1 Brettchenweben
1.1 allgemeine Informationen
Das Brettchenweben ist eine sehr alte Handwerkstechnik, die im vorderen Orient, Afrika, Südamerika und Asien noch heute ausgeübt wird. Man kann mit dieser Technik sehr feste Bänder von einigen Millimetern bis zu ca. 30 cm Breite herstellen. Diese Bänder werden als Stoßkanten von Bekleidung, als Gürtel, als Pferdezaumzeug, als Hundeleinen und noch zu vielem anderen verwendet.
2 Die Geschichte des Brettchenwebens
2.1 Die Anfänge
Der Fund eines Knochenbrettchens aus einer jungbronzezeitlichen Schicht bei Göttingen ist nicht unbedingt ein Indiz, dass die Brettchenweberei bereits in der Bronzezeit beherrscht wurde. Einzelne Brettchen können auch zum Verdrehen von Schnüren genutzt werden. Das quadratische Brettchen hat vier Löcher und eine Seitenlänge von 3,5 cm.
Bei einigen Techniken ist es nahezu unmöglich, die Gewebestruktur von Brettchengeweben, von den Strukturen normaler ‘Gewebe’ zu unterscheiden. Lange Zeit wurde der Ramsesgürtel - aus dem 12.Jhd.v.Chr - für ein Brettchengewebe gehalten. Inzwischen gibt es genügend Beweise, dass es kein Brettchengewebe war (siehe auch Peter Collingwood: The techniques of tablet weaving).
Ich persönlich bin der Meinung, dass die Ägypter das Brettchenweben nicht beherrschten. In Ägypten wurden bei Ausgrabungen weder Zubehör zum Brettchenweben gefunden, noch ist auf den Wandmalereien die Herstellung eines Brettchengewebes oder ähnliches abgebildet.
Das älteste europäische Brettchengewebe stammt aus einem Grab der villanovazeitlichen Nekropole Sasso di Fubara in Italien aus dem 8.Jhd.v.Chr. Ein schmales Band mit fünf verschiedenen Musterzonen in Längsrichtung, die von Zonen mit einfachen Brettchenschnüren begrenzt werden.
Die äußersten Brettchenschnüre sind rot, die innenliegenden braun. Laut Untersuchungen von Furabara Masurel, die er 1992 veröffentlichte, wurden dreieckige Brettchen verwendet. Das Muster wird durch Kett- und Schussfäden gebildet. Die Schussfäden erscheinen so an der Oberfläche, dass sie ein Motiv bilden (sogenannte Broschiertechnik)
In einem Grab aus El Cigarralejo in Spanien wurde am Anfang des 4.Jh. v.Chr. neben einer Anfangskante in Brettchenweberei auch Brettchen aus Buchsbaumholz gefunden. Ihre Kantenlänge beträgt 3,0 bzw. 3,5 cm und sie haben 4 Löcher. (Zeichnung aus Hundt, El Cigarralejo, S. 192 Abb. 5)
2.2 Brettchenweben im antiken Griechenland
2.3 Brettchenweben in der Eisenzeit
2.3.1 Die Kelten
Auch wenn es aus der Hallstatt und La Tene Zeit im Vergleich zu späteren Zeiten nur recht wenige Textilfunde gibt, so wurden doch sehr viele brettchengewebte Fragmente gefunden.
In diesem Grab sind ungewöhnlich viele Stofffunde erhalten geblieben. Die Borten sind - nach den Pigmentfunden zu urteilen - in rot und blau hergestellt worden. Nach aktuellen Erkenntnissen waren die Kettfäden der Borten sowohl aus Pflanzenfasern (Hanfbast) als auch aus tierischen Fasern (feine Grundwolle des Dachsfells) hergestellt, wahrscheinlich wurde für jede Farbe ein anderes Material verwendet. Es wird vermutet, dass das unterschiedliche Material das Muster noch stärker hervorheben sollte. Ungewöhnlich ist auch, dass bei einigen Borten pro Brettchen nur zwei Kettfäden verwendet wurden.
Die Brettchengewebe zeigen geometrische Motive, wie gegenläufige Diagonalstrukturen, Winkelhaken, komplexere Mäandermotive, Zinnenmäanderrauten, Flechtband und bevorzugt Sonnenmotive, die zumeist von einer Raute begrenzt sind.
Die Anordnung der Motive ist unterschiedlich und zeigt nebeneinander angeordnete oder einzelne Zonen mit gereihten Motiven, die sich in regelmäßiger Abfolge wiederholen und gereihte Einzelmotive ohne randliche Begrenzung oder Musterteile in lockerer Anordnung. Die Motive lassen im starken Maße die Ãœbernahme von Mustern aus dem Süden erkennen.
Es gibt Vermutungen, dass ein Teil der Bänder etruskische Importarbeiten sind.
Erstaunlich sind die verschiedenen Webtechniken, die hier verwendet wurden. Sowohl Flottierungen, Köpertechnik und auch die Technik des Webens mit zwei Fäden pro Brettchen gibt es hier.
2.3.2 Die Zeit der Römer
In den griechisch-römischen Gebieten wurden in späterer Zeit jedoch nur wenige Funde von Brettchengewebe gemacht. Die bisherigen Funde stammen größtenteils aus punischen Gräbern bzw. aus den römischen Grenzprovinzen in Germanien und Gallien. So fand man z.B. im 2. Jh. v.Chr. viereckige Brettchen mit vier Löchern in Dejbjerg bei Jütland. Die Kantenlänge der Brettchen beträgt 4,75 x 5,5 cm und sie sind 3 mm dick.
