1 Vorwort
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Ansteckkreuz, Mühlenberg bei Holtwische, aus Wolf- Dieter Steinmetz; Ostfalen im achten Jahrhundert |
Zur Zeit Karls des Großen (768 - 814 u. Z.) ist das heutige deutsche Staatsgebiet von unterschiedlichen Völkern und Kulturen geprägt. Durch die Veränderungen in dieser Zeit wurden neue Konstellationen geschaffen. Die Auswirkungen sind bis heute nachzuvollziehen, so daß Karl der Große von namhaften Historikern als Wegbereiter Europas bezeichnet wird.
1999 wurde in Paderborn unter dem Titel „799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit“ eine Ausstellung zum aktuellen Forschungstand gezeigt. Mit dem Katalog zu dieser Ausstellung liegt eine umfangreiche Dokumentation vor.
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Anhänger, Kneitlingen, Kreis Wolfenbüttel, aus Wolf- Dieter Steinmetz; Ostfalen im achten Jahrhundert |
Prägend für diese Zeit ist, neben den beginnenden Wikingereinfällen (793: Lindisfarne), vor allem die Christianisierung und Eingliederung der unterworfenen sächsischen Landstriche mitsamt ihren Bewohnern in das fränkische Reich.
Zur Verbreitung des Christentums werden, sowohl in der Forschung als auch in der allgemeinen Diskussion, sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Schriftliche Aufzeichnungen entstanden entweder im Umfeld Karls des Großen oder in Klöstern. Infolge dessen sind die zeitgenössischen Quellen von der Sichtweise der Autoren geprägt.
Oft sind die Handschriften mit Miniaturen und Illustrationen versehen,die Informationen zu Tracht, Bewaffnung und Sachkultur liefern.
Darstellungen biblischer Szenen sind jedoch auch antikisierend und lassen sich nur nach genauer Prüfung verwenden. Durch Bodenfunde sind die Angaben aus den Texten und Bildern teilweise überprüfbar. Die Grabbeigabensitte wird bei den (katholischen) Franken spätestens im 7. Jahrhundert aufgegeben. Es liegen nur in Ausnahmefällen Trachtbestandteile, Schmuck und Waffen als geschlossener Befund vor.
So ist beispielsweise ein Helm, der von der Form an den später verwendeten Morionhelm erinnert, zwar von Abbildungen bekannt, es liegt jedoch kein Befund vor.
Bei den Sachsen wird zum 8. Jahrhundert hin die Brandbestattungssitte aufgegeben. Für diesen Bereich sind komplette Inventare ( z. B.: Hamm-Beckum) bekannt.
Die Waffen finden sich bei Abbildungen auf Bildsteinen und Miniaturen wieder: Die Spatha, ein zweischneidiges Hiebschwert aus - vermutlich - germanischer Tradition, das einschneidige Hiebmesser (Sax), Lanzen (oft Flügellanzen), Pfeile und Bögen (Nachweis durch Pfeilspitzen). An Schutzwaffen sind Helme in verschiedenen Formen, (gewölbte) Rundschilde und „Rüstungen“ (u.a. Kettenhemden) nachgewiesen. Mit regionalen Unterschieden ist die Waffenausrüstung in Skandinavien und bei den Slawen gleich.
Während die karolingische Kunst stark von floralen Motiven und antiken Vorbildern geprägt ist, entwickelten sich in Skandinavien durch Adaption verschiedener Vorbilder einheimische Traditionen weiter. In Skandinavien und den slawischen Gebieten bleiben neben dem einheimischen Kunststil auch eigene Kleidungstraditionen erhalten und werden weiterentwickelt.
