Thema als Feed (RSS 2.0) Thema als Feed (ATOM 1.0) Ritter - bis wann?

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Eintrag #1 vom 20. Dez. 2010 23:14 Uhr David (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um David eine Nachricht zu schreiben.

nach oben / Zur Übersicht Unklarheiten

Oft hört man, dass der Ritter zu Beginn der Renaissance in der Schlacht seine Bedeutung verlor und von Fußtruppen abgelöst wurde. So habe ich mehrmals gelesen, dass Kaiser Maximilian das Turnierreiten wiederbelebte, obwohl er wusste, dass mit Rittern keine Schlachte mehr gewonnen werden können.
Andererseits gab es selbst noch zu Beginn des 30 jährigen Krieges Lanzierer, die meist adelige Reiter mit einer Lanze als Hauptwaffe und Degen, sowohl auch einer Pistole als Nebenwaffen ausgestattet waren. Starb das Rittertum also erst im 30 jährigen Krieg aus? Wenn ja - warum wird dann so oft geschrieben, dass Reiter mit Lanzen, bzw. Ritter schon um 1500 von den Schlachtfeldern verschwanden?

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Eintrag #2 vom 21. Dez. 2010 00:27 Uhr Andrej Pfeiffer-Perkuhn  Profil   Nachricht Bitte einloggen, um Andrej Pfeiffer-Perkuhn eine Nachricht zu schreiben.

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Darüber wird viel Unfug geschrieben. Maximillian hat gar nichts wiederbelebt sondern eine Tradition fortgeführt die das ganze Spätmittelalter durch zu verfolgen ist. Militärisch verloren die Ritter an Bedeutung, ab der Mitte des 15. Jahrhunderts sogar sehr drastisch, gleichzeitig waren sie kulturell sehr en Vogue. Turniere finden sich durchgehend und in den Turniergesellschaften versuchte sich der Ritterstand nach außen abzugrenzen. In der Literatur waren ebenfalls ritterliche Stoffe populär.
Gleichzeitig wandelte sich die Ritterschaft aber zunehmend zu einem Dienstadel in den Diensten von Landesherren. Wer sich nicht anpasste geriet schnell ins Hintertreffen was auch zu Aufständen wie den sogenannten Ritterkrieg 1522/23.
Auf dem Schlachtfeld wurde die Ritterschaft als Truppengattung weniger wichtig, ganz verzichten wollte man aber offenbar nicht auf berittene Truppen. Diese waren nicht mehr personell identisch mit dem Ritterstand, dieser findet sich dafür durchgehend in der Führungsebene der Truppen.
Das ritterliche Selbstverständnis, auch in Zusammenhang mit Reitertruppen findet sich letztlich bis ins 20. Jahrhundert hinein mit adligen Offizieren aus Familien in denen das als Tradition gepflegt wird.
Das Rittertum geht also weniger unter als das es sich wandelt.
Das verschwinden der Ritter passt eben zum Ende des Mittelalters und den neuen Schlachttaktiken der Frühen Neuzeit. Letztlich ist es aber eine ebenso vereinfachte und falsche Darstellung wie der angebliche Untergang der Plattenrüstungen durch Feuerwaffen.
Schöne Grüße
Andrej

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Eintrag #3 vom 21. Dez. 2010 10:58 Uhr Jens (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Jens eine Nachricht zu schreiben.

nach oben / Zur Übersicht Untergang

Das Problem mit dieser vereinfacht wie dadurch falschen, oft kolportierten Theorie ist, dass wir uns "Untergang" einfach falsch vorstellen. Das bedeutet nicht, dass es keine gepanzerten Reiter mehr gab, oder Reiter generell. Die gab es bi zum 2ten Weltkrieg. Das bedeutet auch nicht, dass der Titel "Ritter" verschwandt. Auch nicht, dass Erbadel eine wichtige Position im Militärwesen einnahm. Sondern schlicht, dass sich die Bedeutung wandelte, vom Kern des Militärs als taktische Einheit, die primär auf einem Stand ruhte, zu einem Stand, der bevorzugt an wichtigen Positionen saß. Schon bei dem Begriff "Ritter" wird es schwierig, da man das im Allgemeinen sich immer als jemand, der auf dem platten Land in seiner Burg saß, einen Titel hatte, der auf einem "Ritterschlag" beruhte, und im Bedarfsfall herausritt, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen, und dazu am Ende noch seine Bauern als Soldaten knechtete.
Das ist natürlich Unsinn, im 15ten Jahrhundert hatten sich viele landsässige Adelige bereits als den großen Städten des Umlandes im Bedarfsfalle antretende Soldaten versichert, mit dem sogenannten "Ruhegeld". Je nach politischer Situation kämpften sie dann für Städte, ihren Lehens- oder Landesherren, oder beides. Auch in den Städten waren die Anführer von Aufgebotstruppen sehr oft aus dem Adel des Umlandes rekrutiert, oder aus dem - was es ja auch gab- städtischen Adel. Hiervon konnten auch welche wiederrum einen "Ritterschlag" erfahren haben. Diese "Ritter" lebten dann weiterhin in der Stadt, hatten meist, wie viele Bürger, Besitz im Umland (durchaus weitläufigen nebst Herrensitzen), und agierten militärisch auch als solche.
Ich würde daher einfach sagen, die Ritter verschwanden nicht. Sie wandelten sich. In ihrer militärischen Rolle, im Selbstverständnis, in vielen Dingen.

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Eintrag #4 vom 22. Dez. 2010 14:31 Uhr Frank (Nachname für Gäste nicht sichtbar)   Nachricht Bitte einloggen, um Frank eine Nachricht zu schreiben.

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Ich würde gerne Jens noch ergänzen.
Der Stand der Ritter ist bis heute erhalten, und wird mehr oder weniger gepflegt. Dazu gehören nicht nur die Ritterorden, wie der Deutsche Orden, sondern auch Ritter in England, Frankreich (Ritter der Ehrenlegion) oder Holland.
Der alte Militär-Max-Joseph-Orden verlieh als Ritterkreuz einen nichterblichen Titel Ritter.
Bert van Marwijk, Trainer der holl. Fußballnationalmannschaft und Giovanni van Bronckhorst wurden dieses Jahr zum Ritter des Ordens von Oranje-Nassau geschlagen und erhielten das Ritterkreuz des Orden von Oranien-Nassau.
Genaugenommen ist auch das Bundesverdienstkreuz ein Ritterkreuz und damit eigentlich, verglichen mit anderen europäischen Staaten und Ehrenorden, ein Titel verbunden.
Im späten 19./ frühen 20. Jh. erhielt der Stand der Ritter und die Geschichte gerade durch Kaiser W.II. eine enorme Aufwertung. W.II. war ja auch Reenactor ;-)
Bitte nicht mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verwechseln.

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