Edle Tuche für den Fürsten

Autor: Andrea Wagner  Profil   Nachricht Bitte einloggen, um Andrea Wagner eine Nachricht zu schreiben.
Inhalt
1 Die Rekonstruktion hallstattzeitlicher Textilien
1.1 Schnelles Handeln
1.2 Materialvielfalt und ihre Probleme
1.3 Färben und Spinnen
1.4 Weben

1 Die Rekonstruktion hallstattzeitlicher Textilien

So sah vermutlich das Innere der Grabkammer aus, als sie von den Kelten verschlossen wurde - der Tote sowie die Grabbeigaben waren sorgfältig in kostbare Stoffe gewickelt}}
Bereits bei der Öffnung des Grabhügels in Hochdorf bot sich den Archäologen eine derzeit einzigartige Situation und Chance: in dem abgeschlossenen Milieu der Grabkammer hatten sich zahllose Textilien erhalten. Dies bot nicht nur erstmals die Gelegenheit, unterschiedliche Gewebe der späten Hallstattzeit intensiv zu studieren, sondern auch es war auch zum ersten Mal möglich, die Art der Verwendung und die Bedeutung der Textilien in einem frühkeltischen Fürstengrab zu rekonstruieren.


1.1 Schnelles Handeln

Gerade diese Auswertung musste besonders schnell nach der Bergung erfolgen, da die Gewebereste, sobald sie der Luft und dem Licht ausgesetzt werden, schnell zerfallen. Aber die Untersuchung von Geweberesten ist auch sehr aufwendig und so gab es „in dem Grab kein anderes Fundmaterial, bei dem die Bestimmung der Rohstoffe und die archäologische Auswertung so schwierig und langwierig war. Allein die technische Untersuchung der Gewebefragmente zahm zwei Jahre in Anspruch.“


1.2 Materialvielfalt und ihre Probleme

Beeindruckend ist die Vielzahl der Materialien, die die Kelten zur Herstellung von Stoffen, Polsterelementen und Borten verwendet haben. So wurden neben Flachs und Schafwolle auch Dachs- und Pferdehaar sowie Hanfbast verarbeitet. Die Biologin Udelgard Körber-Grohne „konnte durch die Bestimmung der biologischen Proben in beeindruckender Weise belegen, welche Vielzahl an Materialien von den frühen Kelten zu Stoffen und Polsterelementen verarbeitet wurden.“ Dr. Johanna Banck-Burgess, Archäologin mit Schwerpunkt Textilforschung, war im wesentlichen an der Rekonstruktion der Textilien beteiligt. Dabei war die Endherstellung der Textilien, d.h. das Weben noch der leichteste Teil. Probleme hingegen lagen in der Beschaffung der Materialien. „Als wir von den Gewebefunden Rekonstruktionen anfertigen ließen, verfolgten wir zwei Ziele: Zum einen sollten die nachgewebten Tücher den Besuchern des Keltenmuseums einen Eindruck von den Textilien in der Grabkammer vermitteln. Zum anderen half die Arbeit an den Rekonstruktionen bei der technischen Analyse der Originalgewebe. Vor allem bei den Brettchengeweben brachten die Rekonstruktionen Klarheit über den technischen Aufbau bzw. die Herstellungstechnik.“ Leider war es schon zu Beginn der Arbeiten klar, dass aus Kostengründen nie das komplette textile Inventar der Grabkammer rekonstruiert werden konnte. So musste man sich auf besonders repräsentative Exemplare beschränken, die einmal die Funktion und Lage der Textilien in der Kammer zeigten und dazu noch stellvertretend einen Eindruck von der hohen Qualität der Tuche vermittelten.


