Bekleidung wurde bis in die Neuzeit größtenteils in Heimarbeit hergestellt. Das Spinnen von Wolle oder Flachs wurde von den Frauen und Kindern im Haushalt erledigt, so wie es in ländlichen Gegenden noch bis in die Neuzeit üblich war. Schon im Neolithikum wurden Fasern gefärbt, beziehungsweise die natürlichen Farbschattierungen der Materialien für Muster genutzt. Zwar beginnt die Verbreitung des Spinnrads von Italien aus zum Ende des 12. Jahrhunderts, aber die Handspindel bleibt noch lange verbreitet.
Während in der Völkerwanderungszeit die Art der Bekleidung noch, wie in der frühen Neuzeit die Bauerntrachten, Kennzeichen der "Stammes"- oder "Volks" zugehörigkeit war, wird im Laufe des Mittelalters als Folge des Wandels von der Gentil- zur Feudalgesellschaft die Kleidung der Menschen, vom Hochadel abgesehen, immer einheitlicher.
Das aufkommende Christentum hat ebenfalls einen maßgeblichen Einfluß auf die Bekleidung. Während in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung die Frauen der germanischen Stämme aufgesteckte Zopffrisuren allenfalls mit einem kleinem Haarnetz bedeckten, wird in der Völkerwanderungszeit das Haar mit Schleiern bedeckt beziehungsweise die Palla, ein mantelartiges, verhüllendes Tuch aus der mediterranen Mode übernommen. Eine Ausnahme bilden die zu offenem Haar getragenen Stirnbinden fränkischer Jungfrauen (Nachweis einer brettchengewebten Stirnbinde aus Goldfäden unter dem Kölner Dom, mutmaßliches Wisigarde- Grab)
Impulse von außerhalb werden in die Bekleidung übernommen, wie z.B.: orientalische Einflüsse auf die Bekleidung in Folge der Kreuzzüge. Im Laufe des Mittelalters kommt eine regelrechte Mode auf, die auf den Adel abgestimmt ist.
Mit dem ausgehenden Hochmittelalter werden diese Moden auch von den aufkommenden reichen Bürgerschichten in den Städten übernommen, hier kommen die ersten Kleidervorschriften für gesellschaftliche Stände auf. Randgruppen waren schon vorher durch besondere Kleidung gekennzeichnet. (Beispiel: Gelbe Judenhüte).
1 Handspindeln
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Spinnvorgang, Kleider machen Leute- Leute machen Kleider, S.: 13 |
Vor dem Spinnen ist eine Vorbereitung der Fasern anzunehmen. Hierzu ist wenig bekannt. Aus griechischen Vasenbildern läßt sich entnehmen das Wolle vor dem Verspinnen zu einem Vorfadenmaterial gedreht wurde, ähnlich unserem heutigen Kardenband. Dies wurde auf eine Spinnhilfe (Kunkel) gewickelt, später fand der heute noch bekannte Rocken Verwendung. Verschiedentlich werden langzinkige Kämme aus Bein oder Holz mit Eisenzinken als Wollkämme interpretiert. Die Verwendung von Kardendisteln zur Wollvorbereitung ist nicht geklärt, Wollkratzer mit Kardendistelköpfen dienten zum Ausrüsten fertig gewebter Wollstoffe.
Die Handspindel ist ein einfaches Gerät und schon seit dem Neolithikum bekannt. Tierische und pflanzliche Fasern lassen sich zu Fäden verspinnen, beziehungsweise einzelne Fäden zu Garn zwirnen. Nach eigener Erfahrung ist so ein gesponnener Faden zugfester als einer der mit dem Spinnrad gesponnen wurde. Auch mit Ãœbung ist der Spinnvorgang (vergleiche volkskundliche Studien) langsam. Ist der Faden ca. 1 m - 1,5 m lang, dann muß die Spindel angehalten werden um den Faden aufzuwickeln. Dieser Arbeitsgang ist bei der Arbeit mit dem Spinnrad nicht nötig. Im Mittelalter wurden neben Wolle von Schaf und Ziege verschiedene Pflanzenfasern verarbeitet. Faserhanf ist für verschiedene Gegenden nachgewiesen, aus Nessel lassen sich auch verspinnbare Fasern gewinnen. In slawischen Landstrichen war der Flachsanbau sehr verbreitet, sowohl als Faserpfanze (Leinen) wie auch als Ölpfanze. Auch verschiedene Färbepflanzen wurden angebaut. Beispiele sind Färberweid (Blau) oder Krappwurzel (Rot).
