Tierhaltung und Jagd im Mittelalter

Autor: Ruth (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Ruth eine Nachricht zu schreiben.
Inhalt
1 Tierrassen
1.1 Pferd
1.1.1 Mittelalterliche "Pferderassen"/Landschläge
1.2 Esel
1.3 Rind
1.3.1 Mittelalterliche "Rinderrassen"/Landschläge
1.4 Schwein
1.5 Kleine Wiederkäuer
1.6 Geflügel
1.7 Hund
1.7.1 Mittelalterliche Hunderassen
1.8 Katze
1.9 Kaninchen
1.10 Eichhörnchen
1.11 Bienen
1.12 Fische
2 Tiere als Jagdgehilfen
3 Jagbares Wild
3.1 Wildwiederkäuer
3.2 Wildschweine
3.3 Braunbär
3.4 Wolf
3.5 Fuchs
3.6 Wildkatze
3.7 Dachs
3.8 Hase
3.9 Biber
3.10 Marder
3.11 Wildvögel
4 Bestiarien und Kuriositäten
5 Quellen

1 Tierrassen

1.1 Pferd

Pferde wurden schon vor etwa 5000 Jahren domestiziert und dienten hauptsächlich als Fleischlieferant, etwa seit der Bronzezeit wurden sie auch als Arbeits- und Reittier genutzt. Im Mittelalter erreichen die Pferde eine Widerristhöhe von etwa 130 - 140 cm, nur vereinzelt auch über 150 cm. In Gräbern und einer mittelalterlichen Abdeckerei hat man auch Skelette von Tieren mit einer Widerristhöhe von 160-165 cm gefunden, die als Indiz für das Vorhandensein größerer "Ritterpferde" gewertet werden. Aber auch Pferdeskelette mit einer Widerristhöhe von 120 cm werden nicht selten gefunden.
Pferde der Latènezeit sowie der römischen Kaiserzeit sind eher schlankwüchsig, außerhalb der römisch besetzten Gebiete sind sie eher von derberem Schlage. Im Mittelalter findet man vermehrt Pferdeskelette vom derberen Typ, so daß auf einen mittelschlanken Pferdetyp geschlossen werden kann.
Während des Mittelalters existierte wahrscheinlich keine einheitliche Rassezucht. Andererseits muß man in den "Ritterpferden", die etwa seit der Jahrtausendwende auftreten, wohl das Ergebnis eines Züchtungsprozesses sehen. Besonderes züchterisches Augenmerk wurde anscheinend auch auf Pferde gelegt, die den Paßgang bzw. Tölt beherrschten. Um 1400 gab es im Gebiet des Deutschen Ordens in Ostpreußen sogenannte "Ackergestüte", in denen Pferde des alten preußischen Landschlages unabhängig von den Ritterpferden gezüchtet wurden. Ob diese Gebrauchspferde schon früher als Rasse gezüchtet wurden oder einer unsystematisch betriebenen Landpferdezucht entstammten, kann bisher nicht nachgewiesen werden. Innerhalb bestimmter Gegenden scheinen sich einigermaßen einheitliche Landpferdeschläge entwickelt zu haben. Sicher darf man davon ausgehen, daß ein Bedarf an speziellen Arbeitspferden bestand, zumal es im MA zu einer erheblichen Ausweitung des Ackerbaus kam, so daß züchterisches Interesse an landwirtschaftlichen Gebrauchspferden bestand, was als Vorraussetzung für eine Entwicklung von Rassezucht gilt.
Pferde erreichten im MA ein hohes Lebensalter, gut die Hälfte aller Tiere wurden zwischen 10 und 20 Jahre alt. Rein zur Fleischgewinnung genutzte Pferde wurden meist in einem Alter bis zweieinhalb Jahre geschlachtet. Aber auch ältere Tiere wurden nach langer Arbeitsnutzung geschlachtet. Dabei wurden die Knochen während des Schlachtvorgangs und beim Kochen besonders geschont, da Pferdeknochen ein wichtiger handwerklicher Rohstoff waren.

1.1.1 Mittelalterliche "Pferderassen"/Landschläge

Das erste Auftreten der Araber ist nicht bekannt, sicher ist aber, daß Mohammed im 7. Jh. nicht erst der Gründer, sondern lediglich der große Förderer dieser Rasse war. In den Steppen Turkmeniens wurden schon seit der Zeit Alexanders des Großen edle Pferde gezüchtet, die Achal-Tekkiner. Diese turkmenischen Pferde wurden zur Zeit der Kreuzzüge von den Moslems (und auch von den Kreuzfahrern als Beutepferde) sehr geschätzt. Berberpferde waren schon lange bekannt und wegen ihrer Geschwindigkeit berühmt. Es wird vermutet, daß sie auf kaltblütige Pferde zurückgehen, die die aus dem Norden kommenden Vandalen in der Völkerwanderung mitbrachten. Das Camargue-Pferd gehört zu den ältesten Pferderassen der Erde, es war schon den Phöniziern und Römern bekannt. Andalusier gehen auf phönizische Pferde zurück, sie wurden jedoch im 16. und 17. Jh. auf die heutige Form durch Einkreuzung veredelt. Haflinger, Noriker und das Süddeutsche Kaltblut sollen auf römische Legionspferde zurückgehen. In Belgien wurden seit undenklichen Zeiten Kaltblüter gezüchtet. Auch im MA erfreute sich das kräftige und temperamentvolle belgische Kaltblut eines guten Rufes. Der Percheron ist ebenfalls eine uralte Rasse, in die bereits im 8. Jh. Araber eingekreuzt wurden. Das Fjordpferd ist eine sehr alte norwegische Rasse. Shetland-Ponys sind schon seit ca. 2000 Jahren bekannt. Anglo-Normänner sollen auf die Zeit der Mauren und eine amorikanische Rasse zurückgehen, eine Blüte erlebte die Zucht dieser Pferde im 10. Jh. unter den Normannen. Die "Race Normande" erlebte während des 100jährigen Krieges wegen der ständigen Remontierungen jedoch fast ihren Untergang.

