise in der »Lectura super Apocalipsim« des Petrus Johannis Olivi vorausgesehene Verfolgung begonnen habe (das Werk war auch in der Form populärer Kompendien unter den B. verbreitet); eine Verfolgung, die der Antichristus mysticus gegen die demütige Ecclesia spiritualis führen würde, die aus wenigen, von der hierarch. Kirche (Ecclesia carnalis) bekämpften Erwählten bestand. Diese ßberzeugung, die bald der Inquisition Gelegenheit zum Einschreiten bot, fand im sog. Armutsstreit (Bettelorden) der Jahre 1318-23 ihre Bestätigung und Bekräftigung, der durch die berühmte Bulle »Cum inter nonnullos« vom 12. Nov. 1312 abgeschlossen wurde, mit der der Papst die These, Christus und Apostel hätten weder eigenes noch gemeinschaftl. Eigentum besessen, als häret. erklärte. Diese Entscheidung ließ bei den B. die ßberzeugung entstehen, Johannes XXII. sei ein häret. Papst, dem man nicht mehr Gehorsam leisten dürfe, und der überhaupt nicht mehr als Papst anzusehen sei. Gleichzeitig bildete sich der Glaube, Petrus Johannis Olivi sei ein »sanctus non canonizatus«, während die Ausgrabung seines Leichnams zu einem unbekannten Zeitpunkt und die Verurteilung seiner »Lectura super Apocalipsim« die Vorstellung bekräftigten, der Papst und mit ihm alle, die seine Verdammungsurteile akzeptiert hatten, seien Häretiker. Jenseits der bedeutsamen theolog. Disputationen bildete sich also unter den B. ein gemeinsames Selbstverständnis als Mitglieder der Märtyrerkirche, die zum unausbleibl. Triumph bestimmt sei. Bei den zahlreichen Prozessen in den südfrz. Städten, in denen unter anderen Inquisitoren auch der bekannte Bernardus Guidonis beteiligt war, gab es sehr viele Opfer: zum Teil Fratres, die nach dem Urteil von Marseille eine krit. Haltung gegenüber dem Papst beibehalten hatten, zu noch größerem Teil aber ihre Anhänger, die regelmäßig B. genannt wurden, unabhängig davon, ob sie einfache Laien oder Mitglieder des Dritten Ordens waren. In sozialer Hinsicht rekrutierten sich die B., Männer wie Frauen, zum größten Teil aus den mittleren und unteren Schichten der städt. Bevölkerung, nur ganz wenige stammten aus dem Adel (auch da nur aus dem Kleinadel) oder aus dem Klerus.
Ein Teil der Fratres entzog sich der Inquisition durch die Flucht nach Italien, wo die frz. Spiritualen in vielen Konventen heimlich aufgenommen und geschützt wurden. Um die Jahrhundertmitte war die volkstüml. Bewegung der B. prakt. vernichtet, aber die von ihnen vertretenen Ideen lebten durch die Vermittlung von Persönlichkeiten wie z. B. Petrarca (»Epistulae sine nomine«) weiter. Jedenfalls hatte die spirituale Bewegung in Italien zwar große Bedeutung, ihre Anhänger, die verschiedene Namen trugen, wie z. B. bizoco, traten jedoch nie in so auffallender Weise in Erscheinung, daß es zu echten Zusammenstößen mit der Inquisition kam. Viele B. finden sich jedoch später unter den Fraticelli und ihren Anhängern.
Literatur:
E. G. Neumann, Rhein. Beginen- und Begardenwesen, 1960
G. Koch, Frauenfrage und Ketzertum im MA, 1962
E. W. McDonnell, The Beguines and Beghards in Medieval Culture, 1969
G. Peters, Norddt. Beginen- und Begardentum im MA, NdsJb 41-42, 1969-70, 50-118
H. Grundmann, Religiöse Bewegungen im MA, 19704
O. Nübel, Ma. B. und Sozialsiedlungen in den Niederlanden, 1970
A. Patschovsky, Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jh., DA 30, 1974, 56-198
diesen und weitere Texte zu den Beginen (und andere interessante Aufsätze) von Patschovsky gibt es im Netz unter:
wwwuni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/[
]/inhalt[
]
Grüße, Larissa
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Eintrag #13 vom 14. Nov. 2003 11:53 Uhr
Karen Thöle
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Spontan würde ich sagen: Frankreich, 14. Jarhundert. Dieser "gekachelte" Hintergrund ist dafür ziemlich typisch. Auf Frankreich deutet auch das, was von der Bildunterschrift lesbar ist:
"As abbes as nous monies as nonnaine ensement
Se jay dit veritet selonc men sentement
Et iai passer les metes tout cil dentendement"
Mein Französisch ist lausig; wer besser Französisch kann, kann sich die Bildunterschrift mal genauer anschauen und schauen, ob ich vielleicht doch "Wechsstaben verbuchselt" habe.
Aber was ich schon sagen könnte: "abbes" müßte Abt oder ßbtissin heißen. "monies" bezieht sich sicher auf die Frauen: "sancti moniales" ist eine häufige lateinische Bezeichnung für Kanonissen, kann aber, soweit ich weiß, auch allgemein "Nonnen" heißen. Auch das "nonnaine" würde ich als "Nonne" deuten.
Von diesen Hinweisen her würde ich eher auf eine Abbildung von Nonnen, von der Kleidung her wohl Clarissen, schließen. Da aber zumindest im deutschen Raum die Leute oft keine deutliche Unterscheidung machen zwischen Nonnen und Kanonissen, kann ich - so auf Anhieb - auch nicht 100%ig ausschließen, daß hier keine deutliche sprachliche Unterscheidung zwischen Nonnen und in einer klosterähnlichen Gemeinschaft lebenden Beginen gemacht wurde und auf dem Bild doch Beginen abgebildet sind. Aber ohne Kontext ist da leider nichts zu machen…
Bis denn
Karen Thöle
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