2.3.3 Techniken
2.3.4 Der Thorsberger Prachtmantel
Nur der Mantel aus dem Vehnemoor aus dem 2. Jhd. hat eine ähnlich prächtige Borte aus Brettchengewebe. Andere aus diesem Zeitraum gefundenen Mäntel hatten schmalere Brettchengewebe mit max. 27 Brettchen.
2.4 Das Frühmittelalter
2.4.1 Die Borten aus Chelles/Frankreich
Farbpigmente verändern sich im Laufe der Jahrhunderte, so dass man über die ursprünglichen Farben nur spekulieren kann.
Ich habe die Borte des Ärmels in rot und weiß nachgewebt. Im Original hat diese Borte noch mehr Randbrettchen. Die sieben Brettchen des Musterteils sind nur mit je 2 Fäden aufgezogen, wogegen die Randbrettchen mit 4 Fäden bezogen sind.
Die Brettchen von den Bodüren sind dann mit je zwei Fäden aufgezogen, wogegen die restlichen Brettchen mit je 4 Fäden bezogen sind.
2.4.2 Die Wikinger
In Oseberg/Oslofjord wurde 1904 das Grab der norwegischen Königin Asa von Vestfold unter einem Grabhügel in erstaunlich gutem Zustand entdeckt. Der Leichnam der Königin, ihrer Dienerin und kostbarer Hausrat wurden auf Deck eines Wikingerschiffes ausgegraben.
Unter anderem wurde eine komplett aufgezogene Kette mit 52 Brettchen gefunden. Ein Zeugnis, dass die Brettchenweberei zu dieser Zeit in allen Volksschichten verbreitet war. Es ist der bisher einzige Fund einer komplett aufgezogenen Webkette.
2.4.3 Materialien
2.5 Das Hochmittelalter
Gleichzeitig wurden Brettchenwebereien für Schmuck- und Gebrauchszwecke von Angehörigen aller Stände verwendet. Aber nur die prunkvollen Borten, die sorgfältig aufbewahrt wurden, sind bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.
Hier eine Rekonstruktion des Manipel von St. Ulrich (Augsburg) aus dem 10. Jhd. n.Chr. Heidi Stolte hat das Muster anhand des Originals neu entwickelt und nachgewebt. Diese Bote vereinigt mehrere Techniken: Köpertechnik mit Umklappen der Brettchen und Broschiertechnik. Zusätzlich wurden einige Stellen noch mit einem blauen Faden bestickt.
Das Original konnte man 2001 und 2002 in der Wanderausstellung ‘Europas Mitte um 1000’ bewundern. (Die Fotos entstand im Sommer 2001 bei der Brettchenwebausstellung in Breda)
Eine der bekanntesten zeitgenössischen Abbildungen über Brettchenweberei stammt aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift (besser bekannt als Codex Manesse) auf der Tafel 94 Rost, Kirchherr zu Sarnen. Diese Abbildung ist jedoch sehr verwirrend gezeichnet.
Ich persönlich vermute, dass dem Nachtragsmaler verschiedene Bildvorlagen durcheinander geraten sind. Zudem wird der Maler bei Erstellung der Zeichnung keine direkte Abbildung einer Brettchenweberei vor Augen gehabt haben, bzw. nur eine Vorlage, die er nicht verstanden hat.
Besonders ungewöhnlich ist, dass sich der Webkamm zwischen Borte und den Sechslochbrettchen befindet. Mir ist keine Technik bekannt, in der eine Brettchenweberei in dieser Reihenfolge angeordnet ist, da es mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden ist, nach dem Drehen der Brettchen an dem Webkamm vorbeizugreifen um den Schuß mit dem Webschwert an die Borte anzuschlagen.
2.6 Weben im Spätmittelalter
2.7 Das Ende und ein neuer Anfang
Mit dem Beginn der Neuzeit stirbt die Technik der Brettchenweberei in Mitteleuropa aus. Diese Webart wurde durch die mechanischen Webtechniken verdrängt.
Nur in Island, in Russland und auf dem Balkan erhielten sich Reste der Brettchenweberei bis ins 18. und 19. Jahrhundert, aber in Mitteleuropa war dieses Handwerk ausgestorben. Die Pracht des Mittelalters wurde nie wieder erreicht.
1896 rekonstruierte Magarethe Lehmann-Filhes für Zentraleuropa die Techniken des Brettchenwebens und veröffentlichte dies in ihrem Buch ‘Ueber Brettchenweben’ 1901.
Seitdem erfreut sich die Brettchenweberei wachsender Beliebtheit.
3 Literatur
Johanna Banck-Burgess, 1999: Hochdorf IV Die Textilfunde aus dem späthallstattzeitlichen Fürstengrab
Peter Collingwood 1982, 1996: The techniques of tablet weaving
Candace Crockett, 1994: Weben mit Brettchen
Ilse Fingerlin, 1971: Gürtel des hohen und späten Mittelalters
Marga und Heribert Joliet, 1975: Brettchenweben
Kulturamt der Stadt Hanau, 1994: Kleider machen Leute - Leute machen Kleider
Katharina von Kurzynski. 1996: Und ihre Hosen nennen sie bracas
Charlotte Lenz, 1976: Brettchenweben
Magarethe Lehmann-Filhes,1901: Ueber Brettchenweben
Anastasia Pekridou-Goricki, 1989 Mode im antiken Griechenland
Karl Schlabow, 1965: Der Thorsberger Prachtmantel
Nancy Spies, 2000: Eccleastical pomp & aristrocratic circumstance
Otfried Staudigel, 2000: Der Zauber des Brettchenwebens
F. Walter (Hrsg.) 1988: Codex Manesse Die Miniaturen der
Großen Heidelberger Liederhandschrift
Experimentelle Archäologie im Museumsdorf Düppel, 1996
Tresors de Chelles: Sepultures et Reliques de la reine Bathilde et de l’abbesse Bertille