In den vormals sächsischen Gebieten werden, wie bei den Angelsachsen, mit Annahme des Christentums auch die Trachtsitten aus dem fränkischen Bereich übernommen. (Beispiel: Verbreitungsgebiet von Kreuzemailscheibenfibeln)
2 Männer- und Frauentrachten
(ausgehendes 8. Jahrhundert bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts)
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Frauen und Männer aus dem Stuttgarter Psalter, aus Kunst und Kultur der Karolingerzeit, Ausstellungskatalog |
2.1 Frauentracht
Wie in der Antike und in der Völkerwanderungszeit, sind die Zuschnitte der Kleidung sehr einfach (1). Ähnlich wie in der Antike ist das Hauptkleidungsstück ein einfaches Hemdkleid, vergleichbar mit der römischen Tunika. Das Unterkleid wurde am Hals mit ein oder zwei Fibeln geschlossen (eventuell auch mit Bindebändern). Das Oberkleid hatte einen halsfernen Ausschnitt(2). Der Zuschnitt ist weit und verhüllend, die Trageweise war nicht körperbetont.
Keile oder Geren, die einen körpernäheren Zuschnitt bei mehr Saumbreite ermöglichen sind aufgrund der zeitgenössischen Abbildungen unwahrscheinlich. Zwar werden in einer schriftlichen Quelle Keile in der (Männer-)Kleidung erwähnt (3), Abbildungen lassen jedoch einen Zuschnitt der Frauenkleider nach antiken Vorbild vermuten. Ein konischer Zuschnitt der Stoffbahnen könnte jedoch angenommen werden.
Wie durch die antike Trachtsitte und die Gebote der Kirche vorgeschrieben, tragen die Frauen meist ein großes Umschlagtuch, das Kopf und Oberkörper bedeckt. Die Größe und die Trageweise erinnern an die römische Palla (4). Verziert sind die Kleider mit breiten Besatzstreifen, die auch in byzantinischer Tradition vorkommen (5). Dieser Besatz ist meist kontrastfarbig und mit geometrischen Motiven verziert.
Leider wird nicht klar, ob es sich beim Besatz um gesondert gewebte Borten, eine aufwendige Webkante oder einen Besatz aus dem gleichen oder einem anderen, vielleicht höherwertigem, Material handelt.
2.1.1 Die Bekleidung im einzelnen
Die Zeichnungen, besonders bei den Zuschnittvorschlägen, sind nach Beschreibungen, z.B. in der Vita Caroli, oder nach zeitgenössischen Abbildungen entstanden. Leider liegen (soweit ich weiß) keine komplett erhalten Kleider aus dieser Zeit vor.
2.1.1.1 Unterkleid
Materialvorschlag: feines Leinen, weiß
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Schnittmuster |
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Fertiges Unterkleid |
2.1.1.2 Strümpfe und Strumpfbänder
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Zwei Stoffstreifen (1 rechts, 1 x links). Der Fuß wird in die Mitte gestellt, vorne und hinten entsteht eine Naht. Achtung: Im Fersenbereich nicht zu eng arbeiten, sonst lässt sich der Strumpf nicht an- und ausziehen. |
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Fertiger Strumpf |
Der Strumpf sollte bis kurz übers Knie reichen. Das Strumpfband sitzt über der Wade. Das Band sollte ca. 1 cm breit sein, z.B. ein brettchengewebtes Band. Alternativ ist ein Tunnelzug mit einer Schnur denkbar (z.B. mit einem Fingerflechtband)
2.1.1.3 Oberkleid
Hier sind zwei Möglichkeiten denkbar.
* Erste Möglichkeit: Mein Entwurf orientiert sich an der antiken Tunika:
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Frauen mit langer Tunika, gegürtet, Miniaturen aus dem Stuttgarter Psalter, um 900, aus "Die Alamannen", Ausstellungskatalog |
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Schnittmuster |
Materialvorschlag: ein köper- oder leinenbindiges Wollgewebe. Beim Zuschnitt unbedingt Hüftbreite beachten. Das Kleid sollte gegürtet knöchellang sein. Die Ärmel können ¾ lang sein und das Unterkleid sehen lassen. Eine Auswahl an Stickmotiven findet sich im Anhang.
