Der Bau einer Frühmittelalterlichen Lyra

Autor: Heiko Marquardt  Profil   Nachricht Bitte einloggen, um Heiko Marquardt eine Nachricht zu schreiben.
Inhalt
1 Schritt: Der Korpus
2 Schritt: Die Besaitung
3 Schritt: Stimmen und Spielen
Quelle: Die Ottonen: Kunst, Architektur, Geschichte. Michael Imhoff Verlag, 2. Auflage 2006
Quelle: Die Ottonen: Kunst, Architektur, Geschichte. Michael Imhoff Verlag, 2. Auflage 2006
In diesem Artikel möchte ich eine Anleitung geben wie mit einfachen Mitteln eine gutklingende Leier gebaut werden kann.
Meine eigene Musikalische Erfahrung beruht auf einige Jahre Kontrabass- und Gitarrespielen. Da ich gerne auf diversen Mittelalterveranstaltungen ein wenig herumklimpern wollte, kam ich auf die Idee mir eine Leier zuzulegen. Zuerst wollte ich ein Instrument kaufen, leider waren die einzigen für die Darstellung verwendbaren Instrumente nur in England zu erwerben und entsprechend kostspielig. Also blieb nur der Eigenbau. Mit einigem herumexperimentieren und vielen Tips von meinem Geigenbauer, habe ich mir dann mein erstes Instrument gebaut. Die Photos in diesem Artikel stammen von diesem allerersten Instrumentbauversuch.
Die Lyra ist ein schon in der Antike bekanntes Instrument, zahlreiche Abbildungen und einige Funde belegen die Existenz von Leiern im Frühmittelalter. Funde von Lyren gab es zum Beispiel in Sutton Ho. Als Beispiel sei hier die Abbildung von König David im Vespasianpsalter erwähnt. Ich habe mich bei dem Bau der Lyra an einer Abbildung aus dem Buch „Die Ottonen“ und eben der besagten Abbildung aus dem Vespasianpsalter orientiert. Das Ergebnis ist ein Instrument das optisch wie eine Mischung aus beiden Instrumenten aussieht.
Bevor es losgeht noch kurz ein wenig Theorie. Im Instrumentenbau wie z.B. beim Geigenbau gibt es unterschiedliche Bauformen:

  • die Massivbauweise,
  • die Halbmassivbauweise und
  • die so genannte Sperrholzbauweise

Bei der Massivbauweise wird der Klangkörper aus einem dicken Massivholzbrett ausgesägt und der Resonanzboden ausgestemmt, wobei ein ca. 5mm starker Boden belassen wird. Für die Decke wird ein 5mm starkes, Brett verwendet. Dies wäre dann auch die Authentische Bauweise. Die Sperrholzbauweise unterscheidet sich darin das für den Korpus Leimholz und Sperrholzbretter für Decke und Boden verwendet werden. Die Halbmassive Bauweise ist eine Mischung von beidem. Ich werde den in dieser Anleitung Tips für den Bau eines Sperrholzinstrumentes geben, wobei die Materialien in jedem Baumarkt besorgt werden können. So kann mit verhältnismäßig geringen Mitteln ein günstiges Einsteigerinstrument gebaut werden.

1 Schritt: Der Korpus

Material:

  • Eine Hartholzplatte (Leimholz Buche, Eiche, Ahorn) 27 mm stark
  • Ein Hartholzbrettchen (Buche, Eiche) für Steg und Saitenhalter 5 mm stark und 5 cm breit
  • Zwei Sperrholzbretter (Buche, Ahorn) für Boden und Decke 5 mm stark
  • Stichsäge
  • Raspel
  • Schleifpapier 80 - 240 er
  • Holzleim oder Knochenleim
  • Pappe (z. B. ein alter Karton)
  • Bleistift
  • Leinöl, Antikwachs, Bienenwachs oder Bohnerwachs. Wer es ganz Exklusiv (aber nicht „A“) mag kann Schellack nehmen!
  • Klemmen, Klemmen und noch mal Klemmen