Großvieh im Sachsenspiegel des Eike von Repgow (Mitte 13. Jh.)
Großvieh im Sachsenspiegel des Eike von Repgow (Mitte 13. Jh.)
Rottaler, Holsteiner und Ostfriesen gehören zu den ältesten Pferderassen Deutschlands. Im Rottal/Niederbayern wurden auf der Grundlage ungarischer Beutepferde mit arabischer Blutführung seit dem 10. Jh. Pferde gezüchtet. Die Ostfriesen waren im MA bekannte und beliebte Ritterpferde. Auf den fetten Weiden der Marschen und auf den kargeren Gründen der Geest wurden im MA hervorragende Pferde herangezogen, die Pferdezucht wurde von den Holsteiner Herzögen, dänischen Königen und nicht zuletzt den Klöstern gefördert - zu Zwecken "der Bodenbearbeitung wie für Kriegsnöte", wie es in den alten Chroniken heißt. Der Senner ist ebenfalls eine alte deutsche Pferderasse. Die karge Heidelandschaft zwischen Paderborn und Bielefeld in Ostwestfalen - die Senne - stand Pate bei der Namensgebung dieser Rasse. Der Ursprung des Senner-Pferdes lässt sich nicht genau bestimmen, aber die ersten urkundlichen Hinweise in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1160 sowie verschiedene Quellen aus dem Mittelalter bestätigen große Pferdeherden in diesem Gebiet. Das Dülmener Pferd wird im 14. Jh. urkundlich erwähnt, ebenso die Schwarzwälder Füchse.
Einsiedler wurden im Gebiet der Benediktiner-Abtei Einsiedeln (Kanton Schwyz) gezüchtet, eine urkundliche Erwähnung findet sich im Jahre 1064. Der Shire wurde in den englischen Shires als Ritterpferd gezüchtet, allerdings hatte er im MA nicht die heutige Größe. Knochenfunde aus prähistorischer Zeit beweisen, daß in Friesland schon vor Tausenden von Jahren schwere Pferde vorhanden waren. Daß sie die Vorfahren der heutigen Friesen sind, läßt sich zwar vermuten, aber nicht beweisen. Der Friese, wie wir ihn heute noch kennen, ist ein Produkt einheimischer Pferde, die im 16. und 17 Jh. mit den von den Spaniern ins Land gebrachten orientalischen Rassen vermischt wurden.
Im 9. und 10. Jahrhundert brachten die Wikinger skandinavische und keltische Ponys nach Island, seit dieser Zeit erhielt sich der Isländer in seiner Heimat ohne Fremdeinkreuzung. In Britannien existieren schon seit dem 10. Jh. eigenständige Ponyrassen (New-Forest, Welsh, Exmooor und Dartmoor Pony). In Exmoor hat sich bis heute ein Bestand nahezu wildlebender Ponies erhalten. Sie gelten als die letzten reinen Nachfahren des eiszeitlichen Urponies und damit als eine der noch unverfälschtesten und ursprünglichsten Pferderassen Nordwest- und Mitteleuropas.


1.2 Esel

Esel wurden von den Römern nach Mitteleuropa gebracht und wurden vorwiegend in Mühlen und Bergwerken zu Arbeitszwecken gebraucht. Sie können in mittelalterlichen Funden nur in sehr geringer Zahl nachgewiesen werden. Eine Abbildung eines Grauesels findet sich beispielsweise im Codex Manesse (CM, Tafel 27) als Reit- und Lasttier des als Krämer verkleideten Dietmar von Ast. Den Poitou-Esel gibt es nach schriftlichen Ãœberlieferungen schon seit dem 10. Jahrhundert.
Auch Mulis und Maultiere (Kreuzungsprodukte aus Pferd und Esel) waren im MA bekannt, jedoch anscheinend wenig verbreitet (Abbildungen finden sich in den Monatsbildern der "Très Riches Heures", TRH, Monat September). Die Unterscheidung von Pferde- und Eselsknochen resp. deren Kreuzungsprodukten ist sehr schwierig und wird häufig nur aufgrund von Größenunterschieden als "Verdachtsdiagnose" vorgenommen.


1.3 Rind

Rinder wurden zunächst vor 8500 Jahren auf der Balkanhalbinsel domestiziert und später (vor etwa 6500 Jahren) auch in Mitteleuropa. Büffel wurden vor etwa 5000 Jahren domestiziert, in Europa kommen sie seit dem 6. Jh. vor. Bis zum Mittelalter fand eine erhebliche Größenreduktion der Rinder statt, so daß sich in dieser Zeit ein sehr kleinwüchsiger, schlanker Rindertypus findet. (100-120 cm Widerristhöhe, ca. 100-200 kg). Dies mag entweder auf eine gezielte Selektion kleiner Rinder zurückzuführen sein, die leichter zu handhaben waren, oder lag an einer Ãœberbetonung der Viehzahl gegenüber der Viehqualität, den nur kleinen Weideflächen und ungenügender Futtermenge im Winter bzw. einer Intensivierung des Ackerbaus auf Kosten der Viehzucht. So haben sich wahrscheinlich in Abhängigkeit von den natürlichen Futter- und Haltungsbedingungen Landrassen herausgebildet, die sich in Größe und Wuchsform voneinander unterschieden. In Norddeutschland kamen hauptsächlich kurzhornige (brachycere) Landrinder vor, in der Schweiz, Österreich und Süddeutschland existierten unter dem Einfluß der römischen Kultur auch langhornige, etwas größere Hausrinder. Es kamen "inselartig" recht große Rinder vor, z.B. in einigen Gegenden Hessens und der Schweiz, wo die Tiere die Größe der heutigen Rinder erreichten (dabei handelte es sich um sehr reiche Siedlungen, so daß ein Zusammenhang zum Futterangebot bestehen könnte). Bis zum 17. Jahrhundert finden sich neben den domestizierten Rindern auch noch (größere!) Wildformen (Ur, Wisent, siehe unter jagdbares Wild).
Während des Mittelalters stand in der Rinderhaltung besonders die Fleischnutzung im Vordergrund (Schlachtalter zwischen 3 und 5 Jahren), die Tiere wurden aber auch als Arbeitstiere (hauptsächlich Ochsen) und in geringem Maße auch zur Milchgewinnung genutzt. Das Rind ist in Mitteleuropa seit eh und je wichtigstes landwirtschaftliches Nutztier, was aus dem hohen Anteil an Rinderknochen in mittelalterlichen Grabungen hervorgeht. Es erbringt etwa die fünffache Fleischmenge pro Schlachtkörper im Vergleich zum Schwein. Zusätzlich hat es seine Bedeutung als Düngerlieferant in der im MA stark betonten Felderwirtschaft. Haut, Knochen und Horn waren zudem Ausgangsmaterial zur Herstellung diverser Gebrauchsgegenstände.