* Zweite Möglichkeit: Dies ist der Entwurf von X. Krämer und M. Störmer (6). Hier sind eingesetzte Keile vorgesehen
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Entwurf 1 von X. Krämer und M. Störmer |
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Schnittmuster |
2.1.1.4 Manteltuch (Palla)
Materialvorschlag Wollgewebe, etwas gröber als beim Kleid. Ein Maß von ca. 70 x 200 cm ist angenehm zu tragen. Der Rand kann mit kontrastfarbigen Stoff eingefaßt sein oder mit einer brettchengewebten Borte abschließen.
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Frau mit Pella, aus Wolf- Dieter Steinmetz; Ostfalen im achten Jahrhundert |
2.1.1.5 Schuhe
Es lassen sich einfache, wendegenähte Halbschuhe annehmen, für das 6. Jahrhundert sind jedoch noch elegante rahmengenähte Schuhe in römischer Tradition nachgewiesen (7)
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Eleganter Schuh aus dem Wedelspang Moor, Schleswig, aus Margarethe Hald: Primitive Shoes |
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Frauenschuh , Osebergschiff, Zeichnung Charlotte Lindheim, aus Margarethe Hald: Primitive Shoes |
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Schnittmuster zu dem Schuh aus dem Wedelspangmoor, aus Margarethe Hald: Primitive Shoes |
2.1.1.6 Gürtel
Aus den Abbildungen und Befunden (8) geht hervor, daß die Kleider gegürtet getragen worden sind, zumindest dort, wo ein weniger starker Einfluß byzantinischer Mode vermutet werden kann. Dabei ist nicht klar, ob Gürtel mit Schnallen (aus vergänglichen Material wie Bein oder Geweih) getragen worden sind oder ob die Gürtel gebunden waren. Hier könnte man ein brettchengewebtes Band annehmen.
Schmuck:
Trotz Aufgabe der Grabbeigabensitte lassen sich einige Schmuckstücke und metallerne Trachtbestandteile nachweisen. Beliebt waren Glasperlen, Amethystperlen oder Knochenperlen.
Vereinzelt wurden Ohrringe und Haarnadeln getragen. (9)
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Kreuzemailscheibenfibeln dienten wie aus den Abbildungen hervorgeht zum Verschließen des Manteltuches. Auch andere Fibeln, wie Heiligenfibeln und Rechteckfibeln fanden Verwendung. Aus Ausstellungskatalog Hamburg: Fund und Deutung |
2.1.2 Frisuren und Haartracht
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Frauenportraits, aus dem Ausstellungskatalog: Die Franken |
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Flechtfrisuren nach J. Möller, aus dem Ausstellungskatalog: Die Franken |
Die christliche Kirche beeinflußte nicht nur maßgeblich die Lebensgestaltung, sondern auch die Trachtsitten. Es bestand das Ge bot , die Haare in der Öffentlichkeit zu bedecken. Dies ist schon aus römischen Quellen bekannt.
Für den höfischen Bereich sind jedoch auch aufwendige Frisuren beschrieben, die Töchter Karls des Großen sollen sich rote Bänder und Edelsteine ins Haar geflochten haben. Die Abbildungen lassen sowohl auf aufgesteckte Schleiertücher wie auch auf das Bedecken der Haare durch das Manteltuch schließen. Ebenfalls denkbar wäre ein Stirnband, an dem ein Schleier festgesteckt ist, dies ist allerdings nur für die jüngere Merowingerzeit belegt (10).
Zum Aufstecken der Haare sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Diese Frisuren werden durch große Haarnadeln gehalten, wie sie aus verschiedenen Funden vorliegen.
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Junge Frau mit Stirnbinde, aus Wolf- Dieter Steinmetz: Ostfalen im achten Jahrhundert |
Ein Sonderfall ist die Sitte, die Haare lang und offen zu tragen, und mit einer Stirnbinde zusammenzuhalten. Beschrieben wird eine solche „vitta auro ex ornata“ für das Jahr 590 durch Gregor von Tours als Brautschmuck, sozusagen als Abzeichen fränkischer Jungfrauen.
Eine weiterführende Beschreibung der Vitta findet sich im nächsten Kapitel.