evtl. einen Kasten Bier

Materialkosten ohne Bier: Für das Holz 30 Euro, für Leinöl und Schleifpapier 10 Euro.
Jetzt geht’s los: Als erstes die Abmessungen der Lyra auf die Pappe übertragen und die Schablone ausschneiden. Das arbeiten mit Schablonen ist eine gängige Praxis im Instrumentenbau. Die Abmessungen und Formen können Individuell gewählt werden. Bitte beachten: Je größer der Resonanzraum im Verhältnis zur Gesamtgröße ist, desto lauter und voller klingt das fertige Instrument. Mit Hilfe der Schablone wird die Lyraform auf die Hartholzplatte (in diesem Fall Buchenleimholz) übertragen.

Schablone

Schablone
Ãœbertragen auf das Holz

Ãœbertragen auf das Holz

Die Lyraform mit einer guten Stichsäge aussägen.

Ausgesägtes Werkstück

Ausgesägtes Werkstück

Nun im inneren des Korpus die gröbsten Wellen und Katschen beifeilen und schleifen. Nicht vergessen am unteren Bereich des Korpus (da wo die Verdickung ist) von aussen mittig anzuzeichnen. Dort wird später ein Loch gebohrt! Den Korpus als Schablone für die Sperrholzbretter verwenden und die Aussenmasse, für Boden und Decke anzeichnen. Boden und Decke ausschneiden.

Sperrholzplatten für den Korpus

Sperrholzplatten für den Korpus

Nun zuerst den Boden aufleimen, mit Klammern fixieren und trocknen lassen. Dann das Handloch aussägen. Danach die Decke aufleimen und fixieren. Anschließend wieder das Handloch aussägen.
Während der Leim trocknet kann man einen Kasten Bier leeren oder den Steg und den Saitenhalter auf das Brettchen zeichnen und aussägen. Anschließend wird der Steg und Saitenhalter mit Raspel und Schleifpapier in Form gebracht.

Korpus mit ausgesägten Handlöchern

Korpus mit ausgesägten Handlöchern

Steg

Steg

Der fertige Korpus kann nun an den Seiten und im Handloch geraspelt und geschliffen werden. Die Decke und der Boden werden auch schön glatt geschliffen. Wohl dem der einen Bandschleifer hat, jeder andere so wie ich wird ein paar gute Blasen bekommen. Wer möchte und entsprechend talentiert ist, kann die Decke noch mit Schnitzereien versehen. Anschließend den Korpus mit Leinöl und Antikwachs oder Bohnerwachs behandeln.
Anschließend sollten die Teile so aussehen:

Fertiger Korpus

Fertiger Korpus


2 Schritt: Die Besaitung

Material:

  • Ein Buchenrundholz 100 mm x 10 mm
  • Rohhautstreifen (ca. 10 mm breit und 5 cm lang)
  • Gitarrensaiten, aus Nylon oder Darm, für die Konzertgitarre: 2 x G- Saite, 2x H Saite und 2 x hohe E Saite.
  • Stimmwirbel (Buchsbaumstimmwirbel für Geige, Zitherstimmwirbel oder Selbstbau)
  • Holzleim
  • Bohrmaschine am besten Standbohrmaschine
  • Holzbohrer 10 mm und kleine Bohrer (2mm und 5 mm)
  • Rundfeile (ohne Griff) die zum ende hin konisch wird

Nun geht’s weiter:
Im unteren Bereich des Korpus ein Loch mit 10 mm Durchmesser Bohren und einen 5 cm langes Rundholz einleimen. In den Saitenhalter werden im schmalen bereich 2 Löcher a 10 mm und im breiten Bereich 6 Löcher mit 2 mm Durchmesser gebohrt. Nun kann der Saitenhalter mit dem Rohhautstreifen an das Rundholz, am besten mit einem Fischerknoten, geknotet werden.