1.3.1 Mittelalterliche "Rinderrassen"/Landschläge

Knochenfunde aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. belegen bereits die Existenz einer Rasse, die dem heutigen English Longhorn ähnelt. Beinahe ebenso alt scheinen die Vorfahren des Fjäll- und des Angler Rindes zu sein. Das Chianina-Rind geht auf alte etruskische Rinder zurück, deren Stammtiere im 8. Jh. v. Chr. aus Kleinasien importiert wurden. In seinem Ursprung ist das heutige Frankenvieh (Gelbvieh) auf einen roten bis rotbraun gefärbten keltisch-germanischen Landschlag zurückzuführen. Das Waldviertler Blondvieh geht auf alte keltische Rinderschläge zurück, ebenso die schottischen Highlander, die Galloways und die französischen Salers. Auch die Welsh Black sind keltischen Ursprungs, sie sollen seit dem 7. Jh. die britische Insel besiedeln.
Schon in der Antike waren die hervorragenden schwarz-bunten Rinder der nordeuropäischen Küstenregionen berühmt und geschätzt wegen ihres Milchreichtumes. Das Grauvieh ist bereits seit der Römerzeit für seinen Milchreichtum bekannt. Die Eringer, Blonde d’Aquitaine und Charolais sollen ebenfalls mit den Römern in ihre heutiges Verbreitungsgebiet gelangt sein. Das ungarische Steppenrind (Szilay) ist seit dem 9. Jh. bekannt und war bis weit über Ungarn hinaus eine sehr geschätzte Fleischrasse. Das Normanner Rind soll im 9. und 10. Jh. von den Wikingern nach Nordfrankreich gebracht worden sein. Herefords gehen auf alte britische Landschläge zurück. Die Simmentaler waren schon im MA als großwüchsige, gescheckte Rinder bekannt. Seit ältester Zeit muss man den mitteldeutschen Raum als Verbreitungsgebiet eines einfarbig roten Rindes ansehen. Häufig findet man es in älterer Literatur auch unter der Bezeichnung "Keltenvieh". Im MA gab es rote deutsche Landschläge, die in etwa dem heutigen Vogelsberger und Wittgensteiner Rind entsprachen. Das Braunvieh ist seit dem 14. Jh. bekannt. Es geht auf das Torfrind der Alpenrandseen (vor 2000 Jahren), das vermutlich kleinste und älteste europäische Hausrind, zurück. Die schwarzen Kampfstiere, Toro de Lidia, werden seit ca. 500 Jahren gezüchtet, sie gehen aber auf keltische Landschläge zurück.
Im Codex Manesse (Tafel 118) wird Grau-, Rot- und Blondvieh abgebildet, zwei der Tiere sind hornlos. Interessanterweise finden sich auf Abbildungen aus Frankreich oder Italien, also Gegenden, in denen auch noch heute viele helle und weiße schwere Rinderrassen existieren, häufig weiße Zugochsen, während ansonsten meist Gelb- oder Rotvieh dargestellt ist.


1.4 Schwein

Das Schwein wurde in Mitteleuropa vor 6000 bis 6500 Jahren aus der Wildform domestiziert. Die Kelten und Germanen züchteten in Nord-, Mittel- und Westeuropa das große, groß- und schlappohrige Landschwein, während die Slawen in Ost-, Süd- und Osteuropa ein kleineres, klein- bis mittelohriges Landschwein hielten.
Die Schweine werden in ein Wäldchen getrieben, Eicheln von den Bäumen geschlagen. Londoner Psalter der Königin Maria
Die Schweine werden in ein Wäldchen getrieben, Eicheln von den Bäumen geschlagen. Londoner Psalter der Königin Maria
Diese Unterscheidung bildete sich im 1. Jahrtausend n. Chr. immer stärker heraus. Eine ausgeprägte Rassezucht setzte allerdings erst im 18. Jh. ein. Im Mittelalter waren die Hausschweine erheblich kleiner als ihre Wildform, die Widerristhöhe lag etwa bei 65 bis 75 cm bei 40 bis 60 kg Lebendgewicht. Die Hausschweine waren kleinwüchsig, flachrippig und ohne bedeutenden Speckansatz. Wie aus mittelalterlichen Abbildungen hervorgeht, ähnelten die Hausschweine noch stark der Wildform - hochbeinige, schlanke, braungraue Tiere mit deutlicher "Mähne".
Rückzüchtungsversuche zum Deutschen Weideschwein, einem dem mittelalterlichen Typus entsprechenden Schwein, scheinen erfolgsversprechend zu sein. Die Schlachtung der Schweine fand meist im ersten, seltener im zweiten Lebensjahr statt. Nur sehr selten werden Knochen von Tieren über vier Jahren gefunden. Es gibt Grabungen mit einem erhöhten Anteil älterer weiblicher Tiere, dies wird als ein Indiz für ein verstärktes Zuchtgeschehen gewertet. Das Schwein wird als Fleischlieferant gehalten, die gelegentlich erwähnte Nutzung zur Trüffelsuche, zum Stöbern und Karreziehen ist eine Ausnahme.
Die mittelalterliche Schweinehaltung war extensiv und an das Vorhandensein von Eichen- und Buchenwäldern gebunden (TRH, Monatsbild November). Rodungen im Zuge der mittelalterlichen Bevölkerungsexplosion engten die Haltungsmöglichkeiten ein, was sich in den betreffenden Gebieten an einem starken Rückgang des Schweineanteils in Grabungen nachweisen läßt. Im Hoch- und Spätmittelalter wurden Schweine auch in den Städten als Einzeltiere gehalten - sie waren ein wichtiger Faktor bei der Müllbeseitigung. Im Spätmittelalter wurden sie dann allerdings aus hygienischen Gründen aus dem Stadtbild verbannt.