2 Webstühle
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Senkrecht- oder Islandwebstuhl, ebenda S.: 16 |
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Früher Horizontalwebstuhl, ebenda S.: 8 |
Erst für das 12. Jahrhundert sind im Ostseeraum die ersten Horizontalwebstühle nachgewiesen. Der Senkrechtwebstuhl bleibt aber in entlegenen Gebieten wie z.B. Island noch bis in die Neuzeit in Gebrauch. Mit dem Horizontalwebstuhl sind die Webbreiten auf ca. 70 cm begrenzt, dafür ist die Webleistung sehr viel größer. Auf dem Senkrechtwebstuhl lassen sich Stoffbreiten bis zu 6m erzielen. Man kann davon ausgehen, daß spezielle Stoffe auch im Hochmittelalter noch immer auf dem Senkrechtwebstuhl herstellt worden sind.
3 Brettchenweben
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Brettchenweben, schematische Darstellung, Experimentelle Archäologie im Museumsdorf Düppel, S.: 49 |
Eine besondere Textiltechnik ist das Brettchenweben. Mittels einzelner, kleiner Kärtchen aus Rohhaut, Geweih, Holz oder Metall lassen sich schmale Bänder herstellen. Jedes Kärtchen hat in der Regel vier Löcher, so daß beim Drehen vier einfache Fächer entstehen.
Nachgewiesen sind diese Bänder für viele Zwecke. Als Randabschluß für Textilien, die auf einem Senkrechtwebstuhl entstanden sind, einzelne Bänder als Bindeband oder auch als Haarband. In Kirchenschätzen haben sich einige sehr aufwendige Bänder erhalten, die als Cingulum oder Manipel (Bestandteile des Priesterornats) gedient haben. Diese Bänder sind mit Silber- und Goldfäden und Seide gewoben und zeigen den hohen handwerklichen Stand der im Mittelalter mit dieser einfachen Technik erreicht wurde.
4 Nadelbinden, Flechtweben etc.
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Detail einer, in Sprangtechnik hergestellten feinen Frauenhaube us einem dänischen Moor aus der römischen Eisenzeit. Erich Graf Oxrnstiernna; Die Nordgermanen, Tafel 45 |
Das heute beliebte Stricken kam erst im Spätmittelalter in den hiesigen Raum. Eine verbreitete Technik um kleine oder elastische Textilien wie z.B. Socken (aus York bekannt) oder Milchsiebe herzustellen war das Nadelbinden. Dies ist eine dem Häkeln ähnliche Handarbeit mit einer flachen dicken Nadel. Verwendet wird wie beim Nähen jedoch jeweils ein einzelner Faden.
Nadeln sind nach Siedlungsfunden weit verbreitet. Viele sind als Nähnadeln, auch für grobe Arbeiten, zu dick und wurden wahrscheinlich zu Knüpftechniken verwendet.
5 Nähen
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Verschiedene Geräte zur Textilherstellung als Beigaben zu verschiedenen Frauengräbern der Völkerwanderungszeit in Deutschland, Saalburg- Schriften 4: Knochenarbeit |
Anhand erhaltener Textilfragmente lassen sich Stichart und Nähtechnik nachvollziehen. Vor Verbreitung der ersten Haushaltsnähmaschinen mußte jedes Kleidungsstück mit der Hand genäht werden. Nadeln sind sowohl aus Metall (Bronze, Eisen oder sogar Silber) wie auch aus Horn, Knochen oder Geweih nachgewiesen. Zum Schutz wurden die Nadel unter anderem in Nadelröhrchen verwahrt. In vorchristlicher Zeit gab man Frauen Nähnadeln und Handarbeitszeug als Grabbeigabe mit.
6 Nacharbeiten von Bekleidung nach historischem Vorbild
Leider sind nur wenige komplette Kleidungsstücke erhalten geblieben. Bilder auf Handschriften lassen sich nur in gewissem Maße verwenden, da vielfach eine gewisse Ikonographie zur Anwendung kommt. Oft werden die Bilder älteren Handschriften nachempfunden oder bei biblischen Themen antiken Gewändern nachempfunden. Für die Völkerwanderungszeit läßt sich die Tracht an Hand der Trachtbestandteile aus Metall rekonstruieren. Da sich zum Mittelalter die Bekleidungssitten grundlegend ändern und Grabbeigaben in diesem Umfang nicht mehr vorkommen, kann man so nicht mehr auf die Art der Bekleidung schließen. Anhaltspunkte zur Nacharbeitung von historischen Trachten können zeitgenössische Texte sein. Besonderheiten in der Tracht z.B. der Nordslawen werden teilweise erwähnt. Außerdem sind auch einige Beschreibungen prunkvoller Anlässe erhalten und geben Anhaltspunkte.
Leider können wir von unseren Trachten nur sagen, daß wir uns um eine, im historischen Sinn glaubhafte Gestaltung bemüht haben. Materialien, Muster und Farben orientieren sich weitgehend an Quellen oder Befunden. Details wie z.B. die Länge der Rocksäume bei Frauenkleidern sind nach unserer Recherche und Vorstellungen entstanden.