2.2 Männertracht
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Edler Franke, aus Knaurs große Weltkulturen: Morgen des Abendlandes |
„Er kleidete sich nach vaterländischer, nämlich fränkischer Weise. Auf dem Leib trug er ein leinenes Hemd und leinene Unterhosen, darüber ein Wams, das mit seidenen Streifen verbrämt war, und Hosen; sodann bedeckte er die Beine mit Binden und die Füße mit Schuhen, und schützte mit einem aus Fischotter- und Zobelpelz verfertigten Rock im Winter Schultern und Brust; endlich trug er einen blauen Mantel und beständig das Schwert an der Seite,“ aus „Vita Caroli“ Einhard
Die Männertracht hat sich, in gewissen Grundzügen, nur sehr langsam entwickelt. Die Grundbestandteile Hose, Kittel, Mantel sind der Tracht der römischen Eisenzeit noch sehr ähnlich (11). Durch den Chronisten Einhard wurde eine Beschreibung der fränkischen Männertracht überliefert. Allerdings werden Details und Materialen nicht völlig klar.
2.2.1 Die Bekleidung im einzelnen
Die Zeichnungen, besonders bei den Zuschnittvorschlägen, sind nach Beschreibungen, z.B. in der Vita Caroli, oder nach zeitgenössischen Abbildungen entstanden. Leider liegen (soweit ich weiß) keine komplett erhalten Kleider aus dieser Zeit vor.
2.2.1.1 Unterhemd
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Schnittmuster Unterhemd |
Bei der Ermittlung der Maße bitte die Schulterbreite beachten. Das Hemd sollte
körpernah sitzen.
Materialvorschlag: feines Leinen
2.2.1.2 Kittel
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Kittel |
Das Kleidungsstück sollte locker sitzen und knielang sein.
Materialvorschlag: Wolle oder Leinen. Als Besatz ist brettchengewebte Borte
oder ein feinerer Stoff denkbar.
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Fränkischer Bauer, aus Ausstellungskatalog: Die Franken |
An diesem Beispiel lassen sich Paßform und Länge des Kittels abschätzen.
Gezeigt ist auch eine Trageweise der Wadenwickelbänder:
Hier, bis zur halben Wade gewickelt, wird die Hose zusätzlich durch ein
schmales Band unter dem Knie gehalten
2.2.1.3 Hose
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Schnittmuster Hose |
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Schnittmuster Hose |
Materialvorschlag: festes Leinen.
Die Hose sollte körpernah, etwa knöchellang, aber nicht eng sein. Beim Zuschnitt Beinumfang beachten. Als Hosengürtel und auch als Material für die Schlaufen hat sich Brettchengewebe bewährt.
Achtung: Der Entwurf für die Hose ist ursprünglich für das 5/6. Jahrhundert entstanden
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Bauer mit Sense, aus Ausstellungskatalog: Die Franken |
Die Hose läßt sich auch ohne Wadenwickelbänder tragen.
Wie man aus dem Bild erkennen kann ist diese Hose etwas
weniger als knöchellang und weitgeschnitten.
2.2.1.4 Wadenwickel
Materialvorschlag: Wolle, Breite ca. 12 cm, Länge ca. 3,5 lfm
Kammwebtechnik
Wie bei auf der Abbildung zu sehen beginnt der Wadenwickel am Fuß und reicht bis Mitte Wade oder bis unter das Knie. Bei kurzen Wickeln wird die Hose zusätzlich durch ein Band unter dem Knie gehalten.
2.2.1.5 Mantel
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Mantel im Detail, aus Knaurs große Weltkulturen: Morgen des Abendlandes |
Materialvorschlag: Wolle
Die kontrastfarbigen oder gemusterten Ränder sind wahrscheinlich im Original als aufwendige Webkanten zu verstehen. Fransen scheinen, im Gegensatz zu den früheren Mänteln, nicht mehr vorzukommen. Große Fibeln sind für die Karolingerzeit aus Bodenfunden nicht bekannt. Auf der Abbildung ist der Mantel mit einem Band geschlossen und nur zusätzlich mit einer Fibel ohne tragende Funktion versehen. Der Mantel könnte jedoch auch geknotet gewesen sein.