1.5 Kleine Wiederkäuer

Schafe und Ziegen sind die ältesten Wirtschaftstiere des Menschen, die Domestikation erfolgte etwa vor 10 bis 11.000 Jahren im vorderen Orient. In Grünlandgebieten hatte die Rinderhaltung Vorrang, in Regionen mit schlechteren Weideverhältnissen hielt man jedoch wegen deren Anspruchslosigkeit vermehrt Schafe und Ziegen.
Bauer und Vieh, Sachsenspiegel (Mitte 13. Jh.)
Bauer und Vieh, Sachsenspiegel (Mitte 13. Jh.)
Die Größe der Schafe und Ziegen entsprach im Mittelalter etwa der der mittelgroßen rezenten Landrassen, das quantitative Verhältnis der Haltung hatte sich zugunsten der Schafe verschoben. Ziegen wurden häufig mit Hexen und Teufeln in Verbindung gebracht (starker Geruch, die sprichwörtliche "Kapriziösität" der Ziegen, stark ausgeprägte Geschlechtslust der Böcke etc.).
Während die Römer noch großen Wert auf Milch resp. Wolle legten, gab es im MA eine Nutzungsänderung: Während vom 7. bis 11. Jh. Wolle, Milch und Fleisch in einem ausgewogenen Verhältnis genutzt wurden, stieg später die Bedeutung des Schafes als Fleischlieferant an. Das Schlachtalter lag bei zwei bis drei Jahren. In Gegenden, in denen vermehrt auch Milch und Wolle genutzt wurden, lag das Alter der Tiere etwas höher. Jungtiere wurden meist zum sofortigen Verbrauch geschlachtet (Reduktion überzähliger Tiere), das Fleisch von älteren Tieren eignete sich eher zum Trocken und Räuchern (Vorratshaltung). Schafe lieferten nicht nur Wolle, Fleisch und Milch, sondern auch Häute, Felle, Därme und Dünger. Die großen Schafherden der Zisterzienserklöster dienten beispielsweise vor allem der Herstellung von Wolle und Pergament.
Mittelalterliche Ziegenrassen entsprachen in etwa dem Bild unserer heutigen weißen und bunten Edelziege, wobei auf Abbildungen meist weiße Ziegen dargestellt werden. Die Walliser Schwarzhalsziege gehört ebenfalls zu den alten Rassen. Alte, schon im MA vorkommende Schafrassen sind das heute ausgestorbene Zaupelschaf, die Heidschnucken, das Zackelschaf (Ungarn) und das Soay-Schaf (Hebriden, Schottland), wobei wohl immer noch umstritten ist, ob und welche Schafrassen auf das wildlebende europäische Mufflon zurückgehen. Die Skudde ist mindestens seit der Besiedlung des Baltikums durch den Deutschen Orden bekannt, einige Autoren halten sie auch für das "Schaf der Wikinger". Das Merino-Schaf ist ebenfalls eine sehr alte Rasse, es leitet sich von dem Berber-Stamm der Beri-Merines her, die im 12. Jh. von Nordafrika nach Spanien kamen und die Vorfahren der Merinos mit sich brachten. Auf Abbildungen finden sich meist rein weiße, graue oder schwarze, selten schwarz gefleckte Tiere. Es gab behornte und unbehornte Landschläge (selten sogar vierhornige Tiere), dies scheint regional zu variieren.


1.6 Geflügel

Es wurden Hühner, Gänse, Enten und Tauben gehalten. Bei Gänsen und Enten ist die Unterscheidung von Haus- und Wildformen schwierig. Enten wurden aber wohl seltener gehalten als Gänse. Huhn und Gans scheint in der Haltung die gleiche Bedeutung zuzukommen. Das Huhn wurde im 3. Jahrtausend v. Chr. in Asien domestiziert und erreichte Mitteleuropa in der Hallstattzeit. Die Gans wurde im 3. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten domestiziert, für Süd- und Mitteleuropa werden eigene Domestikationszentren angenommen. Die Hühnerhaltung gewann im MA seit einem Rückgang während der Völkerwanderungszeit immer mehr an Bedeutung. Der Anteil von Hühnerknochen liegt bei Grabungen in Burgen zwischen 5 und 10%. Neben dem Fleisch wurden Hühner vor allem auch zur Eierproduktion gehalten. Hühner und Gänse wurden extensiv aufgezogen, wobei für die Gänsehaltung auch ein kleiner Weiher oder Teich benötigt wurde. Sie waren kleiner als rezente Rassen und schlankwüchsig.
Die von den Römern eingeführten Haustauben waren ebenfalls recht häufig. Aus Mitteleuropa sind Abbildungen von Haustauben seit dem 15. Jh. bekannt, in Knochenfunden können sie aber auch schon sehr viel früher nachgewiesen werden, wobei die Unterscheidung von Haus- und Wildtaubenknochen schwierig ist. Taubenfleisch stellte eine willkommene Abwechslung als Speise der Burgbewohner dar. Ihre Haltung war recht unproblematisch, da sie sich selbst ihr Futter suchen. Meist wurden sie in sogenannten Taubenhäusern gehalten, eine Abbildung findet sich in den TRH, Monatsbild Februar.
Fasane (aus Asien stammend, in Europa eingeführt durch die Griechen und verstärkt durch die Römer) und Rebhühner, die ja eigentlich zum Wildgeflügel zählen, wurden im MA auch in Gehegen gehalten - entweder nur für die eigene Tafel oder zum Aussetzen für die Jagdgesellschaft. Pfauen (ebenfalls schon in der Antike aus Asien nach Europa eingeführt) wurden gleichermaßen als Haustiere an Fürstenhöfen gehalten, der Genuß von Pfauenfleisch war nur besonders hohen sozialen Rängen vorbehalten (bei Banketten war der Pfau ein Symbol von Treuegelübden).


1.7 Hund

Der Hund ist das älteste domestizierte Haustier, in Mitteleuropa wurde er etwa um 12.000 v. Chr. domestiziert. Eine Rassebestimmung anhand osteologischer Funde ist schwierig, die Knochenfunde deuten auf Hunde hin, die den rezenten Bracken und Laufhunden entsprechen. Sie gehen wahrscheinlich auf den europäischen Urhund, den sogenannten Torfspitz, zurück.
Die verschiedenen Schläge und Typen wurden früher für bestimmte Zwecke gezüchtet. Es kam weniger auf Äußerlichkeiten an, als auf praktische Eigenschaften, wie z.B. Stöberhunde, Vorstehhunde, Treibhunde oder Hof- und Hirtenhunde. Oft wurden Tiere verschiedener Typen gekreuzt, um einen neuen Wesenszug zu gewinnen. Eine gewisse Rassezucht wurde im MA auf den Adelshöfen an den Jagdhunden betrieben. Es traten die ersten spezialisierten Jagdhunde auf, wie die Schweißhunde zum Aufspüren des Wildes, die Laufhunde zum Stellen der Hirsche, die Windhunde zu deren Verfolgung, die Doggen zum Erledigen der "Büffel" (eigentlich gehören die Wisente zur Familie der Bisons) und der Bären, Wolfshunde für die Wolfshatz (z. B. der irische Wolfshund). Kleine Hunde wurden zum Eindringen in Fuchsbauten und Höhlen von Wildkaninchen verwendet, aus Knochenfunden kann auch auf das Vorkommen kleinerer terrierähnlicher ("Rattenbeißer") und dackelähnlicher Hunde geschlossen werden. Im Hoch- und Spätmittelalter spielten Hunde eine wichtige Rolle in der "Müllbeseitigung" in den Städten.


