Die Hanse und Westfalen

Autor: TV2 Robot   Nachricht
Hanse meint einen Zusammenschluß von reisenden Kaufleuten, daher wird die Hanse im Ursprung heute auch als "Kaufmannshanse" bezeichnet, richtiger wäre wohl der Plural "Hansen" im Unterschied zur späteren "Städtehanse", die ein Bündnis der Städte bezeichnet, aus denen die Kaufleute stammen.
Die Entwicklung der Hanse ist eng mit der Geschichte Lübecks verbunden. Von hier aus, aber auch aus westfälischen und sächsischen Städten, gingen die Kaufleute auf Reisen, die 1161 die erste Genossenschaft der Gotland besuchenden deutschen Kaufleute in Visby gründeten, die heute als Ursprung der Hanse angesehen wird. Lübeck hatte auch in der weiteren Entwicklung der Hanse eine führende Rolle inne. Dem sogenannten Wendischen Bund, der als Keim der Städtehanse betrachtet wird, gehärten 1280 neben Lübeck auch Wismar, Rostock und Stralsund an, deren indirekte Beziehung zum westfälischen Raum gleich zur Sprache kommt.
Die Lübecker Kaufleute seien verwandtschaftlich mit den Kaufmannsfamilien in Westfalen und am Niederrhein verbunden (nach [1]). Für die bekannte lübische Kaufmannsfamilie Veckinchusen ist dies demnach auch belegt. Ähnliches soll auch für die weiteren Städtegründungen an der Ostsee gelten, bis hin nach Elbing, das im Zuge der "Ostkolonisation" in Verbindung mit dem Deutschen Orden entstand [vergl. auch die Wanderungsbewegung westfälischer und flandrischer Siedler in das (ehem.) Slavengebiet Mecklenburg und Pommern im 12. Jh. und das "Ordensland" (13. Jh.)].
Die Stadtbilder der Neugründungen sollen in geordneter Form das funktionelle Prinzip der alten, gewachsenen, westfälischen Städte wiedergeben. Die erste der "Neuen", Lübeck, erhält 1159 Soester (sprich: so:ster) Stadtrecht. Rostock (1218), Stralsund, Wismar und Elbing (1240) erhalten dann das Recht von Lübeck. Als die Gründer der Stadt Memel, der Deutsche Orden und ein Bischof, die Dortmunder 1250 bitten, ihnen einmal ihr Stadtrecht zu übersenden, weil sie etwas Vergleichbares Memel verleihen wollen, stellen die Dortmunder Bürger fest, daß sie gar kein Stadtrecht besitzen. Dortmund, als Siedlung an einem karolingischen Känigshof entstanden, ist so alt, daß es einfach noch nicht "modern" war, gleich ganze Stadtrechte zu verleihen und so machten sich die Dortmunder nun zum ersten mal daran ihre ganzen käniglichen Privilegien auf ein Pergament zu bringen. Das gute Stück ist erhalten und wird in Ausstellungen auch gerne vorgezeigt. Es enthält immerhin so wichtige Punkte wie Münzrecht, Gerichtsbarkeit, städtische Grund- und Vermägensteuer und auch Maße und Gewichte. Die Zollfreiheit im ganzen Reich sei noch nach einem Privileg aus dem Jahre 1236 genannt.
Die westfälischen Städte agieren lange unabhängig von der Hanse als Städtehanse. Bernd Fischer spricht auch für Westfalen von "mächtigen Kaufmannshansen" und solche Hansen sind auch für Dormund und Soest belegt. Die durch den Niedergang des Stauferreiches und die damit verbundenen Unsicherheit notwendigen Bündnissysteme der Städte lassen sich dann auch hier finden. Zunächst, 1246 in einem Zusammenschluß von Münster, Osnabrück und Minden. Münster vereinigte sich 1253 dann mit einem älteren Bund von Dortmund, Soest und Lippstadt, dem sich 1268 Osnabrück anschloß.
Obwohl Lübeck schon 1280 die Zustimmung zu Beschlüßen auch bei diesem "Westfälischen Bund" einholt, bleibt dieser noch etliche Zeit de Facto so neben der Hanse, als dem Wendischen Bund, bestehen. Nach dem Zusammengehen als (Städte-)Hanse, der wohl auch in Bezug zu dem vermehrten England- und Flandernhandel der Ostseestädte zu sehen ist, den zuvor überwiegend die Westfalen als ihr Gebiet betrachten konnten, hat Dortmund im 14. Jh. hier zunächst die Führungsrolle im westfälisch-preußischen Drittel der Hanse inne, die es allerdings später an das rheinische Käln verliert. Dies, wie man vermutet, durch den wirtschaftlichen Einbruch, der durch Fehden verursacht wurde, an denen auch die Erzbischäfe von Käln ihren Anteil hatten.
Bei so viel "westfälischer Gemeinsamkeit" verwundert es kaum, daß im gesamten Gebiet der Hanse eine Sprache, das Mittelniederdeutsche, gesprochen wurde. Der wirtschaftlich mit entscheidende Handel mit Flandern wurde daher auch dadurch erleichtert, daß die dort gebräuchliche Sprache für die Kaufleute im Grunde nur einen "Dialekt" darstellte. Und selbst noch heute ist es recht einfach für jemanden, der Niederdeutsch (Platt) spricht, Niederländisch oder auch Flämisch zu verstehen.