2.2.1.6 Zubehör
Schuhe sind bereits in Grundzügen in dem Kapitel Frauentracht beschrieben. Die zeitgenössischen Abbildungen sind, in Details, zum Teil nicht sehr genau, lassen aber keine Unterschiede zwischen Männer- und Frauenschuhen erkennen.
2.3 Muster und Ornamente
Sowohl bei Kleidung wie auch in der Architektur und Buchmalerei spielen Verzierungen eine große Rolle. Einige Muster lassen sich in allen Bereichen nachvollziehen.
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Saum einer Tunika, aus Knaurs große Weltkulturen: Morgen des Abendlandes |
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Buchmalerei, aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
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Putzscherbe, aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
In den Ornamenten werden antike Motive aufgegriffen und bilden zusammen mit einheimischen Traditionen einen eigenen Stil. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich orientalische Seidenstoffe, die ebenfalls Musteranregungen liefern.
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Flechtbandmotiv, geometrische und florale Muster, aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
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Flechtbandmotiv, geometrische und florale Muster, aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
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Flechtbandmotiv, geometrische und florale Muster, aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
2.4 Textile Fragmente
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Sog. Alexanderstoff, Seidengewebe Byzanz oder Ostpersien, 9. Jahrhundert. Aus Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit |
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Textilfragmente aus dem Osebergfund. Aus Anne Stine Ingstad: Tekstilene i Osebergskipet |
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Textilfragmente aus dem Osebergfund, aus Anne Stine Ingstad: Tekstilene i Osebergskipet |
2.5 Textile Entwürfe
Nach den obigen Abbildungen sind einige Verzierungen an Kleidungsstücken entstanden:
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Saumverzierung an einem Frauenkleid nach dem oben beschriebenem Schnittmuster. Ausführung in feiner rosa Wolle auf blauem Wolltuch. |
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Zierband in „Brettchenwebtechnik“ als Verzierung am Saum einer Männertunika nach oben beschriebenem Schnittmuster. Ausführung feines Leinengarn (gelb, grün, rot und blau). |
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Zierband in der „Double-Face-Technik“ als Besatz für ein Unterkleid nach Anleitung O.Staudigel. Ausführung in Standard Nähseide. |
2.6 Die Vitta
Als Vitta oder auch Vitta auro ex ornata wird eine schmale Stirnbinde bezeichnet, die von Männern, Frauen und Kindern getragen wurde. Die genaue Bedeutung ist unbekannt (12). Deutungen als Brautschmuck fränkischer Jungfrauen aus adeligen Kreisen (für das 6./7. Jahrh.) bis hin zur Vitta als Zeichen des Adelsstandes bei Männern in der Karolingerzeit sind versucht worden.
Ursprünglich aus Byzanz stammend, verbreitet sich die Vitta bis zum 10. Jahrhundert nach Norden bis nach Skandinavien (13). Die Vitta auro ex ornata, als eine mit Golddraht- oder Goldlahnfäden versehene Variante, ist verschiedentlich anhand der Goldbestandteile nachgewiesen worden.
So für das Grab einer fränkischen Adeligen unter dem Kölner Dom (14), für eine Kinderbestattung aus der ersten Bistumsperiode in Starigard (Oldenburg i.H.)(15) und eventuell für das sog. Königsgrab von Enzen (16). Als Herstellungstechnik wird das sog. Brettchenweben, eine Schnurbandtechnik, vermutet. (17). Die im Grabungsbefund lose vorliegenden Goldfäden weisen auf diese Herstellungstechnik hin, die Fäden könnten in der Broschiertechnik (18) verwebt worden sein (19). Nach Abbildungen von Männern aus der Karolingerzeit scheinen auch Stirnbänder aus verschieden Materialen (z.B. Seide) getragen worden zu sein. An den Enden der Bänder sind aber in fast allen Fällen Fransenabschlüsse zu erkennen. Das weist wieder auf die Brettchenwebtechnik hin.