Rohhaut am Saitenhalter

Rohhaut am Saitenhalter

Fischerknoten

Fischerknoten

Nun können im oberen Teil der Lyra die Löcher für die Stimmwirbel gebohrt werden. Je nach dem welche Art von Stimmwirbeln man nimmt geht man unterschiedlich vor.
Geigenstimmwirbel: Dies ist die teuerste Methode, die Stimmwirbel haben so viel wie das ganze Material für die Lyra gekostet. Auf jeden fall wird ein Loch gebohrt das den Durchmesser vom Stimmwirbel hat. Anschließend die Rundfeile in die Standbohrmaschine spannen und die Löcher konisch ausfeilen. In die Stimmwirbel muss noch ein ca. 2mm großes Loch gebohrt werden.
Die Zitherstimmwirbel: Am besten 5mm Stimmwirbel nehmen und den Lochdurchmesser kleiner bohren. Mit dem passenden Stimmschlüssel ( am besten gleich mitbestellen) die Stimmwirbel in das Holz drehen. Dies ist die Stimmstabilste, aber leider auch unauthentischste Methode.
Der Selbstbauwirbel: 5 cm lange Stücke von einem 10 mm starken Hartholzrundholz abschneiden. Ein Ende von den Rundhölzern so abfeilen das das Ende ungefähr wie ein Vierkant aussieht. Wenn man jetzt noch ein Reststück von dem Brettchen, welches für Saitenhalter und Steg verwendet wurde, nimmt und dort eine Vierkantöffnung feilt, in die der Vierkant von den Stimmwirbel passt, hat man einen passenden Stimmschlüssel! Auch hier muss noch ein kleines Loch in den Wirbel gebohrt werden.
Der Abstand für die Löcher im Korpus wird so ermittelt: Die die Hand öffnen und die Finger leicht abspreizen, nun einfach den Abstand von der Mitte der Ringfingerkuppe zur Mitte der Zeigefingerkuppe messen. So weit sollten die Bohrlöcher auseinander sein.

Bohrlöcher für die Wirbel

Bohrlöcher für die Wirbel

Die Wirbel

Die Wirbel

Wenn der Rohhaustreifen trocken ist, können die Saiten eingespannt werden.
Am besten eignen sich Konzertgitarrensaiten aus Nylon oder Darm, wobei Darmsaiten recht teuer sind. Man kann auch Stahlsaiten nehmen, deren Klang ist lauter. Wer allerdings auf ein „A“ Soundverhalten Wert legt nimmt Darm oder Nylon, beides klingt auf jeden Fall annähernd gleich. Die Saiten werden im Saitenhalter und in den Stimmwirbeln wie auf den Abbildungen zu sehen ist verknotet.

Zimmermannsschlag (Quelle: Wikipedia)

Zimmermannsschlag (Quelle: Wikipedia)

Befestigung am Wirbel (Quelle: Wikipedia)

Befestigung am Wirbel (Quelle: Wikipedia)

So sollte das fertige Instrument, nach dem aufziehen der Saiten, aussehen:

Die fertige Lyra

Die fertige Lyra


3 Schritt: Stimmen und Spielen

Die Stimmung:
Folgende Stimmungen bieten sich an:
D, E, G, A, H, D
E, G, A, B, D, E
G, A, H, D, E, G
Die Spielweise: Die Saiten können gezupft werden, aber auch mit einem Plektrum wie eine Gitarre angeschlagen werden, wobei durch das abdämpfen von Saiten mit der Linken Hand und durch das klingen von nicht abgedämpften Saiten Akkorde erzeugt werden (siehe Abbildung). Einfach ausprobieren und Melodien ausdenken. Der Klang wird am Anfang eher an die Hintergrundmusik im Chinarestaurant erinnern, aber Ãœbung macht den Meister.

Viel Spaß beim Nachbauen und spielen!!!
Rock and Roll!

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