Nun, was gab es denn da auf Niederdeutsch so zu verhandeln? Exportiert wurden vor allem Leinen- und Wolltuche aus Osnabrück, Tuch auch aus Dortmund, das ebenfalls als Bierlieferant gilt und für Scherenhandel steht. Importiert werden hochwertige Tuche und Metallwaren aus Flandern, über das auch Gewürz- und Wein-, ja sogar Südfrüchtehandel laufen. Als Rohstoff läßt sich hier englische Wolle beschaffen. Wolltuche kauft man in England. Deutsche Weine kännen über Käln bezogen werden und von dort stellt der Rhein den Anfang einer wichtige Verbindung in den Süden bis nach Venedig dar und damit zu dessen wichtigem Markt für Gewürze und kostbare Seiden- und Brokatstoffe aus dem Orient. Salz kommt aus dem Süden oder aber aus der Hansestadt Lüneburg. Ãœber die Ostsee läuft ein reger Handel mit Stockfisch und gepäkeltem Hering aus Skandinavien, beide als Fastenspeise für die Christen von Bedeutung, aus Schweden wird auch Roheisen und Kupfer bezogen, wertvolle Pelze, Honig und Bienenwachs kommen aus Novgorod und Bernstein sowie Kupfer aus dem Ordensland.
Wer sich ein Bild von westfälischen Hasestädten machen will, kann einmal nach Münster fahren. Der Prinzipalmarkt, als Ausgangspunkt der dortigen Kaufmannssiedlung, ist leicht historisierend oder vereinfachend, mit dem Rathaus (1335) nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut worden. Gleiches gilt auch für die dortigen Hallenkirchen und den nahen Dom. Hallenkirchen wurden übrigens auch zu so einer Art westfälischem Exportschlager und finden sich denn später in der Backsteingotik an der Ostsee wieder.
Wer lieber originale Gemäuer sehen will, sollte auf Einzelstücke in Osnabrück zurückgreifen. Die Stadt liegt heute zwar im Bundesland Niedersachsen, wie oben gesehen ist sie aber historisch eng mit den anderen westfälischen Städten verbunden. "Hanse" gucken in der alten Reichsstadt Dortmund erfordert schon etwas mehr Abstraktionsvermägen, geht allerdings auch von zu Hause aus bereits ganz gut. Der Stadtkern bis zu den Wällen hat sich seinen mittelalterlichen Straßenverlauf recht gut erhalten. Die alte Handelsstraße des Hellwegs, heute Fußgängerzone, trägt immer noch diesen Namen. Ãœbrigens ist ein Stadtplan von Dortmund, auch ein historischer, im weitverbreiteten Dierke-Weltatlas zu finden. Am Ort der Historie sind es überwiegend die (wiederaufgebauten) Kirchen, die noch etwas vom Mittelalter spüren lassen. Ihr altes Rathaus haben die Dortmunder in den 1950er Jahren abgerissen. Da es sich wohl um das älteste gotische Rathaus, immerhin von 1240, handelte, darf man hier wohl einer Generation fehlendes Geschichtsbewußtsein bescheinigen.
Dafür kann in der alten Kaufmannskirche St. Marien eine spätmittelalterliche Malerei (um 1400) des Konrad von Soest bewundert werden, die in kaum einem kunsthistorischen Werk zu dieser Zeit fehlt. Die Stadt, deren Namen sich der Dortmunder Maler zulegte, war im Mittelalter gleichfalls ein bedeutender Handelsort. Soest liegt recht nett in der Landschaft der Soester Bärde. Wer es "romantisch" liebt, dem sei von allen alten westfälischen Städten dieses "heimliche Herz" besonders an selbiges unheimlich geraten. Die alten Wallanlagen sind baumbestanden und im Stadtbild hat sich viel mittelalterliches erhalten.
Neben diesen "großen" gab es noch eine Vielzahl von kleineren und oft auch jüngeren Städten in Westfalen, die zeitweilig der Hanse angehärten, auf deren Aufzählung ich aber wegen der wirklich großen Zahl, hier verzichten mächte. 53 habe ich flüchtig in den Listen der unten angeführten Publikationen gezählt, bei 198 Hansestädten insgesamt immerhin ein Anteil von 27% in Westfalen. Offenbar war es zumindest im 15. Jh. ein "muß" der Hanse anzugehären, wollte eine Stadt etwas auf sich halten.
Literatur

  1. Dieter Zimmerling:
    Die Hanse - Handelsmacht im Zeichen der Kogge,
    Düsseldorf, 1976
  2. Bernd Fischer:
    Hanse-Städte - Geschichte und Kultur,
    Käln, 1981
  3. Ferdinand Seibt, Ulrich Borsdorf, Heinrich Theodor Grütter (Hrsg.):
    Transit Brügge - Novgorod - Eine Straße durch die Europäische Geschichte(*),
    Bottrop und Essen 1997.
  4. Meint die alte Ost-West-Handelsstraße zwischen diesen beiden Extrempunkten, die in Westfalen Hellweg genannt wurde und deren Verlauf sich in Deutschland noch heute als "B1" nachvollziehen läßt.


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