Inwieweit Frauen zeitgleich die Vitta getragen haben wird aus den Abbildungen nicht klar. Aus der Literatur ist mir keine Erwähnung bekannt. Es wird lediglich berichtet, daß sich die Töchter Karls des Großen bunte Bänder in die Zöpfe flochten.(20)
3 Anmerkungen
- Ulla Eisenhauer: Bekleidung und Textiltechnik in Haithabu
- Dr. Mechthild Schulze-Dörrlamm: Schmuck (Das Reich der Salier)
- Vita Caroli/Einhard, ab zwölftes Jahrhundert (?)
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Bildnis einer Ubierin (Wolf Dieter Steinmetz: Ostfalen im achtem Jahrhundert) Mosaiken von Ravenna
- siehe Literaturnachweis
- O. Doppelfeld 1959
- Soest, Lübecker Ring Grab 66
- Soest, Lübecker Ring Grab 48, Ketzendorf Stadt Buxtehude, Fundplatz 9, Grab 13
- Gundula Zeller, Tracht der Frauen
- zum Vergleich: K. Schlabow, vornehmes Germanenpaar (Markussäule)
- Doppelfeld 1959
- Gabriel, Hofkultur
- Doppelfeld 1959, zu besichtigen im römisch/germanischen Museum Köln
- Gabriel, Hofkultur
- Heinz Ritter-Schaumburg
- Heinz Ritter-Schaumburg
- Musterbeispiel:
- Eindruck beim genauen Besehen der Fäden im römisch/germanischen Museum, Köln
- Einhard: Vita Caroli
4 Literaturhinweise
* Ausstellungskatalog: 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit
* Heinz- Ritter Schaumburg: Sigfrid ohne Tarnkappe
* Peter Collingwood: The Techniques of Tablet Weaving
* Anne Stine Ingstad: Tekstilene i Osebergskipet
* Torsten Capelle: Die Sachsen des frühen Mittelalters
* Knaurs große Kulturen: Morgen des Abendlandes
* Bruno: Das Buch vom Sächsischem Krieg
* Rudolf Pörtner: Die Erben Roms
* Schmid: Fragen an die Geschichte 1
* Wolf- Dieter Steinmetz: Ostfalen im achten Jahrhundert
* Ralf Koneckis (Hrsg.): Geheimnisvolles Soest
* Nany Spies: Ecclesiastical Pomp & Aristocratic Circumstance
* Otto Doppelfeld: Das Frauengrab unter dem Chor des Kölner Doms
* Margarthe Hald: Ancient Danish Textiles from Bogs and Burials
* Michael Müller-Wille (Hrsg.): Starigard/ Oldenburg
* Ausstellungkatalog: Fund + Deutung (Hamburg)
* Ralf Busch (Hrsg.): Von den Sachsen zur Hammaburg
* Otfried Staudigel: Der Zauber des Brettchenwebens
* Begleitheft zur Ausstellung in Meppen 1991: Versunkene Dörfer
* Austellungkatalog: 794 Karl der Große in Frankfurt am Main
* Albert Genrich: Die Altsachsen
* Ausstellungskatalog: Ãœber allen Fronten
* Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor
* Ausstellungskatalog: Die Alamannen
* Widukind: Sächsische Gschichte
* Willy Groenman-van Waateringe: Die Lederfunde von Haithabu
* Austellungkatalog: FundMengen
* Austellungskatalog: Die Franken- Wegbereiter Europas
* Peter Brown: Die Entstehung des christlichen Europas
* Karl Schlabow: Gewebtes Leinen in urgeschichtlicher Zeit
* Karl Schlabow: Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland
* Sabine Wolfram (Hrsg.): Kleider machen Leute, Leute machen Kleider
* Xenia Krämer u. Michael Stömer: Das Buch der Gewandungen
* Ausstellungskatalog: Grabungskampagne 1994
* Backes/ Dölling: Die Geburt Europas
* Ausstellungskatalog: Das Reich der Salier
* Guiseppe Bovini: Die Mosaiken von Ravenna
* Margarethe Hald: Primitive Shoes