1.3 Färben und Spinnen

Nach der Faserbeschaffung war auch das Färben ein wesentlicher Bestandteil der Textilherstellung. Im Fürstengrab konnten verschiedenste Farbstoffe nachgewiesen werden, v.a. die Farben rot und blau waren dominierend. Gerade aber diese Farben waren damals wie heute gar nicht so einfach in ihrer Gewinnung. Bestimmte Farbstoffe mussten für die Rekonstruktionen beschafft werden, wie etwa die Cermes vermilio, eine Schildlaus-Art, die roten Farbstoff liefert und die heute zu den bedrohten Tierarten zählt. Sie kommt auch heute nur im mediterranen Raum vor. „Der Lebensraum von ‚Kermes vermilio’ legte die Vermutung nahe, daß die roten Gewebe von Hochdorf aus dem mediterranen Raum stamen. Die herstellungstechnischen Merkmale und das Material (Dachsgewebe) zeigen jedoch, daß die Stoffe aus der einheimischen Produktion hervorgingen. Demnach muß der Farbstoff, die ‚Kermes vermilioÂ’ aus dem Süden eingeführt worden sein.“ Auch das Indigoblau aus dem Färberwaid zu gewinnen, benötigt etliche Versuche. „Waid ist eine Steppenpflanze, die vorwiegend in Südosteuropa und Westasien vorkommt.“ Es wird vermutet, „daß der Färberwaid zusammen mit dem Hanf im 6./5. Jahrhundert v. Chr. Aus dem Osten kommend entlang der Donau nach Mitteleuropa gelangte.“
Ein weiteres Problem war das Spinnen webfähiger Garne. Einmal mussten bei besonderen Fasern Kompromisse geschlossen werden - Dachshaar in solchen Mengen zu bekommen, dass es ein fertiges Stück ergibt, war zu teuer. Aber auch die gleichen Garnstärken wie damals als handgesponnenes Material zu einem annehmbaren Preis zu bekommen, ließ die Forscher auf nepalesische Wollgarne zurückgreifen. Hinzu kam noch, dass die feinste Garnstärke beim Weben ständig riss. „Handgesponnenes Garn konnte deshalb nur für einige Proben von Brettchengeweben verwendet werden. Für den Rest der Nachbildungen […] wurde maschinengesponnenes Garn verwendet.“


1.4 Weben

Wie auch bei der Rekonstruktion anderer Gegenstände aus dem Grab, wurde auch bei der Herstellung der Textilien auf traditionelles Gerät zurückgegriffen. Zum Weben der Tuche wurde der Gewichtwebstuhl benutzt. „Der senkrecht stehende Gewichtswebstuhl, den man heute zum Nachahmen alter Gewebe verwendet, ist das Forschungsergebnis zahlreicher Generationen, die sich mit der experimentellen Archäologie beschäftigt haben.“ In Hochdorf selbst fand man keine Überreste solcher Webstühle, aber deuten Webgruben, in welche die Gewichte hinabringen auf eine Verwendung solcher Geräte hin. Wer jetzt einfache Webstrukturen erwartet, liegt vollkommen falsch! In dem Grab finden sich vorwiegend Köpergewebe, die man nur an mehrschäftigen Webstühlen herstellen kann. Die Bänder, die die Tuche zierten, entstanden in der Brettchenwebtechnik, die auch heute noch nicht voll mechanisiert werden kann. Auch sie weisen komplizierte Herstellungsmethoden auf. Die Fundstücke aus Hochdorf zählen zu den ältesten Brettchengeweben Mitteleuropas.
„In der Grabkammer waren gemusterte Brettchengewebe an die Stoffe des Wandbehangs angenäht, in breiterer Ausführung an die sehr feinen Köpergewebe vom Kessel angenäht oder angewebt und als Randzier an das rote Grabtuch und die blau-rot karierten Prachttücher angewebt, die den Toten einhüllten. Ein weiteres Brettchengewebe ist vom Wagen belegt.“ Alle Gewebe haben verschiedene Musterungen und weisen verschiedene Herstellungstechniken auf, aber lassen sich dennoch als Produkt einer einzigen Werkstatt ausweisen. Als eines der beeindruckendsten Werke wurde das Köpergewebe vom Kessel rekonstruiert. Das 6cm breite Brettchenband bildet den angewebten Rand des am Gewichtwebstuhl hergestellten Diamantköpers. Erst durch das Nachweben war eine möglichst vollständige herstellungstechnische Analyse vieler Gewebe möglich. Am beeindruckendsten sind aber die feinen Garnstärken.
„Versuche, die gleichen Garne zu spinnen und die gleichen Tuche zu weben, haben uns gelehrt, welches Wissen und welche Erfahrung zur Herstellung dieser Textilien erforderlich sind. Gleichzeitig haben uns die Experimente gezeigt, daß wir noch ganz am Anfang stehen und nur Teile dieses komplexen Wissens verstehen.“

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