1.7.1 Mittelalterliche Hunderassen

Windhunde, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Windhunde, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Die Vorfahren der heutigen Schweizer Sennenhunde sind mit den Römern über die Alpen gekommen; sie hüteten und trieben das Vieh, bewachten die Häuser und zogen oder trugen Lasten. Die heutigen Bluthunde stammen von den schwarzen St.-Hubertus-Hunden ab, die in einem Ardennenkloster gezüchtet wurden. Vermutlich wurden sie von den Normannen nach England gebracht.
Bracken, Laufhunde: sie gelten als die ursprünglichen Jagdhunde und wurden früher Wildbodenhunde genannt. Der Name Bracke soll sich von "brachio" ableiten, was Sohn des Bären heißt. So hieß ein Mann aus Thüringen, der Schwarzwildjäger des Herzogs Sigivald in der Auvergne war und sich später als Abt eines Klosters in Puy de Dôme eine Meute guter Laufhunde hielt. Nach seinem Tode wurde er Namensgeber dieser Rasse. Rezente ähnliche Rassen sind die Tiroler Bracke (ihre Zuchtgeschichte ist über 500 Jahre nachweisbar), der bayrische Gebirgsschweißhund und die deutsche Bracke. Die Dachshunde (Dackel) gehören zu den kurzläufigen Bracken. Der Ogar Polski, oder auch polnische Bracke, wird bereits im 14. Jahrhundert erwähnt, diese Hunde sollen wie die Bluthunde auf die St.-Hubertus-Hunde zurückgehen. Abbildungen von gefleckten (Tafel 2, 125) und einfarbigen (hellen) Bracken (Tafel 50, 67, 74) finden sich im Codex Manesse.
Hütehunde: Zu Beginn des Mittelalters wurden in Deutschland zur Hütearbeit Hunde eingesetzt, die auf den Torfspitz zurückgehen. Rezente Vertreter sind die sogenannten roten Kuhhunde (Westerländer, Siegerländer und Harzer Fuchs). Weitere alte Hüterassen: Pyrenäenberghund, Picard, Kuvasz,Puli, polnischer Niederungshütehund, britische Collies, Corgies (sollen von keltischen Hunden abstammen).
Schoßhunde: Malteser, Griffons. Im Codex Manesse finden sich mehrere Abbildungen von Damen mit weißen Schoßhunden (Malteser?) und eine eines schwarz-weiß-gefleckten Hündchens (Tafel 122).
Kampfhunde: Doggen (die römischen Molosser entsprachen vom Aussehen her den heutigen Doggen), Mastiffs (vom germanischen mast-teve = großer schwerer Hund, sie gehen auf breitmäulige britische Hunderassen zurück). Schwere, breitmäulige Hunde finden sich in der Eberjagdszene der TRH, Monatsbild Dezember. Windhunde, Hetzhunde: Deerhound, Irischer Wolfshund, Greyhound. Im Codex Manesse finden sich schwarze, weiße und gefleckte Windhunde, die zur Hetzjagd auf den Hirsch (Tafel 67) bzw. zur Hasenjagd (CM, Tafel 110) eingesetzt werden. Weiße und helle Windhunde finden sich auch in den TRH, Monatsbild August.
Katzendarstellung, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Katzendarstellung, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.


1.8 Katze

Im Fundgut von Siedlungen des frühen MA sind Katzenknochen selten vertreten. Erst im ausgehenden MA werden sie häufiger. Dies ist anscheinend mit der Ausbreitung von Kleinsäugerarten vergesellschaftet, die sich dem Menschen besonders eng anschlossen: der Wanderratte, der Hausratte und der Hausmaus.
Mit der Zunahme dieser Vorratsschädlinge ergab sich die Notwendigkeit ihrer Bekämpfung, deshalb sorgte man für die weitere Ausbreitung und Vermehrung der Hauskatze, besonders in großen Städten. Es gab sogar ein Gesetz, das das Mitführen von Katzen auf Schiffen zur Vertilgung von Ratten zu Pflicht auferlegte.
Die mittelalterliche Katze war kleiner und zierlicher als rezente Rassen (wahrscheinlich als Ausdruck schlechter Ernährung). Katzen erreichten selten ein Lebensalter über zwei Jahre. Trotz ihrer anerkannten Bedeutung in der Schädlingsbekämpfung wurden Katzen v. a. in Großstädten wegen ihrer "abergläubischer Belastung" (schwarzer Kater, Hexenbegleiter, Tier des Satans etc.) und auch wegen ihres Felles und Fleisches getötet ("Dachhase" des kleinen Mannes). Außerdem fanden zahlreiche Bestandteile des Katzenkörpers Anwendung in der Medizin (z. B. Katzenfell).


1.9 Kaninchen

Das Hauskaninchen stammt vom Wildkaninchen ab, das ursprünglich in Mitteleuropa nicht vorkam. Die Römer hielten Kaninchen wegen ihres Fleisches in Gehegen (Leporarien) und brachten sie in die von ihnen besetzen Gebiete. Diese Art der Haltung war später in Frankreich und England ebenfalls üblich, sie diente bevorzugt dem Jagdvergnügen. Nach Deutschland kamen die ersten Wildkaninchen um das Jahr 1300, und zwar wurden sie auf der Insel Amrum ausgesetzt. Ãœber die Gehegehaltung wurde im MA die eigentliche Domestikation vollzogen, und zwar zunächst in Frankreich. Hauskaninchen wurden in Deutschland ab der Mitte des 12. Jahrhunderts gehalten, also noch vor der Wildform. Die Haltung erfolgte zunächst noch sehr extensiv in Gehegen.


1.10 Eichhörnchen

Eichhörnchen wurden gezähmt und in der höfischen Gesellschaft als Spieltier für Damen gehalten. Eine Abbildung eines dunklen Eichhörnchens findet sich im Codex Manesse (Tafel 16).


1.11 Bienen

Bienen und Bienenkörbe, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Bienen und Bienenkörbe, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Bienenschwärme gab es in den Wäldern seit eh und je. Honig war als Süßmittel sehr begehrt. Bienenwachs wurde zur Kerzenherstellung und in der Medizin gebraucht.
Was war einfacher, als ein Stück Baumstamm auszuhöhlen, auf diese Art und Weise das Bienenversteck für ein schwärmendes "Zeidelbärenvolk" nachzuahmen und diesen Klotz - den ältesten mittelalterlichen Bienenkorb - mitsamt dem Schwarm Waldbienen in die Nähe seines Bauernhauses zu tragen? Auf Abbildungen erkennt man auch verschalte, aus Stroh geflochtene Bienenkörbe (z. B. in den TRH, Monatsbild Februar). Im 15. Jahrhundert findet sich eine vergleichsweise reiche Imkerliteratur.


1.12 Fische

In Grabungen sind die Ãœberreste von Fischknochen resp. -schuppen meist zu einem geringen Prozentsatz vertreten. Dieser Anteil wird aber der tatsächlichen Bedeutung des Fisches als Nahrungsmittel nicht gerecht, da die Fischknochen einem viel größerem Schwund unterliegen als die Knochen der Säugetiere.
Die Süßwasserfische spielten im Mittelalter eine weitaus größere Rolle als heutzutage. Fisch spielte als Fastenspeise eine große Rolle. Die noch nicht verschmutzten Gewässer beherbergten reiche Fischbestände. In größeren natürlichen Seen und Flüssen wurde der Fischfang mit Hilfe von Schiffen betrieben, es wurde aber auch von den Ufern aus mit Angeln, Reusen und Netzen gefischt. Außerdem wurden kleinere Teiche zum Zwecke der Fischhaltung angelegt, auch in zur Verteidigung angelegten Wassergräben wurden Fische gehalten.
Aus Grabungsfunden und mittelalterlichen Schriften können folgende Arten belegt werden: Renken, Saiblinge, Seeforellen, Brachsen, Aitel, Schleien, Schiede, Lauben, Barsche (Kaulbarsche, Schrätzer), Hasel, Koppen, Quappen (Rute), Grundeln, Elritzen, Waller (Welse), Hechte, Flußaale, Karpfen, Gründlinge, Rotaugen, Neunaugen. Lachse wurden ebenfalls aus den großen Flüssen gefischt, die Bestände nahmen jedoch gegen Ende des Mittelalters immer mehr ab, so daß Lachs von der "Speise des armen Mannes" zu einem teuren Luxusprodukt wurde, das zum Teil auch aus Schottland und Irland importiert wurde. Meeresfische wurden in Küstengegenden ebenfalls frisch gefangen, ins Inland wurden sie hauptsächlich in haltbarer Form (also gepökelt, getrocknet, geräuchert) transportiert. Häufige Arten: Lachs, Rochen, Hering, Scholle, Knurrhahn, Merlan, Kabeljau, Makrelen.


2 Tiere als Jagdgehilfen

Die "hohe Jagd" war Privileg des Adels und diente daher a priori nicht der Fleischversorgung, sondern als Unterhaltung und Prestigeobjekt. Das feudale Waidwerk war eine elitäre Gewohnheit mit strengen Regeln, Ehrbegriffen und einer eigenen Sprache. Im Codex Manesse finden sich Abbildungen typischer Jagdszenen.
Den Bauern war die Jagd streng verboten, doch waren diese auf Wildbret in einem sehr viel existenzielleren Maße angewiesen als die adlige Schloßküche.
Die Jagd brachte nicht nur Fleisch, Pelze und Häute, sondern auch Geweihe, Krallen und Knochen zur Geräteherstellung. Aus Knochen und Horn wurden Knochenspitzen, Nähnadeln, Dreilagenkämme, Spinnwirteln, Riffelkämme, Beschläge, Schmuck und Spielsteine gefertigt.
Die Jagd mit dem gezähmten Falken, besonders mit dem weißen Gerfalken, galt im MA als die vornehmste Jagdart und war dem hohen Adel vorbehalten. Die Beizjagd entstand in den weiten Steppen Asiens und den Wüsten Arabiens. Sie erreichte Nord- und Westeuropa gleichsam in Form einer Zangenbewegung, bei der Italien umgangen wurde, einerseits durch direkten Kontakt der Germanen mit den Skythen und Sarmaten, andererseits rhôneaufwärts über Gallien. Weite Kreise der freien germanischen Bevölkerung, vornehmlich Adel und Klerus, waren der Beizjagd leidenschaftlich zugetan.
Die Falknerei entwickelte sich im 12. und 13. Jahrhundert, besonders unter Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, zu allerhöchstem Ansehen und großer Perfektion. Sie verlangte vom Falkner Klugheit und Geduld in der Zähmung und Pflege der Beizvögel, Mut und körperliche Tüchtigkeit beim Jagen. Ihr Sinn lag nicht in der Erlangung des Gewinns, sondern in der Kunst des Jagens selbst, wie es durch Kaiser Friedrich II. in seinem berühmten Buch "De arte venandi cum avibus" oder in den Büchern seines Falkners Moamin überliefert ist. Kleinere Greifvögel, wie Turmfalke und Merlin, wurden nur ausnahmsweise zur Beizjagd eingesetzt. Große Greifvögel wie der Ger- und der Wanderfalke, Habicht und Sperber wurden auf Kraniche, Großtrappen, Fasane, Damwild, Gazellen und Hasen angesetzt. Die Reiherbeize galt als anspruchsvolle, für den Falken gefährliche Jagd, weil er Mut und Schnelligkeit gegen den spitzen Schnabel des Reihers brauchte (CM, Tafel 2, 7, 29, 32; Monatsbild August, TRH).
Taube und Habicht, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Taube und Habicht, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Während die Jagd mit dem Edelfalken dem Hochadel vorbehalten war (Beize vom Hohen Flug), durften Klerus und Mitglieder des niederen Adel den Habicht zur Jagd einsetzten. Hase, Kaninchen und Fasan waren die Beute dieser sogenannten Beize vom Niederen Flug, sie diente als "Küchenjagd". Die Wahl des Beizvogels entsprach in der Regel dem sozialen Rang des Jägers, so verwendeten Kaiser, Könige und Prinzen Adler, Ger- und Wanderfalken, der Habicht wurde von der Ritterschaft eingesetzt, Zwergfalken von den Damen des Adels. Der Klerus verwendete Sperber, Knappen und Pagen den Turmfalken.
Wiesel und Frettchen wurden bei der Beizjagd neben Stöberhunden dazu eingesetzt, die bejagten Vögel aufzustöbern und aufzuschrecken. Beide werden in den Schriften Friedrichs II und seines Falkners Moamin erwähnt. Das Frettchen ist die domestizierte Form des Iltis. Vor Einführung der Hauskatze sollen in Europa im ersten Jh. n. Chr. bereits zur Mäuse- und Rattenbekämpfung Iltisse und Marder gehalten worden sein.
Neben der edlen Beizjagd gehörte die Hetzjagd auf Rotwild zu den vornehmsten Vergnügungen eines mittelalterlichen Weidmannes. Das Rotwild wurde mit Windhunden gehetzt (CM, Tafel 67). Auch die Hasen und der Fuchs wurden mit Wildhunden gehetzt (CM, Tafel 110).
Moamin berichtet, daß zur Hetzjagd auch Leoparden eingesetzt wurden. Wahrscheinlich ist hiermit der Gepard gemeint, der in der Antike zum Jagen gebraucht wurde. Auch Friedrich II. benutzte den Gepard zur Jagd. Diese Jagdart bürgerte sich in Frankreich gegen Ende des 15. Jh. ein. Von Leoparden ist bekannt, daß sie sich zwar zähmen, aber kaum bei der Jagd verwenden lassen. Im lateinischen Text des Moamin wird auch vom kleinen Leoparden gesprochen, was wohl auch auf den Geparden hindeutet. Bereits im Altertum waren Geparden als Jagdleoparden bekannt. Ihre Jagdmethode wandte man nach Abrichtung zur Antilopenjagd an.
Die Sauhatz erfreute sich ebenfalls großer Beliebtheit. Das Wildschwein wurde mit Windhunden (zu Pferde) und Bracken (Fußjagd) gehetzt und gestellt, das gestellte Tier dann mit dem Sauspieß/Saufeder erlegt (CM, Tafel 74). Zum Stellen des Wildes wurden auch oft schwere Kampfhunde eingesetzt (TRH, Monatsbild Dezember).
Die Jagd auf den Bären galt als sehr gefährlich. Sie wurde unberitten und mit dem Spieß ausgeführt (CM, Tafel 105), meist noch mit Hilfe eines Hetzhundes und spezieller "Bärenhunde" (Doggen, Wolfshunde u. ä.).
Es wurde auch häufig auf die sogenannte "deutsche Art" gejagt und das eingestellte Jagen durchgeführt. Ein Teil des Waldes wurde mit Netzen und Tüchern umstellt, und das Wild wurde dann den Jägern zugetrieben, die es entweder fingen oder erlegten.


3 Jagbares Wild


3.1 Wildwiederkäuer

Der Auerochse (Ur) lebte im MA herdenweise in deutschen Flußniederungen und lichten Waldlandschaften. In östlicheren Gebieten kamen auch Wisente (Bisons) vor. In der Schweiz gab es beispielsweise um das Jahr 1000 noch so viele Urrinder, daß sie in der Wildbretliste der Benedictiones ad mensas des St. Galler Mönches Ekkehart IV (ca. 980 -1060) zusammen mit Hasen, Murmeltier, Reh, Gemse, Steinbock und Wisent Aufnahme fanden. In Europa verschwand der Ur im Laufe des MA, angefangen vom Westen und Süden aus, fortschreitend nach Osten und Norden, bis 1627 die letzte Urkuh in Polen starb. Abt Rumpler von Vorbach spricht gegen Ende des 15. Jh. von Uren im Neuenburger Wald in Niederbayern, und im Jahre 1501 hat Maximilian I fünf lebende Ure öffentlich in Nürnberg ausgestellt, demnach könnte es selbst im Spätmittelalter in den Auen des oberen Rheintales noch Ure gegeben haben.
Auch Elche kamen neben dem Ur in Weich- oder Laubholzgebieten vor.
Dem Rothirsch galt sowohl in prähistorischer Zeit als auch im Mittelalter das Hauptinteresse bei der Jagd, wobei osteometrische Untersuchungen vermuten lassen, daß die Tiere größer als die rezente Art waren.
Den Knochenfunden nach zu schließen kam dem Reh als Jagdtier keine große Bedeutung zu. Als Fleischlieferant war es sicher genauso beliebt wie Hirsch oder Wildschwein, aber es kam viel seltener vor. Gründe dafür sind in der weitgehenden Bewaldung Mitteleuropas, der großen Konkurrenz des Hirsches und in den zahlreichen natürlichen Feinden zu suchen. In den schon im MA verheideten Blößen und "Räumden" des Hannoverschen Wendlandes konnten dagegen Rehknochen fast so häufig wie Hirschfunde dokumentiert werden.
Gemsen und Steinböcke gehörten in den alpinen Regionen ebenfalls zum Jagdwild, diese Wildwiederkäuer waren im MA anscheinend deutlich größer als die rezenten Arten.


3.2 Wildschweine

Wildschweine waren nach dem Rothirsch die beliebtesten Wildbretlieferanten. Der Lebensraum des Wildschweines war im MA nicht so eingeengt wie heute. Aus diesem Grund waren Wildschweine damals größer und gedrungener als die heutigen Exemplare. Wildschweine wurden häufig auch deshalb bejagt, weil sie eine große "Landplage" waren. Durch große Treibjagden wurde versucht, die Zahl der Wildschweine zu verringern.


3.3 Braunbär

Bärendarstellung, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Bärendarstellung, Aberdeen Bestiary, 13. Jh.
Der Braunbär war in ganz Mitteleuropa verbreitet und kann deshalb häufig in Knochenfunden nachgewiesen werden. Er wurde häufig bejagt, um Schäden an Viehherden zu vermeiden. Die Jagd auf den Bären nahm im Mittelalter eine eigenartige Zwitterstellung ein. Einerseits rechnete der Bär zum Hochwild, das nur von besonderen Bevorrechteten gejagt werden durfte. In einigen fürstlichen Wildparks waren sogar besondere Gehege für Schwarzwild (Bären und Wildschweine) eingerichtet, um die wohl schon seltener gewordenen Bären für Jagden, die wie turnierähnliche Schauspiele veranstaltet wurden, zur Verfügung zu haben.
Andererseits geht aus verschiedenen mittelalterlichen Rechtsbüchern und Geschichtsbüchern hervor, daß die gesamte Bevölkerung eines bestimmten Gebietes, d.h. also auch die sonst nicht jagdberechtigten Bauern, zur Jagd auf Bär und Wolf verpflichtet war.
Die starke Bejagung des Bären wie auch die immer stärker werdende Einengung seines Lebensbereiches durch die während der Zeit des Landausbaus erfolgten Rodungen müssen im MA dazu geführt haben, daß der Bär in einigen Gegenden recht selten geworden war. Nach den Knochenfunden ergibt sich ebenfalls, daß das Verbreitungsgebiet des Bären schon im MA gewisse Lücken aufwies. Als Folge davon erließ beispielsweise König Arnulf im Jahre 890 eine Beschränkung der Bären-Jagdzeit vom 1. September bis 11. November und schuf damit die älteste Schonzeitvorschrift.


3.4 Wolf

Wölfe wurden wegen ihres Pelzes gejagt, in manchen Regionen wurden sie zum Schutz der Einwohner und aus Sorge um den Wildbestand regelrecht verfolgt (s. o.). Karl der Große verpflichtete seine Ritter nicht nur zur Hatz auf die heidnischen Sachsen, sondern auch auf die Wölfe. Erstmals hörte man nun von organisierten Wolfsjagden. Für sie wurden besonders große Hunderassen gezüchtet, so der berühmte und bald an allen Höfen Europas verbreitete irische Wolfshund.


3.5 Fuchs

Füchse wurden vermutlich nicht wegen ihres Fleisches, sondern wegen ihres Felles und/oder zum Schutz des Hausgeflügels erlegt. Fuchsfett wurde als Wundermittel und als Bestandteil von Arzneien verwendet.


3.6 Wildkatze

Der Bestand der Wildkatze war im MA schon stark zurückgegangen. Sie wurde wohl meist wegen ihres Pelzes erlegt.


3.7 Dachs

Dachse wurden ebenfalls hauptsächlich wegen ihres Felles gejagt. Außerdem spielte der Dachs als ein Tier, dem zauberabwehrende Kräfte innewohnen, eine Rolle. Pfoten, Fell und Fleisch des Tieres dienten in vielfältiger Gebrauchsform zur Abwehr von Gefahren. Dachsfett fand ebenfalls in Medikamenten Verwendung.


3.8 Hase

Knochen von Hasen werden selten gefunden. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß der Hase, der offene, trockene Landschaften bevorzugt, in den größeren zusammenhängenden Waldlandschaften des Mittelalters keinen optimalen Lebensraum fand. Die Umweltbedingungen für den Hasen verbesserten sich mit der bevölkerungswachstums-bedingten fortschreitenden Waldrodung.
(Kaninchen siehe unter Hauskaninchen)


3.9 Biber

Biber waren bis zum Beginn der Neuzeit in Europa weit verbreitet und gehörten auch im MA wegen des Pelzes und des Fleisches zum beliebten Jagdwild. Der Biber gewann als vermeintlicher Kaltblüter vor allem in der Fastenzeit Bedeutung für die Nahrungsversorgung (der Biberschwanz wird zum Beispiel im Livre des simples médecines wie ein Fischschwanz, also mit Schuppen, dargestellt). Biberfett und Bibergeil (Castoreum, moschusähnliches Präputialdrüsensekret) wurden in der Medizin verwendet.


3.10 Marder

Baummarder wurden wegen ihres Pelzes gejagt, gleiches gilt für den Iltis. Außerdem wurden sie natürlich als "Hühnerdiebe" gejagt.


3.11 Wildvögel

Zu den bejagten Wildvögeln zählen Auerhühner, Großtrappe, Ringeltauben, Wildente, Wildgans, Fasan, Rebhuhn, Schnepfe, Fischreiher, Störche, Wachteln. Außerdem wurden auch Raben, Krähe, Dohle, Rohrdommel, Kormoran, Elster und viele mehr bejagt und verzehrt, wie aus archäologischen Studien und überlieferten Kochrezepten hervorgeht. Vögel wurden in der Beizjagd, mit Pfeil und Bogen oder der Armbrust erlegt (eine solche Abbildung findet sich in Tafel 127 des Codex Manesse), oder auch mit Hilfe von Netzen gefangen.


4 Bestiarien und Kuriositäten

Bestiarien waren Bücher, in denen Tieren bestimmte Eigenschaften zugewiesen wurden, die man in Beziehung zu den bekanntesten biblischen Gestalten und typischen menschlichen Verhaltensweisen setzte. Die Bestiarien des MA basieren auf religiös-allegorischen Traktaten über Tiere wie den "Physiologos", ein Buch mit Naturbeschreibungen, das wahrscheinlich im 2. Jh. in Alexandria entstand. Der Physiologus wurde im 4. Jh. vom Griechischen ins Lateinische übersetzt und erfuhr zahlreiche Bearbeitungen. Der heilige Isidor, Bischof von Sevilla, erweiterte es im 7. Jh., indem er den 74 Geschöpfen der Handschrift fünf weitere Tiere und ein Fabelwesen hinzufügte: Wolf, Steinbock, Hund, Krokodil, Eule und Drachen. Die Bestiarien gehörten zu den beliebtesten Büchern im mittelalterlichen Europa und wurden auch als Lehrbuch benutzt. Die erste deutsche Fassung entstand im Kloster Hirsau im 11. Jh. Weitere bedeutende Bestiarien stammen von Philipp von Thaon (12. Jh.) und Guillaume le Clerc (13. Jh.).

In den Bestiarien werden auch zahlreiche Fabelwesen beschrieben, z. B. das Einhorn der Basislisk oder der Phönix.
Die Beschreibungen der Tiere und ihrer Eigenschaften sind sehr interessant. So wird beispielsweise beschrieben, daß Bären ihre Jungen durch das Maul gebären, indem sie rote Fleischmassen erbrechen, aus denen sie dann durch Belecken ihre Jungen "formen". Vom Biber wird berichtet (der hauptsächlich wegen des "Bibergeils" verfolgt wurde), daß er, wenn er bejagt wird, seine Hoden abbeißt, um der Nachstellung zu entgehen. Wird er danach noch ein zweites Mal bejagt, so präsentiert er den Jägern seine "nackte" Unterseite und signalisiert so, daß die Bejagung sinnlos ist.
Die Haltung und Zurschaustellung von exotischen Wildtieren in besonderen Gehegen, die als Ménagerien bezeichnet wurden, diente Repräsentationszwecken und war an den europäischen Fürstenhöfen sehr beliebt. Friedrich II. führte neben seinen wertvollen Pferden, Jagdhunde und Greifvögeln auch allerhand exotische Tiere in seinem Hofstaat stets mit sich. Kostbare Tiere (exotische Tiere, besonders wertvolle Jagd- oder Zuchttiere) wurden häufig als besondere Gunstbezeugung oder als Prunkgeschenke vergeben.


5 Quellen

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Parkstone, Bournemouth

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